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836 PAPIER-ZEITUNG. N’ 39 Hadern-, Holz- und Stroh-Kocher. Breslau, den 15. September 18S0. Herr Redacteur! In Ihrem geschätzten Fachjournal, der Papier zeitung, befindet sich in der Nummer 36 vom 26. August d. J. ein kurzer Artikel, überschrieben Hadern-, Holz- und Stroh-Kocher. Am Schluss desselben heisst es: »Nach diesem Gesetz sind somit in Frankreich alle Drehkessel, Lauger, kurz alle Behälter, in j denen Lumpen, Stroh, Holz, Gras etc. unter Druck j gekocht werden, ganz ähnlichen Vorschriften wie die Dampferzeuger unterworfen. Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass sich die Explosionen von Hadernkochern u. dgl. in Folge dieses Gesetzes wesentlich vermindern werden.“ In dieser Allgemeinheit hingestellt, sieht es aus, als wenn der Verfasser dieses Artikels einen sol chen Erfolg ebenfalls für uns in Deutschland hofft und erwartet, mit einem Wort, dass er also die i Aenderung der betreffenden Gesetzgebung in dieser Richtung wünscht. Da diese Frage in den Versammlungen des Verbandes der Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine wiederholt und gründlich erörtert worden ist, so erlaubt sich Unterzeichneter an diesem Orte auf die entgegengesetzte Meinung hinzuweisen, die sich bei diesen Versammlungen nach ausführlichen Diskussionen geltend machte. Es wurde nament lich auf der Versammlung zu Kaiserslautern 1877 ausgesprochen und allgemein gebilligt, dass: Eine freiwillige Unterstellung anderer Dampf apparate als der Dampfkessel unter die Kontrole der Vereine nur gewünscht und gebilligt werden könne. Man nehme sich aber in Acht, allgemeine gesetzliche Grundlagen zu erweitern und mehr gesetzliche Ueberwachungs - Kontrole einzuführen. Es ist überhaupt zweifelhaft, ob es lichtig ist, auch nur die Konstruktion und den Betrieb von Dampfkesseln durch so bestimmt begrenzte Gesetzes paragraphen einzuengen, als dies bei uns in Deutschland der Fall ist. Wie sehr dergleichen Bestimmungen den technischen Fortschritten im Wege sind, wird jeder Praktiker oft empfunden haben, und es liesse sich auf mannigfache Weise begründen, ob es nicht besser wäre, auch für die Dampfkessel die gesetzlichen Schranken noch mehr zu beseitigen etc. Keinesfalls aber kann die Ver sammlung selbst dazu beitragen, dass dergleichen hemmende, das Wesen der Sache schädigende, gesetzliche Bestimmungen auch auf andere Dampf apparate ausgedehnt werden. Als 1878 von den Ministerien in Preussen und Baden der Verband der Dampfkessel - Ueber- wachungs-Vereine um ein Gutachten über gesetz liche Ueberwachung von Dampfapparaten ersucht wurde, wurde ebenfalls von sämmtlichen Verbands- Vereinen die Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, Dampfapparate und ähnliche gefährliche Vor richtungen freiwillig auf Wunsch der Inhaber zu untersuchen, dagegen jede Mitwirkung zur Er weiterung der bestehenden Gesetzgebung nach dieser Richtuug abgelehnt, weil dies faktisch schwer oder gar nicht durchführbar sei und nur zu einer Schädigung der schon schwer geprüften Industrie führen würde, ohne einen äquivalenten Erfolg durch höhere Sicherheit herbeizuführen. Indem ich Sie Herr Redakteur um Abdruck dieser Zeilen in Ihrem geschätzten Fachblatte bitte, zeichne ich hochachtungsvoll II. Miessen, Ober-Ingenieur des Schles. Vereins zur Ueber wachung von Dampfkesseln. Anm. d. Red. Wir danken bestens für vor stehende Mittheilung, wollen uns aber vorerst eines Urtheils darüber enthalten, ob es rath