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Beilage zu Nr. 112. Dienstag, 29. September 1W8. Furchtbare Aataftrophe auf -er Berliner Hochbahn! Auf der Berliner Hochbahn am sogenannten Gleisdreieck stießen am Sonnabend nachmittag gegen 2 Uhr zwei Züge gegeneinander, und zwar mit solcher Gewalt, daß ein Wagen dritter Klasse den Viadukt hinabstürzte, wobei er total zertrümmert wurde, während der folgende Wage« zweiter Klasse an dem Viadukt in den Telegraphendrähten hängen blieb. Die In« sassen des zertrümmerten Wagens dürfte« zum größte« Teile getötet oder schwer verwundet sein. Die Trümmer biete« eine« furchtbaren Anblick. Die Feuerwehr ist mit den Bergungs arbeiten beschäftigt. Der Betrieb der Hochbahn ist gänzlich eingestellt. Der Zusammenprall geschah mit solcher Wucht, daß die Katastrophe bis in die Trebbiner Straße gehört und gesehen werden konnte. Eine hohe Flamme schlug empor, da Kurzschluß entstanden war. Die Insassen des in der Luft schwebenden Waggons schrien um Hilfe. Ein paar junge Leute sprangen aus den Türen und Fenstern auf den Hof der Gesellschaft für Kühlhallen. Sie zogen sich nur Verstauchungen zu, da der Hof mit weichem Sand bedeckt ist. Einen besonders glücklichen Sprung tat ein Passagier, der sich in dem Wagen 2. Klasse befand und der in der Angst aus dem Wagen heraus auf den Hof deS Grundstücks Luckenwalder Straße 2 hinab- sprang; unten schlug er auf einen Sandhaufen auf und erlitt dadurch nur unbedeutende Verletzungen. Andere Insassen des zweiten Wagens retteten sich über die Gleise. Auf der Unglücksstätte sah mau zunächst nichts weiter als einen wüsten Trümmerhaufen. Der zer trümmerte Wagen liegt genau im Hofe der Gesellschaft für Kühlhallen. Nach der Unglücksstätte herrschte eine wahre Völkerwanderung. Auf die Nachricht von der Katastrophe hin pilgerten Tausende von Neugierigen nach der Luckenwalder Straße. Ein großes Schutzmanns« aufgebot hielt aber die Unfallstelle in weitem Umkreise abgesperrt, sodaß niemand in den Hof der Gesellschaft gelangen konnte. Die Ursache des Unglücks. Der Direktor der Hochbahn-Gesellschaft, Baurat Paul Wittich, gab von der Katastrophe folgende Schilderung: Zusammengestoßen sind zwei Züge der Linien West-Ost und Stadt-Ost. Der Führer des letzteren, vom Bahn hof Bülowstraße der kommend, hat das über dem Gleis- dreieck befindliche Haltesignal übersehen. Einen Moment später kam der vom Leipziger Platz nach Osten fahrende Zug, der nicht sofort bremsen konnte und daher trotz ver« mtnderter Schnelligkeit auf der Weichenkreuzung den auf dem Außengleise befindlichen Zug mit furchtbarer Gewalt beiseite drängte, sodaß dieser das Schutzeisen durchbrach und vom Viadukt herunterstürzte. Der erste Wagen ist furchtbar zertrümmert; der zweite Wagen, der Wagen 2. Klasse blieb hängen. Der Motorführer ist tot. Jie Tochter des Seiltänzers. Roman von B. Corony. gg In böser Stimmung kam der Schneidemüller nach Hanse, und die wurde nicht besser, als ihn Walter mit der hämischen Frage empfing: „Was ? Schon so schnell wieder da? Hast Dich wohl nicht amüsiert, oder die gnä dige Verwandtschaft war nicht besonders nett? Die ver- stehn's einem ja zu zeigen, wenn man überflüssig ist." „Das hat mir noch keiner gezeigt." „O je.. Natürlich, m einer Hinsicht schon Nicht. Ich mein, wenn's auf Geldhergeben ankommt; aber sonst.. ." „Sei still!" „Meinetwegen!" Walter steckte sich eine Zigarre an. „Hör auf mit der