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Erscheint göchentlich dreimal und zwar DieuStagS, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich I Mi. 30 Pfg., durch die Post bezogen 1 Mi. 54 Psg Femsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. und Umgegend. Amtsblatt Inserate werdeu MontagS, Mittwochs und Freitags biS spätestens 12 Uhr augeuommeu. Jnsertionspreis 18 Psg. pro vtcrgelvaiteu« Korpuszcil«. Außerhalb des Amtsgenchtsbezirls Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/. Aufschlag für die Kgl. AmtshaupLmannfchaft MMen, für das Kgl. Amtsgericht und den SLadtrat zu MlsdruA sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanncberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalbe, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Höhndorf Haufdach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Mcktry-Roitzschm, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhrrmsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sahsdorf, Schmieorwaise, Zora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Wrtstropp, Wtldberz Druck uuv Verlag vou Arthur Zschunke, WIstwr-t. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, sür den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. j «7. Fahr« Sommbeud, deN 14. März ZW8. Ns. 3«. Line stürmische Sitzung hatte am Mittwoch, wie nicht anders zu erwarten war, die zweite Kammer. Auf der Tagesordnung stand, wie schon erwähnt, der Antrag d r Abg. Bär und Roch (freis.): „Die Kammer woll beschließen, die Ver handlungen der Wahlrechtsdeputation in Zukunft öffent lich stattstnden zu lassen." Präsident Dr. Mehnert er- ärt, das Direktorium habe beschlossen, nicht zu gestatten, ber das, was in der Deputation verhandelt worden ist, m Plenum zu sprechen. Abg. Bär: Wir baben ein Interesse daran, vor dem Volke zu erklären, welche Vorschläge in der Wahl rechtsfrage gemacht werden und wie das Wahlrecht zu stande kommen soll Deshalb haben wir den An rag auf Oeffentlichkeit der Verhandlungen gestellt. Ich glaube nicht, daß es einen einzigen Kulturstaat gibt, wo über das wichtigste Recht des Volkes hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Und wir als Vertreter eines Kul urstaatcs fordern in energischer Weise volle Oeffentlichkeit der Verhandlungen. (Die weiteren Worte des Redners, der sich in eine große Erregung hineingesprochen hat, ge en in einem tosenden Lärm unter, der auf den öffentlichen Tribünen entsteht, wo die Besucher laute Bravorufe laut werden lassen und sonstige Zeichen des Beifalls kundgeben. Abg. Günther ruft wiederholt laut: Ich bitte ums Wort zur Geschäftsordnung. Präsident Dr. Mehnert: Ich bitte die Saal diener, die öffentlichen Tribünen sofort zu räumen. Es ist verschiedensach laut Bravo gerufen worden. Ich werde die Sitzung so lange aufheben, bis die Tribünen geräumt sind. (Großer Lärm auf der linken Seite des Hauses, die Abgeordneten Günther und Goldstein rufen wieder olt: Grokarti ! Ver gewaltigung des sächsischen Volkes! Es ist ein Skandal! Ab eordneter Günther: Ich lasse mich nicht ein- fchüchtern durch eine derartige Geschäftsführung! Ich lasse mir das nicht gefallen! Das geht über die Hut schnur!) Während der allgemeinen Aufregung des Lärms haben die Saaldiener ohne Schwierigkeiten die Trib nen geräumt. Auch die Damentribün n und die der Regierungsvertreter sind leer. Präsident Dr. Mehnert: Wir können in der Verhandlung fortfahren, denn die Tribünen sind geleert. Die Herren Vertreter der Presse können auf ihren Plätzen bleiben. Ehe ich Herrn Günther da? Wort gebe, rufe ich ihn zur Ordnung, denn er hat, als ich die Tribünen räumen ließ, weil lautes' Bravorufen von dort erschoß, meine Handlung damit kritisiert, daß er laut Großarti,! rief. (Abg. Goldstein ruft dazwischen: Das war ich!) Abg. Günther: Ich will mich auch dazu bekennen, daß ich das Gleiche gerufen habe. — Präsident Dr. Mehnert: Dann rufe ich also auch den A g. Goldstein wegen einer solchen Kritik gegen die Geschäf sleitung zur Ordnung! Abg Günther bemerkt, er sei mit der Geschäfts, führung des Präsidenten nicht einverstanden. Es sei ein unhaltbarer Zustand, daß die Verhandlungen in der Deputa ion immer noch geheim gehalten würden, während in den verschiedensten Tageszeitungen Berichte aus den Verhandlungen erscheinen W r ein reines Gewissen habe, der könne an die Oeffentlichkeit gehen und brauche sich nicht zu scheuen, wenn man