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PAPIER-ZEITUNG. Nr 27 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich aufdenGesammtbuchhandel (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Die Stuttgarter Messe. Stuttgart, den 18. Juni 188.5. Seit einer langen Reihe von Jahren findet hier je am dritten Montag des Juni die regelmässige Generalversammlung des Silddeutschen Buch- Idi ndler-Vereins statt, dem auch die Mehrzahl der Schweizer Sortimentshandlungen angehört. Am darauffolgenden Tage werden sodann die Zahlungen gegenseitig geleistet für die im ver gangenen Rechnungsjahre abgesetzten Kunst- und Literatur-Werke. In diesem Jahre fanden sich die fremden Gäste zahlreicher als je in der schönen Residenzstadt des Südens ein. Manche waren mit ihren Fa milien erschienen, da die herzliche Einladung und die schon im vorhergehenden Jahre erfolgten be sonderen Anstrengungen gelungene Unterhaltungen zu bieten, die Annehmlichkeit des hiesigen Auf enthalts um so begehrenswerther erscheinen liessen. Am Sonntag, den 14. Juni, trafen im Laufe des Tages schon eine ziemliche Anzahl der frem den Gäste ein und wurden von den hiesigen Kol legen im Hotel Silber auf’s Beste begrüsst. Erst um Mitternacht trennte sich die fröhliche Gesellschaft. Montag, den 15., früh 9 Uhr, begann im Bürger-Museum die sehr zahlreich besuchte Generalversammlung. Anwesend: 66 Mit glieder. Hr. Dr. Julius Hoffmann-Stuttgart (Karl Thienemann's Verlag) führte den Vorsitz und ge dachte vor Allem der im vergangenen Jahre durch den Tod aus dem Verein geschiedenen Herren Eduard Korn-Nürnberg, August Prechter-Neuburg a. D. und Emil Hochdanz-Stuttgart, wobei er be sonders das rühmliche Wirken des Letzteren her vorhob. Die Mitgliederzahl beträgt z. Z. 203. Der Kassenbericht des Herrn Schöpping- München folgte, und ergab eine freudig be- grüsste Zunahme des Vereins-Vermögens. Hierauf wurde zur Wahl von zwei neuen Aus schuss-Mitgliedern geschritten, weil Herr Dr. Hoff mann eine Wiederwahl entschieden zum Voraus abgelehnt hatte, und Herr Wild-Wirth-Zürich schon früher aus dem Verein ausgetreten war. Der bis herige Stellvertreter des seitherigen Vorsitzenden, Herr Egon Werlitz-Stuttgart, wurde zum Vor stand, und Herr C. Wittwer-Stuttgart als dessen Stellvertreter gewählt. An Stelle des Herrn Wild- Wirth-Zürich trat Herr Schulthess-Zürich. Sämmtliche Gewählte erklärten sich bereit, die Wahl anzunehmen. Die übrigen Mitglieder des Ausschusses, und zwar die Herren Schöpping- München, Limbarth-Wiesbaden und C. Winter- Heidelberg, verbleiben im Amte. Der 3. Gegenstand der Tages-Ordnung: An trag des Herrn Effenberger-Stuttgart, die bis jetzt durch den Stuttgarter Verleger-Verein bezahlten Druckarbeiten (die Stuttgarter Kommit tentenlisten) auf Rechnung des Süddeutschen Buch händler-Vereins zu übernehmen, wurde nach leb hafter, interessanter Debatte, in die auch Herr Kommerzienrath Kröner, z. Z. Vorstand des Börsenvereins Deutscher Buchhändler, eingriff, mit ziemlicher Stimmenmehrheit abgelehnt. Nach Er ledigung dieser Frage wurde die Versammlung, welche im Ganzen sehr ruhig und rasch verlief, 10! Uhr geschlossen. Die Generalversammlung des Wiirttember- gischen Buchhändler- Vereins, unter dem Vorsitze des Herrn C. Wittwer-Stuttgart, folgte der oben geschilderten Versammlung. Auch diese ver lief leicht und rasch, ohne aber weiteres Interesse für Nichtmitglieder zu bieten. Hier sei nur die Debatte über die Unsitte der Weihnachtsausverkäufe erwähnt. Sie wurde von freundlicher wie gegnerischer Seite mit grosser Lebhaftigkeit geführt, brachte aber doch