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2026 PAPER-ZEITUNG. N:52 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den Gesammtbuchhandel (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Preis des Papiers und der Bücher im Alterthum. Auszug aus dem Briefwechsel zwischen E. Egger und Ambr. Firm. Didot, Insti tutsmitgliedern, vom Jahre 1856. Fortsetzung zu Nr. 50. Athen stand seit alters in regem Verkehr mit Egypten. Es musste also nothwendiger weise den Gebrauch des Papyrus seit langer Zeit kennen. Er wurde sowohl bei offiziellen und privaten Schriftstücken, als auch von den Schriftstellern und Dichtern gebraucht. Die Baumrinde oder Holzspäne, welche von den Völkerschaften mit geringerer Bildungsstufe in Anwendung genommen wurden, brauchte man in Athen nur in den Schulen und zu Schrift stücken, deren Dauer nur auf einen kurzen Zeitraum berechnet war, gleichwie die Steuer einnehmer z. B. irdene Scherben zur Nieder schrift ihrer Rechnungen benützten. Die obgenannte Inschrift giebt die Grösse des fraglichen Papierblattes nicht an. Ich finde auch in den griechischen Schriftstellern keinen Aufschluss über die Grösse der aus Papyrus erzeugten Papierblätter. Dagegen liefern uns die Handschriften aus Herculanum und die in den Museen befindlichen Blätter zahlreiche Be weisstücke in natura. Die in Herculanum ge fundenen griechischen Handschriften sind nur 6—9 Zoll hoch, die lateinischen dagegen haben eine Höhe von 9 Zoll bis zu 1 Fuss. Dies steht in Uebereinstimmung mit dem, was Pli nius berichtet anlässlich der Beschreibung der Papiererzeugung aus dem Stengel der Papyrus- staude. Nach Plinius waren die guten Papier sorten nicht mehr als 13 Finger, d. i. etwa 13 Pariser Zoll, breit. Ihre Länge wurde aber unter Claudius’ Herrschaft vergrössert, die rnacrocolles („grosse Blätter“) erhielten eine Länge bis zu einem Einbogen, d. i. etwas weni ger als 11/2 Fuss = 50 cm ; dieselbe entspricht ungefähr der Grösse des Papiers, welches heute unter dem Namen couronne bekannt ist und wovon 500 Bogen etwa 5 Francs kosten, so dass also ein solches Blatt Papier heute un gefähr 500 mal weniger kostet als zu der Zeit des Perikies. Das Papier behielt diesen hohen Preis bis zu der Zeit ungefähr, in welcher Griechenland zu Rom in Beziehung trat. Die Ausfuhr des Papiers von Egypten nach Griechenland be schränkte sich auf Athen und dessen ionische Kolonieen. Die übrigen Völker Griechenlands schrieben und lasen bekanntlich fast garnicht. Dagegen mussten die Phöniker, die Erfinder der Buchstabenschrift, deren Handel sich über die ganze, den Alten bekannte Welt erstreckte, desgleichen die Bewohner von Tyros, eine be deutende Menge Papier aus Egypten einführen, um ihre Verkäufe, Verträge, Mittheilungen etc. niederzuschreiben. Hier kam wahrscheinlich die Sorte vorzugsweise in Betracht, welche von Plinius mit dem Namen „emporetica" be nannt wird, und die auch zum Einwickeln von Waaren und dergleichen gebraucht wurde. Auch in Babylon wurde aus dem in den Ge wässern des Euphrat wachsenden Papyrus Pa pier angefertigt. Die Auskunft, welche Plinius über dies asiatische Papier gegeben hat, ist die einzige, welche uns das Alterthum giebt. Die Erzeugung desselben war zu der Zeit, da Plinius schrieb, noch neu; sie scheint sehr be schränkt gewesen zu sein, denn er sagt, dass die Parther noch immer an dem Gebrauch fest hielten, dem schriftlichen Gedankenausdruck durch Aufsticken auf ihre Kleidungsstücke Ge staltung zu geben. Die Schwierigkeit der Erzeugung, die hier durch bedingte Seltenheit und hohe Preis stellung des Papiers musste für das