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1212 PAPIER-ZEITUNG. No. 47. Steigen wir tiefer und wenden wir uns zu den vielschreibenden Schriftstellern und Schriftstellerinnen, welche nur für das blosse Unter- haltungsbedürfniss sorgen und sozusagen literarische Fabrikwaare liefern, so finden wir auch hier noch theilweise ziemlich nennens- werthe Honorare, obwohl besonders die Schriftstellerinnen öfter mit bescheidener Bezahlung vorlieb nehmen. Ich kenne Fälle, dass an Schriftsteller selbst für seichte Unterhaltungswaare bis zu 1000 M. Honorar für 20 Bogen gezahlt wurde; Schriftstellerinnen lassen aller dings mit sich handeln und liefern den Bogen auch schon für 20 bis 25 M., unter Umständen vielleicht noch billiger. Dennoch kann an genommen werden, dass selbst diese literarische Fabrikwaare, sobald die Verfasser einigermaassen bekannt und die Arbeiten noch nicht in Zeitungen ausgenutzt sind, das Bändchen von 20 Bogen mit durch schnittlich 500 M. honorirt wird. Selbstverständlich sind diese Honorar sätze stets für die erste Auflage von vielleicht 1500 bis 2500 Exemplaren angenommen. Jede weitere Auflage wird nach besonderen Abmachungen honorirt, in der Regel um den vierten oder dritten Theil niedriger. Was nun das Verlegen von Uebersetzungen betrifft, so ist zu bemerken, dass dieselben gleichfalls nicht honorarfrei zu haben sind und in den Händen von unbekannten und unbewanderten Verlegern viel fach Makulatur werden. Die beste ausländische Literatur wird dem deutschen Publikum bereits durch ungemein billige und gut über setzte Ausgaben geboten, Unternehmen, mit denen ein unbemittelter Buchdrueker nicht konkurriren kann. Und endlich der Rath, trotz Reclam, Hendel und Meyer honorar freie Werke der alten Literatur zu drucken! Wie kann ein kleiner Buchdrucker mit jenen grossartigen, vorzüglich eingeführten Unter nehmen konkurriren wollen? Hendel liefert für 25 Pf. schön aus gestattete Bändchen bis zu 8 Bogen Umfang. Dies ist nur bei un geheuren Papiereinkäufen, bei Benutzung vollkommenster Druck pressen, bei Anwendung des Stereotypverfahrens und bei Herstellung ungeheurer Auflagen möglich. Derartige Unternehmen erfordern eine ungewöhnliche Kapitalkraft und sind schwerer durchführbar, als der Verlag neuzeitlicher, mit Honorar belasteter Werke. Dies durch Zahlen zu beweisen ist leicht, dürfte indessen zu weit führen und ist auch zwecklos, da jeder Buchdrucker, der einigermaassen rechnen kann, das Unmögliche eines solchen Unternehmens schon durch eigenes Nachdenken einsehen wird. Die Berechnung der Selbstkosten auf Seite 866 erscheint sehr anfechtbar, doch will ich sie auf sich beruhen lassen, weil verschiedene ungleichartige Verhältnisse ihre Höhe beeinflussen können. Indessen ist auch der beim Verkauf zu gewährende Rabattsatz zu niedrig gegriffen. Romanverleger bewilligen meist einen höheren Rakattsatz, ja, sie sind oft gezwungen, an Handlungen, die sich be sonders für ihren Verlag verwenden und grössere Posten gegen Baar beziehen, bis zu 50 pCt. Rabatt zu bewilligen. Dies gilt besonders von Exportfirmen und von jenen Grosssortimentern, welche s. Zt. der Börsenverein als Schleuderer kennzeichnete, die indessen den Roman verlegern ziemlich unentbehrlich sind. Dazu kommt, dass in der Regel 7/6 Exemplare geliefert werden, d. h. dass ein Sortimenter, welcher 6 Exemplare bezieht, das siebente geschenkt erhält, in