Volltext Seite (XML)
1554 Erfindung des Holzschleifens. Fortsetzung zu Nr. 40. Endlich las ich in einer Zeitschrift, dass ein Mann von 93 Jahren, der in seiner Jugend eine gute Schulbildung genossen, sich volle 70 Jahre damit beschäftigt hatte, dasselbe Problem zu lösen, dass er aber schliesslich die Unmöglichkeit, das selbst gesteckte Lebensziel zu erreichen, einge sehen, dann nicht mehr leben wollte und sich erschossen hatte. Dies, sowie ein zu derselben Zeit in Leuchs’ polytechnischem Journal erschienener Aufsatz, worin mit wissenschaftlicher Klarheit nachgewiesen war, dass es unmöglich sei, eine Maschine zu schaffen, die durch mechanische Mittel allein, ohne Einwirkung irgend einer Na turkraft, d. h. von selbst ginge, trugen dazu bei, dass auch ich vollends geheilt wurde; denn die nach und nach gemachten Erfahrungen hatten mir schon nahezu diese Ueberzeugung verschafft. Ich bereute jetzt sehr, so lange Zeit mit unnützen Arbeiten verbracht zu haben, fand jedoch später, dass ich durch die selbständige Arbeit so manche praktische Erfahrung erworben hatte, die mir bei künftigen Arbeiten sehr zu statten kam. Von dieser Zeit an beschäftigte ich mich in meinen freien Stunden mehr mit Lesen techni scher Schriften, und fand auch eines Tags, wenn ich nicht irre, in Leuchs’Journal vom Jahre 1839 oder 40, eine Anregung dafür, dass es bei dem । PAPIER-ZEITUN giessen des Steines, nach einiger Zeit aabge- schliffener Kernmasse und Holz eine weissliche Masse, die nach längerer Pause bei Luft und Sonnenschein auf dem Stein trocknete und sich dann in blättlicher Gestalt ablöste. Diese Er scheinung, so einfach sie war, erregte doch meine Aufmerksamkeit. Ich erklärtesiemirdamalsinmeiner kindlichen Beurtheilung dahin, dass die abge schliffene Kernmasse von den gleichzeitig ab geschliffenen Holzfasern zusammengehalten würde. Wie schon oben erwähnt, erinnerte ich mich ei nige zwanzig Jahre später wieder an diese Er fahrung und machte die erste Nutzanwendung davon, indem ich spät nachmittags sofort mit Ver suchen begann. Ich reinigte einen vorhandenen gewöhnlichen kleinen Schleifstein, der zum Schlei fen der Werkzeuge diente, nebst Trog sorgfältig vom Schmutz, füllte letzteren mit Wasser und Ung an zu schleifen, indem ich in der einen Hand ein Stückchen geeignetes Holz haltend, fest an drückte, und mit der anderen Hand den Stein drehte. Bald fing das Wasser an sich zu trüben, und als es das Aussehen von dicker Milch erreicht hatte, hörte ich auf, leerte den Trog in ein an deres Gefäss, und liess die Masse, weil meine Kraft ziemlich erschöpft war, kurze Zeit ruhig stehen. Während dieser Zeit hatte sich der Stoff etwas gesetzt, ich goss das klare Wasser ab und übergab die dadurch etwas dicker gewordene Masse meiner Frau zum Kochen, weil ich nun N:41 Fabrikation, dass zum weitern Verarbeiten des fertiggemahlenen Papierstoffes Formen, Filze, Pressen und dergleichen gebraucht würden. Wie und woher diese zu beschaffen waren, wusste ich nicht. Zunächst verwendete ich als kleine Form ein Stückchen Webeblatt (kleiner Holzrahmen mit nahe zusammen senkrecht und parallel eingesetz ten Blechstreifen. D. Red.) auf welches ich den verdünnten Holzstoff goss. Durch die Nieten des Webeblattes (d. h. zwischen den Blechstrei fen. D. Red.) lief das Wasser leidlich durch, so dass ich den zurückgebliebenen Stoff auf ange feuchtete, entsprechend grosse Tuchlappen ab drücken konnte, die ich aus einem alten Rock geschnitten hatte. Mit Hilfe von 11 solcher Lappen machte ich ein »Puscht« von 10 Blatt, die allerdings nur die