Volltext Seite (XML)
No. 39. PAPIER-ZEITUNG. 999 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Stuttgaiter PoygraphischeGewerbe im Jahre 1890. V erlags buch handel Wie die allgemeine Verlagsthätigkeit Deutschlands, deren Gesammtproduktion 1890 rund 18 900 Neuigkeiten (gegen 18 000 im Vorjahr) aufwies, so hielt sich auch die des Stuttgarter Buchhandels auf der seitherigen Höhe Der bedeutendste Zweig »Illustriite Zeitschriften« erzielte gleich gute Erfolge wie bisher. Auch die wissenschaftliche und technische Literatur betheiligte sich 1890 nicht weniger stark. Dagegen wird über den Verlag von Jugendschi iften und Bilderbüchern berichtet, dass die Influenza- Epidemie den Verkauf namentlich vor und nach Weihnachten 1889 beein trächtigt und den Händlern für 1890 ein starkes Lager zurückgelassen habe. Als erfreuliches Zeugniss für die Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Verlags, wie für das Zusammenhalten der Stuttgarter Verleger verdient die Herausgabe des Stuttgarter Weih nachts-Katalogs erwähnt zu werden, der in eleganter Ausstattung in 25 000 Exemplaren verbreitet wurde. Für das Buchdruckgewerbe hat sich die Geschäftslage auch 1890 nicht gebessert; die bisherige »Preisdrückerei« setzte sich fort. »Trotz bedeutenden Mehrumsatzes«, berichtet eine grössere Stuttgarter Druckerei, »war das Netto- Erträgniss nicht günstiger; die kleineren Firmen arbeiten, um existiren zu können, um jeden Preis; dies macht sich namentlich bei minder belangreichen Posten fühlbar; bei grösseren Abschlüssen, bei welchen nur leistungsfähigere Firmen in Konkurrenz treten, werden reellere Angebote gemacht.« Für die Stuttgarter Schriftgiessereien war der Geschäftsgang wie 1889, so auch 1690 bis zum Spätjahr, wo wiederum ein Rückschlag eintrat, sehr günstig. Dank der Vereinigung der deutschen Schriftgiessereien hat das Sinken der Verkaufspreise nachgelassen; sie konnten auf ihrer Höhe um so leichter gehalten werden, als Antimon im Laufe der letzten zwei Jahre von 70 M. auf 150 M. gestiegen war. Wie in anderen Gewerbszweigen war 1891 auch hier die Ausfuhr nach Südamerika zurückgegangen. Der Lohn für tüchtige Arbeiter ist 30- 45 M. in der Woche, die Arbeitszeit neunstündig; ein Streik somit, solange nicht aussergewöhnlich flotter Geschäftsgang eintritt, nicht zu befürchten. Aus der Buchbinderei kommt der gleiche Bericht wie 1889: die Geschäfts lage konnte sich nicht bessern, da der mit der Vereinigung einiger grösserer Stuttgarter Verlagsfirmen bedingte Ausfall noch nicht ausgeglichen ist, und die starke Konkurrenz von Leipzig sehr drückt. Die Stuttgarter Vereinigung der Arbeitgeber des Buchbindergewerbes und verwandter Geschäftszweige hatte keinen Erfolg, weil manche der Mit glieder, besonders Inhaber grösserer Betriebe, sich um die Abmachungen nicht kümmerten. Die Arbeiter zeigen sich, trotz des Entgegenkommens der Arbeitgeber in Verkürzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhung, immer noch nicht zufrieden. Auch die Kartonnagenfabriken können den vorjährigen Geschäftsgang nicht loben, namentlich weil die Korsettindustrie, infolge des Ausfalls im amerikanischen Geschäft, geringeren Kartonbedarf hatte. Papiergeschäft. Das bezeichnendste Merkmal des Berichtsjahres bildet die Preiskonvention, welche im Januar 1890 für die geringen und mittleren Papiersorten zustande kam. Ueberall in Deutschland wurden von den Fabri kanten, gemäss den gemeinsam auf Preiserhöhung zielenden Beschlüssen, Rundschreiben ausgegeben. Die mässigen, durch die Verhältnisse — theurere Kohlen und höhere Preise mancher Rohmaterialien — vollauf begründeten