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994 PAPIER-ZEITUNG. No. 39. Zellstoff-Dampfe als Mittel gegen Schwindsucht. Elmhult-Delary in Schweden, 6. Mai 1891. Herr Dr. Oerm aus Elmhult hat, als die Koch-Begeisterung in Berlin herrschte, auch 6 Wochen dort zugebracht, um das Koch’sche Verfahren zu studiren, welches er gleich vielen andern Aerzten heute nicht für gut hält. Es ist bekannt, dass die Völker der nördlichen Länder mehr von der Schwindsucht heimgesucht werden als die des Südens, und auch Dr. Oerm hat viele solche Patienten. Es war ihm deshalb aufgefallen, dass in nächster Umgebung und ganz besonders unter den Fabrikarbeitern Delarys seit langen Jahren niemand an dieser Krankheit gestorben ist. Da aber das Land meilenweit, mit Ausnahme der Fabrik, klimatisch ganz gleichmässige Beschaffenheit hat, so sagte er sich, dass die Fabrik die Ursache der Erscheinung sein müsse. Seine Annahme wurde durch folgenden Fall glänzend bestätigt. Im Januar wurde ein Realschüler, "welcher an Lungentuberkulose schon in sehr fortgeschrittenem Stadium litt, von seinem Malmöer Arzt zu seinen Verwandten hierher aufs Land geschickt. Der Arzt in Malmö soll geäussert haben, er halte jede Rettung für ausge schlossen. Der Knabe kam in Behandlung des Dr. Oerm, welcher dem selben das Besuchen der Fabrik, besonders des Abdampfofenraumes, empfahl, und heute springt das Kerlchen gesund und lustig über Hecken und Zäune! Vor einigen Tagen ist ein zweiter Kranker, Eisenbahnbeamter, hier angekommen, und wie ich höre, sollen noch einige Kranke nachkommen. Man will mittels eines Rohres etwas von den Dünsten der Oefen abführen und in einen Saal zum Ein- athmen leiten, da wir die Leute in der Fabrik begreiflicherweise nicht gebrauchen können. 0. Hennefeld. Anm. d. Red. Vorstehende Nachricht erscheint bei näherer Ueber- legung nicht so abenteuerlich wie auf den ersten Blick. Wenn man bedenkt, dass den Fichtenwäldern ein sehr günstiger Einfluss auf Tuberkelkranke zugeschrieben wird, und dass die beim Kochen mit Natron entstehenden Dämpfe vielleicht gerade die heil samen Stoffe des verkochten Fichtenholzes enthalten, so erscheint die beschriebene Wirkung nicht unerklärlich. Jedenfalls werden aber noch viele derartige Erfahrungen nöthig sein, ehe die Natron- Zellstoff-Fabriken als Heilanstalten für Lungenkranke empfohlen werden können. Papier-Prüfung. Im Anschluss an den in Nr. 35 der Papier-Zeitung veröffent lichten Aufsatz »Ueber den Einfluss des Wassergehaltes im Papier auf dessen Reisslänge« von Dr. R. von Lenz sei es mir gestattet, noch einige Bemerkungen zu machen. Die Lösung der Frage über den Einfluss der Feuchtigkeit der Luft auf die Festigkeit des Papiers ist zweifelsohne für alle Interessenten von grösster Wichtigkeit; daher verdient jeder Beitrag dazu den Dank der betheiligten Kreise. Es wird vielen der Leser dieses Blattes aus eigener Erfahrung noch in Erinnerung sein, dass, bevor man der Luftfeuchtigkeit grössere Auf merksamkeit schenkte, oft bei Prüfung derselben Papiersorte erheb liche Unterschiede in Reisslänge und Bruchdehnung auftraten und Grund zu vielen Unzuträglichkeiten boten. Als man den Grund dieser Unterschiede in dem verschiedenen Gehalt der Luft an Feuchtigkeit erkannt hatte, wurden seitens der Versuchs-Anstalt in