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C. F. Meyers deuische Sehnsucht Zum Todestag des Dichters am 28. November „Mein Lebenslauf ist im Grunde unglaublich merk würdig. Wie werden sie einst daran Herumrätseln!" Dieser Ausspruch Conrad Ferdinand Meyers wird von seiner jüngeren Schwester Betsy später mit der Feststellung be antwortet, daß die „Elemente seines Lebenskampfes in ihm selbst lagen". So unpersönlich, fast kühl unpersönlich, der Dichter dem Leser in seinen Werken erscheinen mag — hinter all den fremden Schicksalen, die er schildert, steht Loch seine eigene Seele; er bekennt selber einmal, daß in allen seinen Gestalten, auch in den schlimmen, „ein Stück C. F. Meyer verborgen" sei. Conrad Ferdinand Meyer hat in seinen Dichtungen Viele Stoffe aus dem romanischen Knlturkreis bearbeitet. So wollten manche in ihm auch einen romanischen Dichter sehen, der sich nur zufällig als Deutschschweizer der deut schen Sprache bediene. Gewiß. Conrad Ferdinand Meyer ist Deutschschweizer, am 11. Oktober 1825 geboren, am 28. November vor 40 Jahren auch in der Schweiz ge storben. Die Jugend hat er in Zürich im Patrizierhaus seiner Eltern verbracht und auch viele seiner Mannes jahre in der Schweiz verlebt. Und doch — dieser Schweizer war Deutscher. Wenn es ihm bis dahin selbst nicht bewußt war, so sollte es ihm, der erst als reifer Mann, als Fünf- undvierzigjähriger, mit dem eigentlichen Schreiben an fing, bewußt werden, als der Deutsch-Französische Krieg 4870/71 durchgekämpft werden mutzte und aus Blut und Eisen das Deutsche Reich erstand. „Der große Krieg", so schrieb er damals, „entschied auch einen Krieg in meiner Seele. Von einem unmerklich gereiften Stammesgefühl jetzt mächtig ergriffen, tat ich das französische Wesen ab. Und innerlich genötigt, dieser Sinnesänderung Ausdruck zu geben, dichtete ich,Huttens letzte Tage'." Conrad Ferdinand Meyers Bekenntnis zu den Deut schen spricht aus den Worten seines Hutten: „Tu, Geistes heimat, mein germanisch Land, / Ich segne dich mit kampfesmüder Hand." Und in dem Hutten schuf Conrad Ferdinand Meyer ein Urbild des deutschen Menschen mit seiner Wahrheitswut und seinem Bekennermnt, mit seiner Heimatsliebe und Heimatssehnsucht und dem Drang in die Welt und mit seinem streitbaren Trotz. Wenn man den Hutten gelesen hat, so spürt man: nur aus deutschem Blute konnten diese Bilder und Verse wachsen, nur eine widerspruchsvolle deutsche Seele konnte ihnen wahres Leben leihen. Alle Werke Meyers sind uns Deutschen lieb und ver traut; wir wollen hier nur noch auf das Weib Stemma in „Die Richterin" Hinweisen, aus der germanisches Ethos der Edda spricht, auf den „Jürg Jenatsch", eine Gestalt voll deutscher Kraft mit der „Gewalt des Willens". Hier und auch in den Renaissance-Novellen beweist Conrad Ferdinand Meyer seine echt germanische Begabung, aus Unvollkommenheiten und Sehnsüchten Großes, Neues zu schaffen. Aus Meyers Gedichten spricht tiefes Gefühl ebenso Wie herbe Verhaltenheit der Seele; er kannte noch „die große Ehrfurcht vor dem eigenen Innenleben", er spürte noch die