Volltext Seite (XML)
888 PAPIER-ZEITUNG. Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den G es am m tb u ch h an d el (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Zur Leihbibliotheksfrage. Von eingreifenderer Bedeutung für denAustrag dieser vielbesprochenen und verwickelten An gelegenheit, als die übliche Hin- und Her streiterei in den Blättern, dürfte der Zahlen beleg sein, den Oskar Welten in einer neulichen Nr. der Deutschen Schriftstellerzeitung über die ersten geschäftlichen Erfahrungen mit seinem Buche „Nicht für Kinder“ veröffentlicht. Wir lassen natürlich die demselben a. a. 0. voran gehenden und folgenden polemischen Ausfälle weg, und geben nur den sachlichen Kern der Welten’schen Mittheilung nachstehend wieder: Ich freute mich, dass einzelne Leihbibliothekare (für die erste Auflage fünf an der Zahl) ohne jede Bemerkung je ein Leih-Exemplar zum höheren Preise gegen baar forderten. Fünf! Es klingt verzweifelt wenig und wäre wohl ein Grund zum Verzagen gewesen, wenn nicht — die Sortimenter sich als Hilfstruppen bewährt und äusserst tapfer gehalten hätten. Trotz des rücksichtslosen Verweigerns von -condition- Exemplaren kamen doch immer wieder Baar-Be- Stellungen, und schon nach sechs Wochen mussten wir daran gehen, die 200 Leih-Exemplare, welche wir naiverweise angefertigt hatten, mit neuen Um schlägen und Titelblättern versehen zu lassen, welche dieselben als Sortiments-Exemplare kenn zeichneten. Und als der September kam — nach weiteren vier Wochen — musste über Hals und Kopf eine zweite Auflage gedruckt werden, um den Ansprüchen der Sortimenter zu genügen, welche sich ganz gewaltig ins Zeug legten. So hat die Buchhandlung Andre in Prag allein von der ersten Auflage binnen io Wochen 70 Ex., und die Eisenbahnbuchhandlung Stilke in Berlin in derselben Zeit 250 Exemplare des Buches baar verkauft, um nur zwei zu nennen. Ueber den Absatz des zweiten Tausend kann ich heute noch keine volle Rechenschaft legen, da wir nun auch ä condition gaben; die Verlangzettel aber kamen so zahlreich, dass wir bereits im Januar auch das dritte Tausend (wir hatten vorsichtshalber 1500 gedruckt) angreifen mussten, von welchem noch etwa 300 Exemplare auf Lager sind. Der Baar absatz dieser zweiten Auflage, soweit ihn die Bücher nachweisen, beläuft sich bis jetzt auf circa 500 Exemplare. Diese Ziffern beweisen in erster Linie, was hier zu beweisen galt, dass man auch ohne Leih bibliotheken, und ohne Leihbibliotheken zuerst, mit einem Buche beim Publikum durchdringen kann. Im Anschluss an diese Ausführungen muss ich aber noch eines Momentes Erwähnung thun, welches vielfach interessiren dürfte, nämlich der Frage, wie ich mich mit meinem Verleger in dieser ganzen Sache gestellt habe. Zum mindesten lag es für mich, als ich Kontrakt machte, eo ipso vollkommen klar, dass mir ein wesentlicher Antheil an dem Gewinn aus den Leih-Exemplaren gebühre, und mein Verleger fand diesen Anspruch auch vollkommen gerechtfertigt. Unsere Vereinbarungen waren also folgende: Herr Gustav Schuhr druckte das Buch auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko und zahlte mir von jedem verkauften Exem plare einen bestimmten Theilbetrag (30 Pfg.); von jedem verkauften Leih-Exemplar aber äusser diesem Theilbetrag noch die Hälfte des Aufschlages für die Leihbibliotheken, im gegebenen Falle also noch eine Mark. Ich hatte also, da ja bei einem ersten Versuch das Risiko verhältnissmässig gross war, und ich meinem Verleger auch einen ent sprechenden Mehrgewinn zugestehen wollte, von jedem Exemplar 30 Pfg., von den Leih-Exemplaren aber 1 Mark 30 Pfg. Man sieht daraus, dass der Schriftsteller bei dem Modus, den ich gewählt, durchaus nicht leer ausgeht. Bei der zweiten Auflage stellt sich das Verhältniss für mich