wünsche, daß über einzelne Punkte gemeinsam verhmdelt werde Vize präsident Opitz erklärt, alle Mitglieder der Deputation ohne Ausnahme hätten ein reines Gewissen Die Staatsregrerung habe die Geheimhaltung gefordert. Hier wird Redner vom Präsidenten unter brochen, da er Mitteilungen aus der Deputation mache. Redner fährt fort, bei einer Oeffentlichkeit würden Fenster eben gehalten und würde das Fortgeh n der Verhandlungen verzögert werden. Redner beantragt, der Antrag Bär derWahlrechtsdeputation zur Begutachtung; u überweisen. Ab geordneter Goldstein (Soz.) mhrt aus, es handle sich hier nicht um private, wichtigsten all ¬ gemeinen Interessen. Rach außen hin erwecke das Ver halten der Deputation den Eindruck der Hilflosigkett und R Mündigkeit. Es tauche sogar die Auffassung auf, als ob die Deputation sich der Kontrolle der Oeffentlichkeit zu entziehen Ursache habe. Vizepräsident Schill bedauert ebenfalls den Beschluß der Geheimhaltung, hält aber das Plenum nicht für zuständig, eine-i Beschluß der De putation au zuheben. Abg. Langhammer (nll.) führt aus, die Räumung der Tribünen werde einen nieder- drückenden Eindruck im Lande machen. Die Presse habe die Pflicht, das Volk über den Fortgang der Verhand lungen zu unterrichten. Staatsminister von Hohen- thal erklärt: Ich halte mich durch den Be chluß der Vertraulichkeit gebunden, die Angelegenheit auch weiter vertraulich zu behandeln und werde deshalb das, was ich in der Deputation gesagt habe, hier nicht wiederholen. Abg. Dr. Zöphel-Leipzig (natlib.) stellt zur Geschäftsordnung die Anfrag, warum noch immer die Tribünen geschlossen sind. Präsident Dr. Mehnert: Es heißt im 8 27, letzter Absatz der Geschäftsordnung: Der Präsident hat Zeichen des Beifalles oder des Mißfallens auf der Galerie nicht zu gestatten und ist berechtigt bei Verletzung der Ordnung die Betreffenden von der Galerie zu entfernen oder die Galerie ganz zu schließen. Da ich nun nicht f Wellen konnte, wer die Bravorufer auf der Tribüne und wieviele es waren, so habe ich die Tribüne in Gemäßheit von § 27 räumen lassen. Abg. Langhammer (nat) spricht die Bitte aus, daß die Tribünen wieder geöffnet werden, und Präsident Dr. Mehnert sagt Gewährt» g Reses Wunsches zu. Nachdem die Galerien etwa e ne Stunde verschlossen gewesen sind, erscheinen wieder Besucher auf der Tribüne und es spricht nunmehr Abg. Günther-Plauen: Er wendet sich zu nächst gegen die Auslegung des 8 25 der Geschäfts ordnung durch den Vizepräsidenten Dr. Schill. Es handele sich um gar keine solche Deputation, von denen in der Geschäftsordnung die Rede ist. Er bedauere auch, den Antrag seiner Fraktion nicht zurückziehen oder ab ändern zu können. Der Sinn des Antrags sei dem Hause beka nt: Es liegt nunmehr ein Antrag auf Schluß der De batte vor. Gegen den Antra < sprechen die Abgeordneten Roch und Ulrich. Die Abstimmung über den Antrag ergibt trotz der Gegenprobe kein klares Bild und es w rd deshalb die namentliche Abstimmung nötig. Dabei stellt sich die Ablehnung des Antrages h raus. Es sprechen noch verschiedene Ab.eordneie. Sodann wird der Antrag Opitz auf Verweisung des Antrages Bär und Gen. an die Wahlrechts- d e p u t a t i o n zur Begutachtung gegen die Stimmen der drei freisinnigen Abgeordneten Günthrx, Bar und Roch, sowie des Abg. Goldstein (soz.) angenommen. OsLttiiHe RrrnSsHMs- Wilsdruff, den 13. März. Niedergeschofsene Patrouille. Aus Deutsch.Süvwcst-Afrika wird amtl ch gemeldet: Am 8. März wurde eine deutsche Patrouille, die aus einem Sergeanten, drei Reitern und zwei Eingeborenen bestand, bei Kubub (zwischen Koes und Gazis am West rand der Kalahari.Wüste) von etwa 25 Hottentotten er- schoflen. Der nach Norden abziehende Gegner wurde durch Oberleutnant Müller mit 26 Reitern versolgt. Auch in diesem Falle dürfte es sich, wie bei fiüheren Ueberfällen in jener Gegend, um Leute von der Bande Simon Coppers handeln. Die armen Raucher. Der nationalliberale Abgeordnete Hackenberg hat vor ein'gen Tagen im preußischen Abgeordnetenhaus« mit gutem Humor die Sache der Raucher gegen die preußische Elsenbahnverwaltung geführt. Es ist auch nicht zu leugnen, daß der Raucher auf den preußischen Eisen- bahnen als Stiefkind behandelt wird. Während sich bei- sptelSweise in den meisten Wagen zweiter Klaffe drei oder vier Abteile für Nichtraucher und Frauen befinden, find nur zwei Abteile für Raucher vorhanden. Das ist ent- schieden ungerecht. Es ist