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No- 28. PAPIER-ZEITUNG. 707 die Rückreise antrat, nachdem auch Maschinen und viele Menschen, Weib und Kind, glücklich befördert waren. Um die Sache kurz zu machen: Die Maschinen taugen für die Pflanze nicht (wofür natürlich den Fabrikanten keine Verantwortung treffen kann), und die Pflanze selbst taugt für die Fabrikation nicht. Weiter will ich hier auf die Sache nicht eingehen. Ich wollte Herrn L. nur an einem eklatanten Beispiel, das er als vermuthlicher Fachmann kennen muss, beweisen, dass er sehr mit Unrecht dem brasilianischen Kapitalisten ein grosses Maass von Vorsicht zuschreibt, und dass es diese Vorsicht nicht ist, welche bisher den Krach verhütet hat. Doch würde ich es, um bei der Papierfabrikation zu bleiben, verstehen, wenn Herr L. seine Hoffnungslosigkeit für deren Ent wickelung hier zu Lande aus den angeführten Thatsachen und der dadurch bewirkten Diskreditirung dieser Industrie herleiten wollte. Allein er begründet seine Ansicht garnicht und spricht bloss den etwas verschleierten Wunsch aus, man möchte doch von »drüben zu Hilfe kommen, nachdem man nach der Niederlage von Cayeiras auch bei einem hier in Santos unternommenen Sturm auf die goldenen Herzen der Brasilianer, die nun einmal gegen Papier verschnupft sind, mit langer Nase hatte abziehen müssen. Davon, wenn die Redaktion der »Papier-Zeitung es erlaubt, später einmal! Ludwig Lucae. * * * Wir bitten um die in Aussicht gestellten weiteren Beiträge, die jetzt besonderen Werth haben, weil deutsche Landsleute vielfach von Agenten zur Auswanderung nach Brasilien überredet werden. Infolge dieser Bemühungen hörte man bei verschiedenen Gelegenheiten (auch im Reichstag) ganz entgegengesetzte Ansichten, und es wäre deshalb doppelt erwünscht, wenn von zuverlässiger, kundiger Feder die Wahr heit mitgetheilt würde. D. Red. Gewinnbetheiligung in der Papier-Industrie. Es kann nicht mehr bezweifelt werden, dass die Theilung des Geschäftsgewinnes zwischen Unternehmern und Angestellten eine ungemein segensreiche Verbesserung des herrschenden, vielfach zu wenig beweglichen Lohnsystems ist. Sie spornt den Eifer der Arbeiter an, veranlasst sie zu tüchtigeren Leistungen, fördert den industriellen Frieden und erhöht das Einkommen des Personals, ohne den Gewinn des Brotherrn zu verringern; — im Gegentheil, meist kommt dabei auch dieser besser weg. Es handelt sich hier also um keinerlei Um wälzung der bestehenden Verhältnisse, sondern lediglich um eine in jeder Hinsicht vortheilhafte Fortentwicklung derselben. Deshalb erfreut sich die Gewinnbetheiligungsidee der warmen Befürwortung hervorragender Volkswirthe aller Richtungen und der lebhaften Em pfehlung seitens aller Firmen, welche sie in der Praxis erprobt haben. Die erste Einführung der Gewinnbetheiligung erfolgte 1842 in den dekorativen Gewerben. Ihr Vater war der dadurch so berühmt gewordene Pariser Zimmermaler und Dekorateur Leclaire, und die aus gezeichneten pekuniären und moralischen Ergebnisse, die sich für sämmtliche Interessenten einstellten, veranlassten bald viele Fabrikanten und Handelsherren verschiedener Länder zur Nachahmung des Ver suches. Auch in der Papierfabrikation ist das neuartige Verfahren mehrfach zur Einführung gelangt, und ich will hier eine Uebersicht aller einschlägigen Fälle nebst ihren Resultaten bieten, so weit die