natürlich schon günstiger, und bei einem zweiten Novellenbuch, das in gleicher Weise wie das erste zur Ausgabe gelangt, wird es sich noch günstiger für mich stellen, weil mein Verleger nun auch schon wagen darf, eine grössere Auflage zu drucken. Die Erfahrungen, welche ich mit diesem zweiten Buche machen werde, ins besondere auch die Beantwortung der Frage, wie sich die Leihbibliotheken nun stellen werden, nachdem sie sich überzeugt, dass ihre Weigerung, das Buch zu höherem Preise zu kaufen und ihren Lesern zu bieten, uns nur zum Vortheil ausschlug, — das erst wird darüber entscheiden, ob es rathsam ist, mir auf dem betretenen Wege zu folgen. Es wird sich dann möglicherweise auch gleich zeigen, ob der Absatz eines Buches in der That dadurch beeinträchtigt wird, wenn es in der Leihbibliothek zu haben ist, woran ich natürlich nicht im entferntesten zweifle. Ich habe nun meinen Herren Kollegen voll kommen klaren, und, wie ich wohl kaum zu ver sichern brauche, streng wahrheitsgetreuen Bericht über das ganze Geschäft geboten, wie es sich im Verlaufe von etwas mehr als einem halben Jahr gestaltete. Ich habe auch gezeigt, dass mein Gewinn vorläufig noch kein hoher ist, wenn auch das Buchhändlerhonorar von circa 800 M, welches mir bis zu Ostern aus diesem Novellenbuche in Summa erwachsen dürfte, immerhin anständig ge nannt werden muss. Weiss man ja doch, dass die Buchhändlerhonorare für Belletristik, insbe sondere für Novellen, heutzutage zwischen o und 500 M. schwanken, wenn nicht gar der Autor auch für die Druckkosten einstehen muss, wie das vielfach der Fall ist. Nun aber stellt sich mein Honorar darum so bescheiden, weil ich als Novellist eine Erstlingsgabe brachte und ein Experiment machte, — zwei Umstände, welche den Druck einer hohen Auflage nicht rathsam er scheinen liessen. Ganz anders würde sich die Sache gestaltet haben, wenn mir schon Erfahrungen in der Leihbibliothekfrage und der Ruf als guter Erzähler zur Seite gestanden hätten. Dann hätte mein Verleger anstatt 1000 gleich 10000 Exem plare drucken können, wie es die Franzosen thun, und mein Antheil wäre per Sortiments-Exemplar auf das Dreifache gestiegen, weil die Kosten der Herstellung sich für das einzelne Exemplar auf einen verschwindend kleinen Betrag belaufen hätten. Das ganze Geheimniss, warum die fran zösischen Autoren von ihren Büchern so hohe Honorare beziehen, steckt ja doch nur darin, dass grosse Auflagen auf einmal gedruckt werden können, was dem Verleger auf der einen Seite gestattet, das einzelne Exemplar äusserst billig im Preis zu stellen, auf der andern Seite, dem Autor von jedem Exemplar einen ziemlich hohen Antheil neben dem Verlagshonorar auszuzahlen. Derjenige, welcher dabei in Frankreich zu kurz kommt, ist der Buchdrucker, welcher einmal setzt für 50 000 Exemplare, während er hier für 500 und 1000 Exem plare einmal setzt. Hieraus ist nun wohl zu ersehen, dass in der That der materielle Wohlstand der Schriftsteller erzählender Gattung, resp. die Bekämpfung des herrschenden Nothstandes, von dem Bücher-Absatz an das Publikum abhängt. Nun wird man mir natürlich einwenden, dass in Frankreich der Bücher- Absatz gross ist, die Leihbibliotheken aber doch bestehen. Das ist richtig. Aber es beweist nichts, denn die Verhältnisse sind doch ganz andere. In Paris*) kostet die Leihgebühr für Novitäten 25 Centimes pro Tag; ein Roman, an welchem man acht Tage lesen muss (da die Franzosen immer nur einen Band und sehr eng drucken und bis zu 35 BogenStärkegehen), kostet 3 Frank 50, *) In Paris sind zweierlei Gebühren eingeführt, genau so wie ich sie — ohne davon gewusst zu haben — seit Jahres frist anstrebe. Eine Lesegebühr für ältere Werke ä 10 Ct. pro Tag, eine zweite für Novitäten a 25 Ct. pro Tag. Den noch existiren grössere