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664 PAPIER-ZEITUNG. Nr 18 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den G esammtbuchhandel (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Zu Cantate ! (Vergl. auch Nrn. 16 u. 17 d. Bl.) Der Börsenvereins- Vorstand d. D. Buchhändler verweist durch besondere Bekanntmachung vom 15. d. Mts. im B.-Bl. nochmals auf den 4. Punkt der .Geschäftsordnung für die Buchhändler- messe“ (siehe uns. vor. Nr.), und fügt hinzu, dass jeder Vollmachtträger für die Abrechnung verpflichtet ist, Demjenigen, der ihm Zahlung zu leisten hat, dass vom Centralbureau abge stempelte Duplikat seiner Vollmacht vorzuzeigen. Die betr: Abstempelung (nicht zu ver wechseln mit der in uns. Nr. 16 erwähnten der Wahl vollmachten!) findet am 4. und 5. Mai, vormittags von 8—12 Uhr, in dem im Börsen gebäude parterre rechts befindlichen Central- bureau statt, wo der General - Sekretär des Vereins die doppelt ausgefertigten Vollmachten entgegennehmen wird. Zugleich bringt der Vorstand in Erinnerung, dass nach altem Brauche bei der Abrechnung am Montag nach Cantate den auswärtigen Kollegen vor den Leipzigern der Vorrang ge bührt. Demgemäss sollen leipziger Vereins mitglieder am Montag nur dann Plätze zur Abrechnung im grossen Börsensaale einnehmen können, wenn keine auswärtigen Mitglieder zur Besetzung derselben vorhanden sind, und ferner soll jedes leipziger Mitglied auf An suchen eines auswärtigen Kollegen gehalten sein, letzterem einen etwa bereits eingenom menen Platz einzuräumen. Die Wah.lvorsch.lage. Zu den auf der jährlichen Hauptversamm lung des Börsenvereins d. D. Bhdlr. vor zunehmenden Wahlen werden jedesmal einige Wochen vor Cantate, vonden hierzu berechtig ten buchhändlerischen Körperschaften, an den Vorsitzenden des Wahlausschusses Vorschläge gerichtet, von demselben tabellarisch zusammen gestellt, und im Börsenblatt amtlich veröffent licht. Diese Vorschläge pflegen für die Wahl derart maassgebend zu sein, dass man in den meisten Fällen aus ihnen mit ziemlicher Sicher heit das Wahlergebniss vorausfolgern kann, so dass die offizielle Wahl eigentlich nur eine formelle Bestätigung der schon in den Vor schlägen kundgegebenen Willensmeinung der lokalen Buchhändlervereine ist. Die Gesammtzahl solcher anerkannten Ver eine beträgt gegenwärtig 44; doch haben nur 29 derselben in diesem Jahre Wahl Vorschläge eingereicht. Dieselben bewegen sich hinsicht lich 7 von den 10 neuzubesetzenden Aemtern in völliger Einstimmigkeit, bei noch einem nahe zu so; nur beim 2ten und 3ten Mitglied des Wahlausschusses zeigen sich erheblichere Diffe renzen, doch findet sieh auch hier unter den je 29 Stimmen beidemale noch eine absolute Mehrheit. Laut vorerwähnter amtlicher Bekanntgabe auf Hm.: Stimmen: Adolf Kröner in Stuttgart, 29 Paul Parey in Berlin, 29 Fritz Baedeker (Karl Bae ¬ deker) in Leipzig, 29 C. A. Sch ulze (L. A. Kittler) in Leipzig, 29 Karl Franz Köhler in Leipzig, 23 Dr. Schmitt (B. G. Teubner) in Leipzig, 29 Max Müller (J. U. Kern’s Verlag) in Breslau, 19 Alfred von Holder in Wien, 16 fielen: filr: 1. Vorsteher 2. Vorsteher Verwaltungs- Ausschuss (3 Mitglieder) Wahl-Aus schuss (3 Mitglieder) Rechnungs- f Johannes St ettner (Craz& Ausschuss < Gerlach) in Freiberg, 29 (2Mitglieder) ( Lucas Gräfe in Hamburg, 29 26 Stimmen zersplitterten sich auf folgende 8 Herren: Johannes Grunow (Friedr. Ludw. Herbig und Fr. Wilh. Grunow) in Leipzig(V.-A.), MaxErwinCy- riacus (Carl Cnobloch) in Leipzig (V.-A.), Dr. Christian Siegfried Theodor Toeche (E. S. Mittler & Sohn) in Berlin (W.-A.), Theodor Demuth (Gerold & Co., Sort.) in Wien (W.