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Arbeit beiseite, sie eilt zum Telephon und während sie nun mit den Maklern von Geschäftsdingen spricht und mit klaren, sicheren Worten entschlossene Weisungen gibt, leuchten ihre Augen auf und der harte Zug um ihre Mundwinkel steigert sich zu sicherer Tatkraft. Jetzt ent scheidet sie hier über das Schicksal von ganzen Gold bergen, von Millionen; eine Minute später, kaum hat sie sich zurückgewandt, da feilscht sie zäh mit ihrer Wäscherin um einen halben Dollar und erklärt ihr, daß sie derartig hohe Waschpreise auf die Dauer nicht aufbringen könne Noch heute erzählt eine der Wäscherinnen, die im Laufe der Jahre auch die reichste Frau der Welt zu ihren Kundinnen zählen durfte, lachend von dem Vorschlag, den die Millionärin ihr eines Tages allen Ernstes ge macht habe. Hetty Green schlug der Wäscherin vor, an den Unter rücken doch nur den unteren wirklich schmutzigen Streifen zu waschen, wofür sie dann natürlich nur die Hälfte bezahlen wollte. Der Schlächter hat die An weisung, unter keinen Umständen Fleisch zu schicken, das mehr als zwölf Cent das Pfund, also rund 50 Pfg., kostet, und das sind nicht die einzigen Proben von Hetty Greens berühmter Sparsamkeit. Eines Tages befand sie sich gerade in Philadelphia, als an der Börse große Kursschwankungen eintraten. Die erfahrene Geschäftsfrau merkte sofort, daß sie hier bei raschem Handeln Millionen verdienen könne; aber eines war nötig dazu, sie mußte nach New-Jork und zwar vor Schluß des Marktes. Keuchend kommt sie in Philadelphia auf den Bahnhof gestürzt und erkundigt sich nach dem Preise eines Extra zuges. Man will ihr einen Waggon mit einer Loko motive für eine bestimmte Summe überlassen, allein Hetly Green ist begreiflicherweise über Taxe und Luxus gleich empört und schüttelt energisch den Kopf. Sie ver sucht den Preis herunterzuhandeln: umsonst, die Bahn bleibt fest. Da kommt sie schließlich zu folgendem Vor schlag: „Hängt den Waggon ab, ich werde in der Loko motive fahren, dafür macht ihr mir die Rechnung um fünf Dollar billiger." Was auch geschah . . . Als ihr Sohn nach Beendigung seiner Studienzeit in einer fröhlichen Laune eine unverzeihliche Verschwendungssucht bekundete — der einstige Erbe des 400 MiLionen-Ver- mögens war so leichtsinnig, 2000 Dollar auszugeben — da war die Mntter untröstlich und schickte ihn nach Texas ins „Exil": sie machte ihn zum Präsidenten einer Eisen- bahngesellschaft im Süden. Ihr ganzes Leben gleicht einem Romane, wie nur Amerika sie hervorbringt. Als vor vierzig Jahren die junge reiche und lustige Hetty den amerikanischen Konsul Eduard Green aus Manila heiratete, wurde sie zwar eine reiche Frau, aber sie besaß nicht den dreißigsten Teil des Vermögens, das sie heute ihr eigen nennt. Als ihr Vater starb, erbte sie 17 Millionen und kurz darauf beim Tode einer Tante weitere drei. Um diese letzte Erbschaft gab es einen großen Prozeß, man hatte ein Testament der Tante gefunden, das alles der Wohltätigkeit verschrieb; Hetty Green aber befaß ein zweites Testament, und so kam es zu einem langen Prozesse. Als er zu Ende war, war Hetty Green um drei Millionen reicher und inzwischen längst zur gewiegten Geschäfisfrau geworden- Aber je mehr das Gold sich häufte, je schwerer überwand sie sich dazu, es auszugeben, uud um so größer ward ihr Geiz. Eines beschloß sie sogar, ihr Pferd und ihren Wagen zu ver kaufen, und um Vermittlungsgebühren zu ersparen, über