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Nr 23 PAPIER-ZEITUNG. 843 den fetten 7 Jahren für die mageren 7 Jahre sorgen. Auf diese Weise kann sich Niemand bedrückt fühlen. Ja, ich glaube, auch die rheinischen Herren Kollegen würden nicht so gegen die beschränkte Sonntagsarbeit eifern, wenn sie bedächten, dass sie das, was sie hauptsächlich mit im Auge haben, eine Einschränkung der Produktion, unbedingt nicht erreichen. Ich gebe den Herren vollständig Recht, wenn sie sagen, es seien, und namentlich in Sachsen und Schlesien, die Papiermaschinen in etwas un vorsichtiger Weise vermehrt worden und bin ich, davon ausgehend, dass unsere Aktionäre mit den Dividenden wohl zufrieden sein können, der an mich wiederholt gestellten Forderung, auch eine weitere Maschine aufzustellen, stets entgegenge treten. Anders verhält es sich aber, wenn wir gezwungen werden, kürzere Zeit zu arbeiten. Dann werden wir unseren Kundenkreis nicht be friedigen können, werden theurer produziren und werden, um diesen Uebeln abzuhelfen, sofort noch eine dritte Maschine aufstellen und dann statt 1/7 weniger, 1/3 mehr liefern. So machen es aber viele Andere auch, und statt durch Wegfall der Sonntagsarbeit die Ueberproduktion zu verm in d ern, wird sie nur vermehrt. Daran zweifle ich keinen Moment. Man kann doch nicht verlangen, dass Diejenigen, die günstiger zu produziren vermögen und infolgedessen besseren Absatz finden als Andere, zu Gunsten dieser ihre Lieferung ein schränken und ihre Kunden zur Befriedigung an Letztere verweisen. Es würde dies nur dadurch zu erreichen sein, dass ein allgemeines Verbot erlassen würde, weitere Papiermaschinen aufzustellen. Dies wäre aber, nach meinem Dafürhalten, ebenso unerreichbar als widersinnig. Leider ist einer andauernden Ueberproduktion nur dadurch abzuhelfen, dass die Schwächeren fallen und desshalb ist es unrecht von den Stärkeren, wenn sie, ohne zwingende Gründe, fort und fort vergrössern. Man suche aber hierin nicht einen Widerspruch gegen meine übrigen Ausführungen, denn ich halte ein intensives, ein die gegebenen Maschinen voll ausnützendes Ar beiten für nöthig, wenn wir auf die Dauer die Stellung im Weltmarkt behaupten wollen, die wir errungen. Komme ich nun noch auf die Vortheile, die die sächsischen und schlesischen Papierfabriken den rheinischen gegenüber haben sollen, so muss ich doch dem Herrn Verfasser in Nr. 14 erwidern, dass er dieselben bei Weitem überschätzt, d. h. ich kann nur von den sächs. Verhältnissen reden, denn die schlesischen kenne ich zu wenig. Der Herr Verfasser spricht von nichtskostenden Wasserkräften, ich muss gestehen, dass ich solche nicht kenne und dass uns z. B. eine vor 2 Jahren ausgebaute grössere Wasserkraft ca. M 140.000 kostet und natürlich in der Unterhaltung jährlich noch Kosten veranlasst. Bezüglich der Löhne hat der Verfasser, leider, wie aus einem Schreiben von ihm ersichtlich, nach Verhältnissen, wie sie vor 29 Jahren in Schlesien bestanden haben sollen und nach An gaben eines Gründers und Aktionärs einer sächs. Papierfabrik, geurtheilt, wodurch er zu ganz falschen Anschauungen gekommen ist. So sollen z. B. die Frauen und Mädchen pro Tag 5° 8 verdienen; nun, unsere Frauen und Mädchen im Hadersaal arbeiten natürlich nur in der Woche und zwar je nach der Tageshelle von 8 Uhr früh bis 4 Uhr Nachmittags, bis von 6 Uhr früh bis 6 Uhr Abends mit einer Stunde Mittags pause (die Frauen auf Wunsch mit 2 Stunden Pause) Frühstücks- und Vesperpause und haben die besseren Sortirerinnen in den kurzen Tagen bis 1,8 M pro Tag verdient, die ungeübteren und neuen natürlich entsprechend weniger, aber im Durchschnitt kamen doch 1,2 —1,3 3 heraus. Die Holzpreise sind hier hoch, denn ich be zahle, trotzdem wir ringsum von Wald umgeben, für Schleifhölzer M 134 bis X 15 pro Fest meter franko Fabrik und beziehe die meisten Hölzer aus Böhmen, während ich am Rhein für durchschnittlich stärkeres Holz aus der Eifel K 11 — 12} pro Festmeter franko Fabrik bezahle. Der Verfasser klagt endlich darüber, dass die Hauptabsatzgebiete für Papier näher nach Sachsen und Schlesien liegen, als nach dem Rhein, und doch tragen gerade die Rheinländer die Schuld daran, dass es mir, als Sachverständiger des Ver kehrsausschusses und der Eisenbahnverwaltungen, zweimal missglückt ist, eine gerechtere Tarifirung für Papier und z. B. für Papier, welches « 30.