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r>2 Welt Iw v110. I/VI/VL^VZ/r2<v2^L^L^V0^L^V^VVVV^V0^L<dI^dL^VL^I>^ „Koste es, was es wolle," fügte er lä chelnd hinzu. Sie war natürlich eines Sinnes mit ihm. Das Geld sollte nicht gespart wer den, dafür wollte sie schon sorgen. Herr Enders sollte einem Souper in so fürstlich verschwenderischer Weise noch nicht beige wohnt naben. Der zukünftige Kommerzienrat konnte denn auch an dem Abend die aufgetragenen Speisen nicht genug preisen und war von hervorragender Liebenswürdigkeit gegen Vater, Mutter und Tochter und besonders galten dieser seine Huldigungen. Die Gastgeber erwiderten gleiches mit gleichem. Vor allem bot Frau Marschner alles auf, um den Gast den denkbar besten Eindruck von dem Abend mit nach Hause nehmen zu lassen. In der Folgezeit erhielt Enders mehr fach Einladungen in die gastfreundliche Villa. „Die jungen Leute müssen sich kennen lernen," war die Losung des Hausherrn wie der Hausfrau. Der junge Mann kam, aber es fiel ihm nicht ein, an Anna das entscheidende Wort zu richten, obschon es an Gelegenheit dazu wahrlich nicht gefehlt hätte und an eine Ablehnung seines An trages nicht zu denken war. Auch die große Weihnachtsfeier, die von Direktors mit dem üblichen Pomp veran staltet wurde, löste ihm nicht die Zunge. „Sollte etwa die Wörling das Netz wie der nach ihm ausgeworfen haben?" Frau Liane nahm sich vor, offene Augen zu haben. Obendrein engagierte sie einen Privatdetektiv, der Enders und Elsbeth ge nau überwachen sollte. Es dauerte nur we nige Tage, da ließ sich der Detektiv bei ihr melden. Was sie von ihm erfuhr, war we nig geeignet, ihre Befürchtungen niederzu- schlagen. „Können Sie das wirklich an Eidesstatt versichern, daß er diesem Mädchen wieder holt Blumen geschickt hat?" „Ich habe den Boten, der die Sträuße brachte, ausgefragt, gnädige Frau. Er wollte nicht mit der Sprache heraus. Nun, das nötige Kleingeld hat den Riegel von seiner Schweigsamkeit zurückgeschoben. Eine Nachfrage in der Kunstgärtnerei ergab das gleiche Resultat." „Dann ist allerdings daran kein Zwei fel. Und die Blumen sind natürlich ange nommen worden." „Ja, gnädige Frau." »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefal len?" „Herr Enders macht alle Tage vor dem Hause Fensterpromenaden." Zu bestimmter Stunde?" forschte ein dringlich der weibliche Untersuchungsrich ter. „Die Stunden sind nicht die gleichen. Einmal —" „Sprechen Siel" „Einmal kam das Fräulein herunter und ging fort. Herr Enders redete sie an und —" Frau Lianes Blicke loderten von In grimm und nervös rissen die Hände an einem wertvollen Spitzcneinsatz, als wäre er wertlos wie Papier. „Schnell, schnell! Sie sehen doch, daß ich Eile habe," gebot sie. „Das Fräulein hat ihn nicht abgewie sen. Sie sprachen sehr erregt zusammen." „Die Natter!" zischte sie gedämpft. Der Detektiv wurde reichlich belohnt "ntlassen. „Das unverschämte Geschöpf glaubt wohl eine Annaliese Marschner auszu stechen? Dummheit, du siegst. Noch ist Polen nicht verloren. Ich werde dir den Kram schon verderben, du aufdringliches Ding. Du triumphierst zu früh!" Mit solchen niederen Gedanken setzte sich Frau Liane an den Schreibtisch und schrieb mit verstellter Hand einen langen Brief. Dann konvertierte sie ihn und ließ sich von der Zofe den Hut auffetzen und den Mantel umlegen. „Soll ich den Wagen für die gnädige Frau bestellen?" „Nein," entgegnete sie spitz und begab sich zu Fuß in die Stadt. Die gesamte Dienerschaft schüttelte den Kopf. Sie wähnte, die Welt sollte zerber- sten, denn daß die gnädige Frau sich nicht des Wagens bediente, war seit undenk lichen Zeiten nicht Lagewesen. „Einen Brief hat sie in den Muff ge schoben, mit so 'ner Schrift, wie unsereins schreibt, darauf. Den will sie allein in den Kasten werfen," raunte die Zofe dem Zimmermädchen, der Köchin und dem Die ner Jean zu. „Das hat was zu bedeuten!" meinte Jean und tippte sich mit dem Zeigefinger der Rechten an seine Denkerstirn. „Sie wird doch nicht hinter dem Rücken des Alten ein Techtelmechtel haben?" äußerte die dralle, vierschrötige Köchin. „Das glaube ich nicht," setzte dem das Zimmermädchen vom grünen Strand der Spree entgegen. „Hab dich man nich!" tadelte die Köchin und fuchtelte ihr mit der Faust vor dem Gesicht herum. Ein flottes Redegefccht hob an, das sicherlich in Tätlichkeit ausgeartet wäre, wenn nicht die Tochter des Hauses, durch den Lärm angelockt, auf dem Korridor er schienen wäre und die Streitenden barsch zur Ruhe gewiesen hätte. Innerlich immer noch grollend, zogen sie sich zurück. — Herr Enders jun. erhebt sich lässig von der türkischen