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No. 32. 807 PAPIER-ZEITUNG. § 27. Ist die Ertheilung des Patents endgiltig beschlossen, so erlässt das Patentamt darüber durch den Reichsanzeiger eine Bekanntmachung und fertigt demnächst für den Patentinhaber eine Urkunde aus Wird (he Anmelduny r,ach der Veröffentlichung (§ 33) zuriick- genommen, oder wird das Patent versagt, so ist dies ebenfalls bekannt zu machen. Die eingezaldte Jahresgehühr wird in diesen Fällen erstattet. Mit der ) ersagung des Patents gelten die Wirkungen des einstweiligen Schutzes als nicht eingetreten. § 28. Die Einleitung des Verfahrens wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen Zurücknahme des Patents erfolgt nur auf Antrag. Im Falle des § 10, Fr. 3 ist nur der Verletzte zu dem Anträge berechtigt. Im Falle des $ 10. Nr. 1 ist nach Ablauf von fünf Jahren, ron dem Tage der über die Ertheilung des Patents erfolgten Bekanntmachung (§ 37 Absatz 1) gerechnet, der Antrag unstatthaft. Der Antrag ist schriftlich an das Patentamt zu richten und hat die Thatsachen anzugeben, auf welche er gestützt wird. Mit dem Anträge ist eine Gebühr von fünfzig Mark zu zahlen. Erfolgt die Zahlung nicht, so gilt der Antrag (ds nicht gestellt. Die Gebühr wird erstattet, wenn das Verfuhren ohne Anhörung der Betheiligten beendet wird. Wohnt der Antragsteller im Ausland, so hat.er dem Gegner auf dessen Verlangen Sicherheit wegen der Kosten des Verfahrens zu leisten. Die Höhe der Sicherheit wird von dem Patentamt nach freiem Ermessen fest- ges tzt. Dem Antragsteller wird bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist bestimmt, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist. Erfolgt die Sicherheitsleistung nicht vor Ablauf der Frist, so gilt der Antrag als curückgenommen. § 29. Nachdem die Einleitung des Verfahrens verfügt ist, fordert das Patent amt den Patentinhaber unter Mittheilung des Antrages auf, sich über den selben innerhalb eines Monats zu erklären. Erklärt der Patentinhaber binnen der Frist sich nicht, so kann ohne Ladung und Anhörung der Betheiligten sofort nach dem Anträge entschieden, und bei dieser Entscheidung jede von dem Antragsteller behauptete That- Sache für erwiesen angenommen werden. § 30. Widerspricht der Patentinhaber rechtzeitig, oder wird im Falle des § 29 Absatz 2 nicht sofort nach dem Anträge entschieden, so trifft das Patentamt, und zwar im ersteren Falle unter Mittheilung des Widerspruchs an den Antragsteller, die zur Aufklärung der Sache erforderlichen Verfügungen. Es kann die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen anordnen. Auf dieselben finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung. Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines beeidigten Protokollführers aufzunehmen. Die Entscheidung erfolgt nach Ladung und Anhörung der Betheiligten. Wird die Zurücknahme des Patents auf Grund des § 11 Nr. 2 beantragt, so muss der diesem Anträge entsprechenden Entscheidung eine Androhung der Zurücknahme unter Angabe von Gründen und unter Festsetzung einer angemessenen Frist vorausgehen § 31. In der Entscheidung (§§ 29, 30) hat das Patentamt nach freiem Ermessen zu bestimmen, zu welchem Antheile die Kosten des Verfahrens den Bethei ligten zur Last fallen. § 32. Die Gerichte sind verpflichtet, dem Patentamte Rechtshilfe zu leisten. Die Festsetzung einer Strafe gegen Zeugen und Sachverständige, welche nicht erscheinen oder ihre Aussage oder deren Beeidigung verweigern, sowie die Vorführung eines nicht erschienenen Zeugen erfolgt auf Ersuchen durch die Gerichte. § 33. Gegen die Entscheidung des Patentamtes (S§ 2), 30) ist die Berufung zulässig. Die Berufung geht an das Beichsgericht. Sie ist binnen sechs Wochen nach der Zustellung bei dem Patentamte schriftlich anzumelden und zu begründen. Durch das Urtheil des Gerichtshofes ist nach Maassgabe des § 31 auch über die Kosten des Verfahrens zu bestimmen. Im übrigen wird das Verfahren vor dem Gerichtshöfe durch ein Regu lativ bestimmt, welches von dem Gerichtshöfe zu entwerfen ist und durch Kaiserliche Verordnung unter Zustimmung des Bundesraths festgestellt wird. § 34. In betreff der Geschäftssprache vor dem Patentamte finden die Be stimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Gerichtssprache ent sprechende Anwendung. Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache ab gefasst sind, werden nicht berücksichtigt. Vierter Abschnitt. Strafen und Entschädigung. § 35. Wer wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit den Bestimmungen der §§ 4 und 5 zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, ist dem Ver letzten zur Entschädigung reriflichtet Handelt es sich um eine Erfindung, welche ein Verfahren zur Her stellung eines neuen Stoffes zum Gegenstand hat, so gilt bis zum. Beweise des Gegentheils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als nach dem jiatentirten Verfahren hergestellt. § 36. Wer wissentlich den Bestimmungen der §§ 4 und 5 zuwider eine Er findung in Benutzung nimmt, wird mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark, oder mit Gefängniss bis zu einem Jahre bestraft. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Wird auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniss zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Verurtheilten öffentlich bekannt zu machen. Die Alt der Bekanntmachung, sowie die Frist zu der selben ist im Urtheil zu bestimmen. § 37. Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Beschädigten neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Busse bis zum Betrage von zehntausend Mark erkannt werden. Für diese Busse haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. Eine erkannte Busse schliesst die Geltendmachung eines weiteren Ent schädigungsanspruchs aus. 8 38 . In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen di ses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter In stanz im Sinne des § 8 des Einfuhrungsgeselzes zum Gerichtsverfassungs gesetz dem Reichsgericht zugewiesen. § 39. Die Klagen wegen Verletzung des Patentrechts verjähren rücksichtlich jeder einzelnen dieselbe begründenden Handlung in drei Jahren. § 40. Mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wild bestraft: 1) wer Gegenstände oder deren Verpackung mit einer Bezeichnung ver sieht, welche geeignet i-t, den Irrthum zu erregen, dass die Gegen stände durch ein Patent nach Maassgabe dieses Gesetzes geschützt seien; 2) wer in öffentlichen Anzeigen, auf Aushängeschildern, auf Empfehlungs- karten oder in ähnlichen Kundgebungen eine Bezeichnung anwendet, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, dass die darin erwähnten Gegenstände durch ein Patent nach Maassgabe dieses Gesetzes ge schützt seien. Artikel II. Die Bestimmung im § 28 Absatz 3 des Artikels I findet auf die zur Zeit bestehenden Patente mit der Maassgabe Anwendung, dass der Antrag mindestens bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Tage des Inkraft tretens dieses Gesetz s stattha ft i t. Artikel III. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1891 in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und boi- gedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Kiel, den 7. April 1891. (L. S.) Wilhelm. von Boetticher. Erläuterungen. (Nachdruck verboten.) Das Plenum des Reichstags hat sich, abgesehen von dem ein leitenden Vortrag des Staatssekretärs des Innern und einigen allge meinen Bemerkungen aus dem Hause bei der ersten Berathung am 4. Dezember 1890, nicht näher mit der Vorlage befasst, sondern das Gesetz bei den vorgeschriebenen zweiten und dritten Berathungen am 12. und 16. März d. J. in der Form en bloc genehmigt, welche dem selben von der vorberathenden Kommission, nach den Vorschlägen einer Subkommission, gegeben worden war. Manche der neuen Bestimmungen sind sehr einflussreich und umfassen die wichtigsten Interessen des Erfindungsschutzes, insbe sondere in Bezug auf die Bedeutung, den Umfang und den Schutz der Patentrechte, sowie in Bezug auf das Patentertheilungsverfahren. Im Anschluss an die früheren Mittheilungen über den Entwurf des jetzigen Gesetzes in den Nummern 23 und 93, Seiten 521 und 2283, der Papier-Zeitung« von 1890 ist zum Verständniss der einzelnen wichtigeren Vorschriften das Folgende zu bemerken: Zu § 1. a. Dem in den Kommissionsberathungen unternommenen Versuche, die Zuständigkeit des Patentamts auf die Prüfung eines zurPatentirung angemeldeten Gegenstandes unter dem Gesichtspunkte der Neuheit zu beschränken, hat die Kommission, nach Inhalt des er statteten Berichts, keine Folge gegeben. Dio dabei erwogenen Vor schläge wegen gesetzlicher Definition der Begriffe Erfindung und Verfahren« haben die Unlösbarkeit dieser Aufgabe von neuem be stätigt. Demnach ist § 1 unverändert geblieben. b. Zu Absatz 2 ist durch eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 25. Oktober 1890 nunmehr äusser Frage gestellt, dass ein für.ein bestimmtes chemisches Verfahren zur Darstellung gewisser Stoffe er- theiltes Patent das auf diesem Wege geschaffene Produkt selbst dann schützt, wenn das letztere als Arzneimittel verwendet wird. Zu § 2. a. Die frühere Beschreibung einer Erfindung in öffentlichen Druckschriften bildet fortan dann kein Patenthinderniss mehr, wenn die Schrift, in welcher der von dem Erfinder okkupirte, vormals etwa