ungefähre Grösse der Hälfte eines Fünfmarkscheines hatten. Dieses Puscht presste ich dann in einer Hobelbank aus. Die Versuche fielen, da ich den Stoff aufgoss, nicht zu meiner Zufriedenheit aus, und ich unternahm es desshalb, Bogen von der Grösse eines Viertel bogens Schreibpapier mit geigneteren Hilfsmit teln zu machen. Da ich jedoch, wie erwähnt, nicht wusste, wie eine Papierform beschaffen war, so fertigte ich einen Rahmen aus schwachem Bandeisen an, legte über beide Seiten so viele Stränge schwachen Messingdrahts als in einem Bogen Büttenpapier sichtbar waren, und zog Querdrähte durch, so steigenden Papierbedarf an der Zeit sei, einen Stoff ausfindig zu machen, der wenigstens theil weise die immer mehr mangelnden Hadern ersetzen könne. Ich erfasste diesen Wink mit Eifer, sah jedoch sofort ein, dass es mir bei gänzlicher Unkennt- niss des Papierfachs sehr schwer wer den würde, etwas Geeignetes zu finden. Ausserdem konnte ich mich nicht ganz dieser Aufgabe widmen, weil in diese Zeit meine Verheirathung fiel, wo ich . äusser meiner Berufsarbeit Manches zu N ;hun hatte, um fehlende Wirthschafts- — gegenstände zu beschaffen. Nach fünf Viertel Jahren schon verlor ich meine Frau durch den Tod und war infolge dessen längere Zeit nicht zu neuen - || Versuchen aufgelegt. So waren 3 Jahre - [ vergangen bis 1843, wo ich mich aber mals verheirathete. Da ich die Aufgabe | U bezüglich Auffindung eines neuen Pa pierstoffes nie ganz aus den Augen liess, — so war ich auch auf Alles aufmerksam, ) ■ was möglicherweise zu deren Lösung C führen könnte. So kam es denn, dass einmal der Meinung war, dass dies zur Lösung. dass diese Form ganz leidlich ausfiel. Noch der Fasern nöthig sei. Dann ging ich ungesäumt | immer fehlte mir aber der Formdeckel, und ich wusste nicht, wie ein solcher aussah, fand aber bald, als das Schöpfen sehr schlecht ging, dass damit ein die Form umschliessender Rahmen gemeint sei müsse. Als ich desshalb einen Rahmen nach meinem Gutdünken verfertigt hatte, ging es auch wirklich um Vieles besser. Zu diesem Format hatte ich ebenfalls 11 Filze aus einem alten Tuchrock ge schnitten. Als Presse benutzte ich, da ich eine solche nicht hatte, einen vom oberen Gautschbrett bis zur Stubendecke reichenden Pfahl, legte an der Decke ein Stück Brett unter, und trieb dann mit dem Beil den Pfahl am obern Ende soweit an, als die nöthige Pressung er forderte. Auf diese Art habe ich 80 solcher Bogen gemacht, worunter auch einige Puscht farbige Blättchen waren. (Eines dieser sehr kräftigen Blättchen liegt uns vor. 1). Red.). Wie schon erwähnt, benutzte ich zum Holzschleifen, in Ermangelung eines an- das oft besprochene Wespennest mich auf die Gedanken leitete, Papierfasern aus Holz her zustellen. Ich glaubte zunächst dies dadurch zu erreichen, dass ich Sägespäne oder an deres gröblich zertheiltes Holz in starker Soda lauge kochte, um die durch Harztheilchen zu sammengehaltenen Fasern zu trennen. Das Ver fahren entsprach jedoch meinen Erwartungen nicht, weil die einfache Siedehitze nicht zur Lö sung ausreichend ist, wie auch spätere, von An deren bei der Cellulose-Bereitung gemachten Er fahrungen beweisen. Eine Erinnerung aus mei ner Kindheit brachte mich endlich auf den rich tigen Weg. Es fiel mir nämlich ein, wie ich als Knabe mit vielen Altersgenossen, zur Kirschen zeit, als Spielerei aus Kirschkernen kleine Ket ten gemacht hatte. Das Verfahren bestand ein fach darin, dass etwa in die Mitte der flachen Seite eines kleinen Brettchens eine, der halben Stärke eines Kirschkernes entsprechende, Ver tiefung