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We«t ft UM Beilage zu Nr. 56 Dienstag, 19. Mai 1908 ^ürft Eulenburg als Mensch Plötzlich saust er mit einem Schwung und Liebenberg, der Freund seines Kaisers, Ler Mächtigsten Degen über dem Knie entzwei. 88 (Der Goldfelsen 30. Nr. 7.) Magen lassen! Nu umringt. „Himmeldonnerwetter!" brüllte er, und die Wut lieb seine Stirnadern schwellen, „eS ist kaum zu glauben, daß man sich von diesen, - diesem Ding - und diesen paar Leuten hat Juarez' Augen sprühten wie die eines wilden Tieres, und ein heiser unartikulierter Schrei drängte sich über seine dicken Lipven, aber er verhielt sich ruhig. Währenddessen warf Webster, ohne sich weiter um die finsterblickende Gesellschaft zu kümmern, schnell Has große Segel über die Seite und zog dasselbe über den beschädigten Hintersteven. Mittlerweile batte Dickson, der unten arbeitete, die Maschine zum Stillstand gebracht, die Schaufelwelle untersucht und sich von der Größe der" durch die Rotation der Welle hervorgerufenen Beschädigungen überzeugt. Gänzlich erschöpft kam er an Deck und begegnete hier bösen Blicken. „Was hat das zu bedeuten?" fragte er. „Das bedeutet", rief Webster, einen bitteren Blick der Ver achtung umherwerfend, „daß diese schurkischen Hunde keinen Finger rühren wollen, um uns zu helfen und ich will verd. . . . sein, wenn meine Leute zu ihrer Rettung beitragen. Laßt das Schiff sinken, es ist übrigens bald vorbei mit ihm." Und ihr werdet mit uns untergeben!" brüllte Juarez, «nieder mit ihnen! Schneidet ihnen die Kehlen durch!" Die Leute stürzten herbei, und die kleine Partei war im .Das ist eben Kriegsge-chick". sagte Webster umher- blickcnd, „doch während wir f owatzen, können wir untergeben, weil es an ein wenig Umsicht fehlt. Besitzen Sie ein Reserve segel, Sennor?" Der Brasilianer kreuzte die Arme übereinander und spie auf das Deck! »Ihr sauertöpfische Brut!" schrie Webster, «hierher, Leute! Heraus mit dem Besansegel!" Die britischen Matrosen schwärmten sofort hinauf zur Besaurahe und banden das Segel los; mit dumpfem Fall kam dasselbe heruntergesch.-ssen und warf dabei ein paar gelb häutige Matrosen nieder, was die oben befindlichen zum Lachen reizte. Daraufhin zogen die feindlichen Matrosen das Messer und lauerten nur auf einen Befehl des Kapitäns. Das war ein kritischer Augenblick! Lume zog seinen Revolver und richtete dielen ohne weiteres auf Juarez. Brav gemacht, Freund I" rief Webster, «schießen Sie ibn nieder, wenn er einen Fuß bewegen sollte. Verstehen Sie, Sennor?' Aus Sachse». Wilsdruff, den 18. Mai. Wie die Dresdner Kriminalpolizei bekannt gibt, wurde unlängst in einer Waldung bei Heidemühl, Bezirk Daube, nahe der sächsischen Grenze, ein grausiger Fund gemacht. Man fand dort ein in den Kleidern befindliches Gerippe eines ManncS, der, wie sich bei näherer Unter suchung herausstellte, von rückwärts erschossen worden war- Die Leiche muß mindestens schon drei Jahre an Ort und Stelle gelegen haben. Bekleidet war sie mit grünem, weichem Filzhut, blauer Weste und blauem Rocke, grün karierter Hose und Winterstiefeln. Es wird vermutet, daß der Unbekannte aus Sachsen stammt. Nahe dem Linckeschen Bade in Dresden gerieten zwei Knaben in Streit und stürzten dabet kopfüber iu die Elbe. Ein dritter Knabe, der den beiden zur Rettung die Hand reichte, wurde ebenfalls mit in oas Wasser ge zogen. Vergeblich versuchten die drei, die des Schwimmens unkundig waren, das Ufer zu erreichen und trieben bereits nach der freien Elbe zu. Rechtzeitig kam ein Grenadier hinzu, der rasch ins Wasser sprang und die Knaben, die sich aneinander klammerten, ihm letzten Augenblick rettete. Ein Ochsengespann des Gutsbesitzers Zeiler aus Großnaundorf bei Königsbrück scheute und ging durch, wobei der Besitzer zu Falle kam, eine Strecke weit ge schleift wurde, und hierbei so schwere Verletzungen erlitt, daß er starb. Der Goldfelfen. Von Ernst Glanville. — Deutsch von Georg Gutschke. 