Heiligkeit der eigenen Seele und ihrer Aeuße- rungen. Er wußte auch, wie verlorene Freiheit wieder gewonnen wird: „Durch einen aus der Tiefe des Volkes kommenden Stoß und Sturm der sittlichen Kräfte." Er wußte aber noch weit mehr. Wie ein Seher ahnte er, was jetzt erst Wirklichkeit geworden ist: „Geduld! Es kommt der Tag, da wird gespannt Ein einig Zelt ob allem deutschen Landl Geduld! Ich kenne meines Volkes Mark! Was langsam wächst, geht doppelt stark. Geduld! Was langsam reift, das altert spat! Wenn andere welken, werden wir ein Staat!" Kurze Nachrichten Stuttgart. In Schloß Altshausen (Württemberg) starb der kruder des letzten sächsischen Königs, Prinz Johann Georgvon Sachsen, im 69. Lebensjahr. München. Zum 1. Dezember 1938 werden die Gemeinden Obermenzing, Untermenzing, Allach, Ludsvigsfeld und Solln in die Hauptstadt der Bewegung eingegliedert. Dies bedeutet für München einen Flächenzuwachs von über 3000 Hektar und eine Bevölkerungssteigerung von über 23 000 Ein wohnern. Prag. Mit dem 1. Dezember werden alle tschecho-slowaki- schen SO-Heller-Marken, die das Bildnis Dr. Beneschs zeigen, außer Kurs gesetzt. Arms ass aller WrL Dollstreckuna eines Todesurteils Am 25. November 1938 ist der am 8. September 1905 in Tangermünde geborene Mar Kleinens in Berlin hin gerichtet worden, der vom Schwurgericht in Stendal wegen Mordes zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehren rechte auf Lebenszeit verurteilt worden ist. Der verheiratete Klemens bat am 24. Mai 1938 in Tangermünde die Witwe Anni Vosshagen aus Eifersucht heimtückisch ermordet, weil sie sich von ihm trennen wollte. Der Historiker Erich Marcks gestorben Der bekannte deutsche Historiker Professor Dr. Erich Marcks ist gestorben. Er ist insbesondere bekannt geworden durch seine Werke über Bismarck und Kaiser Wilhelm l. Seine bekannte Bismarck-Biographie hat die Persönlichkeit des Eiser nen Kanzlers weiten Kreisen bekannt gemacht und ist ein Bei spiel dafür, daß auch die Arbeit eines Gelehrten in breite Schichten des Volkes dringen kann, um die Lebensnähe der deutschen Geschichtswissenschaft zu bezeugen. Bräutigam als Spitzbube. Recht unbedenklich ging der 24jährige Karl Sch. aus Gütersloh bei der Finanzierung einer Sommerreise zu Werke, die er mit seiner Braut veran staltete. Er entwendete das Sparkassenbuch seiner zukünftigen Schwiegermutter, hob davon 150 RM ab und steckte 60 RM. Bargeld, die im Buch gelegen hatten, gleichfalls zu sich. Nach der Rückkehr konnte er ungehindert weitere 100 RM. abheben, doch beim dritten Wege zur Sparkasse ereilte ihn das Schicksal. Nach Aufdeckung seiner Unterschleife waren die Bücher ge sperrt worden, und der diebische Bräutigam wurde nun der Polizei übergeben. Als Denkzettel für seinen gemeinen Ver- trauensbrnch erhielt er vier Monate Gefängnis. Zwei Tote bei einem Bcrgwerksunfall. Wie das Berg- revieramt Goslar mitteilt, verunglückten im Abteufbetrieb des Schachtes Worthlah bei Flachstöckheim durch Einstürzen einer Manrerbühne zwei Bergmänner tödlich. Vier weitere Bergleute kamen mit leichteren Verletzungen