Charlottenburg Einrichtungen getroffen, dass die Papiere in Räumen von stets gleicher oder nahezu gleicher Luftfeuchtigkeit untersucht werden konnten. Auch in der Praxis sind Vorkehrungen bereits vielfach in Gebrauch, da man die selbst gewonnenen Versuchs-Ergebnisse nur dann mit den amtlich festgestellten vergleichen kann, wenn sie unter denselben äusseren Bedingungen ausgeführt sind. So viel bekannt, sind auch seitens der Versuchs-Anstalt in Char lottenburg, sobald man den Einfluss der Feuchtigkeit erkannt hatte, Versuche mit eigens hierfür hergestellten Apparaten in Angriff genommen worden. Man hat diesen Versuchen einen möglichst grossen Umfang gegeben, um sicher zu erfahren, in welchem Maasse das etwa sich ergebende Gesetz auf die verschiedenen Papiersorten anwendbar sein möchte. Wenn man auch wohl erwarten darf, dass die Erfahrungen des Dr. v. Lenz im all gemeinen sich bestätigen werden, so wird man doch kaum im Zweifel darüber sein können, dass die unmittelbare Prüfung im gleichen Feuchtigkeitszustande des Papiers der klarere Weg ist und von Seiten der Praxis voraussichtlich weniger Einwendungen erfahren wird, als die Zurückführung der Prüfungsergebnisse auf den absoluttrockenen Zustand. Sollte es sich herausstellen, dass die Prüfungsergebnisse durch eine so einfache Formel, wie sie Dr. v. Lenz ermittelte, aus geglichen werden können, so würde es sich immerhin empfehlen, die Ergebnisse auf den Feuchtigkeitszustand zurückzuführen, welcher dem bei unsern amtlichen Prüfungen nunmehr zu Grunde gelegten Feuchtig keitsgehalt der Luft von 65pCt. entspricht. Es ist zu wünschen, dass bei den Charlottenburger Versuchen auf diesen Vorschlag Rück sicht genommen wird, weil alsdann der Betrag der bei abweichendem Feuchtigkeitsgehalt an den Versuchsergebnissen nach der etwa ge fundenen Formel anzubringenden Berichtigung kleiner ausfallen wird, als bei der Zurückführung auf den von Dr. v. Lenz vorgeschlagenen Zustand der absoluten Trockenheit. Der von Dr. v. Lenz angenommene Nullpunkt ist nur ein will kürlicher Punkt der Linie, welche das Gesetz darstellt. Nur eine grosse Zahl von Versuchen dürfte darüber entscheiden können, ob er mit grösserer Sicherheit festgelegt werden kann, als der vor stehend in Vorschlag gebrachte. Voraussichtlich wird es sich aber auch in Zukunft als praktischer erweisen, an dem in der preussischen Versuchs-Anstalt gebräuchlichen Verfahren festzuhalten. > Gefärbter Sulfitstofi? In Nr. 23 findet sich am Schlüsse der gleichnamigen Abhandlung die Aufforderung zu näherer Erörterung der Frage, welchen Einflüssen die beobachtete Violettfärbung des Sulfitstoffs zuzuschreiben sei. Nach dem, was bisher in Nrn. 23, 25 und 27 darüber geschrieben worden, scheint mir nur eine Möglichkeit für die Lösung dieser Frage vorhanden zu sein. Die erste Veröffentlichung spricht von einer stark violetten Färbung, Nr. 25 führt dieselbe auf Berlinerblau zurück, und in Nr. 27 erfahren wir, dass der Stoff röthlich gefärbt war. Künstliche und absichtliche Färbung des Stoffes mit Anilinviolett oder Berlinerblau ist nicht wahrscheinlich, weil die Verkaufspreise zu niedrig, und die Selbstkosten des Sulfitstoffes zu hoch sind, um der artige Bearbeitung vortheilhaft erscheinen zu lassen. Zellstoff-Fabriken sind auch in den seltensten Fällen auf