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KW. Wilsdruff, den 14. April 1908. er. nn. ord -si lier bil, ad. als Die Tagesordnung hängt im Rathause aus. Wilsdruff, den 15. April 1908. Der Bürgermeister Kahlenberger- 2845 Königliches Amtsgericht. Bei dem unterzeichneten Amtsgerichte ist heute der Gutsbesitzer Herr Curt Oswald Lippert in Schmiedewalde an Stelle des verzogenen Herrn Fürchtegott Hermann Arnhold als Ortsrichter für Schmiedewalde verpflichtet worden. Freibank Wilsdruff, Schweinefleisch Preis 50 Pfg. pro Pfund. Fett Preis 60 Pfg. pro Pfund. Die Festtags-Nummer erscheint am Sonnabend Bormittag S Uhr DE" Inseraten-Annahme bis Freitag abends 6 Ahr. "WG Donnerstag, den 16. April 1908, nachmittags 6 Uhr öffentl. Äadtgemeinderatssitzung OsLrtisehe Anndsetzars. Deutsches Reich. Wilsdruff, den 15. April. Eine Erhöhung der Marmfchaftslöhnung? Za der Frage der Erhöhung der Mannschastslöhnung in der Armee erfahren die „Berl. Neucst. N", daß die Heeresverwaltung der im Reichstag ergangenen Anregung durchaus wohlwollend gegenübersteht. Es dürften daher wohl im nächsten Etat die hierzu erforderlichen Mittel znr Verfügung gestellt werden. Da es sich voraussichtlich um eine Erhöhung der Löhnung von 10 Pfennig pro Tag handelt, beläuft sich der Gesamtbetrag auf etwa sieben Millionen Mark Außerdem werden auch die Mittel beantragt werden, welche zur Beschaffung des Pützmaterials für die Mannschaften erforderlich sind, da diese Materialien in Zukunft nicht mehr auf Kosten der Mannschaften, sondern aus Kosten der Heeresverwaltung besorgt werden. Sollte es sich wirklich bewahrheiten, daß der Plan durchgesührt wird, so wird man das gewiß überall mit Genugtuung begrüßen. Wie die Sozialdemokraten die Arbeiterintereffen vertreten, har unlängst eine StiMverorünetenwahl m Quedlinburg gezeigt Dort wurden bei der Hüuplwahl an Stimmen abgegeben für den Hirsch-Dunckerschen Gs- werkorreinler Möhring 333, für den Mittelstänbler Sattler 225, für den Sozialdemokraten Schweinefuß 181, für Grimmiug 90 und für Weinert 1 Stimme. Der G:- werkvereinler kam also mit dem Mittelständler in die Stichwahl. Was geschah aber nun? Die sozialdemo kratischen Stimmen.gingen fast ausnahmslos auf den Mittelstandsmanri über. Dieser erhielt. 454 Stimmen, während auf den Gewerkvereinler nur 386 Stimmen fielen. Der fanatische Haß der Sozialdemokraten gegen die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine war so groß, daß das Wahlresultat von den Genossen mit lauten Bravo- rufen ausgenommen wurde. „Wem unter solchen Um ständen", so schreibt der „Gewrrkverein", „die Augen nicht geöffnet werden über den wahren Charakter der „Ge nossen', der ist mit Blindheit geschlagen. Diejenigen unserer Kollegen aber, die noch immer glauben, mit den «Genossen" hier und da an einem Strange ziehen zu können, die werden hoffentlich durch diesen charakteristischen Vorgang in Quedlinburg eines bessere« belehrt werden." Ausland. Der Statthalter von Galizien ermordet. . Am Sonntag nachmittag gab in Lemberg ein Mann E Statthalter Grafen Potocki, während er Audienzen "Es, drei Revolverschüsse ab, durch die der Graf tödlich ^"etzt wurde. Graf Potocki ist um 3 Uhr 15 Minuten sikstorben. Der Täter, der verhaftet worden ist, ist ein ruthemscher Student namens Miroslaw Siczynskt. Er ist Hörer der Philosophie im dritten Jahrgang an der Lemberger Universität. Er hatte sich wegen Erlangung einer Stellung zur Audienz gemeldet. Kurz nachdem er das Audrenzzimmer betreten hatte, hörte man drei Reväver- schüfst. Die herbeieilenden AmtSdiener fanden den Statt- Halter tödlich verletzt vor. Er war am Kopfe, am Arm und am Lein verwundet. Für kurze Zett erlangte der Statthalter das Bewußtsein wieder und wurde mit den heiligen Sterbesakramenten versehen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung erklärte SIczynski, daß er keine Mitschuldigen habe. Er hätte die Tat nicht aus persönlicher Feindschaft, sondern aus rein politischen Motiven in der Absicht