nahm sie selbst das Geschäft. Sie ließ anspannen, fuhr zur Börse, befestigte ein großes Plakat „Zu verkaufen" an der Equipage und harrte nun des Käufers. Ihr Mann war wenig erbaut von all dem und erhob ener gischen Einspruch gegen ihr Benehmen. Aber Hetty Green gab nicht nach. „Wenn Du nicht sofort nach Hause fährst, so werde ich Dich durch eine Kommission von Aerzten für geistesgestört erklären lassen," drohte ihr ihr Mann, der sich gar nicht mehr zu helfen wußte Aber Hetty Greea blieb ganz kühl. „Wir werden ja sehen, wer von uns beiden verrückt ist." Wenige Monate später hatte ihr Gemahl an der Börse sein ganzes Vermögen verloren, während sie das ihre verdoppelte. Vor einigen Jabren storb der Mann in sehr bescheidenen Verhält- ! nissen, während die Frau, die in der Vorstadt im kleinen Gasthause wohnt, ein Vermögen von 400 Millionen Mark ihr eigen nennt . . . Vermischter. * Eit» Vermögen verlor durch unüberlegtes Handeln ein Geraer Einwohner. Vor etwa 15 Jahren wurde dem Manne von der preußischen Bahnverwallung für ein Grundstück, das diese zur Erweiterung ihrer An lage bedurfte, ein Betrag von 250000 Mark geboten. Der Besitzer wollte mehr dafür haben. Die Bahn hat nun das Grundstück enteignen lassen, so daß der Eigen tümer etwa 170000 Mark erhalten sollte. Gegen diese Bewertung war Einspruch erhoben worden, der jetzt zurückgezogen ist. Die Bahn und der Grundstücksbesitzer haben sich inzwischen geeinigt auf ca. 175000 Mark. Der Grundstücksbesitzer hat auch noch die Kosten des Einspruch- Verfahrens bezahlen müssen, da die Bewertung rechtmäßig erfolgt war. Bedenkt man nun, daß sich der Betrag, der dem Mann vor 15 Jahren geboten worden war, durch die Hinzurechnung von Zins und Zinseszinsen annähernd verdoppelt hälte, so hat er rund 125000 Mark Vermögen verloren, und das nur, weil er glaubte, mehr bekommen zu können. * Eine aufregende Entführungsgeschichte spielte sich in Stuttgart ab. Eine Dame, die geschiedene Frau eines Professors, hatte ihren Knaben, der dem Vater zugesprochen war, heimlich in ein Erziehurgsinstitut gebracht. Sie wurde durch einen Zufall entdeckt und das Kind ihr auf offener Straße aus ihrem Automobil, in dem sie den Knaben versteckt hatte, abgenommen. Die Dame selbst wurde verüastet und mit ihrem Knaben vor läufig in einem Hore! untergebracht. Heute vormittag ging sie mit ihrem Kinde in Begleitung eines Polizei- beamten in Zivil auf das naheliegende Postamt. Bis hierher wurde sie von dem Galten verfolgt, da er glaubte, sie wolle den Knaben wieder entführen. Der unglückliche Vater machte bann auf dem Postamts eine furchtbare Szene uud bedrohte den Polizeibeamten mit einem Revolver. Ec mußte schließlich von drei Schutzleuten überwältigt und gefesselt nach dem Polizeiamte gebracht werde«. Markt-Bericht. Dresden, 31. August. Produktenbörse in Dresden. Preise in Marl Wetter: Trübe. Stimmung: Ruhig. Weizen, pro 1OVO Kg. netto: weißer 200—205, brauner, alter (75 bis 78 Kg.) 000—000, do.'neuer (75—78 Kg.) 194—200, russ. rot, 237— 242, russ-, weiß, —,—, Kansas 230—236, argentin. 230—235, amerikan. 224—228, Roggen, pro 1000 Kg. netto: sächsicher (70—73 Kg.) 000—000, neuer 170—178, russischer 190—194. Gerste,pro 1000 Kg. netto: sücks. 180—195, schlef. 195—210, Posener 195—205, böhm. 215—225, mahr. 000—000. Futtergerste 141—147. Haser, pro 1000 Kg. netto: sächs. alter 156—163,do.neuer 150—156,jchles.u.pos.154—161. Mais, pro 1000 Kg. netto: Cinquauline 172—178, Laplata, gelb. 162—167, amerikan. mixed. 