vielen Fällen selbst dann, wenn er die sechs Exemplare allmälig bezieht. Dadurch steigt der Rabatt ganz erheblich. Das ist indessen noch nicht alles. Soll das Buch Käufer finden, so muss es theils besprochen, theils durch Anzeigen bekannt gemacht werden. Die Werke, welche als Rezensionsexemplare zur Besprechung an Zeitungsredaktionen geliefert werden, sind ebenfalls geschenkt. Romanverleger dürfen mit Rezensionsexemplaren nicht geizen, und nicht selten kommt es vor, dass zu diesem Zweck abermals bis zu 100 Exemplare (oft viel mehr! D. Red.) verschenkt werden. Dadurch steigt die Zahl der verschenkten Exemplare auf 250 bis 300. Nun aber kommen noch die Anzeigen. Ich kenne einen alten, angesehenen Romanverlag, welcher infolge seines Ansehens imd seiner weitreichenden festen Verbindungen ziemlich sicheren Absatz hat, daher mit Anzeigen-Ausgaben nicht allzu freigebig ist. Dennoch be trägt das Anzeigenkonto dieses Geschäftes jährlich ungefähr 15 000 M. ■Unbekannte Verleger werden gezwimgen sein, erheblich mehr zu in- seriren, um ihren Verlagswerken Absatz zu sichern. Will der Kleinverleger vom Buchverlage leben, so muss er jähr lich selbstverständlich mehr als ein Werk herausgeben. Da der Gewinn indessen beim Verleger selten plötzlich, in der Regel dagegen nur allmälig kommt, so steckt er einige Jahre Kapital in das Geschäft, ohne von wirklichem Gewinn, vielleicht ohne auch nur von erheb lichen Einnahmen sprechen zu können. Es kann ihm daher leicht begegnen, dass er sein ganzes Kapital in das Geschäft steckt und plötzlich kapitallos dasteht und nicht weiter kann. Dann wird er zu dem nicht mehr ungewöhnlichen Mittel greifen und einen Theil seines Verlages an Grosssortimenter zu Spottpreisen verramschen, nur um sich Geld zu verschaffen. Wie die Geschäftsführung nun weitergeht und was das Ende vom Liede ist, brauche ich wohl kaum zu sagen’ denn erfreulich ist es doch nur für Konkursverwalter und Gerichts vollzieher, die schliesslich wahrscheinlich die einzigen Gewinner bei dem Unternehmen sind. Dieses geschäftliche Trauerspiel wiederholt sich im Buchhandel leider nur zu oft. Dabei handelt es sich hier noch um gelernte Buch händler, welche vor Buchdruckern den grossen Vortheil haben, dass sie das Verlagswesen gründlich kennen. Wie viele haben schon ver sucht, mit zu geringem Kapital einen Verlag zu begründen, und wie viele sind dabei um Vermögen und geschäftliche Ehre gekommen! Er hat sich todt verlegt« ist unter Buchhändlern ein viel gebrauchter Ausdruck. Um zu zeigen, welche geschäftliche Geduld und -welche Forde rungen an die Kapitalkraft der 'Verleger mitunter gestellt werden, führe ich einige Beispiele an: Vor ungefähr 10 Jahren erschienen bei einem rühmlichst be kannten Verleger drei volksthümliche, reich illustrirte Werke über Kulturgeschichte und Schriftwesen. Noch heut, nach zehn Jahren, stecken rund 30 000 Mark Anlagekapital in diesen Werken, und der Verleger muss noch für diese Summe Bücher absetzen, bevor er von Verdienst sprechen kann. Bleibt dieser Absatz aus, so sind die 30 000 Mark verloren. Ein anderes Beispiel: Vor ungefähr sieben Jahren erschien bei einem gleichfalls geschäftstüchtigen Verleger ein grosses Werk über Baukunst, dessen Herstellung 28 000 Mark kostete. Bis heut sind von diesem Werke für rund 11 000 Mark Exemplare verkauft; der Verleger muss also noch für 17 000 Mark verkaufen, um seine Auslagen