letzteren zu meiner Kenntniss gelangt sind. Ergänzenden Mittheilungen wird die Papier-Zeitung hoffentlich gern ihre Spalten öffnen. (Sehr gern. D. Red.) Papeterie Cooprative, Angouleme. Diese grosse fran zösische Papierfabrik, welche jetzt 900—1000 Personen beschäftigt, ist eine der ältesten und bedeutendsten Gewinnbetheiligungsfirmen, und ihr Gründer, Laroche-Joubert, zählte infolge seiner Geschäftstüchtig keit und Eigenartigkeit zu den erfolgreichsten Industriellen seines Vaterlandes. Er strebte im allgemeinen dasselbe Ziel an wie sein berühmter Zeitgenosse Leclaire: den Uebergang seiner Fabrik in den Besitz seiner Arbeiter; in den Mitteln und Wegen wich er jedoch vielfach von dem Pariser Zimmermaler ab, was übrigens schon darum selbstverständlich war, weil es sich bei letzterem um einen Betrieb handelte, der wenig Kapital braucht, und in welchem 70 pCt. der Ausgaben auf Arbeitslöhne entfallen, während wir es in Angouleme mit einem Betrieb zu thun haben, dessen Arbeitslöhne bloss ein Sechstel der Erzeugungskosten verschlingen, und der ein beträchtliches Kapital erheischt. Laroche-Joubert hatte daher manche Schwierig keiten zu überwinden, die dem Schöpfer der Maison Leclaire nicht entgegentreten konnten. Als Sohn eines westfranzösischen Fabrikanten 1820 geboren, wurde Jean Edmond Laroche-Joubert mit 17 Jahren Geschäftsmann und gründete schon nach drei Jahren die Papierfabrik Laroche-Joubert, Lacroix & Cie.« in Angouleme, das von jeher durch die Bedeutung seiner Papier-Industrie sich ausgezeichnet hat. Er kannte die Lage und die Verhältnisse der Arbeiterwelt von Jugend auf genau und interessirte sich lebhaft für ihre Wohlfahrt. 1847 that er den ersten Schritt zur praktischen Bethätigung dieses Interesses, indem er den jenigen seiner Arbeiter, die nicht mehr als 60 Franken im Monat ver dienten, Brotanweisungen ausfolgen liess. Das Brot war damals näm lich sehr theuer. So oft das Kilogramm über 30 Centimes stieg, brauchten die betreffenden Arbeiter bei jedem beliebigen Bäcker auf Grund jener Zettel nur 30 Cent, zu bezahlen, während das Mehr von der Firma entrichtet wurde. Bei dieser Linderung der Noth seiner Leute blieb L.-J. nicht stehen. Er bekannte sich zu dem Grundsätze: »Die erste Pflicht eines Arbeitgebers ist die Menschenfreundlichkeit.« Aber er verwechselte diese nicht mit Empfindeiei, sondern bemühte sich, das herrschende Lohnsystem in einer Weise zu verbessern, die seine Angestellten zur Selbstlülfe führen sollte. Die Firma betrieb die Papiererzeugung in mehreren getrennten Abtheilungen, deren jede einem anderen Zweige dieser Industrie ge widmet war. Die Stückarbeit herrschte vor, liess sich aber nicht in allen Abtheilungen einführen, und in jenen Abtheilungen, in welchen der Zeitlohn beibehalten werden musste, blieb die Menge der Erzeugung hinter den Erwartungen der Unternehmer, insbesondere des an der Spitze der Leitung stehenden L.-J., weit zurück. Da be schloss dieser Quantitätsprämien einzuführen, und die Wirkung war eine wunderbare. Die betreffenden Betriebe hatten bislang monatlich nur je 20 — 25 000 kg Papier erzeugt, und der Durchschnittslohn der Arbeiter hatte kaum 50 Franken für den gleichen Zeitraum betragen. Nun versprach L.