im Abgeordnetenhause gesagt worden, daß die Hälfte aller Männer in Deutschland Raucher seien. Wir möchten be- Haupte», daß vou den erwachsenen Männern minde stens 75 Prozent dem Tabak zugetan sind. Die Eisenbahn scheint das nicht zu wlflen. Die Folge davon ist natürlich, daß die Raucherabteile überfüllt find, während die Nichtraucherabteile halb und die Fraueuab- teile oft ganz leer mttgeführt werden. Man muß dabei berücksichtigen, daß im Raucherabteile in vielen Fällen nichtrauchrnde Freunde, Frauen oder Kinder der Raucher mitfahren und dadurch die Abteile ihrem eigentlichen Zwecke entziehen. Da sich daS aber keinesfalls vermeiden taffen wirb, so ist eine Vermehrung der Raucher abteile dringend geboten Früher konnte ja der Reisende, dem die Uebersüllung den Tabaksgenuß t« den Eoupss versagte, im Speisewagen seiner Gewohnheit nach gehen. Seit einiger Zeit ist das bekanntlich verboten worden. Warum das Verbot erlasse» worden ist, ist ukiverständlich. Unzuträglichkeiten haben sich bei der früheren Einteilung (halb für Raucher, halb für Nicht raucher) nicht ergeben. Wenn man zugussten ins Ver botes ansützren will, daß die Speisenden durch de« Zigarrenqualm gestört werden, so wird man andererseits zugebcn müssen, baß die Rauchluft oft weit angenehmer ist, als emr Luft, die mit Speisedünsteu, schlechten Parfümaasdünstuagen und allgemein menschlichem Ge rüche angesüllt ist. D-r Minister wirb nicht umhin könne», in Zukunft mehr Rücksicht aus die Verehrer des Tabaks zu nehmen und das ungerechtfertigte Verbot aufzuyeben. Tat er das »ichr, so wird ihn der Finanzminister darauf aufmerksam machen müssen, daß sie Tabakraucher, an deren Tasche» man jedenfalls bald wieder appellieren wird, sehr nützliche Elemente für den Staat sind und deshalb so gut als möglich behandelt werden müssen. Hand iu Hand mit einer Tabak-, bezw. Zigarrenstcue» Erhöhung müßte eine Vermehrung der Raucherabteile und d:e Aushebung des Rauchverbots fürSpeisewagen gehen. Die Thronfolge in den Niederlanden Die öffentliche Meinung beschäftigt sich in den Nieder» landen gegenwärtig von neuem lebhaft mit der Frage der Thronfolge, da keine Aussicht mehr vorhanden scheint, daß die Königin Wilhelmine dem Lande einen Erben schenken wird. Verschiedene politische Strömungen wirken hier gegeneinander. Das Ziel der einen ist eine Ab änderung der Verfassung in dem Sinne, daß nach dem Ableben der Königin Wilhelmine die republikanische StaatS- form eingeführt werden soll. Unter den Monarchisten sind zwei Parteien zu unterscheiden. Die eine will an ber verfassungsmäßigen Thronordnuug festhalten, die andere will — nnd auch dazu wäre eine Verfassungs änderung unerläßlich unter denThronanwärtern verschiedenen verwandtschaftlichen Graves nicht ohne weiteres den nächst- ber chtigten zulassen, sondern den als den geeignetst er, scheinenden auSwädlen. Der regierende Großherzog Wil helm Ernst von Weimar steht der Königin Wilhelmine als Verwandter und demnach als Eibe ihrer Krone am nächsten; da die Verfassung der Niederlande aber be stimmt, daß kein niederländischer Herrscher zugleich auch eine andere Krone tragen darf, kommt der Großherzog wohl nicht ernstlich als Thronanwärter in Betracht. Nun folgt, an zweiter Stelle, die Prinzessin Maria von Wei- mar, Witwe des Prinzen Heinrich VH. Reu» mit ihren Söhnen. Der älteste von ihnen, Heinrich XXXII., dient als Kapitänleutnant in der deutschen Manne. Doch nicht er, sondern sein jüngerer Bruder Heinrich XXXln., soll, nach zuverlässigen Informationen, starke Sympathien in Holland genießen. Der Prinz ist Dr. jur. und zur Zeil Botswafisattachö in Paris. An dritter Stelle finden wir die Königin Luise von Dänemark und ihre Nach- kommen, die indessen, aus analogen Gründen wie der Grobherzog vou Weimar, ausschetden dürften, und an vierter Stelle die Fürstin-Wltwe Maria zu Wied und ihre Söhne. Für den älteste«, den Fürsten Friedrich zu Wied, macht sich gegenwärtig iu Holland eine starke Propaganda bemerkbar, mit der man auch den Besuch leises Schwiegervaters, des Königs von Württemberg, in Haag tu Verbindung bringt, — umsomehr, als die erste Gemahlin des Königs und Mutter der Fürstin Wied eine Schwester der Königin-Mutter Emma der Nieder lande war. Nach altem Brauche hätte der erwählte Thronfolger den Titel eines „Prinzen von Oraniea" zu führen und selbstverständlich die deutsche Staatszugehörigkett gegen die niederländische zu vertauschen.