Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer TuaeblM 2. Blatt zu Nr. 206. Sonnabend, den 3. Sept. 1938 j! Sie HHWffllliMstrHhe in Schlesien » Orte von der Umwelt abgeschnitten — Bewohner in höchster Gefahr — Bewohner in höchster Gefahr Lagesspruch. , Dos Kapital ist nicht die Herrin des Staates, sondern sein Diener. Gefecht auf der Zeppeliawiese Die Wehrmacht aus dem Reichsparteitag Wie immer gehört auch bei dem diesjährigen Reichs parteilag in Nürnberg ein Tag der Wehrmacht. Diesmal ist es der 12. September. Er wird eingeleitet mit dem Großen Wecken, ausgeführt von den sämtlichen Musikkorps und Spielleuten, die zum Reichsparteitag zu sammengezogen sind. Um 8 Uhr vormittags findet die erste Vorführung der Wehrmacht auf der Zeppelinwiese statt, um 14 Uhr die zweite Vorführung der Wehrmacht, die sich beide in ähnlichem Rahmen halten wie im Vor jahre. Sie beginnen mit den Vorführungen der Luftwaffe. Neu ist dabei, daß auf der Zeppelinwiese sowohl gestartet als auch gelandet wird. Unter anderem wird auch eine Kunstflugsegelstaffel des NSFK. landen. Es folgen sie Vorführungen der Flakartillerie mit Abwehr durch Kampf verbände und Sturzkampfverbände. Ihnen schließen sich die Vorführungen des Heeres, und zwar aller Truppen gattungen an, beginnend mit der Kavallerie, dann folgen Aufklärungs- und Nachrichtentruppen, Artillerie, Pioniere, Panzertruppen, den Schluß bildet ein modernes Gefecht der Infanterie, verbunden mit Pionier-Kampfwagen und Fliegern, die in dieses Jnfanteriegefecht eingreifsn. Der „Tag der Wehrmacht" findet seinen Abschluß wie immer durch den Zapfenstreich um 24 Uhr vor dem „Deutschen Hof". Hieran beteiligen sich 550 Musiker, 250 Spielleute und 750 Mann Begleitmannschaften und Fackelträger aus allen Wehrmachtteilen. Die Wehrmacht stellt außerdem die Ehrenkompanie beim Empfang des Führers am Rathaus am 5. Sep tember. Gleichzeitig schießt eine Salutbatterie vor der Kaiserstallung auf der Burg, drei Ehrenkompanien werden gestellt zum Parteikongretz, eine Salutbatterie für die Standartenweihe anläßlich des SA.-Appells im Luitpold- Hain. Weiter veranstaltet die Wehrmacht auf verschiedenen Plätzen in Nürnberg und Fürth Standkonzerte. Sie be teiligt sich endlich an den NS.-Kampfspielen. Täglich 220 000 Tagesverpflegungen Die Verpflegung der Massen liegt wieder beim Hilfszug Bayern, der bereits seit Tagen seine Arbeit ausgenommen hat und seine Leistungen von Tag zu Tag steigern mutz. In den letzten vier Tagen des Reichsparteitages gibt dann der Hilfszug Bayern täglich an rund 220 MO Personen volle Tagesverpflegung ab, die aus Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie Marsch verpflegung besteht. Für diese umfassenden Verpflegungsmatznahmen wer den rund 1,4 Millionen Pfund Brot, etwa 1,5 Millionen Portionen Wurst, 1,1 Millionen Portionen Käse, 1,3 Mil lionen Portionen Marmelade usw. verbraucht. Dazu kommen noch entsprechende Mengen an Schokolade, Keks, Gemüse und Fleisch. — Das Lager des Hilfszuges Bayern am Langwasser besteht aus insgesamt 180 Fahrzeugen und etwa 50 Zelten. Die Besatzung ist 1350 Mann stark. Ae!u« Blumen «xrfen! Den Nürnbergfahrern zur unbedingten Beachtung. Die Teilnehmer am Reichsparteitag werden erneut auf folgende Anweisung hingewiesen: 1. Das Werfen von Blumen m die Wagen des Führers und seiner Begleitung ist wegen der damit ver bundenen Gefahr sür die Insassen der Wagen strengstens untersagt. 