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618 PPIER-ZTUNG. N,17 Alex. Flinech, Inhaber der Firma F. Flinsch, Berlin. S. Borchardt (i. F. Maass & Röhmann), ge- richtl. Sachverständigei' für Papier. Alax Krause, Berlin, gerichtl. Sachverstän diger für Papier. Carl Hofmann, Herausgeber d. Bl. Die letzteren fünf Herren hatten am 15. April abends eine Besprechung abgehalten und sich über die zu stellenden Anträge im Wesentlichen geeinigt. Die schon in der Ein gabe vom 13. Februar erklärte Unmöglichkeit der Durchführung des Erlasses des Staats- ministeriums wurde in der Sitzung zunächst von den Fachmännern näher beleuchtet, und besonders von den Herren Drewsen, Borchardt und Flinsch an der Hand von Beispielen aus ihrer Praxis nachgewiesen. Die Behörden fordern auf Grund des Erlasses für jede vorgelegte Papierprobe ein Prüfungsattest, und da die Sub mittenten von jeder gewünschten Sorte mehrere Muster zur Auswahl vorlegen, so werden bei möglichst beschränkter Zahl doch 20 und mehr Atteste nöthig. Der Ministerial-Erlass giebt nicht an, worauf die Papiere geprüft werden sollen, und manche Behörden könnten daher annehmen, dass sämmtliche 11 von der Prüfungs- Anstalt tarifirtenUntersuchungen, zumGesammt- preis von mindestens 128 « für eine Papier sorte, ausgeführt werden müssen. Wenn aber auch nur die wichtigsten und bil ligsten 7 Untersuchungen Nr. 1. 2. 3. 6. 7. 9. 10. der Scala (s. Nr. 6 d. Bl., Seite 191) verlangt werden, so entsteht eine Ausgabe von 28 I(, die für 20 Proben 560 K ausmachen würde, d. h. eine Summe, welche in vielen Fällen den Werth des zu liefernden Papiers übersteigen könnte. Wenn die Behörden zugeben, dass anstatt des Original-Attestes beglaubigte Ab schriften desselben zur Verwendung kommen, so verursachen auch diese noch einen Kosten aufwand von M 2 pro Stück, also für den an genommenen Fall 40 M. Auch diese Summe steht häufig äusser allem Verhältniss zu der Lieferung, besonders in der Provinz, wo der Bedarf der Behörden in vielen Sorten oft höchst unbedeutend ist. Es wurden von den Interessenten Fälle vorgetragen, in denen Be hörden bei ganz unbedeutendem Bedarf, im Einklang mit dem Erlass, trotz aller Gegen vorstellungen des Lieferanteh, Atteste verlangten, und Letzterer sich genöthigt sah, auf die Liefe rung zu verzichten. Der augenblickliche kleine Ausfall im Absatz war vom Lieferanten leicht zu verschmerzen, die Behörde hatte aber das erforderliche Papier nicht und konnte es ohne besondere Opfer auch schwerlich erhalten. Die Behörden in der Provinz würden bei Auf rechterhaltung des Erlasses genöthigt. sich an die grossen Geschäfte in den Hauptstädten zu wenden, weil diese die Atteste oder Abschriften derselben liefern. Damit würde den kleineren Händlern und Buchbindern am Orte eine Grund lage ihrer Existenz entzogen, was doch gewiss nicht im Sinne und der Absicht der Regierung Hegt. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die grossen Kosten viele Händler abhalten würden, sich bei Submissionen zu betheiligen, dass also die Konkurrenz eine Verminderung, bezw. die Preise eine Erhöhung erfahren müssten. Von den Vertretern des Papierfachs wurde desshalb der Wunsch ausgesprochen, dass der Erlass wennmöglich zurückgenommen, minde stens aber dahin abgeändert werde, dass man nicht mit den Submissionsproben, sondern mit dem gelieferten Papier, d. h. nur vom Liefe ranten: Atteste, bezw. Abschriften des Original- attestes verlangen solle. Die Vertreter der Regierung erkannten an, dass hier eine Aenderung nöthig sein werde, bekundeten in wohlwollendster Weise das Be streben, alle berechtigten Wünsche zu