Volltext Seite (XML)
1764 PPIER-ZEITUNG. Buchbinderei. Unter dieser Ueberschrift erscheinen vorzugsweise Auf sätze, welche technische und künstlerische Gegenstände aus dem Gebiete der Buchbinderei behandeln. Sachliche Mit- theilungen finden kostenfreie Aufnahme. Mitarbeiter erhalten angemessene Bezahlung. Neben-Erwerbszweige des Klein-Buchbinders Das Arbeitsgebiet des Klein-Buchbinders hat sich, seitdem die Gewerbefreiheit im Reiche ein- geführt worden ist, nach zwei Richtungen beträcht lich erweitert. Der Klein-Buchbinder von heute hat die Berechtigung, dem Buchdrucker sowohl wie dem Buchhändler wettbewerbend an die Seite zu treten. Er wird dies, der Natur der Sache nach, in der Regel freilich nur im Kleinen, beziehentlich mit kleinen Arbeiten, thun können. Aber es kommt eins zum Andern, und der Klein-Buch binder, welcher ein offenes Ladengeschäft führt, wird durch eine solche Erweiterung seines Ge schäftsbetriebs schon den Vortheil der Vermeh rung seiner Kundschaft geniessen, was gleichbe deutend ist mit der Erhöhung eines immer wieder kehrenden Verdienstes. Auf buchhändlerischem Gebiete ist es in erster Linie die Leihbibliothek, deren Pflege dem Klein-Buchbinder einen recht hübschen Groschen einzubringen vermag, sobald er den Einkauf und den Betrieb versteht. Die Mehrzahl der Klein- Buchbinder deckt ihren Bedarf durch die Nicolai’ sehe Buchhandlung (Borstell & Reimarus) in Berlin, Brüderstr. u. Von dort kommen die be kannten, auf roth Affichenpapier gedruckten Ver zeichnisse von Angeboten billiger Romane. Borstell & Reimarus kaufen von den Roman verlegern Partieen bis zu 300 Exemplaren, in der Regel bis 50 pCt. Nachlass vom Ladenpreise, und liefern mit 25 pCt. vom Ladenpreise an den Klein-Buch binder. Indessen kann der Klein-Buchbinder sich diese 50 pCt. ganz gut auch selbst verschaffen. Er braucht nichts weiter zu thun, als sich mit einem der leipziger Kommissionsbuchhändler in Verbindung zu setzen. Dieser kündigt in dem buchhändlerischen Vereinsorgan, dem »Börsenblatt«, an, dass der betreffende Klein-Buchbinder die Absicht hat, sich künftighin auch mit buchhänd lerischen Geschäften zu befassen, nimmt ihn in die Liste seiner Kommittenten auf und erbittet für ihn von der Bestellanstalt alle einlaufenden Zirkulare und Geschäftspapiere. Im Jahre darauf figurirt der Klein-Buchbinder mit unter den im Schulz’schen Adressbuch des Buchhandels aufge zählten Firmen, wird in die Leiner’schen, Hoff- mann’schen etc.-Sortimenter-Listen, welche die Aufklebadressen für die buchhändlerischen Zirku lare (gedruckte Rundschreiben) liefern, aufgenom men. Nach Aussen ist der Buchhändler, dank der Gewerbefreiheit, hiermit fertig; d. h. der be treffende Klein Buchbinder ist, wie der Ausdruck gewöhnlich lautet, »mit dem Buchhandel in direk ten Verkehr getreten«, er hat sich die Möglich keit geschaffen, aus erster Quelle, vom Buchver leger selbst, zu kaufen. Um aber aus einer solchen Geschäftserweiterung wirklichen Nutzen zu ziehen, muss der Klein- Buchbinder den Buchhandel selbst, wenn auch nur in seinem allgemeinem Wesen, verstehen lernen. Hierzu sollen ihm die nachfolgenden Zeilen dienen. Bleiben wir zunächst beim Kommissionär stehen. Die Wahl eines solchen ist jetzt verhältnissmässig leicht gemacht. Es giebt verschiedene Kommissio näre in Leipzig, welche »auf Kommittenten rei sen« lassen. Von ihnen werden ja vorzugsweise unter den Buchbindern Kandidaten gesucht. Diese Firmen pflegen in der Regel 5 pCt. Provision vom Fakturenpreise, und für jedes Postpaket 15 Pfg. Verpackungs- und Expeditionsgebühr in An rechnung zu bringen. Der Verkehr des Klein- Buchbinders mit dem Kommissionär ist einfacher als der Verkehr des Sortimentsbuchhändlers mit dem Kommissionär, weil der erstere lediglich