Volltext Seite (XML)
Aus Sachsen. Wilsdruff, den 2. September. Die Liebe in der Volksheilstätte. Der 25 Jahre alte Hausdiener Neubert aus Leipzig, der in der Volks- Heilstätte der Stadt Leipzig bei Adorf angestellt war, entbrannte dort in Liebe zu einer Angestellten der Anstalt. Das Verhältnis erregte Anstoß, und die Folgen waren für den Hausdiener insofern unliebsam, als er Knall und Fall entlassen wurde. Er wandte sich deshalb an Rechts» anwalt Dr. Henke in Adorf, der an die Verwaltung der Volksheilstätte einen Brief schrieb, in diesem die Zahlung des Lohnes an Neubert verlangte und dabei bemerkte, daß das Verhalten des Oberarztes Dr. Thieme gegen über der Gellebten Neuberts nach dessen Angaben den Tatbestand der Nötigung enthalte, da Dr. Thieme das Mädchen mit ärztlicher Untersuchung bedroht habe, wenn sie das intime Verhältnis mit Neubert nicht zugebe. Um dieser Untersuchung nicht ausgesetzt zu werden, habe das Mädchen die Sache eingestanden. Dr. Thieme bezeichnet diese Angaben als ungenau, und der Rat der Stadt Leipzig, als vorgesetzte Dienstbehörde Dr. Thiemes, stellte gegen Neubert und Dr. Henke wegen Beleidigung Straf» antrag, dem auch stattgegeben wurde. Das Schöffen gericht zu Adorf sprach jedoch die Angeklagten frei, da sie in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt. Die von dem AmtSanwalt eingelegte Berufung wurde verworfen. Wie das „Osch- Tgbl." berichtet, bestehe» zwischen der Gemeinde Collm und ihrem Pfarrer Schreyer schon seit längerer Zeit ernstliche Differenzen Neuerdings sei aber ein förmlicher Kriegszustand ausgebrochen, in dessen Verlauf sich der Geistliche, den man einen Lügner geheißen, zu Tätlichkeiten gegenüber seinem Beleidiger hinrrißen ließ. Der erste Grund der Entfremdung zwischen Pfarrer und Gemeinde soll materieller Art sein Pfarrer Schreyer habe bei seinem Amtsantritt gefunden, daß der Pachtpreis für die Pfarrländereien nicht hoch genug wäre und eine Neuoerpachtung ausgeschrieben, die Pächter aber hätten sich — da ste der Ansicht waren, der Pachtpreis sei hoch genug — dahin geeinigt, daß niemand den bisherigen Pachtprcis überbiete. So habe damals der Pfarrer eine Niederlage erlitten, die das Verhältnis zwischen ihm und einem Teile seiner Gemeinde beeinflußte Der Konflikt kam zu offenem AuSbruch ge» legentlich einer vor längerer Zeit vorgenommenen Kirchen vorstandswahl und er hat sich seitdem immer mehr ver schärft. Der Kirchenvorstanb schmolz, da eine gültige Wahl nicht mehr zustande kam, auf zwei Mitglieder zu sammen und in die Kirche gehen viele nur, wenn der Kantor die Predigt verliest. Ein beklagenswertes Unglück ereignete sich am Sonntag in einem privaten Militär quartier in Grimma. Der den Stalldienst versehende, im ersten Jahre dienend» Husar Feilenhauer aus Leipzig ging nachmittags gegen 3 Uhr zu rrgend einer Besorgung in die Quartierstube. Hier befand sich der Lehrling des Hausbesitzers, der sich .Ancm Karabiner zu schaffen machte, der sich vor- schrntvwidrig in der Stube befand. Als der Lehrling den Soldaten kommen sah, legte er im Scherz auf diese» an und druckte ab. Eiu Schuß krachte und der Husar stürzte, in die Stirn oetroffen, zusammen. In dem Ge- — Die Tochter des Seiltänzers Roman von B. Corony. 