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1680 PAPIER-ZEITUNG. N:44 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den Ges am mtbuch handel (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Der Antiquariatshandel. (Fortsetzung zu Nr. 32). II. Lessing sagt irgendwo in seinen .Antiqua rischen Briefen“: es giebt kein Buch, das so schlecht ist, dass sich nicht irgend etwas Gutes in ihm finden lasse. Diese Worte wird der Antiquar beim Ver kaufe gelten lassen dürfen, nicht beim Einkäufe, Der Antiquar kauft nur jene Bücher, welche sich aus der Hochflut der jährlich erscheinen den und seit dem Bestehen des Buchhandels erschienenen Bücher als nach einer bestimmten Richtung hin wertvoll herausgeschält haben. Er betrachtet ein Buch auf seinen innern Werth hin. Solche Bücher, deren Bedeutung schon bei Erscheinen gleich Null, oder deren Inhalt schlecht ist, desgleichen die sogenannten .Eintagsfliegen“: Spottschriften auf zeitgenös sische Schriftsteller u. dergl., lässt er beiseite liegen. Von belletristischen Büchern behalten für den Antiquar nur diejenigen Interesse, deren Verfasser zu den klassischen Schriftstellern eines Volkes gerechnet werden; und auch von diesen bisweilen nur diejenigen Werke, welche zu Marksteinen in der Litteratur geworden sind. Von den Hand-, Lehr- und Schulbüchern giebt es eine grosse Anzahl, welche, so lange sie auf der Höhe ihrer Zeit standen. mitunter eine ganze Reihe von Auflagen erlebt haben, aber durch Umstände verschiedener Art (Tod des Verfassers. Lässigkeit des Verlegers etc.) sich neueren Erscheinungen gegenüber nicht behauptet haben und desshalb um allen Werth gekommen sein können. Solche Bücher dem etwaigen Bedarf eines Gelehrten aufzubewahren, ist die Pflicht der öffentlichen Bibliotheken. Einen Gegenstand des Handels für den Anti quar bilden sie, mit sehr geringfügigen Aus nahmen, nicht. Um diese Ausnahmen kennen zu lernen, muss der Antiquar die Entwickelung der einschlägigen Litteraturen verfolgen. Der äussere Werth eines Buches beruht ent weder in der Ausstattung durch Holz- oder Kupferstiche von älteren oder neueren hervor ragenden Künstlern, oder in der Frühzeitigkeit des Druckes. In der letzteren Richtung haben z. B. die .Wiegendrucke“ unter Umständen einen so hohen Werth, dass selbst mangelhafte Exemplare, ja einzelne Blätter, mit Gold aufge wogen werden. Hierher gehören auch solche Bücher, denen ein besonderes Gewand eigen- thümlich ist, die beispielsweise mit eingemalten Initialen ausgestattet, auf Pergament gedruckt oder mit Gold und Silber ausgelegt sind u. s. w. Es ist also nur ein kleiner Bruchtheil der Druckerzeugnisse, welcher für den Antiquariats handel voll in Betracht tritt. Immerhin wird es kaum Antiquare geben, welche von sich sagen dürfen, jedes gute, im Antiquariatshan del befindliche Buch, wenn auch nur dem Na men nach, zu kennen. Es geht hieraus hervor, dass das Antiquariat die beste Schule für den Sortimenter ist. Bei dem heutigen Stande des Sortimentsgeschäfts ist der erfolgreiche Betrieb desselben, ohne Einbeziehung des antiquarischen Verkehrs, kaum noch durchführbar. Die richtige Schätzung des einem Buche gehörigen Werthes ist umsoweniger leicht, als das Sinken der Preise die naturgemäss häufigere Erscheinung ist. Anhaltepunkte für die Preisfestsetzung bieten die Bücherverzeich nisse (.Kataloge“) hervorragender Antiquariats handlungen; ferner die an den grösseren Buch handelsplätzen regelmässig stattfindenden Bücher-Auktionen, in denen das bücherkaufende Publikum den Werth, welchen ein Buch besitzt, wenn auch bisweilen unwillkürlich, so doch in der Regel ziemlich genau