keinen Beschluss. Die Neuwahl des Ausschusses ergab die Herren: A. Bonz Stuttgart als Vorsitzen der (Herr Wittwer hatte eine Wiederwahl im vor aus abgelehnt); A. Keil (Weise’sche Hofbuchh.) Stuttgart; A. F. R. Liesching-Stuttgart, L. Frey-Ulm und E. Becker-Heilbronn. Ein Frühschoppen im Garten des Hotel Royal versüsste den Theilnehmern an den Ver sammlungen die bei ziemlicher Hitze überstandene Arbeit, und wurde die wohlverdiente Abkühlung mit heiterstem Gefühle genossen. Im kleinen Saale des Oberen Museums trafen nunmehr die Kollegen, sowie Freunde und Bekannte aus der Schriftstellerwelt, in der schon lang nicht mehr erreichten Zahl von 80 Theilnehmern beim Mittagsmahl zusammen. Der ncugewählte Vor stand, Herr Werlitz, brachte einen warmen Toast auf Kaiser Wilhelm und den Landesvater, König Karl, aus; diesem folgte eine Reihe von Toasten, Reden und poetischen Vorträgen. Die Herren Koch (Cotta); Petters-Heidelberg, Pfarrer Lang- Ludwigsburg, Professor Zemann (Redakt. d. Po- lytechn. Journals) etc. hielten mehrfach von Humor gewürzte Ansprachen, welche, wie auch die guten Musikvorträge der Kapelle, allgemeine Befriedigung erzielten. Einige Tafellieder (wovon eins das Lichtdruckportrait des im Liede gefeierten Hm. Engelborn enthielt, welcher in diesen Tagen sein 25jähriges Geschäfts-Jubiläum feierte) trugen zur allgemein gehobenen Stimmung bei, die bis zum späten Nachmittag andauerte. Der Abend war von 7 Uhr ab der allgemeinen Geselligkeit gewidmet. Im Konzertsaale der Liederhalle fanden sich sämmtliche fremde Gäste, die Stuttgarter Buchhändler mit vielen Gehilfen und Familien-Angebörigen, ein. Ein umfangreiches, fast allzurciches, Programm von 21 Nummern, das Werk des Vergnügungs-Komitees, der HerrenBonz, Hunersdorf und Koch, war aufgestellt. Er öffnet wurde der Abend durch einen von Fräulein Bach ausdrucksvoll vorgetragenen sinnigen Prolog. Die Ouvertüre zur Oper: «Die Stumme von Portici« leitete das Lustspiel »Die Dienstboten« von Benedix ein, das wie das spätere Wilhelmi’sche »Einer muss heirathen« unter Herrn P. Rüthling's Regie vortrefflich gegeben wurde. Mit den Orchester- Vorträgen wechselten die Chöre der Gutten berg - Vereins-Sänger ab. Dazwischen liessen sich mehrere Solisten hören; vor Allem sind unsres Dichters Herrn Adolf Grimminger’s Vorträge eigener schwäbischen Poesieen erwähnenswerth, die wie immer eine zündende Wirkung hatten. Grosse Heiterkeit erregte später die Aufführung der sog. »Grossen Oper Don Juan« — eigentlich eine Ulk-Oper, bestehend aus Szenen der Opern »Don Juan« und »Lohengrin«, die prächtig persiflirt waren. Den wirkungsvollen Schluss bildeten die lebenden Bilder aus: Der Buchhandel in Kamerun! Die Dienstag, den 16., vormittags, im Bürger museum abgehaltene Abrechnung des Süddeut schen Buchhändler-Vereins fiel höchst befrie digend für die Verleger aus, — ein erfreulicher Beweis für die allgemeine Besserung der Geschäfts verhältnisse. Schon um 11 Uhr früh waren die Geschäfte beendigt, und wurde der Frühschoppen im hübschen Garten des Hotel Textor einge nommen. Nachmittags 2 Uhr machte ein Theil der Gäste und hiesigen Buchhändler mit der Panoramabahn einen Ausflug auf den Hasenberg und zum Jäger haus, wohin das Gros derselben mit zahlreichen Damen später nachkam. Hier begann nun das leb hafteste, fröhlichste, ungezwungenste Treiben, bei Musik, Reden und kühlendem Trank. Abends 6 Uhr begann der Tanz nach den Klängen der mitgebrachten Musik. Allgemeinen Beifall und Freude erregte eine Spende des Herrn Witter aus Neustadt a. H., bei dessen jüngstem Enkel der Süddeutsche Buch