2. Den getroffenen Absperrmastnahmen ist vollstes Verständnis entgcgenzubringen. Das Heranspringen an den Wagen des Führers ist unter allen Umständen zu unterlassen, da sonst schwere Unfälle verursacht werden können. Tagelang sind ununterbrochen gewaltige Regenmassen über Schlesien niedergegangen, die katastrophale Neber- schwemmungen verursacht haben. In 36 Stunden fiel in Breslau z. B. doppelt soviel Regen wie sonst in einem Monat. Wie ungewöhnlich ergiebig die Regenfälle waren, die in 24 Stunden niedergingen, zeigen folgende Angaben: Steinau 83 Liter auf den Quadratmeter, Trachenberg 111, Schweidnitz 85, Reichenbach 66, Habelschwerdt 78, Dyhern- surth 112 Liter und Breslau 68 Liter. Schteckensnacht in Glatz Am furchtbarsten ist das Hochwasser in Glatz und im Neitzetal. In Glatz schossen nachts die Wasser durch die Straßen der unteren Stadt. Von allen Seiten ver gefähr deten Stadtteile trafen unaufhörlich Hilferufe der Be wohner gefährdeter Häuser ein, ohne daß es dem Kata strophenschutz möglich war, an allen Stellen gleich Hilse zu bringen. Die reitzende Strömung verhinderte jeden Versuch, die Hausbewohner, die in einem der Häuser zwischen der Reiße und dem Mühlgraben ringsum vom Wasser eingeschlossen waren, in Sicherheit zu bringen. Sie retteten sich in die oberen Stockwerke und gaben hin und wieder Lichtsignale, zum Zeichen, daß sie noch wohl auf waren. Furchtbar wütete das Wasser auf dem Nsssmarkt in Glatz, wo die MinorftcuftrHe u n drei Häu'rr stunden lang einen unerhört starken Truck der anderttmlü Meter hohen Fluten auszuhaften hatten. Ais die Hausbewohner, die sich bald in die oberen Stockwerke gerettet hatten, beobachteten, dast das mittlere per Häuter vom Wasser unterspült wurde, gelang es ihnen, durch die Bvu-nrSume nach dem Dachgeschoß des Nachbararunds-ückes ?u kommen. Bald darauf stürzte das unterspülte Haus mit gewaltigem Getöse in sich zusammen, ohne daß Menschenleben zu Schaden kamen. Im Schein der Fackeln gelang es der Feuerwehr, unterstützt durch die Wehrmacht, in mühevoller Arbeit eine große Schiebelciter auszustellen und eine mehr als 20 Meter lange Verbindung zu einer Dachluke guer Über die Straßen zu schassen. Ucber diese Leiter wurden dann die Bewohner der drei Häuser aus der Gefahr, die ein weiterer Hauseinsturz bringen konnte, in Sicherheit gebracht. Auch aus vier Häusern in der Roßstraße holte die Feuerwehr die Einwohner mit Schlauchbooten und langen Leitern heraus. Wehrmacht, Feuerwehr und die Mannschaften der ein gesetzten Formationen, die teils bis zur Brust in der Strömung standen oder auf Dächern entlangkletterten, zeigten Proben stillen Heldentums und Opferbereit schäft. Ersenbahnstrecken gesperrt Am Freitag war die Stadt Reißevo n jeglichem Verkehr abgeschnitten. Der gesamte Zugverkehr wurde wegen des Hochwassers nach alle» Richtungen von neige aus emgegenl. Aus der Strecke von Neustadt nach Neiße entgleiste infolge des Hochwassers ein Güterzug. Wie die Neichsbahndirettion Breslau am Freitag mit- teilt, sind folgende Reichsbahn st recken Wege« Hochwassers in ihrem Bereich gesperrt: Trachenberg— