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« tIt I m »»la. 2^2^r^L^L<v»v2^v^»^r^L^r^L^L^)L^L<vr-^S^ kanntschaft nicht schroff verleugnen konnte, nicht nur, daß die beiden Overbecks hinter dem einsilbig düsteren Wesen des neugewon nenen Bekannten dessen guten, redlichen Charakter heraussühlten und sich bei ihnen mit der Sympathie noch ein weiches Mit leid verband, — Klas Husen, der menschen meidende Weltflüchtling selbst fühlte sich hingezogen zu diesen beiden Kindern der fröhlichen, sonnigen Daseinsfreude, hinge zogen zu ihnen eben durch ihr auf den rein sten Glückakkord abgestimmtes Eheleben, dessen starker Zauber,über die Personen der Beteiligten hinausging. Es hielt ihn fest in der Nähe der beiden glücklichen Menschen wie ein magnetischer Bann — aber er em pfand es nicht als seelisches Labsal, sondern als ein grausames, unerbittliches Verhäng nis. Er ging nicht etwa hin, um für seine kranke Seele aus dem Licht fremden Glücks Heilung zu schöpfen. Keineswegs! Der starke Trieb, der ihn hindrängte, entsprang nur dem krankhaften Verlangen, neben dem Glück anderer das eigene Seelenelend noch deutlicher, schmerzhafter zu empfinden. So kam es, daß sein Gemüt von Tag zu Tag noch schwerer umwölkt, daß der ge waltsam in feiner Seele erstickte Brand wie der zu Heller Lohe angefacht wurde. Zwar gelang es seiner Energie, der Welt nach wie vor eine gleichmäßig ruhige Außenseite zu zeigen: allein unter dieser unbewegten Oberfläche kreisten wilde, gefahrkündende Strömungen auf und nieder, stand eine ganz von Gram und Grimm übersprudelnde Seele in vollem Aufruhr. Mit aller Wil lenskraft rang er dagegen. Ihn bedrückte dunkel die Empfindung, als begehe er felbst ein Unrecht an der Welt, wenn er sich voll Haß und Bitterkeit von ihr abschloß um eines Unrechts willen, das ihm von einem Einzelwesen zugefügt worden war. Und in dem Drange, diesen Zwiespalt auszugleichen und der Welt wenigstens den besten Teil von dem zu geben, was sie von ihm fordern konnte, begann er sich mit erhöhtem, schier mehr als selbstlosen Eifer für seine Mit menschen in den schweren, gefahrvollen Ret tungsdienst bei Seenot und Schiffbrüchen zu stellen. An beiden fehlte es während der Sturm- Perioden hier auch wahrlich nicht. Klas Husens Heimatsdorf lag an einer besonders gefährlichen Küstenstelle. Da war schon manches Menschenleben mit knapper Not durch opfermutige Nächstenliebe dem Nim mersatten Raubtierrachen des „Blanken Hans" entrissen worden und noch mehr hatte der tobende Titan als willkommenen Fraß hinuntergewürgt. Das große Riff draußen vor der Landzunge sowie einige unter dem Spiegel lauernde kleinere Klippen und Sandbänke, boten seiner wütenden Gier ein ergiebiges Fanggebiet. Als bester Kenner dieses gefährlichen Wassers aber galt unter allen Fischern des Dorfes Klas Husen, und diese Eigenschaft mußte natürlich die ihm eigene kaltblütige Ruhe,seinen unerschrocke nen Wagemut und seine beispiellose Todes verachtung bei der Rettung anderer Men schenleben so wirksam unterstützen, daß er bald als eine Art Rettungsengel, als der letzte Trost aller an dieser Küste schiffbrüchig Werdenden galt und bei eintretender Seenot die freiwillige Rettungsmannschaft des Dor fes stillschweigend und ganz von selbst ihn als ihren berufenen Führer betrachtete. Sechsmal schon waren Herbst und Früh jahr mit ihren regelmäßigen