000 bis 000, do. neuer 000—000, Rundmais, gelb 162-165, do. neuer 000—000. Erbsen, pro 1000 Kg. netto: Saatware 188—195, Futter ware 188—195. Dicken, prolOOOKg. netto: sächsische 170-180. Buchweizen, pro 1000 Kg. netto; snl. 215—225 fremd. 215—225. Oelsaaten, Winter- raps, jeucht — Mk., trocken 265 — 270 Mk. Leinsaat, pro 1000 Kg. netto: feine 250—260, mittlere 235—250, Laplata 230 — 235, Bombay 000—000. Rüböl, pro 100 Kg. netto: mit Faß raffin. 71. Rapskuchen, -ro 100 Kg. (Dresdn. Marken), lange 13,00 runde —. Leinkuchen, pro 100 Kg. (Dresdn.Marken): I. 17,50, II. 17,00. Weizenmehle, pro 100 Kg. netto ohne Sack (Dresdner Marken), exkl. der städtischen Abgaben Kaiserauszug 34,50—35,00 Grieslerauszug 33,50—34,00 Semmelmehl 32,50—33,00 Bäckermundmehl 31,00—31,50 Grieslermundmehl 25,00 bis 25,50, Pohlmehl 19,00—20,50. Roggenmehl, pro 100 Kg. netto ohne Sack (Dresdner Marken), exklusive der städtischen Abgabe: Nr. 0 27,50 bis 28,00, Nr. 0/1 26,50—27,00, Nr. 1 25,50—26,00, Nr. 2 23,00 bis 24,00, Nr. 3 19,00 —19,50. Futtermehl 14,40 bis 14,60, exkl. der städtischen Abgabe. Weizenkleie, pro 100 Kg. netto ohne Sack (Dresdn. Marke») grobe 11,60—11,80, feine 11,60—11,80. Roggenkleie, pro 100 Kg., netto ohne Sack (Dresdner Marken): 12,40—12,80. (Feinste Ware über Notiz.) Die für Artikel Pro 100 Kg. rwtierten Preise verstehen sich für Geschäfte unter 5000 Kg. Alle anderen Notierun gen, einschließlich der Notiz für Malz, gelten für Geschäfte von min destens 10000 Kg. Auf dem Markte: Kartoffeln (50 Kg.) Magdeburger (neue) 2,80 bis 3,50, alte 0,00—0,00. Heu im Gebund (50 Kg.) altes 0,00, do. neues 3,10—3,35. Roggenstroh, Flegeldrusch (Schock) 35—37 Mk. Gegenwärtige Brotpreise: Bienert: 2 KZ kosten: 1. Sorte 64, 2. Sorte 60, 3. Sorte 56, Landbrot 52 Psg. Konsumverein Vorwärts: 2 KZ kosten: 1. Sorte 60, 2. Sorte 56, 3. Sorte52Psg. Schlachtviehpreise auf dem Dresdner Viehmarkt am 31. August 1908. Ttergattung und Bezeichnung. S Lebend- rr — Schlacht- Ochsen: Mk. Mk. 1. ». vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlachwertes bis zu 6 Jahren 40-43 76-79 b. Oesterreicher desgleichen 42-45 >78-81 2. junge fleischige, nicht ausge mästete — ältere ausgem. 36-39 72-75 3. mäßig genährte junge, gut genährte ältere 4. gering genährte jeden Alters 32—35 65-71 28-31 58-63 Kalben und Kühe: 1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten Schlacht wertes 39-41 71-73 2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten Schlacht wertes bis zu 7 Jahren 36-38 67-70 3. ältere ausgemästete Kühe uud wenig gut entwickelte jüngere Kühe und Kalben 31—35 61—66 4. mäßig genährte Kühe und Kalben 27-30 57—60 5. gering genährte Kühe und Kalben 49-54 Bullen: 1. vollfleifchige höchsten Schlachtwertes 39-42 71-74 2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 35—38 67-70 3. gering genährte 30-34 62-66 1. feinste Mast- (Vollmilchmast) und beste Saugkälber 51 -53 81-83 2. mittlere Mast- und gute Saugkälber 47—50 77-80 3. geringe Saugkälber 40-46 70-76 4. ältere gering genährte (Fresser) — — Schafe: 1. Mastlämmer 43-45 84-86 2. jüngere Masthammel 41—43 80-83 3. Aeltere Masthammel 36-39 75-78 4. mäßig genährte Hammel und (Merzjchaje) — — Schweine: 1. a) vollfleischige der feineren Rassen und deren Kreuz ungen iw Alter bis zu 1si^ Jahren 53—54 68- 69 d) Fettschweine. 