festsetzt. Gewisse „kourante“ Artikel besitzen natür lich gewisse Durchschnittspreise. So wird z. B. für ein Exemplar Langenscheidt'scher Unter richtsbriefe, gleichviel, ob französisch oder eng lisch, fast überall im Reiche, im Einkauf aus dritter Hand, vom Antiquar 15 Mk. gezahlt, für die neuen Auflagen von Wörterbüchern (Köhler, Sachs, James, Thibaut, Thieme etc.) ein Drittel des Ladenpreises. Die Seltenheit eines Buches bedingt an sich noch keinen Wert. Es sind zum Beispiel alle .echte“ Erotica äusserst selten. Aber Nie mand wird ihnen desshalb einen wirklichen Werth zusprechen. Das schliesst freilich nicht aus, dass demjenigen Händler, welcher den Verkauf wagt, für ein erotisches Buch, das in der Bogenzahl und der Menge des Lese stoffes einem Engelhorn’schen 50 Pfg.-Roman nicht gleichkommt, von Freunden einer solchen Lektüre zehn und fünfzehn Mark bezahlt werden. Die Zahl der seltenen Bücher ist übrigens auch, abgesehen von solchen Büchern, wie von den bereits früher erwähnten Wiegendrucken, im Allgemeinen sehr gross. Sie wird zu Zeiten auf einem bestimmten Gebiete erhöht durch die Sammellust gewisser .Bücherliebhaber“ (Bibliophilen) oder „Büchernarren" (Biblioma nen). Dieselben werfen sich zum Beispiel auf Druckwerke eines bestimmten Zeitalters, Landes oder Stoffes, auf die Ausgaben eines oder mehrerer bestimmter Klassiker und der hierüber herausgekommenen Abhandlungen, auf die Werke einer bestimmten Druckerei (Aldinen, El- zevire), auf ehedem verboten gewesene und bis auf wenige Exemplare (.Unica“) vernichtete Bü cher u. s. w. Solche Bücher steigen dann eineZeit lang sehr hoch im Preise, sinken aber ebenso rasch wieder, sobald die Mode sich einer andern Richtung zuwendet. Dergleichen Bücherliebhaber sind die haupt sächlichsten Käufer bei den grossen antiqua rischen Bücherversteigerungen, welche vorzugs weise in London und Paris abgehalten werden. Die Verzeichnisse der zur Versteigerung ge langenden Bücher werden gewisse Zeit vorher nach den bedeutenderen Städten Europa’s und Amerika's versandt. Die Preisbietung erfolgt entweder direkt (brieflich oder telegraphisch) oder durch Beauftragte («Kommissionäre“). Besondere Aufmerksamkeit widmet der An tiquar jenen Büchern, welche auf den eigent lichen Büchermarkt garnicht kommen, also überhaupt für den Laien garnicht oder nur sehr schwer erreichbar sind. Hierher gehören jene Bücher, zu deren Herstellung sich einzelne Gesellschaften zusammenthun, die dann genau nur soviel Exemplare abziehen lassen, als Ab nehmer vorgemerkt oder in Aussicht genom men sind. Ferner jene Bücher, welche von fürstlichen Personen verfasst und auf deren Rechnung gedruckt wurden und natürlicher weise nur in die Hände der hierzu ausersehe nen Personen, bezw. Bibliotheken kommen. Fortsetzung folgt. Kleine Notizen. Prof. J. Flach, welcher von der Tübinger Universität auf Grund seiner Schrift .Die aka demische Karriere“ gemaassregelt wurde, hat die Redaktionsleitung des Grunow’schenSammel werkes .Deutsche Encyklopädie“ übernommen und übersiedelt von Tübingen zu diesem Zweck nach Rudolstadt, woselbst sich die Redaktion befindet. Dr. Otto Braun, der Redakteur der .Allge meinen Zeitung“ (früher in Augsburg, jetzt in München), feierte am 14. Oktober das 25jährige Jubiläum seiner Redaktions-Thätigkeit. Gustav Fock in Leipzig hat die Begründung einer .Centralstelle für Dissertationen und Pro gramme“ unternommen: ein sehr bemerkens- werther Fortschritt der ungemein rührigen Sortimentsbuchhandlung. Am 16. Oktober hielt der leipziger .Verein der vereinigten Zeitungsspediteure“ eine Ge neralversammlung ab, in welcher die Stellung der Zeitungsspediteure zum Publikum und zu den Verlegern besprochen wurde. Man kam zu den folgenden Beschlüssen: .Es liege im In teresse des Standes, eine Genossenschaft zu bilden, welche dem Publikum gegenüber die Garantie der Lieferung der bestellten Zeitungs exemplare seitens ihrer Mitglieder übernehme. Aufgabe einer solchen Genossenschaft sei, den Stand von solchen Mitgliedern zu säubern, welche demselben zur Unehre gereichten.