-A.), Christian Boysen (C. Boysen) in Hamburg (W.-A.), Ferdi nand Springer (Julius Springer) in Berlin (W.-A.), Julius Zwissler in Wolfenbüttel (W.-A.), Theodor Lampart in Augsburg (W.-A,). Zur Leihbibliothekfrage. Aus Schlesien. Mehrfache frühere Auslassungen gegen obiges Gewerbe veranlassen mich zu folgenden Bemerkun gen über den wie oben überschriebenen Aufsatz in Nr. 16: Was ist eine Leihbibliothek? Jedes derartig angemeldete Geschäft, wie auch jede Bibliothek einer Lehranstalt oder Gesellschaft, welche Bezahlung für das Lesen von Büchern er hebt, gleichviel, ob diese zu den nothwendigsten Bil dungselementen gehören oder zumZeitvertreib dienen. Was ist ein Journalzirkel oder Leihinstitut ? Jedes derartig angemeldete Geschäft, wie auch Leihen von Zeitschriften gegen Bezahlung. Ich sehe die Zahl der Leihbibliotheken und Journal zirkel auf etwa 4000 angegeben, frage desshalb im Interesse der Leihbibliotheken, wieviel davon gewerblich betriebene Leihbibliotheken sind, und, erfahre: vielleicht der 4. Theil. Diese und Journalzirkel sollen also den angeb lichen Ausfall von etwa 1500 Exemplaren eines Buches verschulden, die nicht verkauft werden, weil etwa 10,000 Familien dasselbe in der Leih bibliothek oder im Journalzirkel lesen! Ist nicht viel eher die grosse Menge von Lite ratur schuld daran, dass nicht alle Bücher grosse Auflagen ertragen, und werden nicht Massen von Büchern gedruckt, welche gar nicht in Leih bibliotheken kommen können? Da nun jede Ge schichte ihren Autor, und jedes Buch seinen Ver leger hat, trotz der Leihbibliotheken und Journalzirkel, so wird wohl der Abbruch nicht so gross sein! Zudem will man, was wohl recht schön wäre, bei Fach- und Lehrbüchern, die Volks-, Stadt-, Schüler- und Universitätsbibliotheken zu einer etwaigen Steuer nicht heranziehen wie die Gcwerbesteuerzahlendcn. Dies würde, selbst wenn die Abgabe unbedeutend wäre, die Aufgabe vieler Geschäfte zur Folge haben! Mancher hat wohl keine Ahnung davon, welche Menge von Büchern durch die Kinder aus Schul bibliotheken in einem Jahre entnommen und in den Familien gelesen werden. Es wäre auch schwer, dem Weiterleihen einen Riegel vorzuschieben, und die Leihbibliotheken können dcsshalb keine so hohen Einnahmen erzielen wie vielfach ange nommen wird. Ein Verschleppen von Krankheiten durch Leihbücher wird wohl kaum mehr als durch Kleider stattfinden, und jeder reell denkende Leser wird gewiss eine Desinfizirung in solchem Falle selbst vornehmen lassen, oder sich erst gar keine Bücher kommen lassen, — ich habe selbst schon gereinigte Bücher zurückerhalten. Aeltere Leute bilden überdies den Haupttheil der Leiber, und diese sind von den vielen ansteckenden Kinder krankheiten frei. Hätte das Versteuern von Neu heiten etwas für sich, so sollten jedenfalls ältere Werke davon ausgenommen bleiben. Es ist nicht blos Ehre für den Autor und Verleger, wenn ihre Schriften in einer Leihbibliothek auf eine lange Reihe von Jahren zur Benutzung stehen, — sondern auch von grösserem Nutzen, als er selbst ahnt. Da ich nur Besitzer einer Leihbibliothek bin, enthalte ich mich eines Urtheils über Bücher- und Journallesezirkel, warne aber vor übereilten Schritten, welche dem Arbeiter- und Mittelstand das Lesen eines guten Buches vertheuern oder ihn daran ver hindern würden. Der Reiche wird sich nach wie vor die Bücher zu seiner Bibliothek kaufen. Der Leipziger Platzschriftsteller. Es ist eine ziemlich harte Schule, welche der Durchschnitts-Schriftsteller in Leipzig durch zumachen hat. Er findet in erster Linie zahl reiche Wettbewerber. Dasjenige