12 Therese mochte nicht länger daran denken. Sie brach Ane purpurne Rose und befestigte sie, am Teich stehend, in dem schwarzen, krausen Haar, welches in fast allzu reicher Fülle das schmale Gesichtchen mit den großen, dunklen, von machngen Brauen überwölbten Auaen,um gab. Dann trat sie m das chinesische Lusthaus um die Fenster zu schließen. Der kleine Raum war nur von einer mit bunten Bil dern bemalten Ampel erhellt. Das Mädchen breitete eine gestickte Decke über die Voliere, in der ausländische Vögel flatterten und lieb koste den prächtig gefiederten Ara, als jemand ihren Na men flüsterte, so schmeichelnd, daß ihr jeder Blutstrop fen zum Herzen drang und ihre Pulse wie im Fieber pochten. „Warum weichen Sie mir seit Monaten aus, Therese, und vereiteln alle meine Bemühungen, Sie allein zu spre chen?" „Wir haben uns nichts mitzuteilen, was nicht alle Welt hören durfte, und wenn ich bitten darf, so sagen Sie Fräulein Pinder. Ich gab Ihnen kein Recht, mich bei meinem Vornamen zu nennen." Das klang abweisend und trotzig genug, entzückte aber den an leichte Siege gewöhnten Elgard von Roßbach. In dieser Stunde meinte er wirklich, noch für kein anderes Weib so wahr empfunden zu haben. Das feine Gesicht, die so stolz blickenden Augen und der kalt lächelnde Mund erschienen ihm als die Quintessenz des Begehrenswerten. „So hören Sie mich wenigstens an!" stammelte er. „Nein!" rief Therese, die ihre Selbstbeherrschung mre- dergefunden hatte. „Erinnern Sie sich daran, daß ich, wenn auch der niedersten Klasse entstammend und eine Waise, doch unter dem Schutze Ihres Vaters stehe." wehr hatte sich noch eine Platzpatrone befunden. Abends in der 8. Stunde starb der Schwerverletzte. Sein Ge burtstag, den er gerade beging, war ihm zum Todestag geworden. Der leichtsinnige Lehrling wurde in Haft genommen. Die Vereinigung zur Hebung der Industrie in Freiberg versendet soeben durch ihren Vorsitzenden, Herrn Bergamissekrrtär Schönherr, einen neuen illustrierten Prospekt, in dem alle Vergünstigungen und Erleichterungen aufgeführt sind, welche die Stadt bei der Anlage von Fabriken und anderen gewerblichen Unter nehmungen gewährt. Die Stadt vergibt Bauland zu billigen Preisen, auf Wunsch auch auf Erbbaurecht auf Jahrzehnte hinaus (z. B. auf 30 Jahre). Im letzteren Falle wird ein mäßiger Erbbauzins (etwa je 10 Vfg. für einen qm Grundstücks- und Grschoßflächc) erhoben. Der Erbbauzins kann auf einige Jahre erstundet oder erlassen werden. Dabei kann auch das Recht späteren Kaufes zu einem im voraus bestimmten Preise eingeräumt werden. Der Preis des elektrischen Stromes für Beleuchtungszwecke beträgt 50 Pfg. für die Kilowattstunde, nach 400 Benutzungsstunden der ganzen Lichtanlage 25 Pfg. für den Rest des Jahres. Für Kraftzwecke ermäßigt sich der Preis des elektrischen Stromes durch Rabattsätze bis auf 10 Pfg. pro Kilowattstunde. Ein bedauerlicher Unglücksfall hat sich am Freilag unweit Flöha ereignet. Bei einem Transport, wurde der den Transport mitleillnde Sergeant vom Zuge überfahren. Durch eine Neckerei stürzte der Be dauernswerte von der Plattform des 4. Klassenwagens und fiel dabei an eine Weiche, prallte aber davon wieder ab und kam mit den Beinen unter die Räder des Zuges zu liegen. Das rechte Bein wurde erst am Ober- und bann am Unterschenkel überfahren. Die Kniescheibe ist zerschmettert. Das linke Bein ist nur leicht verletzt. Die Schreckenstat einer Mutter versetzte am Somtag früh die Bewohner von Chemnitz-Altendorf und Rottluff in große Aufregung. Früh 9 Uyr wurden aus dem zum Drechsler'schen Gute gehörigen Teiche die Leichen der 28jährigen Schleiferschefrau Krause und ihrer zwei Kinder, einem ^jährigen Knaben und einem 2jädrigen Mädchen, gezogen und polizeilich aufgehoben. Die Leiche des Knaben war mit Taschentüchern an die Mutter ge bunden. Alle drei waren sonntäglich gekleidet, woraus sich schließen läßt, daß die Frau die Tat mit vollem Vorbedacht aussührte. In einem