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8MM si, MM Beilage zu Nr. 110. Donnerstag, 24. September 1908. Aus Sachsen. Wilsdruff, den 23. September. Ein schweres Ende hat die 1855 iu Dresden geborene, BischofSweg 86 wohnhaft gewesene Handarbeiters witwe Faßte gefunden; sie wurde gestern nachmittag in ihrer Wohnung als Leiche ausgefunden. Die Frau wurde schon seit vier Wochen nicht mehr gesehen, und da die Wohnung verschlossen war, wurde der Bruder benach richtigt, der aber der Angelegenheit weniger Wert bei legte, da er annahm, daß die Schwester anderweit bei Verwandten auf Besuch weile. Nachdem sich aber diese Annahme als irrig herausgestellt hatte, wurde gestern behördlicherseits die Wohnung geöffnet. Die Leiche wurde, nur mit Hemd bekleidet, in der Stube vor dem Ofen liegend aufgefunden; die Beine waren bis zum Knie verbrannt. Jedenfalls hat die Frau Feuer anmachen wollen, ist aber dabei von einem Ohnmachtsansall oder Schlag getroffen worden und hat so einen schweren Tod erleiden müssen. Eine originelle Jägergeschichte, die den Vorzug hat, kein Jägerlatein zu sein, erregt in Radeberg viel Heiterkeit: Dem Besitzer des Goldbachteiches waren aus seinem Fischbestande wiederholt zur Nachtzeit Karpfen ge- stöhlen worden, so daß er einem Beamten der Wach- und Schließgesellschaft austrug, scharf Obacht zu geben und den Dieb zu ermitteln. Im Schilfe waren wiederbolt Spuren zu beobachten, die auf die Anwesenheit Unberufener schließen ließen; sie verloren sich aber am Ufer. Der Be- amte legte sich auf die Lauer und beobachtete nau kürz lich nachts, wie sich im Schilfe etwas bewegte. Er schlich sich näher und bemerkte im Schilfe einen — großen Hund, der auf der Lauer lag und jedesmal, wenn ein Karpfen den Kopf aus dem Wasser steckte, danach schnappte. Der originelle Karpfenjäger ergriff, aufgestöbert, sofort das Hasenpanier. Jedenfalls war eS ein auf Wildenten ab- gerichteter Jagdhund. Die Herrnhuter Brüdermission schließt ihre Jahresrechnung 1907 mit einem sehr hohen Fehlbeträge ab und zwar mit 235000 Mark. Die Entstehung des Fehl- betrage« ist dadurch zu erklären, daß die Einnahmen um I5OOOO Mark hinter denen des Vorjahres zurückgeblieben Ausgaben infolge ungünstiger wirtschaftlicher ArbatMlsse jn Nicaragua und Südwestasrika um etwa 100000 Mark gestiegen sind. Zur Zeit stehen 101483 Seelen in Pflege der Herrnhuter Brüdermtssion; 558 Heiden wurden im Vorjahre im Arbeitsgebiete getauft. Jn der Nähe des Zschäkclscheu Restaurants am Exerzierplätze in Copitz spielten die beiden Kinder des Arbeiters Hantzsche, ein Knabe und ein Mädchen im Alter von etwa 2 und 5 Jahren. Sie wollten beide noch kurz vor einem beladenen Kohlengespann die Straße kreuzen, kamen aber zu Fall. Der Kutscher konnte den schweren Wagen auf der abschüssigen Straße nicht mehr halten, und die Räder gingen über die Kinder hinweg, die sofort getötet wurden. Im sausenden Tempo kam dieser Tage ein Auto von der Schweizermühle durch Hermsdorf (Sächs. Schweiz) angejagt. Der Chauffeur hatte von seiner Hupe keinen Gebrauch gemacht und dadurch den Unmut der Alten und der Jungen erregt. Da auf einmal zeigt sich Die Kochterdes Seiltänzers. Noman von B. Corony. 