begangen, den Statthalter au« dem Wege zu schaffen. Siczinsky. der schon vor mehreren Jahren wegen Teilnahme an Ausschreitungen ruthenischer Studenten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, galt in »ational-ruthenischcn Kreisen als sehr eifriger Agitator. Er hat angegeben, er habe sich infolge der letzten galizischen Wahlen, insbesondere infolge der blutigen Vonälle im Bezirkt von Razck zu der Tat ent schlossen, weil d'e schuldigen Organe nicht bestraft worden seien. Der Bruder des Studenten Siczinsky erschoß sich 10 Minuten vor dem Attentat im Hotel. Er scheint von dem Anschläge gewußt zu haben. Auch die Mutter des Studenten ist verhaftet worden. Graf Potocki soll ein Vermögen von 50 Millionen hinterlassen. Londoner Zahlen. Vor hundert Jahren hatte London noch keine Million Einwohner, heute zählt Groß-London, d. h. die Stadt und alle Vorstädte, die mit ihr ein zusammenhängendes Ganzes bilden, über sieben Millionen Einwohner, mehr als die Gesamtdcvöik.rung Schottlands und Irlands und ungefähr ein Sechstel der Bevölkerung Großbritanniens. Auf den Durchschnitt berechnet, wird in der Grafschaft London alle vier Minuten ein Mensch geboren, während alle sieben Minuten ein Leven erlischt. London ist Vie reichste Stadt der Welt und die City der Kopf des ge- wattigen Polypen, der mit seinen Sangarmen die ganze Weit umspannt, in Vieser Stadt des Reichstums stirbt ein Mensch unter dreien im Armenhaus, im Hospital oder im Irrenhaus; zieht man nur die Erwachsene in Betracht, so stirbt vielleicht einer von zweien in den öffent lichen Zufluchtsstätten, noch ungünstiger ist das Verhältnis bei der Arbeiterklasse. 30 Prozent der Einwohner haben ein Einkommen von unter 20 Mark in der Woche. Die Zahl der Londoner, die jährlich die öffentlich- Wohltätig keit in Anspruch nehmen, beträgt 430000; man könnte sine Stadt wie Leipzig ausschließlich mit Londoner Alwosenempfängeru besiedeln. In einer Nacht wurden nach der „Köln Zig." über 2400 Obdachlose gezählt, die in Winkeln schliefen oder auf der Straße umherstretflen. Mehr als 16000 Kindel sterben jährlich, ehe sie ein Jahr alt sind; in der Arbeiterbevölkerang stirbt vielleicht die Hälfte der Kinder, ehe sie ein Alter von fünf Jahren erreicht haben, zum großen Teil infolge der verbreche rischen Milchverfälschung, die in London im Schwange ist und die das öffentliche Gewissen als Schande zu emp finden anfängt. Rund 16000 Polizisten wachen über London, etwa 3000 Londoner werden jährlich wegen Ver brechen abgeurteilt, 300 Personen werden durchschnittlich auf der Straße überfahren und getötet — die Zahl er scheint niedrig, wenn man den riesenhaften Verkehr an manchen Stellen, die Menge von Betrunkenen und von aufsichtslos umherstreifeuden Kindern berücksichtigt. Ein Heer von 250000 Männern und Frauen, ungefähr die Gesamteinwohnerschaft einer Stadt wie Frankfurt a. M-, ist tätig, um die Londoner, ihre Güter, ihre Briefs und Telegramme zu befördern; im Durchschnitt schicken die Londoner täglich mehr als 2 Millionen Briefe, 500000 Postkarten und 80000 Telegramme ab. Gurko begnadigt. Nach der Russ. Korr, ist der ehemalige Gehilfe des Ministers des Innern, Gurko, trotz der energischen Ein- Wendungen des Justtzministers vom Zaren begnadigt worden. Gurko war bekanntlich wegen schwerer Amts verbrechen gelegentlich der Lieferungsskandale Lidval vom Senate verurteilt worden. Seine guten Beziehungen zum Verbände des russischen Volkes und namentlich sein Auf treten auf der letzten Adelskonferenz haben nun dazu geführt, daß dieser Mann sich der kaiserlichen Gnade er freuen durfte, obwohl an seiner Schuld kein Zweifel besteht. Russische Osfiziersvurschen. Durch kaiserlichen Befehl wird in Rußland vom 1. Januar 1909 ab die Zahl der Offiziersburschen von 53000 ans 20000 herabgesetzt Anspruch aus Burschen haben künftig nur Generäle, Stabs- und Oberoffiziere, die im Frontdienste stehen. Alle anderen Persone», die bisher ein Recht auf militärische Bedienung hatten, er