Baareinkäufe macht und Rechnungspakete nicht erhalten wird. Er richtet sich am besten so ein, dass er dem Kommissionär einen Geldbetrag hin terlegt, je nach Höhe des Bücherbezuges, welchen er im Monat oder im Vierteljahr zu machen ge denkt. Da er bei einer jeden Sendung auch Ab rechnung empfängt, so weiss er ja immer, zu welcher Zeit der Geldvorrath des Kommissionärs erschöpft ist, bez. erneuert werden muss. Er ver kehrt am besten von Woche zu Woche, das heisst : er lässt sich wöchentlich seine Sendung machen, und giebt wöchentlich seinen Bedarf auf. Viele Bücher, besonders belletristische, werden in neue rer Zeit, um die Kauflust anzuregen, vom Ver leger mit einem sogenannten »Vorzugsrabatt« an gekündigt, welcher niemals unter 40, in der Re gel 50 pCt. beträgt, aber mit dem Tage des Er scheinens, häufig zwei Wochen nach Ankündi gung, erlischt. Dergleichen Gelegenheit zu einem billigem Kauf würde dem Kommittenten, welcher nur vierzehntägige oder gar monatliche Sendun gen erhält, leicht entgehen. Der Klein-Buchbinder wird eine Leihbibliothek nicht selbst zusammenstellen, sondern durch seinen Kommissionär zusammenstellen lassen, oder durch eine Anzeige im »Börsenblatt« zu erwerben suchen. Mit 150—300 Mark lässt sich bei dem sehr billigen Preise, zu welchem alte Belletristika erwerblich sind, bei verständiger Auswahl ein ganz hübscher Anfang von etwa 500 Bänden treffen. Ergänzt man denselben durch 1—2 neue Bände monatlich, so genügt das dann für einen kleinen Ort vollständig. Gestatten die Einnahmen ein Mehr, dann umsobesser. Die Literatur- Kenntniss, welche zur Führung einer kleinen Bi bliothek nothwendig ist, wird sich jeder strebsame Buchbinder leicht aneignen. Anhalt geben ihm die Literaturnotizen in den grössern Zeitungen, desgleichen die buchhändlerischen Anzeigen in den Wahlzetteln, Rundschreiben etc. Es giebt noch viele kleine Orte, in Deutsch land sowohl wie besonders auch in Oesterreich, welche eine Leihbibliothek noch nicht besitzen. Eine solche allein als Hauptgeschäft zu betreiben, wird freilich in den wenigsten Fällen lohnen; aber als Nebenerwerb wird sie meistens zweckmässig sein. Es bleibt ja in der Regel auch, sobald der Klein-Buchbinder mit Leipzig direkt in Verbin dung getreten ist, nicht bei der Leihbibliothek. Ein Lesezirkel steht fast direkt mit ihr im Zusammen hang; er ist ja nichts anderes als eine Leihbibliothek, nur dass durch ihn Journale, Wochen- und Mo natsschriften an Stelle von Büchern ausgeliehen werden. Die Abonnenten der Leihbibliothek wie des Lesezirkels sind fernerhin als Bücherkäufer her anzuziehen. Man macht auf diese und jene neue Erscheinung aufmerksam. Als besonders vor- theilhaft haben sich in dieser Hinsicht die Reklam’ sche-Universal-Bibliothek, Spemanns »Kollektion«, Kürschner’s »Taschen - Konversations - Lexikon«, Engelhorn’s »Roman-Bibliothek« erwiesen. Für solche niedrig-preisige Artikel lassen sich immer Käufer finden. Der Klein-Buchbinder, welcher mit Leipzig in Verbindung steht, wird seinen Bedarf an Schul schreibheften, Lesebüchern, Rechenvorlagen etc. vom dortigen Grossisten ebenfalls entnehmen. Und aus letzterem Grunde empfiehlt cs sich für ihn vielleicht, seinen Kommissionär, unter den so genannten »Buchbinder-Kommissionären« Leipzigs (Streller, Sängewald, Schneider etc.) zu wählen. Aus dem Buchdruck-Gewerbe fällt dem Klein-Buchbinder neben dem Liniiren von Ge schäftsbüchern zumeist das Stempeln von Brief papieren und der Druck von kleineren Accidenz- arbeiten zu: Visitenkarten, Balleinladungskarten, Konzert-Programme, einfache Rechnungen, leichtere Waarenzeichen, Firmenaufdruck auf Frachtbriefe, Briefumschläge und derartiges. Von letzteren Ar beiten allerdings Manches, wie man in den Buch druck-Fachblättern des öftern nachgewiesen