ewigen Raucherei! Das ganze Zim mer ist ja schon blau vor Dampf." „Seit wann darf denn das nicht mehr sein?" «Seitdem mir der Qualm den Atem nimmt." doch das Fenster auf." ^ben wir nicht miteinander gewettet. Weg Hand A Glimmstengel, oder ich schlage ihn Dir aus der ^.1' bazu. Einer, der's tut, und einer, laßt. Aber wegen so einer Lappalie mag uh mcht herumstreiten. Da! .. Hab' Deinen ben"" " Gaßbachs müssen Dich ja mächtig geärgert „Kein Mensch hat mich geärgert. Wenn ich Dich seh, läuft mir die Galle über." „Natürlich, einen Sündenbock muß es doch geben. Bin ich nicht zu Hause, dann wird gewettert darüber, bin ich aber da, so ist's auch nicht recht." „Geh' zu Bett!" „Na, dann gute Nacht, Vater!» „Gute Nacht!.. Was stehst Du denn immer noch hier ?" „Weil ich Dich um was bitten möchte." Berichte vo« Augenzeuge«. Von einer Dame, die sich unter den Geretteten be findet, wird das Hochbahn-Unglück folgendermaßen ge- schildert: Wir fuhren gemütlich plaudernd, vom Zoo logischen Garten nach dem Potsoamer Platz, als plötzlich ein furchtbarer Stoß erfolgte, ein heftiges Gepolter und ein wildes Durcheinanderschleien der Insassen des Zuges. Dann folgte einen Moment lautlose Stille. Wir wurden emporgerissen und bemerkten, daß unser Wagen halb schräg in Drähten hing. Einige beherzte Männer zogen uns aus dem Wagen heraus und so kamen u ir mit dem Leben davon. Ein Blick in die Tiefe überzeugte uns, daß der erste Wagen vollkommen zertrümmert unten lag. Unter den Trümmern konnte man die blutenden Körper der Verunglückten erkennen. Nur den Drähten haben wir es zu verdanken, daß der zweite Wagen, der die zweite Klasse führte, nicht abgestürzt ist. Die Bergung der Leichen bot einen entsetzlichen An blick. Eine Leiche nach der anderen wurde unter den Waggontrümmern hervorgeholt und auf die Sette gelegt. Zumeist waren es junge Mädchen aus dem mittleren Stande. Der einen Toten war der Kopf völlig zermalmt, einer anderen Leiche fehlten die Arme und einer dritten waren die Beine zerschmettert. Ein Fahrgast, dem der Kopf fast vollständig zerschmettert war, lebte noch einige Minuten. Eine Frau, der die Arme zermalmt waren, flehte um Wasser; als man eS ihr reichen konnte, war ste bereits tot. Dem Motorführer Fink des abgestürzten Wagen waren beide Beine abgequetscht. Wer nicht starke Nerven besaß, vermochte den Anblick kaum zu ertragen. Mit großer Aufopferung machten sich nicht allein die Feuer wehrleute, sondern auch die Polizeibeamten und viele frei willig herbeigeeilte Männer auS dem Publikum an die Rettungsarbeiten. Erst nachdem man sich vergewissert hatte, daß niemand mehr unter den Trümmern lag, wurden die Bergungsarbeiten eingestellt. Die Leichen wurden mit Wagen de« Verbandes für erste Hilfe dem Leichenschau- Haus zugeführt. * * Lie Berliner Hoch. u«d Untergrundbahn ist ein Werk der Firma Siemens L Halske. Die Bahn beginnt im Osten Berlins in der Nähe des Schlesischen Bahnhofs, führt am Görlttzer Bahnhof vorbei und geht in westlicher Richtung über das Hallesche Tor bis zum Bahnhof Zoologisch r Garte»; die letzte Strecke vom Nollendorf-Platz bis zum Zoologischen Garten ist als Untergrundbahn gebaut, ebenso eine kurze Strecke der Zweiglinie zum Potsdamer Bahnhof (Leipziger Platz). Von hier aus ist erst in diesen Tagen eine Weiterführung der Untergrundbahn unter der Leipziger Straße fertig- gestellt worden und soll am 1. Oktober dem Verkehr über geben