Briefe an ihre Mutter erklärte ste, sich deswegen zu töten, weil sie befürchten müsse, daß es ihr mit ihrem Manne ebenso erginge, wie mit ihrem ersten Manne. Dieser verbüßte eine längere Freiheitsstrafe, weil er seine Frau mit dem Revo.ver ge schossen hatte. Damals wurde die Kugel mit Mühe aus dem Kopf der Frau entfernt. Sie mag also wohl einen geistigen Defekt gehabt haben. Der 19jährige Sohn des Gutsbesitzers Knabe in Unterheinsdorf stürzte rücklings die zum Schevnen- boden führende Treppe herab, brach das Genick und war auf der Stelle tot. Der vor kurzer Zeit bei einem Schneidermeister zu Schönheide in Arbeit getretene Schneidergehilfe Matho aus Chemnitz entpuppte sich als frecher Heirats schwindler. Nachdem er vorher von einem ehrsamen „Aber, will ich Sie denn beleidigen? Was liegt mir daran, ob Sie eine Prinzessin oder das Kind eines ar men, heimatlosen Mannes sind? Wenn Sie mir nur glau ben und vertrauen könnten?" „Brechen wir dieses Gespräch ab." Sie wollte an ihm vorüberschlüpfen, aber er hielt Sie bittend zurück und seine feurige Beredsamkeit wiegte sie wie in einen holden Traum. Gleich einem Märchen prinzen stand er vor ihr in seiner vornehmen Schönheit. Immer heißer stieg das erregte Blut in die Wangen des Mädchens, ein weicher, schimmernder Glanz ver schleierte den Blick der Augen. Der enge,phantastisch aus geschmückte Raum schien ihr zum strahlenden Tempel des Glückes zu werden. Noch nie hatte ein Mann so zu ihr gesprochen, noch nie war ihr ganzes Sein so in Auflegung gewesen. Sie schwieg und lauschte, wie man einer schönen, berauschen den Melodie zuhört, und als Elgard ihre Hände ergriff, da zuckte es ihr durch alle Nerven und sie selbst wußte nicht, ob es Freude oder Schmerz war, was sie empfand. Therese dachte gar nicht darüber nach, was aus dem allen werden sollte. Jede Ueberlegung, jedes kühle Be rechnen lag ihr fern. Sie liebte und wurde wieder geliebt. War es die echte, wahre, unsterbliche Liebe? Auch da rum fragte sie nicht, sondern gab sich rückhaltslos der Einwirkung des Augenblickes hin. Wohl hätte sie viel zu sagen gehabt und fand doch den rechten Ausdruck nicht dafür. Ihre Sinne waren wie in unlöslichem Bann be- ^^lötzlich klang in diese süße, halbe Bewußtlosigkeit der Ton einer bewegten und dennoch harten Stimme hinein. „Herr von Roßbach, ich bin leider der Ueberbringer schlimmer Nachrichten. Sie müssen Ihre Frau Mutter auf ein trauriges Ereignis vorbereiten," sagte Stürmer indem er auf die Schwelle trat und den strengen tadeln den Blick über den junger Mann und das Mädchen glei ten ließ. Mädchen die Spargroschen in Höhe von 300 Mark unter dem Versprechen, daß er das Mädchen heiraten wollte, abgeschwindelt hatte, verduftete er. Die Feststellungen ergaben, daß Matho verheiratet und Vater von drei Kindern ist. Ein Großfeuer äscherte in der Nacht zum Sonntag den großen Gotshof des Oekonomen OelSner in Oelö- nitz i. E. vollständig ein. Am Freitag abend beobachteten drei Bahnarbeiter, wie zwei Burschen von der Eisenbahvbrücke im Zuge der Haßelbrunn-Reißiger Straße bei Plauen i. V. auf den um diese Zeit vorüberfahrenden Personenzug und auf einen bald darauf folgenden Güterzug mit Steinen warfen. Den Bahnarbeitern gelang es glücklicherweise, die Täler festzunehmcn. Der Bahnarbeiter Moosmüller von Raschau hatte Pilze eingesammelt. Von dem Gerichte hatte die Familie am Abend gegessen, als sich plötzlich in der Nacht Ver- aiftungserscheiuuugen eivstellten. Obwohl sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wurde, ist der 6 Jahre alte Sohn au Pilzvergiftung gestorben, während