Etablissements dieser Art nur auf dem linken Seineufer, das kaum ein grossstädtisches Gepräge trägt, und ihr Kundenkreis kommt dem grossen Lesepublikum gegenüber nicht in Betracht. wenn ich ihn theuer bezahle, ich bekomme ihn aber auch zu 2 Frank 75 Cent, und noch billiger. Der Preis der Leihgebühr für einen neuen Roman stellt sich also nahezu gleich mit dem Preise des Buches selbst, und daher kommt es, dass der Pariser von halbwegs guten Eltern es vorzieht, gleich ein neues Exemplar des Romanes in seinen Besitz zu bringen und mit Musse zu lesen, als ein altes aus der Leihbibliothek zu nehmen und beim Lesen gehetzt zu sein, wenn ihm die Leih gebühr nicht höher kommen soll, als das Buch selbst kostet. Bei uns in Deutschland dagegen kostet die Leihgebühr im Abonnement höchstens 4 8 pro Tag, und höchstens 20 bis 25 3 muss ich zahlen, wenn ich nicht abonnirt bin, sondern nur ein Buch lesen will; diese 20 bis 25 3 be rechtigen mich aber, das Buch drei bis sechs Tage zu behalten. Das Buch selbst dagegen kostet meist, wenn es einbändig ist, 4 bis 6 «, wenn es mehrbändig ist, bis zu 15 M. Diese Ziffern sprechen klar genug; der geradezu nichtige Preis an Lesegebühr steht in einem unmöglichen Ver hältniss zum Preise des Buches, er ist so gering, dass ich mir den Luxus erlauben darf, an einem Buch einen Monat lang herumzulesen, ohne noch annähernd den Preis des Buches selbst gezahlt zu haben; ich leugne daher überhaupt, dass die Ge bühr, welche bei uns eingehoben wird, eine Lese gebühr ist, d. h. eine Leistung für den Genuss des Inhaltes eines Buches. Diese Pfennige sind nur eine Abnutzungsgebühr des Exemplars, und weiter nichts. Meyer’s Konversationslexikon. In Nr. 19 Ihrer geschätzten Zeitung bringen Sie eine sehr interessante Vergleichung der 4, gegenwärtig erscheinenden »Konversat.-Lexika«: Meyer, Grunow, Brockhaus, Spamer. Bei Meyer ist angegeben: 16 Bd,—256 Lfg. a Lfg. 50 3 u. pro Band 7,50 Jt, was aber 8- heissen soll! Stuttgart. H. Eine Kinderzeitung in Buntdruck! Wir Deutschen haben sie leider nicht, sondern vorerst nur die Engländer. Sie heisst .The Little-One’s Own Coloured Picture-Paper“ (Des Kleinen bunte Bilderzeitung), und erscheint in London, E. C., 160 A. Fleet-street. Das Blatt, welches wöchentlich 4 Text- und 4 Bilderseiten in Quart für einen Penny (8 •) bringt, soll die Lücke füllen, welche die trefflichen, längst eingebürgerten Kinderzeitungen der Traktatge sellschaft: „The Boy's Own Paper“, „The Girls Own Paper“, nach der Richtung des zarteren Kindesalters noch lassen. Letztere (mit schönen Illustrationen in schwarzem Holzschnittdruck) sind für Kinder im vorgerückteren schulpflich- tigen Alter verständlich und geniessbar — für jüngere kaum. Die bunte Bilderzeitung hingegen bietet den noch wenig schriftkundigen Bewohnern der Kinderstube mannigfaltigen, ausgewählten An schauungsstoff, nebst entsprechenden Begleit texten (je umseitig), die von den A-B-C-Schützen theilweise schon entziffert, theilweise von der Mutter oderAmme erläuternd vorgetragen werden können. Nr. 1 des neuen, in seinem Lande sicherlich sehr absatzfähigen Unternehmens, zeigt in reichem Farbendruck eine Titelseite mit häus lichen Szenen, eine Seite mit 8 Bildern aus dem Leben der Hausthiere, eine mit 5 Gruppen vom Spielplatz, und eine mit 6 Darstellungen aus dem Kindorleben Jesu (Theil einer Serie: „Biblische Kinder“). Die ersten 3 Tafeln athmen einen gesunden Realismus in der Darstellung; bei der dritten ist Pletsch’scher Einfluss unverkennbar; weniger Lob verdient die vierte Tafel. Die zweite und sechste Nr. derselben (Verkündigung Mariä und Jesus im Tempel) zeigen in den Figuren Bei spiele von Unnatur. Das englische Publikum wird diese aber, anbetrachts der frommen Be nennung, meist für Uebernatur gelten lassen.