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oder Abänderung rechtzeitig zu sorgen. Es ist stets im Auge zu halten, dass das Interesse des Fabri kanten und des Agenten in der Regel miteinan- der geht, dass aber der Agent unter gewissen Verhältnissen das Interesse des Kunden gegen über dem Fabrikanten zu vertreten hat. Wir wollen nun an einem Falle aus der Praxis zeigen, wie an sich klare Bestimmungen eines der artigen Vertrages doch abweichende Auslegungen zulassen und dadurch eine aussichtsreiche Verbin dung kurz abgebrochen wurde. Vor einigen Jahren übernahm ein Agent die Vertretung einer Fabrik aus der Papierverarbeitung. Vertragsmässig wurde festgestellt als Wirkungskreis der Wohnsitz des Agenten, sowie alle Orte, welche er auf seinen Reisen besuchen werde. Gegen die Verpflichtung, keine Konkurrenzfnma zu vertreten, wurde ihm von allen aus seinem Wirkungskreise eingehenden Aufträgen die volle festgesetzte Provision gesichert, einer lei, ob er dieselbe überschrieb, oder dieselben direkt bei dem Fabrikanten eingingen. Gegensei tige, dreimonatliche Kündigung oder einfaches Er löschen des Vertrages, wenn der Agent keine Aufträge erzielt; von Fakturabeträgen, welche nicht einzubringen wären, keine Provision. Der Fabrikant verrechnete die Aufträge direkt mit den Bestellern und hatte die Provision bei Annahme des Auftrages gutzuschreiben. Der Agent begann seine Thätigkeit, machte den Interessenten seine Besuche, legte die Muster vor und suchte seine Aufträge, zuerst in seinem Wohn orte, dann auf Reisen in der Umgegend desselben (die Reisekosten musste er selber aus der erziel ten Provision tragen). Der Natur der Sache ent sprechend, traf er nun bei diesen Reisen nicht ge rade vorliegenden Bedarf, knüpfte aber Verbindun gen an und bei eintretendem Bedarf wurden ihm, resp. dem Fabrikanten, direkte Aufträge er- theilt. So ging das Geschäft ohne wesentliche Zwischenfälle eine Zeitlang bis zu folgendem Vor fall fort, wenn auch stets das Nichteinhalten der vereinbarten Lieferfrist Grund zur Klage gab. Zwei Kunden, die der Fabrikant schon vor Anstellung des Agenten gehabt hatte, machten direkt Nach bestellung; die eine Bestellung wurde ohne Weite res ausgeführt, davon aber, entgegen dem klarem Wortlaut des Vertrages, keine Provision vergütet, die zweite wollte der Fabrikant aber nicht zu dem früheren Preise ausführen, und der Agent musste mit vieler Mühe und grossem Zeitaufwand einen höheren Preis erwirken. Obwohl dies ge lang, wenn auch nicht bis zur erwünschten Höhe, so sollte ihm seine Provision doch um 600/0 gekürzt werden. Begreiflicherweise war der Agent mit diesen beiden Maassregeln nicht einverstanden, und der Fabrikant benutzte diese Differenz zu der Er klärung, dass er künftige Aufträge des Agenten nicht mehr ausführen und weitere Provision nicht zahlen werde. Die Provisionen für erledigte und in Ausfüh rung befindliche Aufträge waren verrechnet, und der Fabrikant stellte es als besonderes Entgegen kommen hin, dass er eine Abfindung von 100 Mk. bot für einige Aufträge, über welche bereits ver handelt wurde, die also dem Abschluss nahe waren. Um die Differenz zu schlichten, war der Agent bereit, hierauf einzugehen, sobald ausdrück lich sein Anspruch auf Provision für einen grösseren Auftrag, über welchem die Unterhand lungen schwebten, nicht durch dies Uebereinkom men berührt würde. Diese Bedingung wurde vom Fabrikanten abgelehnt. So liegt die Sache auch noch jetzt, da der Agent eine gerichtliche Entscheidung noch nicht herbeigeführt hat. Wenn der Fabrikant keine Provision von solchen auch jetzt noch direkt bei ihm eingehenden Aufträgen bewilligen müsste, von denen der Agent die Verbindung angeknüpft hat, so hätte er ja seine Zeit und Kosten aus schliesslich im Interesse des Fabrikanten geopfert. Ein anderer Punkt, welcher ebenfalls häulig zu Differenzen Veranlassung giebt, ist die Ent scheidung darüber, wann der Agent seine Pro vision verdient, resp. zu