sam sei, Hadernkocher etc. auch in Deutsch land denselben gesetzlichen Vorschriften zu unterwerfen, welche für Dampferzeuger gelten. Es wird sich ohnehin empfehlen, die praktische Wirkung des Gesetzes in Frankreich abzu warten und die dortige Erfahrung zu benützen, ehe wir in der Sache mit gesetzlichen Be stimmungen vorgehen. Die Papier industrie nebst Zubehör auf der Düsseldorfer Gewerbe- und Kunst-Ausstellung. Fon unserem Spezial-Berichterstatter. Fortsetzung aus No. 35. In seinen Calanderconstructionen hat Jagen- borg ein Langes und Breites über Nebensäch liches des Calanderbaus geschrieben: über Gestelle, Papierleitung, Entlastungsdaumen, Bremsen und sonstige Kleinigkeiten und ist an dem Geist und den Grundgesetzen nur so eben vorbeigestrichen, er hat sich sogar das Grundprinzip von anderen Leuten auftrumpfen lassen. Das Haupterforderniss des Calanders war von einem Papierfabrikanten klar ausge drückt in einem Briefe, welchen Jagenberg selbst unter Ueberschrift: -Hartwalzen für Calander“ in No. 20 der Papier-Zeitung veröffentlichte. Der Satz lautete folgendermaassen: »Schaden könnte es den deutschen Hartwal- „zenfabrikanten nicht, wenn ihnen einmal ge- „sagt würde, dass eben das Genaugeschliffensein „einer Hartwalze das Allernothwendigste ist.“ Genauer mathematisch -cylindrischer Schliff ist nach der Meinung des geschätzten Coliegen Papierfabrikanten das Hauptbedingniss für einen guten, leistungsfähigen Calander. Das sagt sich so einfach und klingt so natürlich, als ob es sich von selbst verstände. Auch Ihr Bericht erstatter glaubte mit seinem einfachen Ver stände, dass die cylindrische Walzenform so fest begründet sei, wie ein Naturgesetz, bis ihm Leute mit komplizirterem Verstände be gegneten und ihm sagten, das sei gar nicht wahr. Das zweite Erforderniss eines guten Calan ders hat Jagenberg in No. 13 angegeben: „Die „Querschnitte der Hartgusswalzen sind aus „ihrer Beanspruchung auf Biegung zu bestim- „men, d. h. mit andern Worten, die Walzen „sind so dick zu machen, dass trotz der höch- „sten Belastung kein Federn statt habe.“ Kurz und gut ausgedrückt, auch scheinbar so selbst verständlich, dass es noch nicht einmal für den einfachen Menschenverstand der wenigen Worte bedurft hätte! Wenn es nur keine Leute mit jenem komplizirten Verstand gäbe, die mit Hülfe eines ganzen naturphilosophischen Appa rates bewiesen, dass es keineswegs schadet, sondern gradezu erforderlich sei, so zu kon- struiren, dass sich die Walzen unter dem Druck biegen müssen und welche so gelehrt dabei werden, dass man den Mund aufsperrt und der simple Verstand hinausfliegt. Endlich das dritte Haupterforderniss ist, Gott sei Dank, von aller Welt anerkannt und der beste Beweis dafür ist der, dass sich Einige schon ein Patent darauf haben geben lassen. Ueber die Nothwendigkeit der Parallelität der Walzen sind die Meinungen einig. Genau cyliudrisch, starr, parallel müssen die Walzen eines Calanders sein, wenn er gut ar beiten soll. Wenn der Maschinenbauer mit noch so scharfsinnigen Tüfteleien construirt und jene Cardinalpunkte äusser Acht lässt, oder glaubt, an ihre Stelle neue elementare Prinzi pien setzen zn müssen, so wird er stets ein Kind erzeugen, welches im Gange lahmt. Sie selbst, verehrliche Redaktion, schütteln den Kopf zu dieser Auseinandersetzung und denken, ich dresche leeres Stroh mit meinen Worten, denn im Grunde genommen denke Jeder so. Weit gefehlt! Denn Ihr Berichterstatter kommt vor nicht langer Zeit zu einem alten erprobten