händler-Verein Pathenstelle vertreten, und der zur Erinnerung hieran ein Fass des allerbesten Deides heimer nach dem Jägerhaus gesandt hatte, das denn auch auf das Wohl der gegenwärtigen und zukünftigen Generation der »Süddeutschen Buch händler« bis auf die Nagelprobe geleert wurde. Dass ein guter, echt deutscher Durst in der Ge sellschaft herrschte, beweist der Bierkonsum; 600 Liter »Dierlamm’sches« wurden vertilgt. Der spät abends mit Heftigkeit ausgebrochene Regen verscheuchte freilich die meisten der Theil nehmer am fröhlichen Waldfeste; doch konnte der allgemeine Frohsinn selbst dadurch nicht ganz erstickt werden, so dass die Letzten erst um Mitternacht die schützenden Wohnungen auf suchten. Der Mittwoch sah noch manche Gäste in Stutt garts Mauern, welche sich ungern von der schönen liebgewordenen Feststadt trennten. Man darf sich der Hoffnung hingeben, dass jedes Jahr sich der Besuch der auswärtigen Gäste, womöglich mit ihren Familien, vermehren wird. Stuttgart ist durch seine Lage und Annehmlich keiten , durch die nächste Nähe des Schwarz waldes, der »Schwäbischen Alb« und der herr lichen Ufer des Bodensees recht geeignet, einige genussreiche Tage zu bieten. Tafellieder folgen in nächster Nummer. Kongress Deutscher Kolportage- Buchhändler. Am 23.-25. Juni tagten in Berlin bei Buggen hagen die deutschen Kolportage-Buchhändler. Gegen 250 Herren aus dem ganzen Reiche waren zusammengekommen, um über Schritte zur Besserung der allgemeinen Lage des Kolportage- Buchhandels zu berathen. Zu diesem Behufs standen acht Punkte auf der Tagesordnung- Der Vorsitzende des Berliner Vereins Deut scher Kolportage-Buchhändler, Herr E. Schultze- Berlin, eröffnete den Kongress mit einem Hin weis auf Zweck und Bedeutung desselben. Unter Leitung des Alterspräsidenten Devrient- Berlin wurde der Vorstand für den Kongress in folgender Zusammenstellung gewählt: E. Schultze-Berlin als erster, Hacker-Braun schweig als zweiter Vorsitzender, Iser-Berlin als erster, Nölte-Leobschütz als zweiter Schrift führer, und die Herren Radelli-Dresden, Stein brink-Zwickau und Richter-Chemnitz als Bei sitzer. Der I. Vorsitzende sprach zu 1. Begründung eines Verbandes Deutscher Kolportagebuchhandels. Er wies auf die Er folge des Börsenvereins der Deutschen Buch händler hin, welcher eine würdige Vertretung des Standes bildet und jetzt in seinem Unter stützungs-Verein einen Fonds von Mk. 300 000 besitzt. Die neuen Bestimmungen der Gewerbe- Novelle schneiden so tief in die ohnehin nicht glänzenden Verhältnisse des mühsamen Kolpor tage-Buchhandels ein, dass man jetzt Verein barungen treffen müsste, um auf gesetzlichem Wege Erleichterungen zu schaffen, bezw. wei tere Erschwerungen abzuwenden. Aus diesen Gründen sei eine allgemeine Vereinigung der Standesgenossen, welche öffentlich und unbe rechtigter Weise als untergeordnete Leute be zeichnet wurden, ein dringendes Bedürfniss. Nach längeren Verhandlungen, in welchen diesen Ausführungen durchweg zugestimmt wurde, er folgte die Begründung des Verbandes. Die vom Vorstände, vorgelegten Statuten wurden am nächsten Tage ohne eingehendere Berathung im Ganzen angenommen. 2. Ueber die Frage: Wie stellen wir uns zu den gewerblichen Bestimmungen? hielt Rechts- anwalt Bürckner einen längeren Vortrag, der darin gipfelte, dass das Gesetz befolgt werden müsse. Eine Wirkung desselben hätte aber darum nicht erfolgen können, weil die Schäden, zu deren Abhilfe es geschaffen wurde, in sol chem Maasse, wie vorausgesetzt, überhaupt nicht vorhanden sind. Um den Stand aber vor den harten Bestimmungen zu schützen, müsse man