801 (Nachdruck verboten.) Webster trat schnell an das Bollwerk heran und rief Kapitän Vardoe zu, sich bereit zu halten. Dieser ließ sofort Volldampf lieben, legte eine Kabel länge entfernt bei und ließ von den Leuten die Kanonen richten. „Nun, wird es bald!" sagste Webster. Mit einem schrecklichen Fluch brach der Brasilianer seinen Rrtsregistrator Lehmann aus Bischofswerda, der in einem Dresdner Hotel mit seiner Familie freiwillig aus dem Leben schied, sollte nach einer Zeitungsmeldung, die nachträglich durch die Blätter ging, durch Unregcl- Mäßigkeiten zu diesem Schritte veranlaßt worden sein. Der Stadttat von Bischofswerda test! jetzt folgendes mit: „Es bestätigt sich leider, daß sich L-Hmann Unregelmäßig keiten in seiner Amtsführung zuschulden kommen ließ, die vielleicht in einem Zusammenhang mit seinem Nerven leiden standen. Jedenfalls sind aber diese Verfehlungen ziemlich geringfügiger Natur, insbesondere sind keine luterschlagungen oder ähnliche schwere Vergehen konstatiert worden. Ein Anlaß zu dem verzweifelten Schritt Leh manns lag keinesfalls vor. Der Rat sieht auch von einer weiteren Verfolgung der Sache ab." Der Mörder Haas, der die von Kamenz stammende Frau Krätze, die mit ihm auswanoern wollte, Weihnachten v. I. in Bremen ermordet und zerstückelt hatte und sodann 3 89 Da eilte plötzlich ein junger Offizier mit gezücktem Degen auf den Kapitän zu und schleuderte ibn zur Seite. „Oisvolo!" zischte dieser durch die fest aufeinandergepreßten Zähne, „was soll dies, in des Teufels Namen, bedeiitcu? L-ie forderten diese Herren auf, Ihnen zu helfen, als Vie sich in Gefahr befanden, und nun wollen Sie an ihnen zum Mörder werden?" rief er zornig, „solange ich hier bin, geichieht das nicht!" Webster und Hume stellten sich blitzenden AngeS zn beiden Seiten ihres unerwarteten Beschüvers auf und die britischen Seeleute standen mit gezogenen, Messer bereit. Kapitän Vardoe, welcher merkte, daß Gefahr im Vcrzrfe war, kam mit der „Swift" näher heran. „Hört!" schrie c - „wenn ihr meinen Leuten etwas auhängt, wird keilt ri izim-r von euch mit dem Leben davoukommeu!" manch Mächtiger der Erde gefühlt hat, dessen Idealismus eine fast höfische Flachheit zeigt, den Zug ins Gemeinste, dem ein träumender Phantast, ein Dichter, weit größer und mächtiger als Fürst Eulenburg, in England gleich- alls zum Opfer fiel? Das sind seltsam verschlungene Pfade, die in diesem chauerlichen Untergang münden. Mitleid bleibt dem ein- ndsiebzigjährigen kranken Mann, der am Ende des Lebens teht, wo andere noch die letzten Strahlen der untergehen- en Sonne nach einem Leben schwerer Arbeit genießen möchten. Jetzt wird er vor den Kindern, die erwachsen nd, vor seiner Frau, die hochadelig ist wie er, durch Kot rnd Schmutz gezogen. Er muß an sich moralisch herum- iasten lassen, muß vor Fremden das Persönlichste in seiner Vergangenheit, was jeder als Innerstes, Eigentümlichstes empfindet, enthüllen. Sein abgeschlossenes Dasein wird einer! Daher kommt die Furcht vor der Anziehungskraft solcher Individualitäten, die rach Macht greifen und die - Schicksale eines großen Reiches bestimmen wollen, ohne sittlichen Inhalt, ohne den Willen, die Verantwortung dieser Macht zu tragen; die Furcht vor den Möglichkeiten des Unglücks für ein großes Volk, das fähig ist, sich zu regieren, und das Recht hat, zu wissen, wer es regiert. Nicht Zorn