Ottomane, auf der er sein Nachmittagsschläfchen verbracht hat und zündet sich eine Zigarre an. Er hat erst ein paar Züge getan, da klopft es an der hohen Flügeltür. Auf ein „Herein!" tritt der Diener ein und reicht ihm auf silber nem Tablett einen Brief hin. Laurlos wie er gekommen, verschwindet der Ueberbringer. Enders dreht den Brief mehrere Male herum und betrachtet ihn mißtrauisch von allen Seiten. Er scheut sich, ihn aufzuma chen, denn er besorgt, daß es ein Bettel brief ist oder eine unangenehme Nachricht darin enthalten ist. Die Schriftzüge der Adresse sind ihm gänzlich unbekannt. Wer um alles in der Welt nur der Absender sein mag ? Er nimmt von einem Marmortischchcn den Brieföffner und schlitzt das Schreiben auf. Wenige Augenblicke danach lacht er herzhaft auf, denn er ist aller Besorgnis ledig. „Der reine Fastnachtsulk," denkt er und überfliegt die Zeilen noch einmal. „Wel chem edlen Gehirn mag das Geschreibsel Wohl entsprungen sein? Einfach zum Rad schlagen die Stelle: wir würden es in Ih rem Interesse bedauern, wenn sie sich durch den Umgang mit der Werlink, dis einen ganz schlechden Ruff hat, um die Ehre brächten in die gute Gesellschaft Verkehren zu dürfen, was doch eine Ehre is. Sie sind schon mit dem Mädchen gesehen wor den. Sein sie auf der Hut. Ich meins gut." Das Schreiben hatte die entgegengesetzte Wirkung auf den Empfänger als die, die von der Absenderin beabsichtigt worden war. Er knüllte es zusammen und warf eS in den Ofen. Dann lehnte er sich an die sen und blies Ringe in die Luft, zugleich überlegend, wer der Verfasser des Schmäh briefes sein könnte. Ein Dienstmädchen war es nicht. Was hätte ein solches davon gehabt, ihn vor Elsbeth zu warnen. Der Schreiber oder die Schreiberin, die sich so menschenfreund lich da aufspielte, heuchelte. Sie mußte ir gendwelches Interesse an der Sache haben, ihnen mußte sein Begehren nach Elsbeth ein Dorn im Auge sein. Wer es nur sein mochte? Enders wanderte im Geist durch die be kannten Familien. Der Rundgang war schnell vollzogen. Nur bei Marschners hielt er sich länger auf. Man begünstigte ihn dort ohne Zweifel. Man würde auch augen scheinlich eine Verlobung mit der Tochter des Hauses gern sehen. Sollte etwa Frau Marschner? Der Verdacht schien ihm schändlich zu sein. Und dennoch vieles sprach dafür, daß Frau Liane die Zeilen geschrieben hatte. Ter junge Mann sagte sich vom Grü beln los: „Meinetwegen niag den Wisch geschrie ben haben, wer da will. Jedenfalls hat das Geschreibsel das Gute an sich, daß es mei nen schwerfälligen Entschluß zur Tat reifen läßt. Ich muß Elsbeth gewinnen." Er machte sich zum Ausgehen fertig. — Wieder ist es bei Wörlings an diesem Nachmittage so traulich wie damals, als die Einladung für die Jukunditas eintras, wie es überhaupt immer in den verflossenen Tagen gewesen ist. Draußen ist es emp findlich kalt. Der Januar zeigt sich als recht ungebärdiger Geselle. Eis und Schnee bringt er in Fülle der Erde. Drin- nen aber bei Großmutter, Mutter und Kind ist es warm. Großmütterchen sitzt wie- der auf der Ofenbank und gibt sorglich acht, daß das Feuer nicht ausgehe, unterläßt es aber auch nicht, hurtig von den Nadeln des Strickstrumpfes die Maschen zu neh men. Mütterchen flickt und Döchting stickt. „Mein liebes Kind," hebt die Mutter an, „ich habe es schon lange auf dem Her zen gehabt, ein Wörtchen im Vertrauen .mit dir zu reden." Die Tochter ahnte, was kommen würde und arbeitete um so emsiger an der Sticke rei weiter, damit ihre Erregtheit nicht offenbar würde, doch lauschte sie gespannt der mütterlichen Auseinandersetzung. Groß mutter hatte dagegen den Strickstrumpf in den Schoß gelegt und die Hände gefaltet. Sie wollte kein Wort verlieren. „Elsbeth, ich bin nicht blind. Ich habe es lange schon bemerkt, schon damals auf dem Ball, daß du dem jungen Enders nicht gleichgültig bist. Ich weiß auch, daß er es ist, der die vielen Blumen schickt. Mein Herzenskind, mir ist es auch nicht entgan gen, daß du dich ziemlich kühl ihm ge genüber verhalten hast. Ueberiege dir es wohl, ob du auf diesem Verhalten behar ren willst. Jedenfalls ist er eine angese hene Persönlichkeit, die mit sich nicht spa ßen lassen wird und will. Er ist dann eine begehrenswerte, hochachtbare Partie, die der Frau eine gesicherte Stellung im Leben verbürgt. Es wäre Frevel, Chancen zu verscherzen, die andere mit Freuden be grüßen würden, und solche Chancen hast du doch, das unterliegt keinem Zweifel. Nun bin ich weit davon entfernt, irgend welchen Druck auf deine Entschließung auszuüben — so außerordentlich angenehm mir eine Verbindung mit ihm auch wäre —, aber