-J. jedem seiner Leute für jede über 25 000 hinaus erzeugten 1000 kg monatlich einen Franken zu geben. Alsbald trat die wahre Leistungsfähigkeit der Maschinen und des Personals zutage: die fast ständig gebliebene Erzeugungsmenge stieg schnell auf 45 bis 55 000 kg, sank niemals auf die früheren geringen Mengen zurück, und die glücklichen Arbeiter sahen ihr Einkommen durchschnittlich um mehr als 40 pCt. erhöht. Diese Ziffern, welche keiner näheren Erläuterung bedürfen, werfen ein starkes Streiflicht auf die Unzuläng lichkeit des reinen Lohnsystems, wo es sich um Aneiferung des Ar beiters zur Einsetzung seiner ganzen Kraft handelt. Diese Prämien bahnten, da ihr Erfolg so vortrefflich war. den Weg zur Einführung der Gewinnbetheiligung. Herr L.-J. begann zunächst mit den Werkführern und Aufsehern und zog bald eine Anzahl älterer Arbeiter mit heran. Die Löhne blieben stets mindestens auf der Höhe des Marktes. Um den bessergestellten Mitgliedern des Personals Gelegenheit zu bieten, Geschäftsgenossen zu werden, er höhte die Firma ihr Kapital, das bis dahin 3 Millionen Franken be tragen hatte. Die behufs Bildung von Kapitalantheilen gemachten vorläufigen Einlagen der Angestellten brachten diesen ungefähr 12pCt. ein. Für die übrigen Arbeiter wurde eine nicht obligatorische Spar kasse ins Leben gerufen, welche gegenwärtig die folgenden Regeln beobachtet: die Einleger müssen seit wenigstens zwei Jahren bei der Firma bedienstet gewesen sein; jeder Betrag von 20 bis zu 5000 Franken kann eingelegt werden; Jeder, dessen Einlage die Höhe von minde stens 100 Franken erreicht hat, ist an dem der Sparkasse überwiesenen Antheil am Geschäftsgewinne der Fabrik (IpCt.) betheiligt; die Ein lagen werden mit 5 pCt. verzinst. Die Sparkasseneinleger sind nicht, wie die Geschäftskapitalseinleger, Verlusten ausgesetzt; dafür erhalten die Kapitalseinleger einen viel grösseren Gewinnantheil und werden Miteigenthümer des Reservefonds. Der letztere belief sich 1888 auf rund 107 000 Franken, und Verluste sind niemals eingetreten. Die Sparkasseneinlagen betrugen 1873 rund 200000 Franken und brachten den Einlegern an Zinsen und Gewinnantheil ungefähr 10 pCt. ein. Im Jahre 1882 zählte die Sparkasse 202 Einleger. Die Einlagen von mehr als -5000 Franken werden, wie gesagt, allmälig in Kapitalsantheile verwandelt. Die Leitung geht planmässig darauf aus, die Angestellten im Laufe der Zeit in den Besitz der ganzen Fabrik zu setzen, d. h. das Personal zu einer Art Produktiv genossenschaft umzugestalten. Diese Umwandlung war 1885 soweit gediehen, «ass damals bereits etwa zwei Fünftel des Geschäftskapitals im Besitze von 82 aktiven und 8 ehemaligen Angestellten der Firma sich befanden. Die zu ihren Spar- und Kapital-Einlagen erforderlichen Gelder entnahmen die Leute grüsstentheils den auf das Personal als solches entfallenden Antheilen am Geschäftsgewinn der Firma. Laroche- Joubert schritt nämlich bald nach Gründung der Sparkasse daran, für alle Arbeiter die Gewinnbetheiligung einzuführen. Sein erster bezüglicher Plan erfuhr nachträglich und allmälig viele Abänderungen, und diese fielen stets zu Gunsten der Angestellten aus. Ich will die gegenwärtigen Einrichtungen kurz beschreiben. Die »Papeterie Cooperative« erzeugt in zahlreichen Fabriksflügeln alle erdenklichen Papiersorten. Jede der 7 Abtheilungen hat ihre eigenen, den besonderen Umständen angepassten Gewinntheilungs- Satzungen. Es giebt also sieben verschiedene' Satzungen: 1) in den Hauptpapierfabriken, 2) in den Satinir-,. Liniir-, Zurichtungs- und