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Donnerstag, 18. Juni 1908. Beilage zu Nr. 68. Aus Sachsen. Wilsdruff, den 17. Juni. Eine unliebsame Ueberraschung ist der Dresdner Geschäftswelt bereuet worden. Der Besitzer des allbe kannten renommierten Hotels „Stadt Petersburg" am Neumarkt, in dem seit Jahren die Dresdner Studenten' weit ihre Paukereien abgehalten, der Hotelier Espenrein, hat, nachdem das genannte Hotel vor kurzem zur Subhastatlon gekommen ist, Dresden nach Hinterlassung vieler Schulden verlassen. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Zahlreiche Gläubiger, Fleischer, Bäcker, Kolonialwareuhändler rc. haben das Nachsehen. Die Verbindlichkeiten des .Abgereisten* werden auf 50000 Mark geschätzt. Zwei junge Menschenleben hat das Baden in der Elbe wieder als Opfer gefordert. Zusammen mit noch anderen Kindern waren am Donnerstag bei Lösnig zwei Schulknaben aus Strehla beim Rübenverziehen und entschlossen sich, während der Mittagspause rin Bad in der Elbe zu nehmen. Der eine von beiden, Gatter mann mit Namen, ging zuerst ins Wasser; er beachtete aber die Stromverhältnisse nicht genügend und kam da durch in Gefahr. Sein Kamerad namens Oehmig be- merkte dies und wollte Hilse dringen, seine Kräfte reichten jedoch zu diesem edlen Vorhaben nicht aas und beide er tranken. Der Leichnam des Gattermann, der gerade an seinem 9. Geburtstage ertrank, konnte bereits geborgen werden. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, scheint endlich Licht in das Dunkel, das über den Fall Heine in Leipzig ge- breitet liegt, zu kommen. Die Staatsanwaltschaft in Ver bindung mit der Kriminalpolizei hat, wie das dortige Tageblatt meldet, eine neue Spur entdeckt, die anscheinend in Verbindung mit der Frau Lohmann zu bringen ist. Gestern gegen Mittag sand eine Konferenz statt, an der Staatsanwalt Dr. Kunze, Polizeidirektor Bretschneider und Kriminalkommissar Dr. Finke tetlnahmen. Ueber das Ergebnis der Besprechung wird tiefstes Schweigen beobachtet; doch scheint es sich um wichtige Ermittelungen zu handeln. Ueber einen bedauerlichen Unfall im Elsaß, durch welchen ei« Chemnitzer sein Leben einbüßtc, erhält die „Chemnitzer Allg. Ztg." aus Mutzig Pom Major Friedrich, Ingenieur-Offizier vom Platz, einen Bericht, demzufolge bei Ausführung eiues Bohrbrunneus auf der Feste „Kaiser Wilhelm II." bei Mutzig im Elsaß durch die Chemnitzer Firma Wächtler L Sohn sich der Bohrer in einer Tiefe von 56 Metern in den Felsspalten so fest eingeklemmt hatte, daß ein Zurückziehen unmöglich und deshalb eine Sprengung zur Schaffung eines Ausraumes, sowie Zer trümmern des Bohrers notwendig wurde. Nachdem die Luft in dem Bohrloch geprüft und für gut befunden worden war, ließ sich der Bohrmeister Richard Günther auS Chemnitz zur Feststellung der Wirkung der Sprengung am 1- d. M. an einem Drahtseil hinab. Leider erlag der bedauernswerte Mann im Schacht einem Herzschlage. Erft nach mehrtägigen anstrengenden Bemühungen ist es ge lungen, die Leiche am 5. d. M. abends zu bergen. Er stickung durch giftige Gale ist gänzlich ausgeschlossen. Wahrscheinlich ist der Herzschlag durch die schnelle große —.".o Abkühlung in dem 56 Meter tiefen Bohrloch erfolgt. Die Leiche ist unter Begleitung des Offizierkorps, der Wall- meister und Zivilangestellten der Fortifikation nach dem Bahnhof gebracht und nach Chemnitz üvergeführt worden. Günther war 42 Jahre all und hinterläßt eine Witwe mit 4 noch versorgungsbedürftigen Kindern. Der Geschirrführer Gläßer in Waldkirchen, der sich an einem rostigen Nagel gerissen hatte, ist an Blut vergiftung gestorben. Im Wirtschaftsgebäude