berück sichtigen. und erbaten Vorschläge zu diesem Zweck. Die Regierung habe sich durch das Zerfallen wichtiger Akten, durch erfolgte Verwen dung von zu ihrem Zweck ganz ungeeigneten Pa pieren, genöthigt gesehen, zu veranlassen, dass durch wissenschaftliche Prüfung für Beschaffung geeigneter Papiere gesorgt werde. Die Behörden müssten sich dagegen sichern, dass wichtige Schriftstücke der Gefahr raschen Verder bens ausgesetzt werden, wollten aber darin allerdings auch nicht weiter gehen als nöthig sei, und die Bedürfnisse und Verhältnisse von Industrie und Handel nach Möglichkeit be rücksichtigen. Nach längerer Berathung kam man allgemein zu der Ansicht, dass es genügen würde, wenn die Papierfabrikanten jede der wenigen von ihnen erzeugten Stoffproben in längeren Zwischen räumen prüfen lassen und jeder nach dieser Stoffmischung hergestellten Papiersorte, gleich viel welcher Dicke, welcher Farbe, welchen Formates und Gewichtes, einen Abdruck dos betr. Prüfungsergebnisses beifügen. Hierbei wurde von den Interessenten angenommen, dass diese Abdrücke nicht mit dem Stempel von M 1.50 wie die Attestabschriften versehen werden müssen, da dieselben sonst wieder zu grosse Kosten verursachen. Die Vertreter der Re gierung konnten dies jedoch nicht bestimmt zusagen. Wenn sich dieser Vorschlag ausführen lässt, so kann auch bei der kleinsten Submission ein Zeugniss - Abdruck mit eingereicht werden. Sollte es nicht möglich sein, so könnte das Einreichen von Attesten auf Lieferungen be schränkt werden, die mehr als 300 « betragen. Die Königliche Kommission wird über diese Vorschläge berathen und das Ergebniss dem Herrn Minister zur Entscheidung unterbreiten, die, wie wir hören, sehr bald zu erwarten ist. Um künftighin keinen Zweifel darüber zu lassen, welche von den in der Skala der An stalt aufgeführten 11 Prüfungen ausgeführt werden müssen, wurden nach eingehender Be sprechung die folgenden einstimmig für wich tigere Papiersorten als nothwendig erkannt und empfohlen. Für geringe Papiere würden noch weniger Punkte (etwa 1, 2, 3) genügen. 1) Prüfung der Zerreissungsfestigkeit und der Dehnung nach zwei Richtungen in je 5 Proben 2) Prüfung auf Widerstandsfähigkeit gegen Zer knittern und Reiben 3) Bestimmung des Aschengehalts nach Ge wicht 3 « 7) Qualitative Untersuchung auf Holzschliff 1 JC 9) Mikroskopische Untersuchung der im Papier enthaltenen Fasern und anderer Stoffe 5 Aus 10) Prüfung der Leimung und auf freie Säure . . . . 2 M 23 Alle diese Prüfungen, d. h. also das erfor derliche Attest, dürften wohl für den abgerun deten Preis von 20 M geliefert werden. Position 6 der Skala. Messung der Dicke des Papiers und Bestimmung des Gewichts für das Quadratmeter, wurde für überflüssig gehalten, weil man der Meinung war, dass in Zukunft nur die verschiedenen Stoffe bezw. Stoffmischun gen der Papierfabriken zu prüfen sein werden und dass die dafür ausgestellten Atteste für alle daraus hergestellten Papiere jeder Dicke, jeden Gewichts und Formates gelten. Da die in der Skala unter Nr. 8 aufgeführte quantitative Untersuchung auf Holzschliff (30 4), nach dem heutigen Stande der Wissenschaft unausführbar ist, so soll diese Position ganz in Wegfall kommen. Auf Grund der Eingabe vom 13. Februar wurde schliesslich über die Schaffung von Nor malien für den Papierbedarf der Behörden be rathen. Es wurde allgemein anerkannt, dass die beabsichtigte Regelung der Papierlieferun gen erst dann erfolgreich durchgeführt werden kann, wenn die Behörden genau angeben, woraus die verschiedenen zu liefernden Papier sorten bestehen und welche Eigenschaften sie haben sollen. Die