“ Der Antrag: .die Mitglieder der bisherigen Kranken kasse der Zeitungsspediteure bilden eine haft pflichtige Genossenschaft“, wurde einstimmig angenommen. Der Zweck der Genossenschaft wurde dahin erklärt: .die Mitglieder des Vereins sichern durch gegenseitige Haftpflicht ihre Abonnenten vor Schaden, bieten ihren Verlegern eine grössere Garantie für die Erfüllung der übernommenen Pflichten und erstreben hier durch wiederum von den Verlegern grössere Vortheile“. Die an demselben Abende zur Ver lesung gelangenden Satzungen wurden ange nommen. Freitag-Tempsky (Leipzig-Prag) unternehmen ein sehr umfangreiches Werk auf geographischem Gebiete: eine .Länderkunde der fünf Erdtheile“ unter Herausgabe von Prof. Dr. Alfred Kirch hoff. Jedem Erdtheil wird ein Band gewidmet sein. Das Werk soll nicht nur für den Geo graphen vom Fach, sondern für den weiten Kreis der Gebildeten die Erde nach der Mannig faltigkeit ihren Ländergestalten umrissweise, aber streng wissenschaftlich, schildern. W. Spemann-Stuttgart zeigt das Erscheinen von Emil Naumann's.Hlustrirte Musikgeschichte“ (6. Abtheilung ä 3 Mk.) nach fünfjähriger Vor bereitung an. G. v. Berlepsch giebt bei Wilh. Friedrich (Leipzig) heraus: „Ledige Leute“ (3 Mk.; 20 Bogen); Julius Rodenberg bei Gebr. Paetel, Berlin: „Bilder aus dem Berliner Leben“ (6 Mk. : 16 Bogen); Alb. Duncker ebenda: Emanuel Geibel's Briefe (3 Mk.; 8 Bogen): Paul Heichen bei Alb. Unflad, Leipzig: Illus- trirte Geschichte der Vereinigten Staaten (60 Bogen: 10 Mk.); Gust, zu Putlitz bei Gebr. Paetel, Berlin: .Mein Heim“ (14Bogen; 4,50 Mk.): Adolf Glaser bei Pierson, Dresden: „Das Fräu lein von Villecour“ (2 Bände; 6 Mk.); Arthur Hobrecht bei Wilh. Herth, Berlin: Fritz Kan- nacher, historischer Roman (2 Bände; 7,50 Mk.) Eine sehr beachtenswerthe Novität zeigen A. Pichler’s Wittwe & Sohn (Wien) an : .Wissen schaftliche Abhandlungen.“ Herausgegeben von Schulmännern an österreichischen Gymnasien und Realschulen. Die Abhandlungen bilden die wissenschaftlichen Beilagen zu den Jahresbe richten 1884/85 der Gymnasien und Realschulen Deutsch-Oesterreichs. Zunächst 120 Nummern- M. Ernst (.Verlag für Gesellschaftswissen schaft“) kündigt eine .Sammlung gesellschafts wissenschaftlicher Aufsätze an unter Heraus gabe von Prof. Dr. Johannes Huber. Dem Un ternehmen liegt der Gedanke zu Grunde, solche kleinere Zeit-Arbeiten, welche ihres geringen Umfanges halber nur in Zeitschriften erscheinen, aber der eingehenden Beachtung der zeitge nössischen Gesellschaft werth sind, für den Büchermarkt zu „retten.“ Die „Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens“ gab soeben heraus: „Album in Bild und Schrift“, erster Jahrgang, mit 12 Ra- dirungen, und 12 autographischen Beiträgen (auf 18 Blättern) von zwölf der namhaftesten hei mischen oder doch in Oesterreich lebenden Schriftstellern. Je eine Radirung und ein fak- similirtes Autograph treffen in einem gemein schaftlichen Gedanken zusammen. Jedes der 30 Blätter ist 48 cm hoch, 36 cm breit. Der Preis des Albums ist 20 fl. (40 Mk.); 50 erste Exemplare (vor aller Schrift) mit Remarken in Ledermappe werden zum doppelten Preise (40 fl., 80 Mk„ abgegeben. Eine sehr beachtenswerthe Neuigkeit hat