schweren Stür men über die holsteinische Küste hingebraust, seit Antje Hornfleth ihre Zukunft an die Jasper Krustedes gekettet hatte und ihm gefolgt war über das große Wasser nach dem Wunderlands aller Reichtumsphantasten. Eines Abends war Klas Husen wieder nach vollbrachtem Tagewerk zu Overbecks ins Torf hineingegangen, um, wie er häu fig tat, auf der Torbank vor seinem einsti gen Hause in Gesellschaft von Lars und Liese seine Pfeife Tabak zu rauchen, sich an dem ewig jungen Glück des kinderlos gebliebenen Ehepaares heimlich zu neuem Gram aufzustacheln und im übrigen seiner den Freunden längst bekannten Gewohnheit nach gründlich zu — schweigen. Denn in der Tat pflegte er bei solchen Zusammen künften seinerseits kaum sechs Worte zur Unterhaltung beizutragen. Lars und Liese, besonders letztere, schwatzten denn gewöhn lich lustig über alle möglichen Vorgänge und Ereignisse im Dorf, und Klas hörte ruhig und schweigsam zu. Er wehrte ihnen nicht, aber er fragte auch nicht, sondern überließ es ihnen, Art, Menge und Ausbeutung ihres Gesprächsstoffes abzumessen. Man hätte schwerlich erraten können, ob er ein Interesse an solchen Neuigkeitsberichten nahm oder nicht. Das lustige Wesen der Overbecks konnte wiederum kein absolutes schweigen ertragen. So legten sie Husens Haltung in zustimmendem Sinne für sich aus und erzählten jedesmal lustig daraus los. Von seinem Vorleben hatten sie von allen Dorfbewohnern ja die wenigste Kenntnis. Auch heute wußten sie wieder eine Neuig keit zu berichten. Die Hornfleths hatten wieder einmal Nachricht aus Amerika erhalten. Diese Briefe Pflegte der alte Fischer, auf seine transatlantische Tochter nicht wenig stolz, sich von dem Lehrer vorlesen zu lassen, weil er selbst im Lesen ebenso unfertig war wie seine Frau. Abends zeigte er dann regel mäßig das Kuvert des empfangenen Schrei- bens im Kruge herum; denn er hatte Wohl bemerkt, wie seine alten, biederen Dorfge- nossen die fremdländischen Briefmarken im mer wieder mit einem gewissen Respekt be trachteten. Sie waren eben tüchtige, ganze Männer in ihrer täglichen engen Welt, aber über deren Grenzen hinaus harmlose große Kinder — der alte Hornfleth, indem die respektvollen Mienen seiner Umgebung in ihm eine kindliche Eitelkeit befriedigten, nicht weniger als die anderen. Diesmal hatte nun aber Hornfleth, ganz gegen seine bisherige Gepflogenheit, den Briefumschlag nicht unter den Anwesenden kursieren lassen, als er abends, mürrisch und mißlaunig wie noch niemals, im Krug erschien. Da er spä ter kam als sonst, so hatte der dolmetschende Lehrer den Brief bereits angekündigt und es gab infolgedessen doppelt neugierige Gesich ter, als Hornfleth auf eine Bemerkung hin erklärte, er hätte das Kuvert in Gedanken zu Hause liegen lassen. Nach seinem früh zeitigen Fortgang wurde der Lehrer mit Fragen bestürmt, denn man witterte hinter Hornfleths ungewöhnlicher Haltung auch ein ungewöhnliches Vorkommnis. Der Leh rer vermochte dem Ansturm der allgemeinen Neugier denn auch nicht allzu lange zu widerstehen, und da er den Inhalt des Brie fes natürlich fast noch besser kannte als der Empfänger, so entschlüpften ihm zu guter- letzt verschiedene Andeutungen, reichlich ge nug, um verstanden zu werden. Auch Lars Overbeck hatte dieselben mit angehört und daraus entnommen, daß Antje Grustede, Hornfleths verheiratete Tochter, aus