davon. „Graf Zeppelin" besucht das Sudetcnland. Anfang De zember wird aus Anlaß der Ergänzungswahlen zum Groß- deutschen Reichstag eine Rundfahrt des Luftschiffes „Gras Zeppelin" <LZ. 1301 von Frankfurt a. M. nach dem Sude tenland und zurück stattfinden. Wie das Reichspostmini sterium mitteilt, wird diese Fahrt auch zur Postbeförderung benutzt werden. Die Sendungen müssen den Vermerk „Mit Luftschiff Gras Zeppelin" tragen und sind unter Umschlag an das Bahnpostamt 19, Frankfurt a. M., bis zum 1. Dezember, 18 Uhr, einzusenden. Nur ein Viertelstündchen . .. Das nennt man gesunden Schlaf! In Highgate lEngland) legte sich ein Mr. Sadler zu einem kleinen Schläfchen nieder, als plötzlich ein führer loser Lastzug gegen ein Haus krachte. Der Wagen, der auf abschüssiger Straße ins Rollen gekommen war, durchbrach bei dem Anprall die Hausmauer und drang in das Schlafzimmer Mr. Sadlers ein. Obwohl sogar ein Teil der Einrichtung zertrümmert wurde, schlief Mr. Sadler ruhig weiter den Schlaf des Gerechten. Nachbarn weckten ihn und erzählten ihm, was inzwischen aesLeben war . . . Aus Sachsens Gerichtssäleu Erbschleichcrei, die ins Gefängnis führte Der 38 Jahre alte Erich Jähn gehört, wie eine Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Leipziger Landgerichts be wies, zu denen, die sich gewissenlos Geldquellen zu erschließen verstehen, wenn sie nur nicht selbst dabei zu arbeiten brauchen. Jähn war von einer jetzt 74 Jahre alten Witwe gemeinsam mit einer Frau aus der Bekanntschaft zu gleichen Teilen als Erben ihres etwa 6000 RM betragenen Vermögens eingesetzt worden. Allerdings hatte der Erbe die Aufgabe, sich auch etwa um die alte Frau, die nicht mehr allein gehen konnte, zu kümmern. Eines Tages sollte er der „Tanto' — so nannte er sie — 17 Zwanzig-Dollar-Eoldmünzen einlösen. Scheinbar unverrich teter Dinge erschien er aber wieder bei ihr und behauptete, die Münzen nicht haben einlösen zu können, sie seien aber in einem Safe gut untergebracht. Dabei hatte er sie sehr wohl für 1200 NM eingelöst, das Geld aber zum Kauf eines Kraft wagens verwandt, wie er vor Gericht angab. Seit Februar dieses Jahres wohnte Jähn auch bei der .fTante" und war nun „rührend" besorgt, daß sie nicht zu verschwenderisch mit seinem zukünftigen Erbe umging. Darüber erreichte er es auch, daß es zu einem Krach mit der anderen Erbin kam. Dre Folge war, daß die „Tante" ihren letzten Willen abänderte und den lieben „Neffen" als Alleinerben einsetzte. Zum „Dank dafür entwendete er ihr aus dem Schreibtisch Geldbeträge in Hohe von mindestens 1000 RM. Da der Erbschleicher übrigens wah rend der Geschichte mit den Dollars Fürsorge bezog, diese „Ein nahmen" aber nicht gemeldet hatte, war er noch des Betruges schuldig geworden. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen Untreue, Betrugs und Diebstahls zu einem Jahr Gefängnis und 150 RM Geldstrafe. SAeMan der Dresdner Theater. 27. November bis 4. Dezember 1938. Opernhaus. Sonntag (27.) 