zu decken. Erst dann, wenn diese Auslagen ge deckt sind, beginnt sein »Verdienen«, was in diesem Falle wahr scheinlich ausbleiben wird. Dies sind Beispiele, welche sich auf grosse wissenschaftliche Werke mit Abbildungen beziehen. Um zu zeigen, dass auch Erzäh lungen und Reiseschilderungen ohne Bilderschmuck grosse Her stellungskosten verursachen, führe ich noch ein Beispiel an: Seit zwei Jahren erscheinen in einem alten Verlage die Gesammt- werke eines volksthümlichen, viel gereisten Schriftstellers, meist Erzählungen und Reiseschilderungen enthaltend. Bis jetzt liegen 24 Bände vor. Die Herstellungskosten sowie Vertriebskosten dieser 24 Bände mit Einrechnung der Einbanddecken betragen rund 60 000 Mark. In dieser Summe ist das Honorar nicht mit ein begriffen, da der Verleger das Verlagsrecht von früheren Einzel ausgaben her besitzt. Das Unternehmen wäre also eines jener honorarfreien Unternehmen, die auf Seite 891 empfohlen wurden. Vielleicht macht sich ein Kleindrucker mit der Handpresse nächstens daran, auf ähnliche Weise die honorarfreien Gesammtwerke eines älteren Romanschriftstellers zu verlegen, um zu sehen, ob ihm Herr □ zu »etwas Rechtem« gerathen hat! — Damit habe ich den Verlagsbuchhandel geschildert, wie er ist Ich habe weder schwarz gemalt, noch sonnig beleuchtet, und mich stets auf Erfahrungen und Beispiele gestützt. Dass ich bei Angabe von Beispielen nur selten Namen nannte, ist dadurch zu erklären, dass ich fürchtete, Geschäftsgeheimnisse zu verletzen, was mir von den Genannten wahrscheinlich wenig Dank eingebracht hätte. Um in dessen der verehrlichen Redaktion eine Kontrolle des Gesagten zu ermöglichen, habe ich dort die Namen und Titel aller angeführten Bücher und Firmen niedergelegt. Es war mir hauptsächlich darum zu thun, klarzulegen, dass der Verlagsbuchhandel ohne genügende Vorbildung und Geldmittel nicht mit Erfolg zu betreiben ist, sowie Kleinbuchdrucker vor Geschäfts unternehmen zu warnen, die ihnen nicht nur ihr Vermögen, sondern auch ihre Ehre kosten können. Hat nach dem Gesagten noch ein Kleinbuchdrucker Lust und Muth, Bücher zu verlegen, so mag er dies thun. Wahrscheinlich wird er aber schon nach kurzer Frist bereuend einsehen, dass auch das von mir Gesagte »gut gemeint« war. e. Rohhaut-Sprungrücken. München, 30. Mai 1891. Ein Herr F r, auf dessen Angriffe in Nr. 37 ich bereits in Nr. 40, S. 1027 antwortete, sucht in Nr. 43 abermals wenigstens den Schein der Berechtigung für seine unzutreffenden Behauptungen zu retten. Zum Beweise, dass ich durch »überschwängliche« Reklamen das Publikum irre führe, —- denn das ist doch die Tendenz seines Angriffs — führt er meine eigne Anzeige an, lässt aber bezeichnender Weise gerade die wesentlichste Stelle weg, in der ich sage, dass meine Rücken nur »bei normalem Ge brauche absoluten Schutz bieten.« Das nenne ich nicht mehr ehrlich kämpfen, sondern die Ansichten anderer fälschen! Mit dem Herrn Einsender über die »kaschirten Papprücken« zu streiten, deren Mängel von dem intelligenteren Theil der Fachgenossen längst offen anerkannt sind, dazu fehlt es mir an Zeit und Lust. Hinsichtlich der Anbringung von Bünden verweise ich auf meine letzte Korrespondenz in Nr. 45, dazu bemerkend, dass ich in der Hervorhebung dieses Mangels, man verzeihe mir den Ausdruck, das kläglichste Motiv gegen meine Rücken sehe. Also wegen dieser unbedeutenden Abweichung, dass