werden. Alle auf dieser Bahn verkehrenden Züge führen drei große Wagen von je 15,6 Meter Länge; vorn und hinten je einen Wagen dritter, in der Mitte einen Wagen zweiter Klasse. Der Wagenführer, der den elektrischen Motor be dient, hat vorn im ersten Wagen hinter einer großen Glaswand seinen Platz. Die Züge verkehren mit etwa 40 Kilometer Geschwindigkeit tn der Stunde, auf dem Gleisdreieck jedoch nur mit der halben Geschwindigkeit. „Das wäre?" „Um ein paar Goldfüchse." „Die kriegst Du nicht. Für Deine Schlemmerei hab' ich kein Geld mehr übrig." „Aber Dein Herr Schwiegersohn kann Dich anpum pen, so viel es ihm beliebt, nicht wahr? Da greifst Du immer pflichtschuldigst in die Tasche.Tausende sind wieder hinausgeworfen worden, und wenn man Dir nicht ein mal dankt dafür und Dich als fünftes Rad am Wagen behandelt, dann steckst Du's auch ergebenst ein." „Unverschämter Bursche!" „Mach's gnädig! Ich bin doch Dein Sohn!" „Aber was für ein liebloser, roher!" „Die Undine scheint Dich auch nicht gerade auf den Händen zu tragen und die hätte doch wirklich alle Ur sache dazu. Der hast Du ja schon ein Vermögen geopfert. Zum Dank dafür wirst Du in Neunkirchen kurz abgefer tigt und nach Hause geschickt, wenn's der vornehmen Sippe so paßt. Mit mir haben sie's ja nicht anders gemacht, doch mir liegt wenig daran. Ich geh' einfach nicht wie der hin; aber Du .. Dir kann man ja alles bieten." „Hör'auf, sag' ich!" „Es ist wahr!" > „Gelogen ist es! Da steht der Mann, der .. ." „Gut zum Schuldenbezahlen ist." „Sobald es mir paßt, bezahl'ich keinen Pfennig mehr." „Ja, ja, es paßt Dir aber eben nie. Du bist immer der gute Papa, der den Geldlack hübsch offen hält und sich im übrigen ganz nach Belieben beiseite schieben läßt. Als ob ich das nicht wüßte!" „Nun ist's genug mit Deinen Hetzereien!" „Für die Undine wirfst Du das Geld mit vollen Hän den zum Fenster hinaus, für mich sind schon ein paar Ta ler zu viel." „Jetzt ist's Zeit, daß ein Ende gemachiwird. Ich will mir nicht die ganze Nacht verderben lassen... Geh Dei ner Wege!" Aus Sachsen. Wilsdruff, den 28. September. Die Unterschlagungen in der Dresdner Bank in Dresden, die vor einiger Zeit entdeckt wurden, reichen schon 22 Jahre zurück und sollen die zuerst angegebene Summe von 250000 Mark noch bedeutend überschreiten. Eckert soll Tratten durch Anhängen einer Null gefälscht und den AufstchtSrat damit getäuscht haben, daß er zwei Aufstellungen führte, eine richtige und eine falsche, mit denen er je nach dem Zweck des offiziellen oder private» Gebrauches hantierte. Da er die Hauptgeschäfte seines Ressorts selbständig erledigte und fast immer mit Lehrlingen und Praktikanten arbeitete, war es ihm möglich, stets alle Faden in der Hand zu behalten, so daß kein Kontroll fähiger einen Einblick in das Truggewebe seiner Buch führung gewinnen konnte. Ein raffinierter und gemeiner Schwindler, der seine Straftaten zumeist in Dresden verübte, wurde von der ersten Strafkammer des Landgerichts Bautze« zu zwei Jahren Gefängnis und dreijährigen Ehrenrechtsver lust verurteilt. Der 21 Jahre alte Buchdrucker Karl Richard Herzog auS Bautzen, trotz seiner Jugend schon dreimal vorbestraft, hatte anfangs in Bautzen mehrere Betrügereien verübt und hierbei über 130 Mk. erschwindelt; im Juli d. I. verlegte er den Schauplatz seiner Schwindeleien nach Dresden, zunächst tn die Familie deS Geheimrats Dr. B. Dort gab er einen auf den Namen seiner