17 Uhr: Die Meistersinger von Nürnberg; Montag 19.30 Uhr: Undine; Dienstag N Uhr: Die Gärtnerin aus Liebe (NSKG. 8201—8400, 15501—13350)- Mittwoch 19.30 Uhr: Die Zauberflöte (5801 bis 7000 16101—17150, 20301—20350); Donnerstag 20 Uhr: Fra Diavolo (SM—6800, 15801—13850, 20051 bis 20100); Freitag 20 Uhr: La Traviata (5201—5300, 8401 bis 8800, 18351—104'0, 20651—20400); Sonnabend 19.30 Uhr: Lucia von Lammermoor »(7801—8000,18401—18450); Sonntag 14,30 Uhr: Hanse lund Gretel, Die Puppcnfee; 20 Uhr: Tiefland (8801—OMO, 15701—15750). Schauspielhaus Sonntag (27.) 19.30 Uhr: Der Engel mit dem Soitenspicl (NSKG. 3801—3M0, 15031—16000); Mon tag 19 Uhr: Faust 1 Teil; Dienstag 20 Uhr: Minna von Darnhelm (NSKG. 7010—7260, 20201—20250); Mittwoch 20 Uhr: Pantalon und seine Söhne (4001—4200, 15301 bis 15350)- Donnerstag 20 Uhr: Der Engel mit dem Saiten- spiel (1—300 16201—16250); Freitag 20 Uhr: Der Ueme Muck (301—3M); Sonnabend 20 Uhr Das Frankenburger Würfelspiel (501—700, 15351—15400, 20451—20500); Sonntag 19.30 Uhr: Der kleine Muck (701—900, 13151 bis 16200k. Theater des Volkes (Städtisches Theater am Albertplatz): Sonntag (27.) 20.15 Uhr: Hofball in Schönbrunn (NSG. „Kraft durch Freude" Ring Nr. 10); Montag 20.15 Uhr: Hvfball in Schönbrunn (Ring Nr. 11, NSKG. 901—1000k; Dienstag 20.15 Uhr: Ein ganzer Kerl (Ring Nr. 12; 3101 bis 3200); Mittwoch 20.15 Uhr: Der Zarewitsch (geschlossene Vorstellung); Donnerstag 20.15 Uhr: Hosball in Schön brunn (Ring Nr. 13; 6501-8600); Freitag 20.15 Uhr: Der Zarewitsch (Ring Nr. 14, 9001—9100); Sonnabend 1tz Uhr: Peterchens Mondfahrt; 20.15 Uhr: Ein ganzer Kerl (Ring H; 4601—4700); Sonntag 16 Uhr; Peterchens Mondfahrt; 20,15 Uhr: Der Zarewitsch (Ring 6)) . Komödienhaus. Sonntag (27.) vorm. 11 Uhr: Einm-asiger Tanzmorgen Geschwister Erwin und Poldi Pokorny von der Staatsoper Wien; 16 Uhr: Das Hahnenei; 20.15 Uhr: Park straße 13 (NSKG 1501—16M); Dienstag 20.15 Uhr: Park- strahe 13 (3301-5400); Mittwoch 20.15 Uhr: (5401-5500»; Donnerstag, Freitag 20.15 Uhr: Gastspiel 8ba Wüst mit Berliner Gesellschaft: Mama räumt auf; Sonnabend 20.15 Uhr: Parkstraße 13 (5501—5600); Sonntag 11 Uhr: Mor genfeier Der Prophet; 16 Uhr: Das Hahnenei; 20.15 Uhr: Parkstraße 13. Central-Theater. Sonntag (27.) 14 Uhr: Schneeslöckcheir fällt vom Himmel; 16.30 und 20 Uhr: Himmelblaue Träume; Montag bis mit Sonnabend 20 -Uhr, Sonntag 20.15 Uhr: Himmelblaue -iTräume; außerdem Mittwoch und Sonnabend 16 Uhr, Sonntag 14 Uhr: Schneeflöckchen fällt vom Himmel. WUe. Sandel. Wirtschaft. Nossener Produktenbörse 25. November 1938. Heute gezahlte Preise: Weizen, 75/77 Kilo, effektiv, Nov.- Festpreis 9.90; Roggen, 70/72 Kilo, effektiv, Nov.-Festpreis 9.35; Sommergerste Festpreis 10.75; do. Winter-, 2zeilig 68 Kilo zu Jndustr. —; do. 4zeil. 59/60 Kilo 8.60; Hafer, Nos.- Festpreis 8.45; Raps trocken —; Mais verzollt, Tauschware 8.35; Wieseicheu, Erzeugerfestpreis 2.70 bis 3.20; Stroh Weizen- und Roggen-) Erzeugerfestpreis 1,40—1,50; PreUtroh 1,50—1,60; Weizenmehl Type 790 Asche 0.997 15,92^; Roggenmehl Type 997 0/75?z, Asche 0,997 12.40; Noggenkleie 5,85—6,15; Weizenkleie 6,45—6,65; Speisekartof feln, neue weiße, rote ft. Empfangsstat. 