amtliche Prüfung würde dann nur nachzuweisen haben, dass die vorge schriebenen Bedingungen erfüllt sind. Die Ver treter der Regierung sprachen den Wunsch aus, dass die Interessenten derartige Normalien Vor schlägen bezw. darüber in Berathung treten möchten. Herr Drewsen hatte über diesen Punkt schon mit einigen hervorragenden Pa pierfabrikanten Rücksprache genommen und gab einen Entwurf für Aufstellung von Papier-Nor malien zu den Akten, betonte jedoch, dass er damit nur als Privatperson, nicht als Vertreter des Vereins handle. Da der' Herausgeber dieses Blattes, wie die amtlichen Akten ergeben, die Schaffung solcher Normalien vor langer Zeit schon beantragt hatte, so werden wir in einer nächsten Nummer betr. Vorschläge machen. In der Sitzung wurde schon hervorgehoben, dass eine derartige Regelung nicht verfehlen könnte, die Papier-Industrie wesentlich zu för dern, besonders wenn die besseren Sorten in folge derselben mit einem Wasserzeichen ver sehen würden, an welchem die Normalnummer und der Fabrikant jederzeit zu erkennen wären. Die Sitzung wurde erst gegen 2 Uhr aufge hoben und dürfte bei allen Anwesenden den Eindruck hinterlassen haben, dass durch solches Entgegenkommen der Regierung, sowie Mit wirkung der Betheiligten und Sachverstän digen: Irrthümer und Fehler in derartigen Fra gen vermieden werden können. Es wurde desshalb zum Schluss auch der Wunsch aus gesprochen . dass eine permanente Einrich tung getroffen werde, welche dem Staat einer seits bei allen Papier-betreffenden Fragen die sofortige Mitwirkung von Sachverständigen und Interessenten sichern und andererseits durch Betheiligung der Letzteren die Papier-Prüfungs- Anstalt des inquisitorischen Charakters ent kleiden würde, den ihr viele Fabrikanten und Interessenten irrthümlich zuschreiben. Die Unterzeichner der Petition vom 13. Fe bruar werden aus vorstehendem Bericht den Erfolg ihres Schrittes ersehen und auf besondere Mittheilung seitens der Einberufer der Ver sammlung verzichten können. Papier-Submissionen in Amerika. Wir haben vor kurzem aus Washington eine mehr als 100 Seiten starke amtliche Druck schrift mit handschriftlicher Zueignung des Ver fassers erhalten, worin dieser, Herr Hazen, erster Beamter im Postamt der Vereinigten Staaten, eine vollständige Uebersicht der Vorgänge bei den Lieferungen von Briefumschlägen u. dergl. während der letzten'Jahre giebt. Bei der Sub mission auf Briefumschläge für das Postamt Ende März 1884 wurde der Firma P. P. Kellogg & Co. in Springfield. Mass., der Zuschlag für die Summe von 81517 Dollars ertheilt, während die bisherigen Lieferanten 25000 Dollars mehr, und Andere noch grössere Summen verlangt hatten. Die unterbotenen Konkurrenten denun- zirten nach einiger Zeit die Firma Kellogg & Co. beim Postamt, indem sie nachzuweisen ver suchten, dass genanntes Haus weit geringeres Papier als vorgeschrieben zu den Umschlägen verwende Die Angelegenheit wurde auch in den Zeitungen besprochen, bedeutend über trieben und im Kongress zur Sprache gebracht. Zur Richtigstellung wurde die uns gütigst zu- gesandte Druckschrift herausgegeben, aus der wir folgende, auch für unsere Leser interessanten Thatsachen ziehen. . Zu Anfang des vorigen Jahres wurde von Morrison & Herron in Amerika ein an dieser Stelle schon beschriebener Papierfestigkeits- messer konstruirt und nach Eingang der er wähnten Denunziation im Postamt zur Prüfung des Briefumschlagpapiers angewandt. Es zeigte sich auch sofort, dass das gelieferte Papier, obwohl es dem Submissionsmuster äusserlich völlig gleich war, doch schon bei 381/2 Pfd. Druck durchbrach , während letzteres einen