beanspruchen hat. Die Arbeit des Agenten ist beendet, wenn der Fabri kant die Uebernähme eines Auftrages zu den ver einbarten Bedingungen anzeigt; folgerichtig sollte ihm dann seine Provision auch sofort auzgezahlt werden. Viele Fabrikanten zeigen sich jedoch grade in diesem Punkte sehr schwierig und be nutzen jeden Vorwand zum Hinausschieben der Zahlung, ohne zu bedenken, dass sie dadurch dem Agenten den Verkehr mit ihnen verleiden und ihm die Lust zur Arbeit für sie vollständig nehmen. In der Kundschaft weit verbreitet ist auch die Anschauung, dass direkt beim Fabrikanten auf gegebene Aufträge nicht nur billiger, sondern auch sorgfältiger und prompter ausgeführt werden, als Aufträge, die durch einen Agenten ertheilt sind. Wie weit diese Anschauung berechtigt ist, wollen wir hier nicht weiter untersuchen, dass sie sich aber hat bilden können, zeigt allein schon, dass es Fabrikanten gegeben hat, vielleicht noch giebt, welche so verfahren. Es wäre sehr erwünscht, wenn diese Zeilen dazu anregten, dass auch andere Sachverständigere ihre Anschauungen und Erfahrungen über diese Frage mittheilten, damit die Ansichten geklärt und im Verkehr viele Differenzen vermieden würden. D. Sch. Unfall-V ersicherung. Nachstehend geben wir nach der Berl. Börs.- Ztg. eine Entscheidung wieder, die für jeden Gewerbebetrieb wichtig und für unsere Leser von besonderem Interesse ist, da sie in der Sache einer Firma unseres Faches gefällt wurde. In Bezug auf die von den Gerichtsbehörden erster und zweiter Instanz bisher verschieden be- urtheilte Frage, ob in Gemässheit des Versicherungs- gesetzes vom 15. Juni 1883 (Krankenversicherung, D. Red.) nicht nur die direkt, sondern auch die indirekt in einer Fabrik beschäftigten Arbeiter zur Versicherung anzumelden sind, hat nunmehr das Kammergericht in der Revisionsinstanz gestern folgende präjudicielle Entscheidung getroffen. Die Gebrüder Motz — Inhaber der Firma Oehmigcke & Riemschneider in Neu-Ruppin — waren als »Fabrikbesitzer resp. Arbeitgeber«, weil sie näm lich etwa 20 in der Fabrik beschäftigte Knaben nicht rechtzeitig zurVersicherung angemeldet hatten, der Uebertretung des erwähnten Gesetzes ange klagt, vom Schöffenrichter aber auf Grund des Thatbestandes freigesprochen worden, dass die Knaben nicht direkt bei ihnen, sondern nur bei den Koloristen der Fabrik beschäftigt und von Letzte ren auch bezahlt worden waren. Die Arbeit der Kinder bestand darin, dass sie den Koloristen, welche Bilder zum Koloriren von der Fabrik übernommen hatten, in letzterer beim Aufträgen der Farben halfen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob die Strafkammer zu Neu-Ruppin aber die Freisprechung auf und verurtheilte die Angeklagten unter folgender Ausführung zu einer Geldstrafe: »Die Angeklagten haben zu den betr. Knaben, wenn auch in keinem direkten, so doch in einem indirekten Verhältniss als Arbeitgeber gestanden, indem die Arbeit, welche die jugendlichen Per sonen zu leisten hatten, von ihnen gegeben wurde, und es erscheint zulässig, die Fabrikherreu selbst dann als »Arbeitgeber« anzusehen, wenn, wie hier, nur ein indirektes Verhältniss vorhanden ist. Diese Auffassung entspricht auch dem Geiste des Ge setzes vom 15. Juni 1883. Richtig ist nun zwar, dass nach § 53 des cit. Gesetzes der Arbeitgeber die von ihm für die Arbeiter vorgeschossenen Be träge zu 2/3 derselben beim Lohn in Abzug bringen kann, und dass nun hier ein solcher Abzug nicht möglich war, da die Arbeitgeber den Lohn nicht zahlten. Allein es erscheint zweifellos, dass der Gesetzgeber in § 53 nur eine Regel hat aufstellen wollen, welche auf die im Allgemeinen vorkom menden Fälle passt, und dass er damit nicht hat aussprechen wollen, dass nur bei direkter Lohn zahlung von der Anmeldungspflicht die Rede sein kann. Denn es steht Dem nichts entgegen, dass der Fabrikbesitzer durch Vereinbarungen mit den von ihm direkt beschäftigten Arbeitern sich den Er satz der von ihm für die indirekt beschäftigten Ar beiter vorgeschossenen Beträge in Höhe von 2/3 der selben ausbedingen kann.