der Bahnmeisterei Eich bei Aueibach haben sich Rotschwänzchen häuslich niedergelassen, ,m Innern einer kleinen Fensteröffnung ein Nest gebaut und fünf Eier hineingelegt. Nach einiger Zeit lagen die fast ausgebrüteten Eier außerhalb des Nestes und waren sämtlich angeheckt, während ein sechstes Ei, das den übrigen Eiern an Größe und Farbe ähnlich war, im Neste lag. Als nun Herr Bahnmeister L nach einiger Zeit nach dem Neste sah, bemerkte er zu seinem Erstaunen einen schon halbflüggen Kuckuck darin. Die Rotschwänzchen schleppen unablässig große Raupen herbei, um ihr hungriges Pflege- lind zu befriedigen, während sich die Kuckuckseltern auf- sichtsführend in der Nähe aufhalten. Es dürfte gewiß selten Vorkommen, daß der sonst so scheue Kuckuck seine Eier an einem so verkehrsreichen Punkte in unmittelbarer Nähe eines Bahnhofes, der allerdings mitten im Walde liegt, unterbringt. Eine zweite Grete Beier! Am 29. März l. I. abends besuchte der Geschäftsleiter Franz Klein in Stein- schöna« i. B. mit seiner 26 Jahre alten Gattin Marie Klein das Theater. Als sie auf dem Heimwege nahe an ihrer Wohnung angekommen waren, hängte fich Frau Klein plötzlich mit ihrem linken Arme in den rechten Arm ihres Mannes ein, und gleich darauf, da letzterer eben mit dem Gesichte eine Wendung machte, krachte ein Schuß. Klein war an der rechten Kopfseite knapp hinter dem Ohre getroffen worden und stürzte zu Boden. Seine Frau rief um Hilfe. Alsbald eilten mehrere Leute her bei, die den Schwerverletzten zu einem Arzte brachten. Klein hat noch heute an den Folgen der Verwundung zu leiden. Der Fall erschien anfangs sehr rätselhaft und es wurden von Frau Klein 500 Kronen Belohnung für die Ermittelung des TäterS ausgesetzt. Alsbald ab<r km rde Frau Klein selbst unter dem Verdachte der Täterschaft verhaftet. Frau Klein, eine sehr hübsche Frau, war früher in einem Geschäfte tätig und wurde von ihrem Maune, der über ein nicht unbedeutendes Vermögen verfügt, aus Liebe geheiratet. Daß die junge Ehe eunn so schrecklichen Ausklang fand, ist auf eine perverse Veranlagung der Frau zurückzusühren, welche, um mit ihrem Mance nicht ehelich verkehren zu müssen, diesen aus der Wstt schaffen wollte. In der vor dem Böhmisch-Leipaer Schwurgerichte zum großen Teil unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu Ende geführten Verhandlung wurde bewiesen, daß Frau Klein vier Wochen vor dem Attentate auf ihre» Ma n den Arbeiter August Werner aufgefocdclt hatte, ihren Mann gegen eine Belohnung von 200 Kronen zu er morden, welches Ansinnen Werner jedoch ablehnte. Ferner wurde festgistellt, daß Frau Klein sich gleich nach der Hochzeit im Geheimen ein Fläschchen mit Arsenik und ein scharfgeschliffenes Rasiermesser angeschafft hatte. Am Hoch ¬ zeitstage selbst hatte sich die Klein von ihrem Manne eine Summe von 16000 Kronen verschreiben lasten Anfangs suchte die Angeklagte den Verdacht, den Mordanschlag verübt zu haben, auf den Kontoristen Joseph Keidel aus Steinschönau zu lenken, der im kritischen Augenblicke in ihrer Nähe gewesen sei, später gestand sie zu, daß sie selbst den Schuß abgefeuert habe; sie sei durch den Fall Hau auf diesen Gedanken gekommen. Später jedoch wider rief sie daS Geständnis wieder. Frau Klein wurde zu neun Jahren schweren Kerkers verurteilt. Mittel zur Letebung des Spürsinns bei der ländlichen Bevölkerung und zur Förderung -es Sparbetriebes bei den tändtichen Spar- und Dartehnskaffen. Aus einem Vortrag des Herrn Kantor Kranz-Grumbach im landwirtschaftlichen Verein zu Wilsdruff. (Schluß.) Weiter werden in den Preisschriften noch empfohlen: Pfenniasparkassen, Sparmarken