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wen >w s«ia. ^^^/r^^L^L^o^v^L^ZXvL^v^o^v^^v»»»^ Kü k-Kehrte Kma;sn«. Eixe heitere Schlttteng«schichte von Otto Bergmann. (Schluß-! alte Hennig schmunzelte ausö neue stillvergnügt vor sich hin, während er die Pelzmütze lüf- WNWk teud, zurücktrat. „Du kennst mein'n Durst noch lange nicht!" dachte er bei sich, „so'n anständiger Schluck von 'ner anständigen Marke is doch jrade das Schönste und Jesündeste an die Winterkälte. Wenn die Damen wüßten, daß ich sojar noch ein Pülleken weniger einjepackt hab', als ich mir von die Mamsell für die Schlit tenausstattung rausjeben ließ! Man soll allemal was uff die hohe Kante zu lesen suchen — wenn's auch bloß für den anje- bornen Durst is." Mit lustigem Peitschenknallen lenkte Hedda inzwischen das flotte Rappengespann vom Gutshofe in die dämmrige Schnee landschaft hinaus. Es war ein wunderschöner Wintermor gen, ganz erfüllt von dem eigenartigen Reiz und Zauber, den der uralte Eisriese um sich her verbreiten kann, wenn er ein mal nicht so boshaft ist, dem Sterblichen mitten in der eigentlichen „Flocken-Saison" den — Regenschirm aufzunötigen. Der Atem der beiden Pferde, stoßweise aus ihren Nüstern entweichend wie Dampf aus den Ventilen arbeitender Maschinen, ver mischte sich mit dem dichtlagernden Mor gennebel, welcher eine endlose Ewigkeit zu verhüllen schien und nur hier und da dis blassen Schemen vereinzelter Baumstämme undeutlich auftauchen ließ. Die Kufen des Schlittens knirschten auf der hartgefrore nen Schneedecke, als glitte er über eine feste Lage dichtgeschütteter Glassvlitter hin, sonst lag ringsumher tiefes Schweigen auf der Landschaft. Als aber später die letzten weißlich-grauen Nebelhüllen fielen, wurde das Naturbild noch hundertmal schöner. Klar aber wärmelos leuchtete die Winter sonne vom östlichen Horizont hernieder, dem frostig-verbindlichen Lächeln im glat ten Amtsgesicht eines Diplomaten vergleich- bar. Doch auch ohne Wärme weckte ihr Licht auf der Schneedecke des Erdbodens den funkelnden Widerschein unzähliger klei ner Eiskristalle. Fernhin brs zum der- schwimmenden Horizont glänzte und slim- inerte es, als wären Millionen Sternchen über Nacht vom Himmel gefallen, und drü ben zog sich stumm die endlos scheinende Lifiere des Waldes entlang, dessen Baum kronen unter ihren hohen weißen Schnee hauben so freundlich-anheimelnd, so fried lich-verschlafen aussahen. Ursprünglich hatte Hedda die Absicht ge leitet, ein bestimmtes, ihr am Tage vorher vom Baron als zum Training passendes freies Gelände aufzusuchen. Als sie und Fanny aber jetzt den nahen Wald in seinem ganzen prächtigen Winterstaat erblickten, mischte sich bei den beiden jungen Mädchen mehr und mehr die Helle Naturfreude in den rein sportlichen Gedanken und beide stimmten zuletzt in dem lebhaften Wunsche überein, statt des anstrengenden Trainings heute lieber erst einmal eine fröhliche Ver gnügungsfahrt durch Wald und Feld zu unternehmen. Dieser anfkeimende schüchterne Entschluß erfuhr durch das gleich ini Schlitten einge nommene Frühstück eine so erhebliche Stär kung seiner ersten Lebensregungen, daß selbst die sporteifrige Hedda nicht länger schwankte, und die flüssige „Heizung" des alten Hennig gab dann noch den letzten Nachdruck. Hedda ließ die Rappen wieder schlank ausgreifen und, nachdem der Schlitten noch eine ganze Weile über die schneebedeckten Felder hingesaust war, bog sie plötzlich in eine breite Waldschneise ein, welche sich, tief in ihr weißes Flockenkleid gehüllt, linker Hand dem Blick auftat. In zwischen hatte sich der bisher stahlblaue Himmel wieder seinen grauen Wolkenflaus- rock angezogen und es begann zuerst ge linde, bald jedoch ziemlich stark zu schneien. Das fanden die kuragierten Leiden Schlit tenjungfrauen natürlich erst recht lustig und stimmungsoll. „Schnee von oben und unten ist gerade das richtige Milieu, was, Fanny?" rief Hedda begeistert aus. Sie sah nach dem Kompaß und fand, daß sie ein ausgesproche nes Talent besaß, sich nach der Stellung der Magnetnadel über die heimwärts wei sende Himmelsrichtung zu orientieren. „Solch Kompaß ist doch die beste Er findung gleich hinter Gänseleberpastete mit Trüffeln!" bemerkte sie selbstzufrieden und lustig ging's weiter, die Schneise entlang, in einen Seitenweg hinein, wieder und im mer wieder durch abzweigende Waldpfade, bis der Schlitten sich schließlich mitten im einsamen Forst befand. Während die Freundinnen bisher lustig und angeregt miteinander geplaudert hat ten, bemächtigte sich Heddas hier im Walde eine vorübergehende Schweigsamkeit. Nicht, daß ihre Freude an der schönen winter lichen Umgebung und der prächtigen Schlit tenfahrt sich plötzlich verringert