Mehrforderungen stiessen wohl nirgends auf erheblichen Widerstand seitens der Grosshändler. Auch die Kundschaft bewilligte ohne weiteres den kleinen Aufschlag. Damit schien die richtige Grundlage wieder gewonnen. Es sollte aber nicht so bleiben: die Konvention hielt sich noch nicht drei Monate. Ende 1889 nämlich, als der Aufschlag in Sicht stand, hatten viele Grosshandlungen den Fabriken, in der Hoffnung auf einen guten Absatz, noch bedeutende Aufträge zu alten Preisen gegeben, welche die Fabriken auf einigeZeit voll beschäftigten und die Hoffnung auf ein besseres und leb hafteres Geschäft erweckten. Die dadurch angehäuften Lagerbestände hatten jedoch nicht den erhofften regen Absatz gefunden, was eine empfindliche Einschränkung der Bestellungen veranlassen musste, da die meisten Hand lungen länger als gedacht mit ihrem angehäuften Lager ausreichten. Der Sommerverkehr wurde stiller; Bestellungen auf Lagervorrath blieben zurück. Bald fanden sich Fabrikanten, welche durch Entgegenkommen in den Preisen Aufträge herbeizurufen suchten. Ein Nachgeben der Mehrzahl der übrigen war die Folge, und im Herbst waren so ziemlich die meisten Notirungen auf den Stand von Ende 1889 herabgedrückt. Um dieselbe Zeit fiel auch die grosse Vereinigung der Briefumschlag- Fabrikanten auseinander, welche sich im Frühjahr zum Zwecke der Er zwingung höherer Preise und günstigerer Verkaufsbedingungen gebildet und manches Erstrebenswerthe schon erreicht hatte. Von den Herstellern feiner und feinster Papiere war eine Aenderung der Preise garnicht versucht worden, wohl in der richtigen Erkenntniss, dass sonst ein weiteres Sinken der Nachfrage nach diesen Qualitäten zu be fürchten gewesen wäre; so blieben sie auch bis heute auf dem alten Stande Im ganzen war der Umsatz auf der Höhe von 1888 und zeigte gegen über 1889 einen kleinen Rückgang. Auffällig war der schlechte Eingang der Gelder, der trotz der günstigen Ernte-Ergebnisse bis zum Schluss des Jahres anhielt. Eine grosse Zahl gut situirter Kunden blieb in den Zahlungen erheblich zurück und führt als Grund dafür die langsame Regulirungsweise vieler Gemeinden und den Um stand an, dass Baarverkäufe selbst bei kleinsten Beträgen immer seltener werden, und fast alles in die Bücher zu nehmen sei. Unsere Wörterbücher. I. Nur wenige Verlagsgebiete sind in so ergiebiger Weise ausgebaut worden, wie der deutsche Wörterbuch-Verlag. Wörterbücher sind Bedarfs stücke, die immer gebraucht werden, also immer verkäuflich sind. Sie gehören zu den sogenannten »Partie-Artikeln« im Handel, das sind solche Bücher, welche der Sortimenter nicht in einfacher Anzahl, sondern in Partieen vom Verleger zu bestellen pflegt; sie bringen also rasch wieder Geld herein, und zwar nicht, wie es im Buchhandel bei so vielen Büchern der Fall ist, pfennigweise, sondern markweise. Einem Wörterbuch, dessen Einführung in die Schulen gelungen ist, ist ein alljährlicher Absatz einer gewissen Zahl von Exemplaren sicher. Ein Wörterbuch-Verlag ermöglicht also, sicherer als jeder andere, die Erzielung einer bestimmten Kapitalsrente. In diesem Um stande haben wir, trotzdem die Abfassung und Drucklegung eines Wörterbuchs eine wesentlich höhere Kapitalsanlago erheischt als die Herstellung anderer Verlagsartikel, die Erklärung für den stattlichen Wettbewerb auf diesem Gebiete zu suchen. Die Wörterbücher scheiden sich in: »Encyklopädieen«, Fremd wörterbücher, deutsche und fremdsprachige Wörterbücher. Von Encyklopädieen besitzen wir in Deutschland: Die Kon versations-Lexika von Brockhaus (13. Aufl., IG Bde., Ladenpreis 152 M.), von Meyer (4. Aufl., 17 Bde., 170 M.), Pierer mit Universal-Sprachen- Lexikon nach J. Kürschners System (12 Bde., je 8 M. 50 Pf.), Spamer mit sehr lehrreichen Illustrationen (neue Auflage, noch im Erscheinen begriffen), hierzu noch Höckners »Universal-Lexikon« (Dresden,. Carl Höckner, 2 Bde., 6 M. 50 Pf.), Grunows Konversations-Lexikon mit ausgesprochen konservativ-lutherischer Tendenz (6 Bde., 72 M.), Herders Konversations-Lexikon mit konservativ-katholischer Tendenz (Herder, Freiburg, 4 Bde., 32 M.). Den Uebergang vom Konversations-Lexikon zum Fremdwörter buch bildendie »encyklopädischenSachwörterbücher«: Brockhaus’ kleines Konversations-Lexikon (in 2 Bdn., 18 M.), Meyers Hand-Lexikon (in 1 Bd. 15 M., in 2 Bdn. IG M.), Kürschners Quart-Lexikon (10 M.), Kürschners Taschen-Konversationslexikon (3 M.). Wesen und Einrichtung dieser encyklopädischen Wörterbücher ist im Jahrgang 1875, Seiten 700 und 772 ausführlich besprochen worden, wozu auch die Besprechung von Kürschners Taschen- Konversationslexikon im Jahrgang 1884, Seite 1814 zu vergleichen ist. Das Fremdwörterbuch ist eine der deutschen Sprachliteratur eigenthümliche Erscheinung. Wir finden dasselbe weder in der eng lischen, noch in der französischen, noch- in sonst einer Sprachliteratur. Kein Volk der Welt hat sich mit fremden Literaturen soviel befasst, wie das deutsche; kein Land ist, wie Deutschland, ein solcher »Brenn punkt«, in welchem alle Strahlen der gesammten Weltbildung sich sammeln, kein Volk aber auch, wie das deutsche, Jahrhunderte lang so beflissen gewesen, seine politische Abhängigkeit bis auf die Sprache hin kenntlich zu machen. »Solange es der gesetzgebenden Macht im Staate noch gefällt, ihre Beamten mit fremden Ehren- und Amtsnamen zu belegen, solange noch das schlechte Französisch-Deutsch der Kriegs heere ebenso wie das schlechte Wälsch-Deutsch der Kauf-, Mauth- und Finanzleute, das schlechte Latein-Deutsch der Richter- und Schöppen stühle und das schlechte Griechisch-Deutsch der Heil- und Scheide künstler nicht aufhört, solange wird unsere Sprache noch der be gründete Vorwurf der Sprachmengerei treffen, und es werden eigene Wörterbücher nöthig sein, um jene Fremdlinge verständlich und all gemein entbehrlich zu machen«. So sprach sich Dr. Joh. Christ. Aug. Heyse im Jahre 1819 in dem Vorberichte zu der dritten Ausgabe seines »Allgemeinen verdeutschenden und erklärenden Fremdwörter buches« aus, und diese Worte haben im allgemeinen auch heute noch Geltung. Zweck und Aufgabe eines Fremdwörterbuches ist: die Verdeut schung, und, wenn diese nicht ausreicht, die umschreibende Erklärung aller in unserer deutschen Bücher-, Handels- und Umgangssprache, in allen Künsten und Wissenschaften, in Zeitungen und gerichtlichen Verhandlungen vorkommenden fremden Wörter und Redensarten. Ein Fremdwörterbuch soll dazu dienen, solche unserer Sprache fremde Wörter nicht nur besser verständlich zu machen und ihre dem hei schenden Schreibgebrauche entsprechende Schreibung zu lehren, sondern auch wenigstens für den reineren deutschen Ausdruck im Sprechen und Schreiben entbehrlich zu machen. Es darf mithin kein Fremd wort ausschliessen, welches in die Umgangssprache des gemeinen Lebens, sowie in die allgemeine deutsche Schriftsprache und National-, Literatur Eingang gefunden hat, welches im geselligen, Geschäfts- und Gewerbeleben gebräuchlich ist, bei klassischen deutschen Schrift stellern oder doch vielgelesenen Tagesschriftstellern, in politischen Zeitungen oder für die allgemeine Bildung und Unterhaltung berech neten Zeitschriften vorkommt. Fremdwörter hingegen, welche lediglich einzelnen Wissenschaften,