Gebiet, welches den angehenden Schriftsteller früher verhältniss- mässig leicht in Verbindung mit einem Ver leger brachte: der Uebersetzungsroman, ist durch die Literaturverträge fast gänzlich ver ödet. In Leipzig werden Uebersetzungs-Romane in Buchform fast gar nicht mehr verlegt: und bei jenen Verlegern, welche, wie z. B. Reclam, infolge Fortführung älterer Unternehmungen, für diese Literatur noch Bedarf haben, wird es dem Neuling nicht leicht fallen, Beschäftigung zu finden. Da sind allerhand alte Verbindungen vorhanden, die natürlich in erster Linie Berück sichtigung finden. Die Original - Belletristik ist hingegen seit jener Eindämmung der Uebersetzungsarbeit in besseres Fahrwasser gesteuert. Es wird jedoch auch von ihr nur noch die gute Waare in Buchform gebracht, die Mittelwaare muss ihr Unterkommen in den Kolportage-Zeitschriften und kleineren Zeitungen suchen. Die Redak tionen dieser sind aber in der Regel stark überlaufen, so dass der Neuling auch hier gar manchen Weg umsonst machen, gar manchen Brief umsonst schreiben muss. Für den technischen Schriftsteller (Ingenieur etc.) bietet Leipzig nur mässige Aussicht, weil für diesen das gewinnbringendste Feld die Fachzeitschrift ist, die ihm regelmässiges Ein kommen sichert. In Fachzeitschriften hat aber Leipzig bekanntlich nicht den Vorrang, sondern Berlin. Das beste Fortkommen findet in Leipzig noch der 1’ 1 a t z s c h r i f t s t e 11 e r, d. h. einer der sich dein daselbst eigenthümlichen Geschäftsbetriebe an zubequemen und dabei möglichst vielseitig zu arbeiten versteht. Es darf ihm z. B. nicht darauf ankommen, sich auch auf ein paar Tage in der-Papierstube einzuquartiren, und unter dem Rasseln der Maschinen, zwischen dem Hantiren und Poltern der Arbeiter, sein Manu skript zu schreiben oder die Korrektur zu lesen. Einen für jeden Schriftsteller bekanntlich sehr wichtigen Punkt bildet die Honorarfrage. In dieser Hinsicht hat er in Leipzig zweierlei zu beobachten: 1) sich nach der Decke strecken: 2) in der Regel nie mehr als höchstens hundert Mark über die abgelieferte Arbeit hinaus ziehen. „Sich nach der Decke strecken“ heisst: keine höhere Honorarforderung stellen, als das Buch bei gewöhnlichen Absatzverhältnissen zu tragen vermag. Ein Lieblingssatz in Leipzig ist (noch aus der Thalerwährungszeit her) „zehn Thaler pro Bogen“. Ein Schriftsteller, welcher „mit grossen Rosinen“ nach Leipzig kommt und gleich 75, 80 oder hundert Mark pro Bogen ein- zuheimsen denkt, wird wenig Glück haben, er müsste denn Dahn oder Ebers oder Lindau heissen. Ausnahmen mögen auch hierin Vor kommen, äber sie sind gewiss höchst selten. Ist dagegen ein Schriftsteller bei einem der guten leipziger Verleger als sicherer, ver lässlicher und verständiger Arbeiter eingeführt, so steht er sich bezüglich der Zahlungsweise gewiss bei allen sehr günstig. Es wird im Durchschnitt ein sparsames Honorar gezahlt, aber es wird eine sogenannte Vorschusszahlung bis zu hundert Mk. — je nachdem auch noch höher — selten verweigert. Der Verleger weiss recht gut, und rechnet immer damit, dass ein Schriftsteller keine Maschine ist, dass auch ein paar Tage kommen, in welchen das Schaffen nicht fördert; dass die Pause aber rasch eingeholt ist, wenn die Erholung ohne Sorgen stattfinden konnte. Der Verleger weiss ferner auch, dass für viele Werke die Vor arbeiten 4, 6 Wochen und noch länger währen; dann ist er so kulant und sichert dem Autor für diese Zeit eine, zwar wieder bescheiden be messene, aber doch sichere Wocheneinnahme (die sich in der Regel zwischen 30 und 50 K bewegt), ohne während der hierfür in Aussicht