Ame rika wieder in die Heimat zurückkehren wolle. Jahrelang hatte sie als ein trans- atlantischer Glückspilz gegolten; jetzt stellte sich Plötzlich heraus, daß dieses Glück längst schon auf schwankendem Boden ein bloßes Scheindasein geführt. Wohl sammelte Jas- per Grustede drüben durch Fleiß und raffi nierte Geschäftsklugheit ein stattliches, mehr und mehr wachsendes Vermögen an, aber Liebe und Frieden in der jungen Ehe ging darüber schnell zu Scherben. Beider, We sensart paßte schlecht zueinander, vielleicht darum, weil sie einander im Charakter zu sehr glichen, denn beide waren hartkövlig, herrschsüchtig, rücksichtslos. Es gab Zwistig keiten, oft genug Stürme, dann und wann sogar brutale Szenen. Als nach zweijähri ger Ehe ein Sohn geboren wurde, verschlech terte sich das Eheleben noch mehr. Jacher mochte, wenn er abends voll neuer, großer Erwerbspläne und dazu ermüdet von der Geldarbeit der Gegenwart nach Hause kam, das Kindergeschrei nicht hören und fing an, sich aus dem Hause zu gewöhnen, erst nur gelegentlich, bald häufiger, zuletzt gänzlich. Von alledem schrieb Antje den Eltern nie mals ein Wort. Starr, krampfhaft hielt diese trotzige Seele bei allen ihren Leiden den alten Leuten gegenüber an der Beteue rung ihres Glückes fest, die längst schon zur bewußten Täuschung geworden war. Sie schämte sich eben tief, ihr Unglück cinzuge- stehen, weil ihr trotziger Egoismus selbst schon einen Menschen elend gemacht, um den Mann, von welchem sie mehr äußeres und inneres Glück erhofft und nun eben falls nur grenzenloses seelisches Elend em pfangen hatte. Und so log sie jahrlang, ob wohl die Brutalitäten Jaspers gegen sie bald genug tägliches Ereignis wurden; die Scham zwang ihr bei den Briefen an ihre Eltern immer neue, unter Seelenqual er fundene Glücksschilderungen in die Feder. Und erst, als Jasper Grustede eines Tages Weib und Kind heimlich verließ, sein Ver mögen im Koffer und eine andere im Arm, — da fand alles sein natürliches Ende, die Leiden einer unglücklichen Ehe, der zweck- lose äußerliche Glanz des Reichtums, die un natürliche Scham und jene täuschende von unerhörter Verstellungskunst vor den Augen der Eltern aufgebaute Fata morgana. Ter heute eingetroffene Brief war ein offener klarer Spiegel all des Jammers geworden, der feit Jahren Antjes Herz zerriß und von ihr gewaltsam unterdrückt worden war. Nun aber öffnete sich diefer trübe Quell und un aufhaltsam strömte Klage auf Klage, Ge ständnis auf Geständnis, Anschuldigung auf Anschuldigung zu dieser umfassenden brief lichen Beichte zusammen. Und außerdem schrieb die Verlassene noch, es bliebe ihr kein anderer Entschluß übrig, als mit Harms — ihrem kleinen, nun vierjährigen Söhnchen — in die Heimat und zu den Eltern zurück- zukehren, so Peinlich ihr dies auch sei — der alten Geschichte wegen! Aber sie könne sich auf dem Boden der neuen Welt allein nicht behaupten, denn Jafper Grustede habe sie so gut wie mittellos zurückgelassen und sie komme äußerlich und innerlich viel, viel ärmer wieder, als sie einst hinausgezogen. Das sei der Fluch eigennütziger Begierde nach dem harten klingenden Taler um jeden Preis, und ihre Ernte sei nur ganz nach der Saat ausgefallen. Mit der nächsten passenden Abfahrtsgelegenheit würde sie dem Lande ihrer bittersten Enttäuschungen und schmerzlichsten Lehren den Rücken wen den. — <Schl«h solgtv