54—ss 69—70 2. fleischige 51—52 67—68 3. gering entwickelte, sowie Sauen 4. Ausländische 46-50 61-6S — — Geschäftsgang: Bei Ochsen, Kalben und Kühen, Bullen, Kälbern langsam, L-chasen und Schweinen mittel. Austrieb: 281 Ochsen, 165 Kalben und Kühe, 228 Bullen, 206 Kälber, 984 Schaje, 1428 Schweine. Von dem Austrieb waren .43 Rinder und — Schaje österreichßch-ungavscher, — Schafe dänischer Herkunft. Dampfschiff-Fahrplan vom 3. bis mit 28. September 1908. * Bis 13 September täglich, dann nur Soun- und Festtags. ** Nur Soun- und Festtags. —— 7,35!1O 00 8,30fi0 55 11,15 12,10 12,15 1,30 2,25 2,30 2,153 004.006,00 Ab Dresden „ Kötzsch enbrodc „ Niederwartha an l » 8,4012,50 2 55 1,35 1,25 4,25 3,05 2,55 6,15 4,55 4,45 7,10 5,50 5,40 8,10! 9,20 s'5E 8,00 3,10 3,15 3,55 4,00 4,556,55 5,00,7 00 7,20 7.10 II 30 11,20 8,35 11.00 6.40 7,50 — 8,45 11,10 12,25 2.40 3,25 4,10 5,107,10 „ Gauernitz 6,50 11,00 1,05 2,35 4 25 5,20 6.20 7,30 — — 8,55 11,20 12,35 2,50 3,35 4,20 5,20!7,20 „ Scharfenberg 6,35 10,45 12,50 2,20 4,10 5,05 6,05 7,15 — 9,00 11,25 12,40 2.55 3,40 4,25 5,25,7,25 „ Sörnewitz 6,30 10,40 12,45 2,15 4,05 5,00 6.00 7,10 — 9,15 11,40 12,55 3,10 3,55 4,40 5,40,7,40 „ Spaar 6,05!I0,15 12,20 1,50 3,40 4,35 5,35 6,45 —— — 9,20 11.45 1,00 3.15 4,00 4,45 5,457,45 an Meißen ab 6,00 10,10 12,15 1,45tz,35 4,30 5.30 6,40 — 6,45 9,35 — 1,30 — 4,15 — 6,05 — ab „ an — 10,00 —- 1,40 4,20 — 6,30 8.00 8,30 11,20 — 3,15 — 6,00 — 7,45j- , an Riesa Ab — 7,15 — 10,55 — 1,35 — 3,45 5,15 Die Tochter des Seiltänzers. Roman von B. Corony. 13 Die Worte: „Ich liebte ihn vielleicht mehr als Du," wollten sich über Fräulein von Riefentals Lippen drän gen, wurden aber unterdrückt. Sie kannte Margot zu gut, um nicht zu wissen, daß ihr der Schmerz, so gewaltig er auch setzt schien, keine unheilbare Wunde schlagen würde. Der Arzt war bereits eingetroffen und hatte sofort die traurige Ueberzeugung gewonnen, menschliche Kunst ver möge hier nichts mehr zu retten. Wahrscheinlich würde Roßbach sanft und ohne zum Bewußtsein des nahen Scheidens zu gelangen,in die Ewig keit hinübergeschlummert sein, hätte sich Margot nicht mit ausgebreiteten Armen, schreiend, schluchzend und jam mernd über ihn gestürzt, so aber öffnete er die Augen und «ah mit wirren, erschrockenem Blick umher, versuchte sich aufzurichten und sank zu Tode erschöpft wieder zurück, murmelnd: Es ist vorbei. Es geht zu Ende mit mir. Sendet zum Pfarrer!" d' Erregte E"' darfst mich nicht verlassen!" stöhnte „Du mußt., und wirst es überwinden. Jetzt möchte sch em paar Worte .. allein.. mit Ottilie reden." „Und ich sollte gehen? Nern! Mein Platz ist bei Dir " „Du kannst.. wieder .. kommen." „Nein, nein! Ich bleibe." „Widersprechen Sie dem Sterbenden nicht," flüsterte Doktor Raabe. „Ehren Sie seinen letzten Wunsch!" sagte Stürmer und führte die von Weinkrämpfen Befallene hinaus. Die andern Anwesenden folgten. Ottrlre trat an das Lager des Schwerverletzten und fragte nnt jener milden Ruhe, die sie stets zu bewahren wußte: „Was mochtest Du mir sagen, Oswald?" „Ich will Dich um Verzeihung bitten." . Da zuckte es in schmerzlicher Erinnerung über lhr Ant litz. „Wenn Du für irgend etwas meiner Vergebung be durftest,so gewährte ich sie Dir längst." „Wir haben uns einst näher gestanden." „Nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes." „Ich warb um Deine Liebe, wenn auch nur mit Blicken und Blumen. Und Du schenktest mir ein junges reines Herz. Warum willst Du es jetzt leugnen? Ich nehme ja das Geheimnis Deiner Jugend mit in die