80 „Was ist Dir?" rief die Erschrockene. „Tante Ottilie, Gott weiß, wie schwer es mir fällt, Dich zu verlassen, aber rch muß fort. Der Boden brennt unter meinen Fußen und die Luft ist vergiftet Ich kann nicht mehr atmen, nicht mehr leben hier. Ich muß fort morgen, heute, auf der Stelle!" ' „Nur ruhig, Kind, nur ruhig! Komm auf mein Zim mer." Mit sanfter Gewalt führte die alte Dame das erregte zitternde Mädchen inSHauS. , ,,Na, was machst Du denn wieder für ein Gesicht, Walter? Ich kann'S nicht leiden, wenn einer immer so mürrisch und verdrossen da fitzt," rief Schröder, der sich selbst in übelster Laune befand, weil sein Leiden bedenk liche Fortschritte machte. „Da schmeckt einem ja kein Bis- sen und der Wein wird förmlich sauer im Glase. Gestern hab ich allem zu Abend gegessen und diesen Morgen seid ihr beide wie vor den Kopf geschlagen. Gibt's denn gar Nichts zu erzählen von Neunkirchen?" .. ^Wte Undine spöttisch. „Zu er- zählen wäre schon so manches. Aber es lohnt ja gar nicht der Mühe. Nur so viel sei erklärt: den Walter nehme ich nicht mehr mit. Er machtja zu alberne Geschichten." „Du! Tu Dir nur nicht gar so viel auf Deinen Ver- ^"^till sag ich!" Der Schneidemüller schlug auf den Tisch und' fuhr fort: „Hat's schon wieder Streit gegeben? Ist das eine Art zwischen Bruder nnd Schwester? Jetzt raus mit der Sprache! Was ist geschehen. Es schickt sich nicht, daß Walrer immer hinter The- cesePinder herläuft. Er macht sich lächerlich damit." „Du machst Dich noch viel lächerlicher, weil Du gar nicht weißt, was vorgeht." quer über die Straße hinweg eine Schar kleiner Bürschchen, die alle mit den Händen Zeichen geben. Das Auto hält und der Besitzer fragt, was denn los sei? .Nischt" — so ruft ganz dreist so ein Dreikäsehoch — „aber Sie müssen doch rrscht blasen!" Natürlich Tableau, und flugs flog die jugendliche Schar auseinander. Zu dem aus dem Barackenlager Zeithain ge- meldeten Brand wird weiter mitgeteilt, daß ein Pferd die Lampe heruntergeworfen haben soll. Jn dem Stroh hat sich das Feuer blitzschnell ausgebreitet. Lei dem Brande kamen 16 Pferde um, und ebensoviel wurden zum Teil schwer verletzt, so daß noch einige getötet werden mußten. Die Mannschaften konnten nur ihr nacktes Leben retten. Da sie am Sonnabend einen äußerst anstrengenden Dienst gehabt hatten, so haben sie sehr fest geschlafen. Die 17. Ulanen bemerkten den Brand zuerst, und ihnen danken die Mannschaften ihr Leben. Großer Schaden ist durch das Verbrennen der Futtervorräte und der Ansrüstungs- gegeostände, z. B. Sättel, Taschen, Zäumungen usw., entstanden. Zwischen den Trümmern bemerkte man Säbel und dergleichen Sachen, u. a. auch einige ge- schmolzene Taschenuhren, die den Stallwachen gehörten. Nur der günstigen Windrichtung ist es zuzuschreiben, daß die übrigen, dicht anstoßenden Baracken verschont geblieben find. Bereits hatte das Dach der benachbarten Koch- und Spetseküche Feuer gefangen, doch gelang es den An strengungen der Feuerwehren, diese Gebäude zu erhalten. Am Brandherde erschienen die Röderauer und die Zeit hainer Feuerwehr, die in Gemeinschaft mit der Lösch mannschaft des Lagers den Brand bekämpften. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt. Der Stall soll einen Wert von 22000 Mk. gehabt haben. Jn gemeinsamer Sitzung haben Rat und Stadtver ordnete zu Oschatz 277000 Mk. für die Errichtung eines städtischen Elektrizitätswerkes bewilligt. Das Werk wird nach den bereits ausführlich vorliegenden Plänen des technischen Beraters, Herrn E. G. Fischinger, vormaligen Fabrikdirektors in Dresden nach dem Dreh- stromjystem mit 3000 Volt Spannung im Hochspannungs netz und 125 Volt für Licht und 220 Volt für Kraft als Konsumspannung im Niederspannungsnetz errichtet. Für Licht wurde dir niedrige Spannung von 125 Volt, die ohne jede technische Schwierigkeit beim Drehstrom system erreichbar ist, mit Rücksicht auf die um ca. 70°/„ sparsamer brennenden Metallfadenlampen