und Sparkarten. Alle diese Einrichtungen erfordern aber viel Mühe, un bezahlte Abholung usw. und haben bisher allgemein weniger Anklang gefunden. Man hat auch das Er sparnis buch eingeführt. In demselben sichert sich der Sparer nach Ablauf einer bestimmten Zahl van Jahren eine sich gewählte Summe. Es ist dies eine bindende, aber billige Art Selbftoersicherung zu irgend einem be stimmten Zwecke, wie Aussteuer, Mililärdienstversicherung, Ankauf. Hier gibts keine Unkosten für Policen. Jedoch darf der Zahler sich nur kleinere Ziele stecken, daß er eS auch bequem auSsühren kann. Eine Lebensversicherung nebenbei einzugehen, wird auch jedem angelegentlichst emp fohlen. Gleich hoher Zinsfuß mit möglichst sofort be ginnender Verzinsung, analog anderen Spülkasten, hebt auch die vermehrte Benutzung der genossenschaftlichen Kassen. Ich fasse mich hier absichtlich kurz, weil noch eine neuere Einrichtung zur Sprache gebracht werden soll, die wohl das beste banktechnische Milte! sein wird und die geeignet ist, in den breiten Volksschichten Sinn für Spar- famkrit zu fördern. Es hat keine Einrichtung allgemein so viel Anklang gefunden als die Heim- oder Haus- sparkassc. Vor etwa 17 Jahren von C. O Burns- N wyork in Amerika mit großem Erfolge eingeführt, fand sie bald Anklang in Norwegen, Schweben, Dänemark und Deutschland. Worin besteht diese amerikanische Heim- oder Haus sparkasse? Jeder erhält von ver Kassenverwallung eine feste Sparkasse kostenfrei, sie bleibt Eigentum der Kaste, kostet fünf Mark als Garantiebetrag, welcher ins Kassen buch als Guthaben gebucht und auch verzinst wird. Die ersten fünf Mark aber bleiben gesperrt. Der Kasten- Verwalter nur hat den Schlüssel zur Sparbüchse. Empfängt die Kaste die Sparbüchse zurück, dann werden die fünf Mark zurückgegeben. In gewissen Zeiten liefert der Sparer die Kaste ab, der Kassierer öffnet, im Beisein deS Der GoLdfelsen. Von Ernst Glanville. — Deutsch von Georg GutsLke. 86z (Nachdruck verboten.^ Miß Anstrade trat ihnen mit einem Lächeln auf den Livpen und fragendem Blick entgegen. „Meine armen Freunde", sagte sie leise. „Sie haben viel gelitten. Ich sehe es Ihnen an, Sie sind blaß und schweigsam.* (Der Goldfelsen 66. Nr. 7.) „Und Sie?" fiagten beide. „Ich war davon überzeugt, daß Sie mich finden würden, wenn ich nicht entkommen konnte." 166 „Wir wollten gerade fort", sagte Webster, nachdem Frank den Wagen gefunden hatte und von Klaas erfuhr, daß Sie in einem Karren fortgeschleppt worden waren." »Ja, sie fädelten es sehr schlau ein. Sie erzählten mir, baß in einem in der Nähe liegenden Farmhause eine junge Frau krank darniederläge, ob ich nicht bingeben wolle, und erklärten mir, daß sie, meine Einwilligung voraussebend, den Wagen an eine Stelle geführt hätten, der Ihnen und mir angenehm sein würde. Ich sah durchaus keinen Grund vor liegen, Weshalb ich nicht einen Gefallen erweisen sollte und wurde, nachdem ich einen Zettel geschrieben hatte, den sie zu besorgen versprachen, etwki acht oder neun Meilen weit nach einer Hütte gefahren. In einer Lichtung siel es mir zum erstenmal auf, daß einer der beiden Männer ein Portugiese war und bei der mokierenden Weise, in der sie höflich zu erscheinen versuchten, tauchte bei mir erst der Verdacht auf. Natürlich befand sich keine Frau in dem Hause: ich wurde in ein flimmer gewiesen und man verschloß die Tür. Dort ließen sie mich den ganzen Morgen und baten mich erst am Nackunittua herauszukommen. Durch ein kleines Fenster sah ich den HEnder fortgeheu, ein Pferd besteigen und mtt einer Anzahl Hunde fortreitrn. Nun begann der Portugiese zu droben und die