staatliche und bürgerliche Leben allerhand Hindernisse mit sich bringen und erklärt die Sparsamkeit der atheniensischen Verwaltungsbeamten unter Perikies, welche alle durch den Bau des Erech- theums während einer Prytanie entstandenen Kosten auf den Raum von zwei Blättern zu drängen wussten. Dieser hohe Preis hinderte natürlich auch die Vervielfältigung der Meisterwerke der da maligen Schriftsteller, z. B. der Schriften des Hippokrates. Plato, Aristoteles. Dadurch wurde der Ankauf von Büchern nur den wirklich reichen Leuten möglich: die Bibliotheken waren selten und unbedeutend. So weiss man, dass Plato für drei Abhandlungen des Pytha- goräers Philolaos hundert Minen (9000 Francs), und Aristoteles für eine kleine Anzahl von Bänden, welche dem Speusippos, einem Schü ler des Plato, gehörten, drei Talente (mehr als 16 000 Francs) bezahlte. Das Interesse des Atheniensers für Bücher und Alles, was zur Erhaltung derselben beizu tragen imstande war, wird durch die Errich tung der Statue zu Ehren des Philtatius be stätigt, welcher sie in der Kunst des Leimens unterwiesen hatte. Es steht nicht fest, ob Philtatius ein schlichter Buchbinder gewesen ist, oder der Erfinder eines Verfahrens, Papier zu leimen. Ursprünglich mag das Papyruspapier wenig Festigkeit gehabt haben und wahrscheinlich garnicht oder nur unvollkommen geleimt ge wesen sein. Plinius der jüngere entschuldigt sich einem Freunde gegenüber, welchem er längere Zeit nicht geschrieben, damit, dass das Papier, welches er auf dem Lande erhalten könne, so stark durchschlage, dass jedes ge schriebene Wort völlig unleserlich werde. Zur Abstellung dieses Uebelstandes erfuhr die Pa piererzeugung nach und nach mehrere Ver besserungen. Das Leimen gab der Papyrusfaser die Festig keit, welche das lose Gewebe dieser Rohrpflanze von Natur entbehrt, und machte die doppelte Lage, aus welcher ein Papyrusblatt bestand, für die Schreibtinte undurchdringlich. Die senk rechten Fasern eines solchen Blattes haben immer die grösste Dichtigkeit. Legt man ein solches Blatt quer auf ein anderes, so glaubt man, einen ähnlichen Einschlag in ihm zu er kennen, wie ihn andere leinenen Stoffe besitzen, deren sich die Egypter ebenso häufig als Schreibmaterial bedienten wie des Papiers. Das mit Hilfe von Weinessig in Leim verwandelte Stärkemehl leimte die beiden Papyrusrollen so fest zusammen, dass sie zu einem, das Stoff gewebe naehahmenden Ganzen wurden. Erst seit zwei Jahrzehnten ist das Alt-Egyp- tische Verfahren der vegetabilischen Leimung nach erheblicher Vervollkommnung wieder wie eine neue Erfindung in praktische Anwendung genommen worden. Durch dasselbe ist das Leimen mit animalischen Stoffen, ein Verfahren, dessen Alter in Europa ebenso weit zurück reicht, wie die Erzeugung des Handpapiers aus Lumpen — fast verdrängt worden. Die Fasern, welche gegenwärtig zu Papier verarbeitet werden, sind in England in der Regel von geringerer Haltbarkeit als in Frank reich, dessen Lumpen besser sind. Aus diesem Grunde zieht man dort das animalische Leimen dem vegetabilischen noch immer vor. Das letztere gelingt auch dort weniger als in Frankreich. Die Ursache hierzu liegt wahr scheinlich in dem Umstande, dass das Wasser dort über Granitboden läuft: eine Erscheinung, die in manchen Gegenden Frankreichs gleich falls beobachtet wird. Plinius’ Aeusserung führt zu der Annahme, dass das Nilwasser (beson ders dann, wenn der Fluss viel Schlamm mit sich führt) zum Leimen ganz besonders brauch bar ist. Als das erobernde Rom die Civilisation über weite Länder trug, wuchs mit der Lust an der Literatur auch der Anbau