gewählt. Die gewählte Hochspannung von 3000 Volt ermöglicht es, auch die umliegenden Ortschaften an das Werk anzuschließen, also das Werk sür eine Uebcrlandzentrale auszubauen. Als Betriebskraft werden zwei Dampf- Maschinen, jede normal 150 und eine Dampfmaschine von normal 60 effektive Pferdestärken leistend angewendet. Offerten sür die Lteferungsobjekle liegen bereits vor, die Aufträge wcrden in nächster Zeit vergeben. Frau Apotheker Hertug in Chemnitz, die von dem Lehrling Löwe durch eine Anzahl Dolchstiche schwer verletzt wurde, ist nahezu wieder hergestellt und konnte am Donnerstag das Krankenhaus verlassen. Dagegen ist ihr schwer kranker Gatte, Apotheker Aurel Wilhelm Hering, Donnerstag abend seinen Leiden erlegen. Aus Carlsfeld wird geschrieben: Nach der jetzt beendigten Taxierung, die nur das Nötigste und Auf- fälligste berücksichtigt bat, beträgt der Privatschaden der Wasserflut am 7. August allein in unserem Orte rund 85O00 Mk. und der Schaden der Gemeinde rund 28000 Mk- 20000 Mk. werden allein die Wege herzu stellen kosten, für welche die Gemeinde zu sorgen hat. Unvergleichlich größer find dagegen die Aufwendungen die dem Staate zufalleu. Die König!. Straßen und Wasser- bauinspektion Schwarzenberg hat gleich ein eigenes Bureau hier errichtet. Durch einen Sprengschuß im Lippoldschen Stein bruch bei Schwarzenberg wurde ein ungefähr acht Zentner schwerer Stein 200 m weit geschleudert. Der Stein fiel auf eine Villa, durchschlug das Dach, sowie den starken Balken und fiel in einem Mansardcnzimmer mit solcher Wucht nieder, daß die Wände Risse bekamen. Der Fußboden, sowie die Decke zum unteren Stockwerk wurden ebenfalls zum großen Teil zerstört. Als ein Glück ist es zu bezeichnen, daß die Bewohner des Zimmers den Raum kurz zuvor verlassen hatten. Ein anderer Stein flog noch weiter bis in die Nähe eines Karussells. Auch hier wurde niemand verletzt. Bis auf weiteres ist die Arbeit in dem Bruche untersagt. Am Sonnabend vormittag sollte in Oberwiesen thal eine Hochzeit stattfinden. Als der Bräutigam zur festgesetzten Zeit bei der Braut erschien, fand er ver- schlossene Türen. Die Braut schien sich eines besseren besonnen zu haben und war mit ihren Eltern am Tage vorher abgedampft. Während des Manövers ereignete sich, wie aus Lengenfeld berichtet wird, ein aufregender Vorgang. Ein Hauptmann des 179 Infanterieregiments hatte mit seinem Pferd den Bahnkörper betreten, als oer Zug nahte. Es gelang dem Hauptmann, das Pferd vom Bahnkörper herunterzubringen, aber es lief dorthin wieder zurück. Noch ehe der Zug heianbrauste, gelang es dem Hauptmann, sich ans dem Sattel zu schwingen und so wenigstens sich selbst in Sicherheit zu bringen. Das Pferd wurde bald darauf von der Maschine in die Hinterbeine gefahren und so verletzt, daß es alSbald an Ort und Stelle erschossen werden mußte. Zwei leerstehende Lokomotiven stießen auf dem oberen Bahnhof in Reichenbach in der Nähe des Maschinenhauses mit den Tendern zusammen, wobei sie aus den Gleisen geworfen und beträchtlich beschädigt wurden. Personenschaden oder Verkehrsstörungen sind dabei nicht entstanden. Eine gröbliche Störung des Gottesdienstes ver übten vorigen Sonntag ein Fabrikarbeiter, der in der Stadtkirche in Aue vormittags im betrunkenen Zustande nach einer Vermeidung des Geistlichen Bravo! rief und in die Hände klatschte, auch sehr laut in die Rede deS Geistlichen hineinsprach und als der allgemeine Gesang verklungen war, »och längere Zeit laut allein sang. Der S'örensried mußte mit Gewalt aus der Kirche entfernt werden