Tur zu bombardieren —" „Der kleine gelbe Hallunke!" knurrte Webster. „Wie müssen Sie sich gefürchtet haben!" „O nein, im Gegenteil: ich blieb kalt, und als die Tür dem Drucke nachgeben wollte, öffnete ich dieselbe und bat ihn, einzutreten. Er, plötzlich sehr höflich werdend, trat ein mit dem Hut in der Hand, ich — ja — ich war ängstlich und schlug ihn mit einem dicken Stock nieder." „Bravo!" sagte Webster lachend, während Hume einen Blick in ihr Gesicht warf und bemerkte, wie scharf die Muskeln an ihren Mundwinkeln bervortraten. „Ich würde entkommen sein, als ich aber die Tür er reichte, sah ich verschiedene Schwarze an einem Feuer sitzen. Ich kehrte in das Zimmer zurück, band den Mann mit einigen Stricken, die ich im Zimmer fand, fest und wartete. In der Nacht kehrte der Holländer zurück und klopfte an die Tür. Ich sagte, es wäre alles in Ordnung, worüber — worüber er lachte. Nach einiger Zeit schlief er, aber die Schwarzen saßen noch immer am Feuer, und blieben dort sitzen, bis der Morgen graute. Dann erst schlich ick mich heraus, sattelte eines der Pferde und schritt leise davon: plötzlich bellten Vie Hunde — die Eingeborenen schrien, mich packte ein tödlicher Schreck — ich floh, und mein Schutzpatron schickte mich zu Ihnen. Das ist alles. io. Tann erzählten sie ihr, wie sie die Zeit verbracht hätten, und als auch ihre Neugier befriedigt worden war, wurde die Reise weiter fortgesetzt. Da die Ochsen genügend geruht hatten, machten sie diesmal eine lange „sllokt" und reisten bis Sonnenuntergang. Unter einem wilden Feigenbaum, dcffeu überhäugendes Gezweige hinreichenv Schatten gewährte, wurde schließlich Halt gemacht. Klaas lief davon und Holle Kräuter, die er auf Miß Auftrages Hände legte, dann wurde ein Feuer angezündct und die Violine hcrvorgcholt. Träumerisch lauschten die Anwesenden den süßen Klangen, die in der milden Lust verklangen. Zwanzigstes Kapitel. Eine rätselhafte Stimme. Während der nächsten vierzehn Tage batten sie mit den Schwierigkeiten zu kämpfen, die sich ihnen ans der Straße entgcgcnstellten nnd Hume war gezwungen, zu allen ^möglichen Hilfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen, um dieses schiff der Wüste über die mit Steinen besäten Bäche, über fast ungang bare Höben und gefährliche Abhänge hinunter fortzubewegen. Seine entblößten Arme wurden 'fast schwarz unter der sengen- den Sonne, und als. sie den Limpopo erreichten, ähnelte er mit seinem gebräunten Gesicht, das an Farbe fast dem baum wollenen Stoff aleichkam, den er trug, einem der wandernden Burcnfarmer, die sie hin und wieder auf ihrer Reise getroffen hatten. 3 i88 „Gott sei Dank", sagte Hume, als er seine Peitsche an der anderen Seite des großen Flnsses auf die Erde warf, „jetzt sind wir wenigstens aus dem Transvaal heraus." „Mir schien es schon", sagte Miß Anstrade, „als wenn wir immer w weiter gehen sollten, bis der Wagen in Stücke zerfiele, ^ch bin niemals in meinem Leben so abgespannt geweum. v . ich", brnmmte Webster, einen Blick ans seinen, von der mc.ie -er. menen Unzug werfend, .ich fühle, daß ich mich zn einem ganz anderen Menschen umgesialte." ,,-oir gleichen ganz nnd gar einer Gesellschaft gewöhnlicher Zmeuner, meinte Miß Anstrade. mit einem Blick Sume inencnd, dessen Stiefel zerrissen waren und denen Aeußeres von der vielgefückicu Erscheinung Klaas kaum abnach, „lassen Sic uns neue Kleider auzichen. Vielleicht können die Herren gegenseitig den Barbier machen?" , „ . „Bevor wir unser Aeußeres umgcstoltcu, e^ Hume, .müssen wir den Wagen ausbeneru, die Achten schönerem umpacken und vor allen Dingen flicken. (Fortsetzung folgt.- ,