verdient dieses Schicksal, sondern nur Grauen, den Schauer, der uns packt, wenn wir vom Aussatz hören. Was kümmern uns die Verbrechen des Fürsten Eulenburg? Ein schwer Getroffener, ein bodenlos Un glücklicher zwingt uns zum Nachdenken darüber, daß nie mand seiner selbst ganz sicher sein könne. Dcr junge Offizier wiederholte diese Drohung den Lcntcn: diese flüsterten miteinander und ließen die drohend erhobene» Arme sinken. Juarez dagegen warf dem Offizier einen gehässigen Blick zu, stellte seinen Fuß auf ein am Boden liegendes Messer und zog dasselbe näher zu sich heran. Webster dankte dem edlen Feind für seinen Beistand und versicherte ihm. daß die Korvette nw bis nach Madeira über Wasser halten würde. Dann wandte er sich zur Seite, sprach mit Kapitän Vardoe, und Frank begab sich nach Lem Achter- >chiff, um nachzusebcn. welches Unheil die Geschosse des .Zer störers" hier angerichtet batten. Da ertöme plötzlich ein gellender Schrei. Sie drehten sich herum nud sahen den junge,i Offizier fallen; der rach, süchtige Kapitän hatte chm da? Messer in die Brust gestoßen Im nächsten Augenblick wurde Juarez durch einen Lieb mit dem Messer zn Boden gestreckt. Z Bei diesem Akt trauriger Meuterei war die kleine Vartei im Begnff, NÄ auf die BranNaner zu stürzen, stutzte aber; die und die Leute der Korvette warfen erschreckte al? ein jnnger Bursche, fast noch cm Kind, sich laut aufschrciend über den Körver des LsLlÄL "E»»» >- - - ..Genug!" rief Webster ranh. „Tenet schwarzherzigen Hund!" schrieen bi« vrautlauuchen Seeleute, auf diele Weile ihrem Haß gegen . den brutalen Kvmmaudanl-n Luft schaffend; zweifellos batte vicse^ Gefühl fchon lange in ihren Herzen gegärt. ..Ich sehe, wir muffen diesen Menschen auf unser Schiff bringen, um ihn vor seinen eigenen liebenswürdigen Freunde» zu schützen", sagte Webster mit grimmigem Lächeln. (Fortsetzung folgU grausam zerrissen, in Seelenregungen, die jedem das Heim lichste find, wird geschnitten wie mit einem Seziermesser, das Sehnen und Muskeln prüft. Aber diese Tragödie weckt dennoch kein befreiendes Mitgefühl, sondern nur Abscheu. Auch Furcht vor den bösen glitschigen Stellen einer Seele, vor dem düsteren Rätsel dieser Individualität, die plötzliche Strömungen und reißende Wirbel enthält, wie manche ruhige Wafferfläche, die tiefe, gefährliche Ab gründe verbirgt. Eulenburg soll ein Meineidiger sein! Ein Wahnsinniger, der beschuldigt wird, sich an schmutzigen Knechten vergangen zu haben! Eulenburg, der Herr von Einem Aufsatze der Wiener «Neuen Fr. Pr." ent nehmen wir folgende Ausführungen: Fürst Eulenbur leidet an einer schweren Krankheit. Zoll für Zoll stirb seine Nervenkraft. Zoll für Zoll wird die Substanz langsam zersetzt, die dem Muskel den Schwung und die Möglichkeit der Bewegung gibt. Die Krankheit, die seit Jahr und Tag an ihm zehrt, die ihn langsam, aber tückisch vernichtet, hat ihn vor der äußersten Schmach ge rettet. Denn nur durch sie ist verhindert worden, daß an dem Ort, wohin das Gerücht laut den Mittelpunkt unheilvollster politischer Einflüsse verlegt hat, wo ein Mann heimlich die Werkzeuge in Händen hielt, Kanzler zu machen und zu stürzen, daß dort der Herr des Schlosses von Liebenberg in Haft genommen und in das Gefanaenhaus geführt wurde. Der Sturz ist entsetzlich. Fürst Eulenburg ist ctne Persönlichkeit, die heimlich wirk sam war, die nur durch ihre besondere Eigenart, durch die Fähigkeit, sich in Herz und Seele zu schleichen und Stimmungen hervorzurufen, die das Selbstgefühl wäcmen, große Macht errang. Er wurde von den Großen ge fürchtet und von vier Reichskanzlern gehaßt. Er war Merkmal und Kennzeichen einer langen Regierungsperiode. Für