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734 PAPIER-ZEITUNG. Nr20 nen. und weit allgemeiner künstlerisch Schluss folgt. H bereits so reicher Stoff zur Berichtigung und Bereicherung des älteren Vorlagenmaterials in den Momentaufnahmen der letzten Jahre vor. dass auf eine baldige Erweiterung des Gesichts feldes bildender Kunst durch dieses Mittel mit Sicherheit zu rechnen ist. Ein vorzügliches Beispiel der neuesten tech nischen Errungenschaften auf dem Gebiete der Thier-Aufnahme brachten wir in Nr. 48, Seite 1812, des vorigen Jahrgangs: ein in schwung haftem Holzstich wiedergegebenes Photogramm fliegender Tauben, von dem hervorragenden deutschen Meister Ottomar Anschütz in Lissa. Auch da finden sich charakteristische Flügel haltungen, wie ein zeichnender Künstler älterer Schule solche nicht zu denken, bezw. zu ver bildlichen, gewagt hätte. Doch neben und vor den in Gliederbeugung und entsprechender Muskelschwellung beruhen den — meistens nur für Thier- oder Nackt figuren verwendbaren — neuen Motiven, welche die Momentphotographie der bildenden Kunst so reichlich au die Hand giebt, stehen die eben falls von ihr in endloser Vielfältigkeit gebote- verwerthbaren Studienelemente für das menschliche Antlitz! Die Affekte des Schmerzes, des Zornes, der Freude, der Hoff nung, — und wie sie sonst alle heissen mögen. — die in zahllosen Abstufungen und Mischungen die Seele und den Gesichtsausdruck des Men schen bewegen: — sie bilden in ihrer Ge- sammtheit das edelste und schwierigste Arbeits feld bildender Kunst. Sie alle konnten bisher nur yomseharf geübten Blick des erfahrenen Künstlers in seltnen flüchtigen Momenten der Natur abge lauscht werden; infolge der Schwierigkeit dieser Belauschung und der Seltenheit entsprechender, natürlicher Studiengegenstände wurde das Stu dium angehender Künstler hierin fast lediglich auf die Nachahmung vorhandner „klassischer* Vorbilder gerichtet. So befestigte sich mehr und mehr auch auf diesem Gebiete die Herr schaft der leicht auf Abwege führenden üeb er- lieferung: — nicht zugunsten künstlerischer Naturwahrheit! Durch fleissige Sammelarbeit auf dem Felde der Momentphotographie wird hingegen mit der Zeit ein Arsenal menschlicher Affektbilder der Natur direkt entnommen wer den, welches auch jene überlieferten Dar-! Stellungsgrundsätze zum grossen Theil über- ■ flüssig machen und jedem Lernenden unan- i sten den Ueber gang von der ungebundenen Heiterkeit des zweiten Aktes zur lauten Schmerzäusse rung des dritten veranschaulicht Kinder - Moment turächten Darstellungen der Momentaufnahmen viele der bis dahin traditionellen Anschauungen der Anatomen und Künstler Lügen straften. Jene zeigten aus normalen Rennbewegungen anscheinende Gelenk-Verrenkungen und Sehnen- Verknotungen, die man vorher für anatomisch unmöglich oder doch mindestens für abnorm und fehlerhaft gehalten hätte. Die Werke der Thier- und Historienmaler und Bildhauer zeigten in ihren Darstellungen rennender Thiere und kämpfender Menschen nur zahmes, — wie sich jetzt herausstellte: zu den angenommenen Kraftäusserungen meist durchaus unzureichen des, — Muskelspiel, und zum Theil schwäch liche, energielose Gliederhaltung, im Vergleich mit den photographisch fixirten Aktionsmo menten. Die gesammte bildende Kunst, sofern sie sich mit der wirklichen Darstellung von Lebendem befasst, hat durch diese Erfahrungen kräftige, tiefeinschneidende Anregung und Belehrung im Sinne der Realistik erhalten. Mit welchem Er folg sie solche verwerthen wird, können erst die Werke des jetzt heranwachsenden