« — Die hiergegen ein gelegte Revision des Angeklagten wurde vom Kammergericht nach mehrstündiger Berathung in wesentlicher Uebereinstimmung mit den Gesichts punkten des Vorderrichters zurückgewiesen. Die hier in Rede stehende Frage giebt, so wurde u. A. ausgeführt, zu erheblichen Zweifeln Ver anlassung, denn allerdings spricht der Wortlaut des Gesetzes, wonach der Fabrikant jede von ihm beschäftigte versicherungspflichtige Person anzu melden hat, zu Gunsten der Angeklagten, welche eben die in Rede stehenden Personen nicht an genommen hatten. Das Kammergericht ist aber in Rücksicht auf den Sinn und Zusammenhang des Gesetzes doch zu der Ansicht gelangt, dass der Gesetzgeber jene Verpflichtung des Arbeit gebers auf alle im Betriebe beschäftigten Arbeiter habe ausgedehnt wissen wollen. Diese Ansicht finde ihre Rechtfertigung auch in den Verhand lungen der Komission und des Plenums bei Be rathung des qu. Gesetzes. Die Entscheidung des höchsten Landgerichtshofs ist von so ein schneidender Bedeutung für unsere Fabrikverhält nisse, dass sie namentlich in Rücksicht auf die von ihr selbst anerkannte und zu so »erheblichen Zweifeln Veranlassung« gebende Unklarheit des zu Grunde liegenden Gesetzes vom 15. Juni 1883 der Reichsgesetzgebung wohl Anregung zur Schaf fung prägnanterer Bestimmungen geben dürfte. Unredliche Geschäftsgehilfen. Die Unredlichkeit scheint leider auch auf diesem Gebiet zu wachsen. In einem ameri kanischen Fachblatt wird darauf hingewiesen, dass eine Quelle dieses Uebels wohl in solchen Geschäften zu suchen ist, in denen die Moral der darin beschäftigten jungen Leute durch die nicht streng rechtliche Leitung untergraben wird. Wenn die Angestellten sehen, dass die zweifelhaftesten Mittel zur Erlangung von Nutzen fortwährendstraflos angewendet werden, müssen sie in ihren Begriffen von Recht und Unrecht erschüttert werden. Es ist natürlich, dass der junge Mann die Annahme von Provision für ertheilte Aufträge oder gemachte Einkäufe berechtigt oder we nigstens erlaubt findet, wenn er sieht, dass sein Arbeitgeber selbst derartige Provisionen zahlt. Der Gehilfe oder Lehrling wird das Abziehen von Extra-Prozenten unter dem Vor wand unbegründeter Ausstellungen, das Zahlen in Kellerwechseln und unfrankirten Briefen, sowie das sogenannte Chikaniren überhaupt, für ebenso erlaubt wie vortheilhaft halten, wenn dasselbe unbeanstandet oder doch mit Erfolg vor seinen Augen fortwährend geübt wird. In manchen Häusern prahlen die Herren sogar damit, wenn es ihnen durch schlaues, wenn auch nicht hochachtbares Verfahren, gelungen ist, einen Extra-Gewinn zu erzielen. Sie sollten sich aber dann nicht wundern, wenn die in solcher Weise belehrten jungen Leute es auch ihnen gegenüber mit der geschäftlichen Moral nicht allzu genau nehmen und ihren Vortheil suchen, wo sie ihn finden. Wenn ihr Arbeitgeber den empfangenen Waaren fortwährend Mängel andichtet, um einen unberechtigten Abzug machen zu können, wenn er, gegen die Uebereinkunft, erst nach 3 oder 6 Monaten bezahlt und dann noch Skonto abzieht u. s. w., ohne an Ehre und Vermögen Einbusse zu leiden, so müssen seine jungen Leute zu der Ansicht kommen, dass jedes Verfahren, welches nicht direkt ge gen das Strafgesetz verstösst, durchaus be rechtigt sei. Es empfiehlt sich daher, nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch in dem der heranwachsenden Generation, dass maassgebende Firmen sich derartige Behandlung von den Käufern durchaus nicht gefallen lassen und solche Chikanen entrüstet zurückweisen — auf die Gefahr hin, jede weitere Verbindung mit Leuten dieser Art abbrechen zu müssen. An dem Verlust solcher Kunden wäre wenig gelegen; überdies ist erfahrungsgemäss an zunehmen, dass dieselben doch wiederkommen und sich den strengeren Regeln unterwerfen, da die Zurückweisung den Beweis liefert, dass