2.25; do. gelbe lange runde 2H5; Landeier Marktpreis für 1 Stück 0,12; Landdutter Marktpreis IL-Pfunöstück 0,76. Amtliche Berliner Notierungen vom 25. November (Sämtliche Notierungen ohne Gewähr) Berliner Wertpapierbörse. Nach den in den letzten Tagen emgetretenen Steigerungen war die Kursentwicklung am Aktienmarkt nach unten gerichtet. Im Verlauf wurden die Anfangsnotierungen unterschritten, später stellten sich kleine Schwankungen ein. Am Rentenmarkt machte sich die neue Anlethezeichnung wenig bemerkbar. Die Umschuldungsanleihe gab auf 92,80 nach bei einem Umsatz von 30 000 bis 40 000 Mark. Reichsbahnvorzugsaktien waren auf 124,62 rückgängig. Weit ist-erWeg zum Glück Doman aus den Bergen von Hans Ernst <k!xSn-«echvlAiU,: veuilch« ,«m. k. Un,mlchl, S«! 5»chU Ollöh,») 14j Da war sie nun aufgewacht heute früh, hat ein wenig verwundert um sich gesehen und sich erst allmählich an alles erinnern können, was geschehen war. Gewiß, es war ein wenig leichtsinnig von ihr, einen Berg anzupacken wie das Hoh: Wank, trotzdem sie gesehen hat, daß es doch zum Regnen kommt. Wie es nun eigentlich geschehen war, das weiß sie auch jetzt noch nicht genau. Der Stein, an dem ihr Fuß Halt gesucht hatte, knirschte plötzlich. Durch den Ruck, der dadurch ihren Körper straffte, verließ sie die Kraft in den Armen und sie stürzte. Dann wußte sie nichts mehr. Als sie wieder auf wachte für eine kurze Zeit, war es stockdunkel um sie und der Regen lief ihr über das Gesicht. Sie versuchte wohl, sich zurechtzutasten, doch merkte sie gleich, daß eine unvorsichtige Bewegung sie vollends in die Tiefe schleudern könnte. So ergab sie sich ihrem Schicksal, bis ihr die Sinne wieder schwanden. Beim Wiedererwachen war sie dann in dieser Jagdstube in einem Bett mit blaugewürfelter Decke und Kissen. Ein Mädchen kam dann mit einer Schüssel Milch und erzählte ihr, daß der Franzl sie in der Nacht vom Berge gerettet habe. War es ein Wunder, daß sie nun den ganzen Vormittag in brennender Ungeduld verbrachte, bis dieser Franzl dann von seinem Dienst zurückkam, damit sie ihm danken könne für seine Hilfe? Und nun ist sie wieder allein — bis zum Abend. Warum sie nur andauernd an ihn denken muß? Ist er denn wirklich so interessant? Nein, er ist auch nicht anders wie die jungen Männer, die sie bisher kennengelernt hat. Er ist einer von jenen Typs, die hier aufwachsen, trägt kurze Lederhosen und gewürfelte Bauernhemden. Also gar keine Ursache, Gisela Heydenreich, länger und intensiver über ihn nachzudenken. Und doch, und doch! Da saß er heute mittag vor ihr und I schnitt Riesenbrote ab, schob ihr Butter zu und Wurst, als hätte er einen ausgehungerten Handwerksburschen vor sich, und nicht Gisela Heydenreich, Gutsbesitzerstochter aus Pom mern, die es jedes Jahr in die Berge zieht, weil ihr Vater auch aus diesem Lande stammte und sich oben am Meer nie so recht wohl gefühlt hatte. Sie sieht die Hände des Jägers wieder vor sich, wie er das Brot schnitt. Sieht seine Augen. Niemals vorher hatte Gisela solche Augen gesehen, Augen voll Lachen und Sonne, Augen, in denen eine junge, schöne Menschenseele