— pr. 100 kg kostet, denselben billigeren Frachtsatz zu erzielen, wie für grobes Packpapier, welches bis M 60.— und vielleicht mehr kosten kann. Man verlangt eher höhere Frachten, weil die Schlesier und Sachsen die rheinischen Fabriken sonst todt machten. Die Rheinländer haben sich aber damit sehr in Lichten gestanden, denn wenn der Hauptabsatz weiter entfernt liegt vom Rhein, als von Sachsen und Schlesien, so kommt eine Verbilligerung der Fracht doch zweifellos den rheinischen Fabrikanten mehr zu Gute, als den sächsischen und schlesischen. Mein neuer unbekannter Gegner in Nr. 19 stimmt mit meinen Gegnern in Nr. 14 und 16 ganz überein und zwar stellt er die Forderung der Einstellung der Sonntagsarbeit auch nicht nur aus ethischen Gründen, sondern er will eine Un gleichheit in der Leistungsfähigkeit dadurch be seitigt wissen, und spricht uns, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Schwarzseher in die Zukunft, volkswirthschaftliches Verständniss ab. Wenn ich mir nun vergegenwärtige, was die genannten oder vielmehr ungenannten Herren wünschen und welche Konsequenzen nach meiner unmaassgeblichen Meinung entstehen, wenn diese Wünsche in Erfüllung gehen, dann bin ich doch sehr zweifelhaft, ob das volkswirthschaftliche Ver ständniss bei meinen Gegnern wirklich grösser. Die Herren wollen durch Einschränkung der Produktion einer, wie sie sagen, wahnsinnigen Uebererzeugung, welche sich doch durch enorme Papierlager kennzeichnen müsste, wovon mir aber z. Zt. hier nichts bekannt ist, entgegentreten und ein Steigen der Papierpreise hervorrufen. Ange nommen nun eine Minderproduktion trete, ent gegen meiner früher entwickelten Ansichten, wirklich ein, so würde dies zunächst nachtheilig auf alle die Industrieen einwirken, die ihre Pro dukte an die Papierfabriken liefern, ferner würde eine Preissteigerung wohl nur von kurzer Dauer sein, denn die Fabriken, die am günstigsten ar beiten und desshalb am berufensten sind zu ex- portiren, arbeiten später theurer, werden gegen das fortdauernd billig arbeitende Ausland schwerer konkurriren können, ihre Rechnung beim Export weniger finden, dann im Inlande die Konkurrenz vermehren und die Preise niederwerfen. Dazu kommt aber noch, dass sehr viel Papier erst Ver wendung gefunden hat durch die sehr billigen Preise, der Verbrauch desselben wird sich aber bei steigenden Preisen auch wieder mindern und mit weichenden Preisen wieder vermehren. Das sind Voraussagungen, die man nicht ohne Weiteres durch Zahlen beweisen kann, die aber kaum angezweifelt werden können, und bin ich der Meinung, dass die Verhältnisse für die gün stiger gelegenen Fabriken durch Wegfall der Sonn tagsarbeit, sobald sie den Ausfall nicht durch neue Maschinen ersetzen, wohl schlechter werden wird, ohne jedoch für die ungünstiger gelegenen Fabriken einen Vortheil zu bringen, man müsste denn zwischen Schlesien und Sachsen einerseits und dem übrigen Deutschen Reiche andrerseits eine Zollgrenze bilden. Wenn der Herr Verfasser in Nr. 19 von Koch kesseln spricht, so darf ich wohl annehmen, dass er nur die Kocherei in Papierfabriken im Auge hat und nicht auch die Kocherei in Cellulosefa briken, die 3 — 4 Tage dauert und eine Unter brechung nicht gestattet, wenn man nicht den ganzen Kocher verderben will. Oder will der Herr Verfasser wirklich die ganze betreff. Industrie in Frage stellen, weil in einer Cellulosefabrik des Sonntags vielleicht 2 — 3 Leute und nur beim Füllen und Leeren der Kocher ein paar Leute mehr arbeiten müssen, ihm