ihn war das matteste Zwielicht so Lebensbedingung wie einem andern Tageslicht und Sonnenschein. In samtgepolsterten, tief verhängten Räumen, verwöhnt, weichlich und süßlich im ganzen Wesen, hat er seine Fäden geknüpft. Plötzlich wird er gepackt und aus dieser Dämmerung ans grellste Licht des Tages gesetzt und mit der Herabwürdigung des schändlichsten Verdachts besudel!. Das ist eine Tragödie, so grauenhaft, so stechend in ihrer Furchtbarkeit, wie wenn man Warwick, dem Königs macher, dem stolzesten Vertrauten des Fürsten, die Rüstung Stück für Stück auszöge und ihn erbärmlich, liegend, mit Ruten peitschen ließe. Dieser Ltspler und Flüsterer steht im vollen Lärm eines schändlichen uner hörten Skandals, der mächtige Botschafter am Rande des Kriminals! Das Schicksal hat sich sehr stimmungslos gezeigt. Nach Liebenberg, wo der deutsche Kaiser zur Jagd hinfuhr, Minister eingesetzt und gestürzt wurden, fahren Kriminalkommiffare, um den Schloßherrn festzu nehmen oder doch zu verhören. Statt mit dem Kaiser, wie früher, die Nordlandsreise anzutreten, hatte Fürst Eulenburg eine andere Fahrt antreten müssen, eine traurige, gräßliche Fahrt in ein preußisches Gefängnis. Das ist vielleicht noch ärger als eine Hinrichtung. Fürst Eulenburg war Botschafter in Wien, bevor er sich in den Ruhestand zurückzog. Er hat in seiner Jugend als Soldat an den Kriegen teilgenommen, die das deutsche Reich begründet Haden. Er ist Vater von sechs Kindern. Hier beginnt die schrullenhafte Seltsamkeit dieses Schicksals. Wir haben heute eine Dramatik der Fratze. Ideale, hochmögende Gefühle werden erregt, Worte, die hohe Schule reiten, Pläne, die den sittlichen Ker» des Lebens bis inS Chemische läutern sollen Da werden Luftschifführer der Idealität dargeftellt, deren groteske und raffinierte Fahrzeuge uns verwirren. Der Apparat scheint so heimlich fein und so rasch und elegant zu steuern, einer Promptheit sondergleichen in einen dumpfen, ekel haften Tümpel, in einen Pfuhl, wo er unter tiefstem Schmutze begraben endet. Aehnlich berührt das Schicksal des Fürsten Philipp Eulenburg. Die Ge dichte und Briefe, die von ihm bekannt sind, zeigen ein zartes Gemüt, das, nicht ohne einige Begabung für Form, mit flacher Erinnerung an Klopstock und Hölderlin dem Gefühle der Freundschaft und der seelischen Gemein schaft zweier Menschen überschwenglichen Ausdruck leiht. Der Skalde, der am Bugspriet eines nordischen Schiffes den Meeresgott besang, wird sich jetzt vom Verdachte reinigen müssen, einem Knecht gegenüber jahrelang ver-^ brecherisch gehandelt zu haben Der Enthusiast hochgemuter Freundschaft ist des schändlichsten Meineids beschuldigt und soll Verbrechen begangen haben, deren Name allein jeder Idealität ins Gesicht speit. Unser Fassungsvermögen vermag in einem Menschen Gegensätze zu Vereinen. Kraft und Schwäche, Böses und Gutes können seltsam gemischt wechselnd und in launenhaftem Eigensinn von der Natur geteilt erscheinen. Aber der Kontrast, der sich hier bietet, ist zu abstoßend, zu rätselhaft, zu schmerzlich. Wie der Finger vor etwas glühend Heißem, fährt die Seele bebend zurück, wenn sie vor solche Fratzen, vor so unerschließbar ftstige Nebelgründe, vor das Grunderbärmliche eines so chrecklichen Niederganges gestellt wird. Oskar Wilde hat gesagt, er habe in manchem Menschen das Raubtier ge lebt. Hat Fürst Philipp zu Eulenburg und Hertefeld, der Soldat, der Botschafter, der Berater des Kaisers, der Dichter, ähnliches Gift in sich wie der Aesthet, der in Schande verging, weil er dem Reize nicht widerstehen konnte, die Engländer verblüffen zu wollen? Hat der Mann, der mitten im Staatsleben stand, dessen Hand