findet, selten zum Bessern der Gutenberg'schen Kunst! Viel Geld ist Ende der sechziger und in den I siebziger Jahren von den Buchdruck-Maschinen- Fabriken und -Lieferanten verdient worden, welche die Buchbindereien und Düten-Erzeuger mit den für sie geeigneten kleineren Druckpressen versorgten. Besonders beliebt war und ist wohl auch heute noch die von Gustav Scheiter in Leipzig in vier Fundamentgrössen (von 25 ; 36, 31 : 33, 41 : 49 und 38:94 cm) gebaute, sehr einfache Accidenz- Druckmaschine, deren beide kleinsten Sorten mit 112 und 120 Mk. berechnet werden. Grösseren Zwecken diente die Degener’sche »Liberty«, die vorzugsweise durch Alexander Waldow in Leipzig Einführung fand. Ueber Liniirmaschinen älterer und neuerer Bauart hat die »Papier Zeitung« zu wiederholten Malen berichtet. Zum Visitenkartendruck fand vorzugsweise die Kopfdruckpresse Eingang. In der neuern Zeit ist dieselbe zur Kopfdruckschnellpresse ausgebildet worden. Die beliebteste Art derselben ist »Nr. 3« (80 — 150 mm innere Satzgrösse), welche zum Preise von 550 Mark geliefert wird. Die Einrichtungen zum Hochdruck, erhabenem Blind- und Farbendruck, sowie für Tief- oder Wasserzeichen-Druck werden von Wilhelm Ferd. Heim in Offenbach, auch von Alfs, und August Fomm in Leipzig, und Anderen, geliefert. Viele Klein-Buchbinder begnügen sich damit, für dergleichen Druckarbeiten nur eine Art An nahmestelle zu eröffnen. Sie drucken dann nicht selbst, sondern geben die erhaltenen Aufträge an Buchdrucker weiter; in der Regel aber nicht an die im Orte ansässigen, sondern an leipziger Buchdruck - Firmen, welche sich besonders für die billige Erzeugung von kleinen Acci- denzdruck-Arbeiten eingerichtet haben und solchen Buchbindern ein hübsch ausgestattetes Musterheft von Visiten-, Geschäfts-, etc.-Karten, Rechnungs formularen , Preiskuranten etc. hinlegen und einen beträchtlichen Prozentsatz einräumen. So zahlt der Klein-Buchbinder z. B. für 100 Visiten karten, die er mit I Mk., oft auch 1,20—i,5oPf- abgiebt, nur etwa die Hälfte. Ein an gewissen (Universitäts- etc.) Plätzen bis weilen ganz erspriesslicher Nebenerwerb lässt sich für den Klein-Buchbinder durch die eigene Tinten-Bereitung (? D. Red.} erzielen. Ich schliesse den kurzen Artikel mit einer Zusammen stellung einschlägiger Rezepte. Kopirtinten : 1) Ott’s Kopirtinte. Man kocht 1 kg Blauholzextrakt mit: Alaun 35 g, Eisenvitriol 41/2 g, Kupfervitriol 41/2 g, Zucker 18 g in 12/5 g Regenwasser, gibt zu dem durchgeseihten Dekokt eine Lösung von 41/, g gelbem chromsaurem Kali und 70 g Regenwasser und setzt Indigoschwefelsäure (35 g) und Glyzerin (35 g) bei. 2) Böttger’s violette Kopirtinte erzeugt man durch Kochen von Alaun 1 Theil, Kupfer vitriol 2 Theile und Campecheholz - Extrakt 4 Theile in Regenwasser 48 Theile, lässt 24 Stunden stehen und seiht durch dickes Tuch oder grau Löschpapier. 3) Dunkelblaue Kopirtinte. Man rührt 22/3 1 lauwarmes weiches Wasser, 1 k Indigokar min und 1/2 k Alaun ein, und giebt 31/ k ara bisches Gummi und 11/ 1 starke Blauholzbrühe, nachdem man sie mit 171/2 g Eisenvitriol ver setzt, hinzu. Oder: man löst Indigokarmin 1 k, Eisenalaun 1/9 k und Blutlaugensalz 1 k in 32/3 1 weichem Wasser. Schwarze Schreibtinten: 1) Karmarsch- Tinte ist zusammengesetzt aus: Galläpfel 315g arabisches Gummi 1221/2 g> Eisenvitriol 1221/28 und Regenwasser 6 k. — 2) Reid-Tinte: Gall äpfel 2 k, Eisenvitriol 23 g, arabisches Gummi 23 g, Regenwasser 32/3 1. — 3) Winkler’s Tinte: Galläpfel zerstossen 140 g, arabisches Gummi 140g schwefelsaures Eisenoxydul 350 g, gemahlenes Campecheholz 350 g, gepulverte Granatrinde 210g, werden mit Regenwasser 64 kg übergossen und unter Zusatz von 35 g gereinigtem kohlen saurem Kali öfter umgerührt. Leipzig, Noi'ember 1885. • I