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wen Iw kl IIS. 0^>IXV0-LV»S»V^VIXVV'VV-2L^VL-V)XVI^2L^>2^>L^2^S0^0^ 8.uslrkcke Kaueim. Der russische Bauer oder Muschik, wie er im Reiche des Zaren heißt, ist im Grunde genommen, gutmütiger Natur. Nur wenn er Wutky getrunken hat, ist nichts mit ihm an zufangen. Das Leben in den Dörfern der verschiedenen Distrikte, die alle unter einem Distriktsvorsteher stehen, der ein kleiner Despot ist und die Bewohner seines Bezirks ost auf das elendste auspreßt, ist eintönig und lang weilig. Zur Winterszeit, wenn die Städter sich, je nach Stand und Vermögen, belustigen, ver sammeln sich wohl nach Beendigung der Ar beiten die jungen Frauen und Mädchen und kommen in dazu eingerichteten Hütten zu sammen. Da wird dann gesponnen, genäht, gestrickt und geschwatzt, mit den glüchfälls er scheinenden Burschen geliebäugelt und scharmu- ziert. Dann wird ost gesungen: Spinne, meine Spinnerin, Spinne und sei nicht faul. Ich würde schon spinnen, Bin aber zu Gaste eingeladen, Zum Nachbar, um zu plaudern, Zum Gaimahl, um zu schmausen, Um Bier und Met zu trinken, Auch grünen Wein .... Unter „grünen Wein" versteht der russische Bauer den Branntwein, der mit Kräutern aufgesetzt wird. Ost laden auch wohlhabende Bauern an den Abenden eine Anzahl Gäste ein und pflegen sie zu bewirten. Auf diese Weise wird mit Singen, Schwatzen, Arbeiten und nicht zu vergessen — Trinken die Zeit bis zum Abendessen hingebracht. Nach diesen: be faßen sich die Mädchen nicht mehr lange mit der Arbeit. Sie werfen ihr Gerät beiseite und beginnen dann die verschiedenartigsten Spiele. Zu ihnen gesehen sich die Burschen mit ihren musikalischen Instrumenten und eS beginnen Gesang und Tanz bis tief in die Nacht hinein Aber so idyllisch verläuft das Leben nicht immer. Von Zeit zu Zeit treten hier und dort Hungersnöte ein und dann ist aller Frohsinn wie weggeblasen. Der Staats säckel muß dann oftmals herhalten, um den Hungernden wenigstens Brot zu verschaffen. Eigentlich kann die Regierung kaum für die Not verantwortlich gemacht werden, da, wie schon erwähnt, die Vorsteher der Bezirke die Bauern auf alle mögliche Art auspressen, um sich zu bereichern. So find wieder dem Komitee der allgemeinen Semstwo-Organisation in Moskau äußerst beunruhigende Nachrichten aus den „Hungergebieten" in Südrußland zu gegangen. Sie besagen, daß angeblich infolge der rasch abnehmenden Getreidereserven und der steigenden Getreidepreise eine starke Gämug unter der Bevölkerung auftritt. Im Uialgc- biete sind drohende Anzeichen der Möglichkeit einer Revolte der hungernden Bevölkerung vorhanden. Auch im Gouvernement Wilna macht sich eine starke Gärung bem rkbar, so daß vom dortigen Polizeichef die Möglichkeit eines „Hungeraufruhrs" befürchtet wird. Auch aus vielen Ortschaften des Gouvernements Samara und Saratow liefen ähnliche Nach richten ein. Die Bevölkerung ist dort durch eine ganze Reihe von Hungerjahren zur Ver zweiflung getrieben. So kam es aus einer der Stationen der Liebau-Romaysr-Bahn in folge Unterernährung der Bevölkerung zu einem „Wciberaufstand", wo die Frauen aller- umliegenden Dörfer sich auf dem Bahnhof zu- sammenrotteten und die Verladung der Wag gons mit Getreide verhinderten, bis schließlich das Militär gewaltsam gegen sie einschritt und auseinandertrieb. Unsere Abbildung ver anschaulicht eine Gruppe hungernder russischer Bauern, die sich vor der Ausgabestelle für Brot befinden, das ihnen auf Staatskosten eingehändigt wird. — Haben wir nun einmal das Leben der Landbevölkerung geschildert, so wird es interessant sein, die Ausbreitung des sonderbaren Sek tenwesens in Rußland zu erwähnen. Bei der ungeheuren Ausdeh nung des russischen Reiches kann es nicht Wunder nehmen, wenn die Dörfer in der Hauptsache Spuren die>er merkwürdigen Erscheinung aufwei- sen, während in den Städten verhältnis mäßig weniger davon zu spüren ist. Am interessantesten ist die Sekte der „Milchtrinker", die gerade unter der Landbevölkerung großen Anhang hat. Der Name soll seinen Ursprung einem Schmäh worte verdanken, das den Mitgliedern von ihren Feinden zugeteilt wurde, weil sie die regelmäßigen Fasten in der Fastenzeit nicht halten wollten. Sie leugnen die Heiligkeit und dey Nutzen der Fasten, da sie der An sicht sind, daß Menschen, die arbeiten müssen, guter Nahrung bedürfen, die man mit Maß das ganze Jahr hindurch genießen solle. Sie verwerfen das Priesteitum und die Klöster. Ihre ursprünglichen Wohnsitze waren Dörfer im Lüden Rußlands. Unter Kais r Nikolaus wurden sie grausam verfolgt, 15000 Män er und Frauen wurden ergriffen und gegeißelt. Eine eigenartige Lincke. Beim Kirchenbau werden in der Gegenwart oft die eigenartigsten Stile zur Anwendung i gebracht. Während in früherer Zeit mit Vor liebe die alte gotische Bauart mit ihren vielen umständlichen Bildu-gen und Veizierungeu fast allgemein angewcndet wurde, hat sich der Kirchenbau in der jetzigen Epoche dem Zuge der Zeit folgend, auch entsprechend geändert. Ob nun die Ausführung der modernen Kirchen bauten einen Anspruch auf Stil hat, muß inan dalstugestellt lassen. Aber den Vorteil absorechen, daß sie weit stabiler und ihren Zweck vollständig , erfüllend au'g.-sührt sind, kann man ihnen ! schweilich. Schon die ganze Masse des Baues wirkt viel kompakter, sicherer und fester, wis I ihm ein besonderes Gepräge verleiht und seinen . Eindruck nicht verfehlt. Eine Femrsgefahr ist bei den modernen Kirchenb nten wohl schwerlich zu fürchten, alles iü fest iueinaudcr- gefügt und besteht aus Stein. Von den Kirchen der srüheren Epoche läßt sich das nicht behaupten. Wie viele der alten Kirchen sind nicht schon ein Raub der Flammen geworden. Man erinnere sich nur des gewaltigen K.rchen- brandeS in Hainburg im Jahre 1006, wo die alte Michaeliskirche bis auf die Grundmauern zerstört wcude. Unser nebenstehendes Bild zeigt uns ein Gotteshaus von besonders eigen artiger Struktur. Es ist die Petruskirche von Kiel-Wik, die für die Garnison erbaut wurde. Die eigentliche Kirche verschwindet saft neben der Wucht des gewaltigen Turmes, der eine Höhe von 56 Metern hat. Hungernde russische Bauern bet der Brotausgabestelle. Die neue Garnisonkirche in Wik.