hallen in Zukunft 10 Rubel monatlich für Privatbe dienung. Flucht aus Sibirien. Ler schweizerische Sprachlehrer Gehri aus Morges (Mörser) im Kanton Waad hält gegenwärtig in der Schweiz Vorträge über seine Erlebnisse in Rußland und Sibirien Er war als Lehrer nach Shitomir gekommen und dort mit Kreisen, die deu Behörden verdächtig erschienen, in Berührung geraten Eines schönen Morgens saß er hinter den grauen Mauern des Gefängnisses von Shitomir; nach acht Monaten erst wurde ihm der Prozeß gemacht, oer mit seiner V rurtiilung zur Deportation nach Sibirien endigte. Am 3. August 1907 trat Gehn die lange Fahrt an, die ihn nach einem weltvergessenen, aus fünf Hütten be stehenden Dörfchen im Flußgebiete der Tschuna führen sollte. Im Eisenbahnzuge ging es zunächst nach Kiew; im dortigen Gefängnishof sah Gehri die Leute mit der Errichtung eines Galgens beschäftigt und erfuhr, das neun s-iner Gefährten am folgenden Morgen gehängt werden sollten. Ihn selber führte der Zug weiter nach Kursk; die Fahrt war schrecklich, da die Gefangenen weder auf stehen noch sich ntedsrlegen durften, sondern zweimal 24 Stunden lang sitzend ausharren mußten In Tula wurde Gehri mit anderen Häftlingen, nachdem man allen, auch den Frauen die Ketten angeschmiedet hatte, in einem Ge fängnis untergebracht, das in Rußland als Musterbau gilt; die Verbannten fanden es aber von nncr beispiel losen Menge von Wanzen bewohnt. Die Behandlung war dis dahin nicht schlimm gewesen, jetzt erhielt aber Gehris Kolonne als Letter einen höchst brutalen Menschen, der bei Widersetzlichkeit den Schuldigen binden, zur Erde werfen und von den Soldaten mit Füßen treten ließ. Unter diesen Eindrücken bestieg Gehri den Deportierten zug, der die Verbannten in neuntägiger Fahrt nach KraS- nojarsk bringen sollte. Hier wurde ein Dampfer bestiegen In Jenisseisk nahm die Gefangenen ein Boot auf oas den Angorafluß aufwärts fuhr. Doch schon nach zwei Tagen hörte die Fahrt auf Den Gefangenen wurden die Ketten abgenommen, da sie einen 14täaiaen Marlck durch den Urwald anzutreten hatten. Es wi?d den D?. portierten gestattet, Gepäck im Gewichte von 10 Kiloaramm bei sich zu führen. Das bildet ihre gesamte Habe, mst ^»^^'»^^'"^ungsorte angekommrn, sich ihr Heim n!Ä« die Regierung liefert ihnen gar n Werkzeuge, noch Nahrung, noch Unterkunft. Darum muß sich der Ankommende zuerst eine Hütte bauen, wenn er nicht in der grimmigen Winterkälte umkommen will. Im Dorfbezirk darf übrigens der Ver- bannte frei umhergehen; bald bekommt er sogar emen Paß, der es ihm möglich macht, auf Jagd- und Fsichfang auszuziehen. Allein die Flucht ist, da die wenigen Ver- kehrswege scharf überwacht werden, immer ein äuße.st Szu- reis siter der fünf wer M rach 'diff See wrd urst sie ren. sind dem luse Be- zu >erg rde ung rer- ers est- >em )as «7. Jahrg No. 43. Donnerstag, den Itt April 1W8. «n- Amgegen- Amtsblatt für die Kgl. Amtshauptmannschaft Weihen» für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat ru Wilsdruff, sowie Kr das Kgl. Forffrentamt xu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, , Alttanneberg, Birkenhai«, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorff Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, OberhermSdors. Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalbe, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bet Mshsm Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck mW Verlag von Arthur Zschunke, Wilsdrnü. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, HÄ« i» WM»»«. Inserate werden MontagS, Mittwochs nnd Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 15 Psg. pro viergeipaltene KorpuSzeil«. Außerhalb deS Amtsgesichtsbezirks Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 »/» Ausschlag Erscheint wöchentlich dreimal und zwar DievStagS, ounerStagS and Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich I Mk. 30 Pfg., durch di« Post bezogen 1 Ml. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt WilSdrufs.