dies aber nicht statt haft erscheint? Das kann ich nicht glauben. Ich habe es in meiner langen Vertheidigungs- Schrift streng vermieden, persönlich und beleidigend zu werden, obwohl es wohl verzeihlich gewesen wäre, wenn ich Gleiches mit Gleichem vergolten hätte, ich halte es aber für durchaus Unrecht, wenn sich Industrielle unter einander öffentlich bekämpfen, und sich gegenseitig in den Koth zu ziehen suchen. Wenn wir uns selbst unter einander zu ver kleinern trachten, dürfen wir uns dann wundern, dass jeder Fernstehende sich für verpflichtet hält, auch wenn er keine Ahnung von dem Wesen und den Verhältnissen der Industrie hat, sich der armen geknechteten Arbeiter anzunehmen und den Barbaren den Industriellen, wo er sie findet, ent gegenzutreten ? Scheinen sich doch ohnehin, nach der Bot schaft unseres ehrwürdigen Heldenkaisers vom Jahre 1881, besonders Diejenigen, die am Wenig sten mit den ärmeren Volksklassen in Berührurg kommen und mit deren Lebensweise am Wenig sten vertraut sind, besonders berufen zu fühlen, den Armen zu helfen, während ich meine, dass die auf die Verbesserung der Lage der Arbeiter bezüglichen Worte vielmehr an uns gerichtet sind, die wir so und so vielen Arbeitern Brod geben. Gewiss haben wir uns auch Alle diese Worte zur Mahnung dienen lassen, dass wir aber, je nach dem wir einen mehr idealen oder mehr praktischen Standpunkt einnehmen in unseren Ansichten, wie wir den Arbeitern am besten dienen, auseinander- gehen, ist doch sehr begreiflich. Desshalb braucht es der Eine mit den Arbeitern nicht weniger ehr lich zu meinen, als der Andere und ist es nur zu bedauern, wenn das, was der eine im besten Glauben gewollt und erreicht hat, sich dann als Irrthum herausstellt. Wenn wir bedenken, wie wir bei manchen der vielen neuen Gesetze, sei es Dank der so grossen politischen Zerrissenheit im Reichstage oder der Herrschaft verschiedener allweiser Parteiführer, über’s Ziel hinausgeschossen, ist es denn da ein Verbrechen, wenn sich Stimmen erheben, die zur Vorsicht mahnen? Muss man denn gleich den Stab über Diese brechen, wenn sie nicht in Allen, was danach aussieht, die wahre Menschenliebe erkennen? Stellt man sich auf den so beliebten Stand punkt, dass der Industrielle, sobald er für Erhal tung der Prosperität seines Industriezweiges ein tritt, nur für seinen Geldbeutel, auf Kosten seiner Arbeiter sorgt, dann ist die mehr und mehr sich geltend machende Missstimmung und Missgunst begreiflich. Stellt man sich aber auf den viel richtigeren Standpunkt, dass wir Industrielle nur die Vorarbeiter für unsere Arbeiter sind, die natürlich für ihr eingelegtes Kapital, für ihr allein zu tragendes Risiko, für ihre aufrei bende Thätigkeit, für die grosse Schwierigkeit Jahr für Jahr und täglich genügende Arbeit zu beschaffen, auch besonders hohe Vortheile ge niessen müssen, dass von unserem Wohlbefinden auch das Wohlbefinden unserer Arbeiter abhängig, dass nur durch das Gedeihen der Industrie die Lage der Arbeiter verbessert werden kann, indem grössere Nachfrage nach Arbeitskräften nicht nur mehr Menschen nährt, sondern auch ihren Lohn erhöht, was sich, ob mit oder gegen den Willen des Industriellen, vollzieht, einfach nach den Ge setzen von Angebot und Nachfrage, so wird man den Arbeitern und sich selbst einen grösseren Dienst erweisen, wenn man sich nicht unberufen als Anwalt zwischen Arbeitgeber und Arbeiter drängt und die Kluft zwischen Beiden zu erweitern sucht, die die Sozialdemokraten künstlich gebildet. Leider hat man aber im Allgemeinen ganz falsche Begriffe über das Verhältniss zwischen Arbeitgeber und Arbeiter. Wir Arbeitgeber können weder die Löhne nach freiem Belieben bestimmen, noch können wir unsere Arbeiter in einer Weise knechten, wie man das oft anzunehmen scheint. Eine gewisse Dis ziplin ist in jeder Fabrik nöthig, man darf aber versichert sein, dass deren Strenge auch nicht annähernd diejenige erreicht, die man z. B. beim