gemacht wurde, in welche man den Kern legte, und dann dessen hervorstehende Hälfte auf der Fläche eines rauhen, vorher mit Wasser be gossenen, Steines abrieb. Mit der anderen Seite des Kirschkernes wurde ebenso verfahren, bis auf beiden Seiten eine Oeffnung in der harten Schale entstanden war, so dass man einen Faden durch den Kern ziehen und ihn aufreihen konnte. Bei diesem Abschleifen des Kernes war es nicht zu vermeiden, dass auch die Fläche des hölzernen Brettchens mitgetroffen und abgeschliffen wurde; und dadurch bildete sich, bei spärlichem Be- wieder zu meiner unterbrochenen Berufsarbeit, um I das Versäumte möglichst wieder einzubringen. I Beim beginnenden Abendessen nahm ich das I Gefäss mit dem Stoff wieder zur Hand und 1 quirlte denselben etwas stark, so dass dadurch | von der Masse etwas heraus uuf das doppelt auf liegende Tischtuch spritzte. Das Wasser wurde sofort vom Tischtuch aufgesogen; ich löste den obenauf liegenden nassen Stoff behutsam mit dem Messer ab, presste ihn zunächst in den Blättern eines Buches und steckte ihn mit Nadeln an den Ofen zum Trocknen. Er war sehr bald trocken, ich glättete ihn noch ein wenig, und das erste Stückchen reinen Holzpapiers, in Grösse eines Zehnmarkstückes, war noch vor dem Abendessen fertig. Wie ich mich darüber freute, vermag ich nicht zu schildern, und erwähne nur, dass ich die darauf folgende Nacht vor freudiger Aufre gung nicht geschlafen habe. Später brachte ich dieses mir werthvolle Stückchen Papier, welches ich heut noch habe, mit einem Stückchen des Wespennestes, welches mich darauf leitete, unter Glas und Rahmen, um es zum Andenken besser aufbewahren zu können. Jetzt hatte ich zwar einen Stoff gefunden, der sich nach dem vorliegenden Resultat zum theil- weisen Ersatz der Hadern eignen dürfte, wusste aber nicht, wie grössere Blätter als das erwähnte kleine Stückchen Papier daraus zu formen seien. Ich hatte nämlich bis dahin noch keine Papier mühle gesehen, und wusste aus Poppe’s techno logischem Handwörterbuch nur soviel von der' deren zuerst einen ganz feinkörnigen Werkzeug- Schleifstein; da aber mit diesem nicht viel Stoff fertig wurde, so hatte ich mir einen kleineren, aber grobkör nigeren verschafft, den ich aufder Drehbank, in einem Kasten gehend, anbrachte. Während ich nun die letztgenannten Gegenstände wie die Form und dergleichen anfertigte, schliff meine Frau immer Stoff. Diese dritten Proben waren schon bedeutend besser ausgefallen, und es kam mir jetzt vor Allem darauf an, mich darüber zu unterrichten, wie sich der Werth des Stoffes im Vergleich zum Lumpenpapierstof und folglich der Nutzen her- ausstelle. Ich ging daher nach Lossnitz bei Frei berg, als der meinem Wohnort zunächst gelege nen Papiermühle, und gewann dort bald die Ueber zeugung, dass Holzstoff um vieles billiger zu be schaffen sei als Lumpenstoff. Dadurch ermuthigt, hielt ich die Sache nicht mehr so geheim, und zeigte Proben an mir bekannte intelligente Leute, auf deren Hilfe ich zur Fortsetzung grösserer Versuche hoffte. Meine Hoffnungen waren jedoch vergebens, und schliesslich wendete ich mich mit einem Gesuch um Unterstützung an das König!. Sächsische Ministerium. In dem darauf erhalte nen Bescheid war zwar mein Streben lobend an erkannt, allein mein Gesuch um Unterstützung konnte keine Berücksichtigung finden, weil die Sache noch zu unfertig vorliege. Zudem sei es auch nicht räthlich, zu grösseren Versuchen eine neue Anlage zu schaffen, da man bestehende dazu benutzen könne. Gleichzeitig wurden mir mehrere Papiermühlen dazu vorgeschlagen. Dies