und steht nun seiner Bestrafung entgegen. Der im Juli vom Schwurgericht wegen Mordes zum Tode verurteilte noch nicht 20 Jahre alte Wirtschaft? - gehilfe Martin Böttger aus Tegau, der seine Geliebte, die ledige Pöllmann, iu Tegau erdrosselt und in einen Teich geworfen hatte, ist nicht begnadigt worden. Er wird in dieser Woche in Greiz enthauptet. „Ich stand gestern schon länger als zehn Minuten hin ter den Bäumen." „So? Du hast also wieder gehorcht? Na, dann kol portiere nur jedes Wort." „Verstehen konnte ich nichts, aber gesehen habe ich, daß Du das Mädchen förmlich verfolgtest und daß sie Dich abfertigte wie einen dummen Jungen. Wenn die Leute im Haus das bemerken, werden sie sich schön lustig über Dich machen." „Gib nur acht, daß sich keiner über Dich lustig macht." „Recht hat sie! Das gehört sich nicht," stimmte Schrö der der Tochter bei. „Was hast Du Dich um die einge bildete Mamsell zu bekümmern?" „Sie gefällt mir." „Aber Du gefällst ihr nicht, wie es scheint, und irrst Dich auch sehr, wenn Du meinst, daß ich solche Liebe leien auf Neunkirchen dulden würde." „Dann habe nur ein scharfes Auge auf Deinen zu künftigen Herrn Gemahl." „Was sagst Du?" „Daß man allerlei wissen will." »Fängst Du schon wieder zu verleumden an? Aus Deinem Mund kommt ja nichts wie Gift und Galle. Du mißgönnst es mir, daß ElgaÄ mich liebt und gewählt hat. Kümmere Dich um Deine eigenen Angelegenheiten und lasse die meinigen aus dem Spiel." Sie trat dicht vor ihn hin. „Dein Verstand wird immer weniger, doch Deine Bosheit und Dein Neid wachsen von Tag zu Tag. Das kommt aber daher, weil sich der Vater nie ein ern stes Wort mit Dir zu reden getraut." „Oho! Möchte mir's ausgebeten haben, daß ich in Ruh gelassen werde!" brauste der Schneidemüller auf. „Ich getrau mir's nicht zu sagen? Wär das ersü Mal. Zugegeben, daß der Walter eine lose Zunge Hut, die Geschichte mit der Mamsell Pinder paßt mir aber auch schon längst nicht mehr. Die hochnäsige Person, die ganz und gar zu vergessen scheint, non was fürBagabundenvolk sie abstammt, soll fort.. oder aus derHeiratwird nichts " Undine brach in Tränen aus. „Was ist denn hier vorgefallen?" fragte Roßbach ein tretend. Ersah verstimmt und unfreundlich aus, denn es ver droß ihn tief, daß Walter, was noch verschwiegen blei ben sollte, so jäh aufgedeckt hatte. „Was vorgefallen ist?" rief Schröder. „Dumme Re dereien sind entstanden. Die müssen ein Ende nehmen und zu dem Zweck ist's notwendig, daß gewisse Leute: Neunkirchen so schnell als möglich verlassen." „Von wem reden Sie denn?" „Na, wenn Sie's wirklich nicht wissen: von Mamsell" Therese. Die muß fort!" „Sie schlagen einen Ton an, der mir nicht gefällt." „Das tut mir leid, mir gefällt aber auch so manches keineswegs. Und wenn ich sage ..." „Still!" unterbrach Undine und eilte auf Roßbach zu. „Der Vater ist aufgeregt, weil Walter ihm wieder häß liche Dinge in den Kopf gesetzt hat. Ich glaube gar nichts von dem allen, aber das mußt Du mir zu Liebe tun El- gard . .." „Was denn?" fragte er kalt. „Die Person, die ..." „Wer?" „Nun die, von der eben gesprochen wird Ktell Düb doch nicht au, als ob Du erst sta^ wirklich, n cht länger auf dem Gut bleiben ' „Fraulein Pinder?" Fräulein Pinder! Naja, warum denn Walter E' guüdige Fräulein Pinder?" höhnte »Was unterstehen Sie sich?" herrschte ihn Roßbach „Du bist still!" gebot Schröder und wandte sich dann wieder seinem künftigen Schwiegersohn zu. „Achten Sie nicht auf den! Aber wir zwei reden jetzt miteinander. Wenn meine Tochter Ihre Frau werden soll, muß die Mamsell weg " 154,19