die Ettern »och schwerkrank darnieberliegen. Bei den auf dem Schneiderscheu Grundstücke in Catzlau bei Bautzen vom Anthropologischen Verein in Bautzen vorgenommenen Grabungen wurde ein Urnen- seid gefunden. Die Urnen stammen aus vorgeschichtlicher Zeit, von ungefähr 800 v. Chr. Ferner stieß mau auf ein menschliches Skelett, das bereits Jahrzehnte lang dort gelegen Hst. Auf der Güterzvfuhrstraße neben dem Güterboden gleise des Bahnhofs Dürrröhrsdorf wurde am Sonn tag abend nach 10 Uyr eiu dort aushilfsweise als Wagenrücker beschäftigter Streckenarbeiter mit gebrochenem Halswirbel tot aufgefunden. Anscheinend ist der Be dauernswerte beim Bedienen einer Bremse vom Wagen herabgefallen. Aus dem Leben -er reichsten ^ran der Welt. Ueber die Lebensweise von Hetty Green, die erst kürzlich die amerikanische Gesellschaft dadurch in Auf regung versetzte, daß ste ihr ärmliches Logis in der Vor stadt aufgab, um in dem luxuriösen Plaza-Hotel Wohnung zu nehmen, berichtet Luigi Barzini dem „Corriere della sera" aus New-Jork einige interessante Einzelheiten. Das Experiment mit dem Gesellschaftsleben ist Hetty Green bekanntlich mißglückt: sie fand keinen Gefallen an den vielen unnützen Ausgaben, sie langweilte sich und bereute das schöne Geld, das sie bezahlen mußte. Heute sitzt sie wieder gemeinsam mit ihrer Tochter Sylvia, einem schweig» samen, verschlossenen vierzigjährigen Mädchen, in den ärmlichen kleinen Gaststuben in Hoboken, in denen ste vordem hauste und wohl auch allem Anschein nach bis an ihr Lebensende Hausen wird. Nur wenige kennen sie in dieser ihrer Häuslichkeit. Die Brille vor den Augen, sitzt sie da am Fenster und näht eifrig an ihrem Leiuen- zeug; schweigsam sitzt die Tochter daneben und strickt aus Wolle warme Pulswärmer. Hin und wieder rasselt lärmend das Telephon; dann wirft Hetty Green ihre „Was ist geschehen?" fragte Elgard rasch ernüchtert. „Das Pferd Ihres Herrn Vaters scheute und schleu derte ihn gegen einen Baum. Man bringt den Verun glückten. An Ihnen ist es, die betrübende Botschaft so scho nend als möglich zu übermitteln." „Der Vater? Um Gotteswillen, ist er schwer verletzt?" „Leider ja." „Barmherziger Himmel!" „Ich bin vorausgeeilt, damit Frau von Roßbach nicht zu jäh erfährt, was sich ereignete. Verlieren Sie keine Zeit! Man kommt." „Großer Gott!" schluchzte Therese und flog dann, wie immer energisch und entschlossen, den Nahenden entgegen. Welch entsetzlicher Anblick! Auf einer notdürftig her gestellten Bahre lag Roßbach regungslos und mit ge- schlossenen Augen. „Ist er tot?" fragte siemtt erstickender Stimme. „Nein, Fräulein. Daniel läuft zum Arzt. Ab er schlimm, ehr schlimm sieht es wohl um den Herrn aus," antwor tete einer der Träger. Therese beugte sich tief über den Verletzten herab und flüsterte chm leise schmeichelnde Worte zu. Da schlug er die matten Lrder auf und drückte die kleine, zitternde Hand, um gleich darauf wieder in Bewußtlosigkeit zu versinken. .. Das drohende Gewitter hatte sich verzogen. In gol diger Klarheit strahlte das Firmament. In den Baum wipfeln rauschte der Wind und wirbelte abgerissene Blät ter durch die Luft. Hysterische Schreie ausstoßend, klammerte sich Margot an den Sohn, und weder sein, noch Fräulein von Rie fentals Zureden vermochte sie zu beschwichtigem „Sei ruhig und gefaßt," mahnte Ottilie. „In diesem Zustande dürfen mir Dich nicht an sein Lager lassen. Das hieße ihm ja sagen, daß er verloren ist." „Geh, geh, geh!" schrie Frau von Roßbach, sie beiseite stoßend. „Du hast nie ein Herz für mich gehabt und kannst nicht begreifen, wie ich leide." 154,19