Maschinenfabrikanten hin, hält ihm einen ähnlichen Sermon wie Ihnen und Ihren Lesern, und thut sich schon etwas darauf zu Gute, dass er eine mitfühlende Brust gefunden. Weit gefehlt! „Junger Mann, das verstehn Sie nicht. Die obersten und untersten der Calan- derwalzen müssen nothwendig conisch zuge dreht werden. Denn: Material muss gespart werden; ein constanter Druck ist erforderlich; unter diesem Druck müssen sich die Walzen biegen, und daher muss die Conicität so genau | berechnet oder probirt werden, dass resp. bis | sich die Walzen in ihrer Arbeitslinie gerade biegen!“ Schlagen Sie nicht ob solcher Logik die Hände über’n Kopf zusammen? So viele Sätze so viel Unsinn, und so viele falsche Vor aussetzungen, so viele falsche Schlüsse! Als ob wir Papiermacher mit constantem Druck arbeiten könnten! Aber wir leisten uns bald einen gewaltigen, bald einen gelinden Druck, alldieweil sich unsere Papiere nicht allemal gleichen, und die eine Sorte ganz anders als die andere behandelt werden muss. Wenn ich nun eine Papiersorte zu glätten habe, welche den bestimmten Druck nicht nöthig hat, oder nicht haben darf, unter dem sich die Hartwalzen gerade biegen müssen? Sollen wir da mit conischen Walzen satiniren? Das dürfen uns die Herren Maschinenfabrikanten nicht zumu- then, denn da würden wir Ausschuss arbeiten. Das einmal. Aber auch noch andere, tiefer liegende Nachtheile haben die conisch geform ten Walzen im Gefolge, welchen nachzugehen hier zu weit führen würde. — Ich will nur noch anführen, dass hervorgehoben wurde, wie die Amerikaner uns im Calanderbau überlegen sind. Das hat seinen Grund darin, dass die Leute über dem grossen Wasser weniger schulmeistern wie wir und alle Dinge von ihrer einfach natürlichen und praktischen Seite betrachten. Der Amerikaner macht seine Walzen nicht conisch, sondern genau cylindrisch und damit basta; er construirt die Walzen so stark, dass sie sich nach menschlichem Dafürhalten auch unter dem höchst anwendbaren Druck nicht biegen können und erreicht damit, dass sie auch unter einem Minderdruck cylindrisch blei ben. Die Papiere werden stets und unter allen ! Verhältnissen gleichförmig gefasst, gehen falten frei durch und werden schön egal geglättet. Solche und ähnlich lautende Gedanken über kamen mich, als ich vor dem neuen Calander mit Centralwalze des Herrn W. R. Schürmann, Düsseldorf, stand. Ich frug mich: was soll diese Neuheit bezwecken, welche Vortheile soll diese Form vor der altbewährten, mit lothrechter Walzenschichtung haben? Ich erinnerte mich gleich, dass Jagenberg auf Grund der in No 41 der Papier-Zeitung 1879 erschienen Abbildung ein absprechendes Urtheil über den Calander gab und zwar aus doppeltem Grunde: Erstlich weil der Centralcalander nur einseitig glätte und zweitens die Kerne der Papierwalzen in Folge des auf ihre Zapfen ausgeübten Drucks sich biegen müssen. Den ersten Fehler hat Herr Schürmann sich zu Herzen genommen und ihn an seinem neuen Modell sehr geschickt verbessert, indem er der zu unterst gelegten Papierwalze einen Schweif von Papier- und Hartwalzen ansetzte und mit diesen einen Wechsel erzielte. Ich bitte die verehrlichen Leser um Ent schuldigung, wenn ich mich in Ermangelung einer genauen Zeichnung einer Handskizze zur ' Klarlegung behelfen muss. P sind Papierwalzen, II sind Hartwalzen. Die gepfeilten Linien zeigen den Lauf des Papiers um 1I { , Pi, P, H2 und der Wechsel tritt offenbar zwischen P und P ein. Dieses i Problem des Wechsels ist so schön gelöst, wie