Mutter gefälschten Brief ab, welcher an die inzwischen verstorbene Frau Kommerzienrat (die Mutter des Geheimrats) adressiert war und ging dahin, die Herzog sei schwer krank, befinde sich in bitterer Not, sie benötige 40 Mk. Der Sohn der Frau Kommerzienrat habe während seiner Militärzeit bet ihr gewohnt und kenne sie als eine rechtschaffene Frau; ste bitte, dem Ueberbriuger dieses Briefes, ihrem Sohne, dir 40 Mark auszuhändigen. Der Geheimrat ließ sich durch daS unbefangene Auftreten deS Schwindlers täusche». Drei Tage später erschien Herzog bei einer Bekannten seiner Mutter und log dieser vor, seine Mutter liege in der Fraueukltnik krank und brauche, da die Verpflegkosten im voraus zu entrichten seien, 20 Mk. die er auch von der Getäuschten empfing. Am 3. August erklärte Herzog einem Dresdner Postasststen, seine Mutter sei tn der Frauenklinik gestorben und solle nach Bautzen überführt werden, wobei er einen auf den Namen seines Onkels, des PostverwalterS Keller, gefälschten Brief vorzeigte und daraufhin das erbetene „Darlehn" von 30 Mk. erhielt. Am gleichen Tage erschwindelte der Schwarzkünstler in Schmölln bei Bischofswerda beim Bäckermeister Lebelt 150 Mk., indem er angab, sei» Bruder habe 700 Mk. unterschlagen und die Mutter wolle vollen Ersatz leisten. Der Angeklagte, der seinen rechtschaffenen Eltern schon vielen Kummer bereitet hat, war geständig. Vor einiger Zett verspürte die Witwe Kloß in Steinigtwolmsdorf öfters Schmerzen im Leibe; heftiges Scharren und Kratzen machte sich bemerkbar und eS überkam die Frau ein eigentümliches Gefühl im Halse, als ob etwas heraus wollte. Sie machte deshalb eine Kur, um einen vermuteten Bandwurm zu beseitigen. Eines Tages, zum Erbrechen gereizt, kam eine fingerdicke Zwei Goldstücke flogen auf den Tisch. Walter raffte sie auf. „Aber heute bleibst Du zu Hause. Marsch in Dein Zimmer!" „Na, so 'n Stündchen oder zwei muß ich mir noch Bewegung machen. Bin ohnedem schon ganz steif gewor den von dem langen Sitzen und Warten." Die Tür flog hinter ihm zu. Gleich daraus sah der Schneidemllllcr, wie sein Sohn aus dem Hause trat. Mit beiden Händen fuhr sich Schröder in das graue Haar und stöhnte: „Die Kinder! Die Kinder! Datunur einer was für sie! Narr, der auch nur einen Groschen hingibt! Da opfert man sich, da verschwendet man sein Hab und Gul., und für was, für was? Damit man dann doch allein und verlassen in die Grube fahren kann. ..Aber es soll anders werden! Ich mag nicht mehr den gutmütigen Dummkopf machen. Ihr sollt mich alle noch kennen lernen und Respekt vor mir bekommen!" Eine schlimme Nachtfolgte diesen Auslegungen. Schrö der konnte nicht schlasen, weil ihn diese Gedanken wach hielten .. und was für Gedanken! Frühmorgens war der Schneidemüller schon wieder auf und revidierte die am Abend eingeqangenen Briefe, welche noch uneroffnet aus dem Schreibtisch lagen. ^,a, wa^ sollte denn das heißen? .. Eine Rechnung für Heu und Hafer, Und er hatte dem Christian, als gedm holte, doch das Geld dafür mitge- Das Gesicht des alten Mannes wurde ganz blaurot vor Zorn. In seinen Filzpantoffeln schlurfte er die Treppe hinab und in den Hof, wo der Knecht eben das Riemen zeug putzte. „Dn Dieb und Betrüger!" fuhr er ihn an. „Der Wurm stich verlangt Bezahlung von mir und ich bin ihm leinen Pfennig schuldig." 154,16 Mit dummen, erschrockenen Augen glotzte ihn der Mensch an und stammelte einige unverständliche Worte.