des Papyrus in Egypten. Das aus ihm gewonnene Papier bil dete einen Hauptausfuhr-Artikel des Landes. Die Pflanze leistete aber den Bewohnern Egyp tens noch andere Dienste, wie uns Plinius er zählt: Ihre Wurzeln dienten den Einwohnern als Brennmaterial sowohl wie zur Anfertigung von Hausgeräthen. Aus den Stengeln wurden Kähne geformt; die äussere Rinde zu Segeln, Dächern, Decken und Stricken, selbst zu Klei dern, verarbeitet. Papyrus wurde bald roh, bald gekocht zerkaut und der Saft verschluckt. Theophrast berichtet sogar, und Dioskorides be stätigt es, dass Papyrus bald roh, bald gekocht, bald geröstet als Speise verzehrt wurde; be wiesen wird dies ferner dadurch, dass die Egypter im Alterthum nicht selten „Papyrus- esser“ genannt wurden. Wie aber kommt es, dass dieses Rohr, durch welches Egypten eine so bedeutende Einnahme quelle besass, so ganz und gar von seinem Boden verschwunden ist? Ich habe weder im Delta, noch im Rosetta-Nil, noch im Damietta- Nil einen Stengel desselben entdecken können. Nur in Sicilien, bei der Quelle Cyanea, habe ich ein paar spärliche Exemplare dieser Pflanze gesehen. Wie gross der Anbau des Papyrus und die Bereitung des Papiers in Egypten ge wesen ist, berichtet der Geschichtsschreiber Vopiscus, indem er von dem Tyrann Firmus aus Selkukia (welcher so reich war, dass er Glasfenster in seinem Palaste hatte) erzählt, dass derselbe bei seinem Aufstande gegen Aurelian (274 v. Chr.) soviel Papier besass, dass er seine Armee von dem Papyrus und Leim ernähren konnte, welcher in seinen Magazinen lagerte. Auch ein von Vopiscus angezogener Brief des Hadrianus giebt für die Bedeutung der Pa- pyruserzeugung Egyptens Bürgschaft: „In der reichen Stadt Alexandria geht Niemand müssig; die Einen beschäftigen sich mit dem Blasen von Glas, die Andern mit der Erzeugung von Papier.“ An einer dritten Stelle berichtet Vopiscus: „Dass Aurelian den Egyptern eine fortdauernde Abgabe auf Papier und Glas auferlegte.“ Betreffs der Glas- und der Papiererzeugung sei daran erinnert, dass die hohe Bedeutung dieser beiden Erwerbszweige auch von den Königen Frankreichs erkannt wurde. Dieselben erhoben die Glas- und Papier - Fabrikanten in den Adelstand und die von beiden beschäftigten Arbeiter hatten das Recht, den Degen zu tragen und den Titel „gentilshommes papetiers“ und „gentilshommes verriers“ zu führen. Unter dem Kaiser Tiberius war Papier bereits ein unentbehrliches Lebensbedürfniss geworden. Als dasselbe zu mangeln begann, trat eine solche Störung des öffentlichen Lebens ein, dass ein Senatoren-Konvent zur gleichmässigen Ver- theilung des Papiervorraths eingesetzt wurde. Es war auch, je grösser die Ausdehnung des ägyptischen Handels und der Verbrauch des Papiers geworden war, eine um so stärkere Preisverminderung eingetreten. Zeugniss für die damaligen Preise des Papiers zu Rom geben einige Epigramme des Martial, welche die An nahme ausschliessen, dass dessen Bücher auf Pergament geschrieben gewesen seien. Die Gracchen, Cicero, Augustus, Vergilius schrieben auf Papyrus und zwar höchst wahrscheinlich „cornelianischen." Derselbe führte seinen Namen nach Cornelius Gallus, einem Freunde des Vergilius und selbst Dichter, welcher, wäh rend er als Prätor über Egypten gesetzt war, die Bereitung einer bestimmten Papiersorte derart vervollkommnete, dass ihr zur Auszeich nung sein Name gegeben wurde. Auf dem Forum des Cäsar wohnten auch die meisten Buchhändler, unter andern die Gebrüder Sosius, die Verleger des Horaz, welche auch ein Export geschäft betrieben, besonders mit aus der Mode gekommenen Büchern. Schluss folgt