derartige Manipulationen ein gerichtet, und manchmal würde es auch zu viel Mühe kosten, den richtigen Ton herauszufinden, mit weichem eine höhere Weisse des Stoffes erzielt wird. Wird diese nicht erreicht und der Stott umgekehrt zu stark gefärbt, wie es Nr. 23 vermuthen liesse, so würde der Fälscher damit nur das Gegentheil seiner Absicht erreichen. Aus allen diesen und den noch folgenden Gründen waren die in Nr. 23 veröffentlichten Untersuchungen ziemlich zwecklos angestellt. Hier will ich gleich nebenbei bemerken, dass ungleichmässiger Trockengehalt der aufge rollten Zellstoffpappe sich keineswegs verhindern lässt. Die Rollen liegen oft ziemlich lange in den Lagerräumen, trocknen oberflächlich aus, und man ist daher gewohnt, die Trockenproben aus dem Innern der Rollen herauszureissen. Hiervon hat höchstens der Käufer, aber niemals der Verkäufer einen Vortheil. Nr. 23 berichtet nun, dass der Stoff unter Einwirkung von Chlor- kalk sofort entfärbt wurde. Es ist aber bekannt, dass Zellstoff beim Bleichen mit Chlorkalk sich zuerst bedeutend dunkler, und zwar bräunlich, färbt und dann erst die gewünschte schöne glänzend weisse Farbe annimmt. Ferner weiss man, dass Holzschliff beim Liegen und Austrocknen an der Luft und am Lichte nachdunkelt, und zwar wird Stoff aus Fichte, Tanne usw. gelb, aus Kiefer und Buche röthlich und aus Birke und Erle sogar deutlich roth. Auch das rasche Vergilben von holzschliffreichen Papieren wird auf dieses Nachdunkeln des Holzstoffes zurückgeführt. Als wichtige Reagentien auf Holzstoff, also eigentlich auf Lignin oder die Inkrusten des Holzes werden auch in allen Lehrbüchern stets angeführt: Chlorwasser, welches gelb, und Salpetersäure, welche rothbraun färbt. Verdünnte Salpetersäure färbt allerdings bloss dunkelgelb. Durch verschiedene von mir angestellte Versuche ist auch seit längerem festgestellt, dass Sulfitstoff-Ablauge beim Versetzen und Kochen mit genügender Menge starker Salpetersäure oder beim Be handeln mit anderen stark oxydirenden Mitteln eine tief dunkelrothe Färbung, ähnlich wie z. B. eine hochkonzentrirte Lösung von doppelt chromsaurem Kali, annimmt, dass folglich der in der Ablauge ent haltene Farbstoff durch die oxydirenden Körper die stark rothe Färbung erhält. Ich habe mich schon gelegentlich früher über die Röthung des Sulfitstoffes und deren Ursachen (Papier-Zeitung 1890, Nr. 77 »Waschen der Sulfit-Cellulose«) ausgesprochen. Sehr geringe Spuren von Eisen scheinen, wie ich durch nach trägliche Untersuchungen von Zellstoffproben mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, keinen wesentlichen Einfluss auf die weisse Farbe des Stoffes zu besitzet!, dieselben liessen sich ja auch im Grossbetriebe kaum vollständig vermeiden. Ich kann daher diese Rothfärbung nur einer nicht genügenden Auf Schliessung des Holzes zuschreiben. Die Inkrusten sind, wie bereits von anderer Seite hervorgehoben wurde, zum geringen Theile im Stoffe zurückgeblieben und liessen sich durch Waschen, wenn der Stoff einmal nicht vollkommen gargekocht ist, auch nicht mehr entfernen; sie haben durch Oxydation an der Luft ebenso wie der Holzstoff beim längeren Lagern oder die Ablauge beim Kochen mit Oxydationsmitteln eine röthliche Färbung ange nommen. Möglicherweise hat diese Rothfärbung unter Mitwirkung