hätte; unter den schneebelasteten Baumkronen war jedoch in ihrem Gedankengang unversehens wie der die Gestalt Hubert Holsers emporge taucht. Er hatte ihr gegenüber nämlich gelegentlich einmal erwähnt, daß sein Va ter Oberförster und er selbst daher im Walde aufgewachsen sei, aus welchem Grunde ihm wohl auch bei seinem künstle rischen Schaffen eine besondere Begabung zum Landschafter innewohne. Mehr wußte sie eigentlich über Huberts Herkunft und Lebensgang nicht; aber hier in der dazu passenden Umgebung fiel ihr jene beiläufige Aeußerung mit einemmale wieder ein, und merkwürdig, wenn sie an Holsers dachte — der Himmel mochte wissen, wie das kam, denn sie selbst schien es nicht zu wissen! — dann befiel sie seit der letzten Unter redung mit ihm stets etwas wie leise Weh mut. Sie wehrte sich dagegen, wollte sich wenigstens wehren durch die Begründung, daß Hubert zu pedantisch und selbst an dem ausgebrochenen Zwist schuld sei. Doch diese Waffe war stumpf; mußte Hedda doch jetzt nach wenigen Tagen schon im Grunde al lein einsehen: ob Pedant oder nicht — Hu bert Holsers fehlte ihr jedenfalls! Mit einer gewaltsamen Anstrengung stellte Hedda ihre defekt gewordene gute Laune wieder her. Fanny, welche durch kleine Gclegenheitsäußerungen und neuer dings auch bedrückte Stoßseufzer Heddas über den kleinen Herzensroman ihrer besten Freundin einigermaßen unterrichtet war, zeigte sich so zartfühlend, jede persönliche Einmischung zu vermeiden. Hedda lenkte den Schlitten in ihrem trotzigen Bemühen, die Gedanken an Hu bert zum Schweigen zu bringen, kreuz und quer durch den Wald, ohne auf Weg ods- Steg zu achten. Endlich zog sie hochauf atmend die Zügel ein. Sie hatte ihre Frvh- lichkeit anscheinend wiedergefunden. „Jetzt sollst du mal sehen, Fanny, wie ein geborener Pfadfinder aussieht!" be merkte sie wichtig, „du schaust dich ordent lich ängstlich in der wildfremden Gegend hier um, mein Kind. Paß auf! Wir neh men mit bewährter Virtuosität die Ge schichte einfach unter unsre Magnetnadel und schnapp! wissen wir auch schon, ob wir nach rechts, links oder geradeaus fahren müssen. Also — o —oooh!" Das triumphierende „Also" verwau delte seine letzte Silbe auf Heddas Lippen so jäh in ein klagendes „Oh" völliger Rat- losigkeit, daß Fanny Düring zuerst nicht wußte, ob sie lachen oder einen Schreck be kommen sollte. Da sie indessen einen Prak tischen Ratgeber für richtige Gefühlsäuße« rungen nicht in der Tasche trug, um auf der Stelle solchen zweifelhaften Fall ent scheiden zu können, so unterließ sie beides und stellte nur die weniger geistvolle als begreifliche Frage: „Was ist denn los?" „Was los ist?" rief Hedda unmutig, „mein Pompadour ist los — nämlich vor der Kette, an der er hing, und niit ihm sind wir den Revolver und den Kompaß los, welchen letzter» wir eben jetzt so nötig brauchen. Alles futsch! Ich habe unsre halbe Polarausrüstung hier bei dem Hin- und Herpendeln in des Waldes tiefsten Gründen verloren. Nur der Kodak ist noch da." „Dann knipsen wir uns vor allen Din gen damit gegenseitig ab, um wenigstens eine Erinnerung an die schlauen Gesichter zu haben, die wir augenblicklich ohne Zwei fel infolge deiner trostreichen Entdeckung machen!" lachte Fanny belustigt. „Unsinn! Unsere Schlittenspur hat der Schneefall inzwischen leider auch schon wie der verwischt. Also wenn wir nicht wissen wohin, dann fahren wir eben schnurgerade aus!" rief Hedda resolut, indem sie die Zügel aufnahm und die Pferde wieder an trieb. „Aber bitte wenigstens hübsch drum rum, falls zufällig ein Baum in deiner schnurgeraden Richtung stehen sollte," machte sich Fanny als einzige Bedingung aus. In schlankem Trabe ließ Hedda die Rap- Pen ausgreifen, während Fanny erklärte, geduldig der Dinge warten zu wollen, die da kommen würden. Und sie kamen auch — freilich in un vorhergesehener, überraschender Art. Der Schlitten fuhr eben über eine kurze Waldblöße hin, da war es mit einemmale, als bremse eine unsichtbare Gewalt das Fahrzeug mit jäher Plötzlichkeit. Seine beiden Insassen kamen überhaupt gar nicht erst richtig zum Bewußtsein dessen, was ge schah. Ehe sie sich noch über diesen Plötz- lichen hemmenden Knoten in ihrer glatten Fortbewegungslinie klar werden oder sich auch nur darüber wundern konnten, kippte der Schlitten blitzschnell um, die Pferde kamen zu Fall und Hedda, auch hier treu lich begleitet von ihrer unzertrennlichen Freundin, flog im Bogen aus dem Gefährt und beide bohrten mit rührender Gründ lichkeit die Nase tief in den Schnee, nicht nur gute Freundinnen, sondern auch hier getreue Nachbarinnen bleibend. „Hallo!" rief im selben Augenblick in geringer Entfernung von Ort der Kata- strophe eine tiefe, klangvolle Mannesstimme