Künstler geschlechts zeigen: denn die bisher überlieferten anatomischen Auffassungen und Regeln sind aus dem in ihnen grossgewachsenen Künstlergeiste wohl nur schwer zu 'verdrängen. Doch liegt Im allgemeinen Verdienen die — bildor des genannten Verlags vollkommen das ui fechtbare und unmittelbare Anschauungs-Grund lagen bieten mag. Ein treffliches Beispiel solcher physiogno- inischen Motive bieten die mit Recht beliebt und berühmt gewordenen Kinder -Aufnahmen des Momentkünstlers II. BoisSonnas in Genf (Schweiz). Der Kunst- und Buchhandlung Hugo Grosser in Leip-ig (Langestr. 37 II.), welche den Alleinvertrieb in sämmtlichen Welt- t he ilen für alle Boissonnas’schen Momentbilder übernommen hat, verdanken wir die anbei ab gedruckte Meisenbach’sche Autotypie • Nach bildung einer solchen Kinder-Aufnahme. (Die Anzeige des Hin. Grosser, „Reizende Neuheiten in Photographieen", auf Seite 747, giebt nähere Aufschlüsse über Preise und Arten dieser und anderer Momentbilder.) Die anbei wiedergegebene Aufnahme zeigt ein und dasselbe Kind in 3 kurz aufeinander folgenden Momenten: 1.. in gespannter Er wartung eines ihm von Ferne gebotenen Spiel zeuges; 2., im freudigen Besitz desselben; 8. in tiefstem Leid über die plötz liche Hinweg nahme seines Gutes. Unter den uns vorliegenden Momentbildern aus der Grosser sehen Handlung befinden sich mehrere solche Kinder - Serien die hier vorlie gende ist die wenigst an muthige der selben :wirwähl ten diese aber zur Nachbil dung , weil sic am schroffsten und wirksam Druck-Industrie. Unter dieser Ueberschrift bringen wir Artikel und Mit- theilungen, welche sieb auf die vervielfältigenden Künste: Buch-, Steiu-, Kupfer-, Licht- etc. -Druck beziehen. Sachliche Mittheilungen finden stets kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter angemessene Bezahlung. Die Momentphotographie im Dienste der Kunst und der Wissenschaft. Fortsetzung aus Nr. 19. ,t Aus vorgehender Beschreibung des mathe matisch-exakten Verfahrens und der Ergebnisse bei physiologischen Momentaufnahmen ist er sichtlich, welch hohe Bedeutung dieser Spe zialität der Photographie als Quelle für gewisse naturwissenschaftliche Studien innewohnt. Nicht minder aber sind die so und ähnlich gewonne nen Beobachtungsergebnisse von Werth als Grundlagen für die anatomisch-korrekte Durchbildung künstlerischer Figuren- und Thierdarstellungen. Die Moment- photographie im Dienste der Kunst fixirt dauerndimBilde solche Haltun gen und Lagen der Glieder, Ge lenke, Muskeln und Sehnen, welche infolge ihrerkurzen Dauer niemals vomAuge direkt erfasst werden können, und die der Künst ler desshalb ohne jenesHilfs- mittel lediglich aus der Phanta sie darstellen müsste. Die Erfahrung lehrte dement sprechend auch, schon alsbald nach Erscheinen der noch sehr rohen Aufnah men rennender Pferde des Ame rikaners Muy- bridge; dass die zweifellos na ihnen ertheilte Prädikat: „reizend.“ Aus gleicher Quelle erhielten wir auch Proben der Boissonnas’schen Moment-Aufnahmen von Löwen in verschiedenen Akten der Dressur. Solche Bilder wilder Thiere dürften auch nicht ohne physiognomischen Werth für Maler studien sein, — wiewohl wir überzeugt sind, dass der lebhafte Absatz, dessen sich diese, sowie die Kinder-Serien nach Angabe des Ver legers erfreuen, hauptsächlich an das .grosse Publikum“ erfolgt, welches solche Bilder meh zum Unterhaltungs- als zum Studienzweck kauft. Japan-Seidenpapier . aus der kais. Fabrik in Oji, das schönste, i feinste, zäheste u. zugleich leichtesteg Kopirpapier der Welt, empfiehlt Jucker-Wegmann in Zürich.