Gruft hinab." „Ja, Oswald. So war es und ich habe mich des kur zen Traumes nicht zu schämen. Daß Du Margot wähl test, bereitete mir freilich ein trübes Erwachen, aber ich sagte mir: „Sie ist die weitaus schönere und reichere. Der Oheim, der ja auch mein zweiter Vater war, wünschte die Verbindung und machte das Erbe davon abhängig." „Sein Wille sei erfüllt! Ich werdemich künftig als Os walds Freundin und Schwester betrachten." Es war mir ernst damit und ich bewies es Dir, indem ich den letzt willigen Bestimmungen des Verstorbenen zufolge, mei nen bleibenden Wohnsitz auf Neunkirchen nahm. Es er füllte mich oft mit Kummer, daß ich Dich in Deiner Häuslichkeit nicht glücklicher sah, aber ich hatte vollstän dig überwunden und auch jetzt kann ich bei dem All mächtigen schwören: Nicht der geringste Vorwurf erhebt sich wider Dich in meiner Seele." „Aber ich habe eine zweite Schuld begangen, und leichtsinnigerweise immer gehofft, alles ordnen zu kön nen. Jetzt nimmt mir der Tod diese Möglichkeit." „Was meinst Du?" „Daß ich kein sorgfältiger Verwalter Deines Eigen tums war und nicht als reicher Mann sterbe. Start Dein mir anvertrautes Gut zu vermehren, gefährdete ich es durch leider mißglückte Unternehmungen. Wären mir noch Jahre geschenkt gewesen, dann . . ." Sie legte die Hand auf scineLippen. „Kein Wort wei ter Du hast einen Sohn, der Deine Verpflichtungen über- posMen wird. Wäre aber die geringe Summe, welche ich damals in Deine Hände legte, verloren, so dürfte Dir die Sorge darum nicht die letzte Stunde verbittern. Der größere Teil meines Vermögens wurde in sicheren Pa pieren angelegt. Dieser Besitz, wenn auch bescheiden, reicht für mich, die Anspruchslose, vollkommen aus." „So schlimm steht es nicht. Noch kann alles gedeckt und Neunkirchen erhalten werden, wenn Elgard energisch und tatkräftig zu Werke geht. Aber ich fürchte, er ..." „Fürchte nichts! Gezwungen, den Ernst des Lebens zu erkennen, wird er sich dem Gebote der Notwendigkeit fü gen und es als Ehrensache betrachten, den alten Fa miliensitz nicht in fremde Hände kommen zu lassen. Aber jetzt gönne Dir Ruhe. Du bist erschöpft." „Ja. Nur noch eins! Therese verliert in mir ihre ein zige Stütze..." „Ich habe das Mädchen lieb gewonnen und will für immer eine mütterliche Freundin bleiben. Um sie magst Du unbesorgt sein." Mit einem Seufzer der Erleichterung schloß der Ster bende die Augen und schlummerte ein. Leise schlick) ^Uilie zur Tür, öffnete sie geräuschlos und winkte. Nur Elgard, Therese, Stürmer und der Arzt traten ein. Margot lag, von einem heftigen Nervenan fall ergriffen, in ihrem Zimmer, während sich zwei Die nerinnen eifrig um sie bemühten. Der Seelsorger erschien und spendete die heiligen Sakramente. Dann verlor Herr rmn Roßbach das Bewußtsein. Mit dem letzten Schim mer des Tages erlosch auch sein Leben. Nach landesüblichem Brauch wehte eine schwarze Falme vom Dach des Herrenhauses. Die Landleme standen, als der Morgen anbrach in Gruppen beisammen, und blickten nach den Fenstern. Trotz seiner Fehler war ihnen der Verstorbene immer ein gü tiger Herr gewesen, der ein offenes Herz und eine offene Hand für Notleidende hatte. 154,19 Auch jetzt machte sich Fräulein vonRiefentalsstilles Wal ten wohltätig bemerkbar. Sie übernahm alles, was eigentlich Sache der Witwe gewesen wäre.schmückte den Sarg mit Blu men und empfing die Kondolenzbesuche, denn Margot beküm merte sich um nichts und erklärte, selbst totkrank zu sein.