sich wider spiegelte. Nun weiß sie es plötzlich. Seine Augen sind es, die sie nicht loslassen, an die sie wohl immer denken wird, obwohl er nichts ist als ein gewöhnlicher Jagdgehilfe, der nichts hat als seine Büchse und ein karges Gehalt. Während sie noch weiter über den Jäger nachdenkt, wird hinter der Hütte ein Schritt hörbar. Es ist die Liesl von der Steindlalm, die kommt, um nachzuschauen, was der geprellte Knöchel mache. Sie nimmt den Umschlag fort, beginnt den Fuß zu massieren und legt wieder frische Kräuter auf. „Bis morgen können S' schon wieder laufen", meint sie fachkundig. » „So schnell geht das? Sagen Sie mal, der Franzl — nicht wahr, Franzl heißt doch der Jäger? —, wo ist er denn zu Hause?" Die Liesl gibt bereitwilligst Auskunft, singt ihr Lob über den Jäger in den höchsten Tönen, und als das Fräulein dann noch wissen will, ob er auch ein Mädchen habe, schüttelt die Liesl den Kopf. „Der Franzl hat sich noch' mit keiner einlassen." Sie schaut die Fremde plötzlich scharf an. „Und Sie lassen ihm auch seine Ruh", sagt sie böse, als hätte sie für das Seelenheil des Achleitner Franzl verantwortlich zu sein. Gisela muß unwillkürlich lachen. „Seh ich denn aus, als ob ich ihn verführen wollte?" Die Lisl betrachtet sie abwägend, zuckt dann mit den Schultern und meint: „Herschaun tun S' grad net so. Aber die Eva bat auch den Adam mit dem Apfel lolana trabt, bis er einebissen hat." Daraufhin wischt sie sich mit dem Hand rücken über die Nase und verschwindet um die Ecke. Dann klingt ihre Stimme mißtönig über das Almfeld herauf: „Kuhlä geh, Kuhlä geh!" Sie treibt die Kühe zusammen, um zu melken. Der schöne Abend dämmert. Die Mondsichel steht blaß und schmal am Abendhimmel, der sich gegen Westen hin schon vorbereitet auf das große leuchtende Spiel des Sonnen unterganges. Gisela Heydenreich und der Achleitner-Franz sitzen vor der Jagdhütte und speisen zu Abend. Er war vor einer Viertelstunde heimgekommen, und da hatte Gisela schon den Tisch bereitet, hatte Tee gekocht und Eier, hatte die Brot scheiben geschnitten — zwar nicht so dick wie der Jäger — und hat sogar am Hang droben eine Handvoll Blumen ge funden, die nun freundlich den Tisch schmücken. Franz nickt anerkennend. „Sauber haben S' alles her gerichtet. Da schmeckt es gleich nochmal so gut. Was macht der Fuß?" „Oh, danke! Das Mädchen drunten hat ihn nochmal massiert und bandagiert. Es meint, morgen — nein — in ein paar Tagen könnte ich schon wieder lausen." „Na also, da ist ja nochmal alles gut abgegangen. Und die Schramme in Ihrem — hübschen Gesicht — freilich ist es ein kleiner Schönheitsfehler — aber sie wird ganz gut ver heilen." „Das sollten Sie nicht sagen, Franz. Das paßt nicht zu Ihnen, Schmeicheleien." „Sie sind aber schön", sagt er plötzlich ernst werdend. „Ich habe keine Ursache, Ihnen zu schmeicheln. Schön und jung sind Sie." Nach einer Weile steht er auf, holt sich in der Hütte seine kurze Pfeife und setzt sich neben das Mädchen auf die Bank. Während die blauen Wölkchen langsam aufsteigen und zu wandern beginnen, lagt er: (Fortsetzung folgt)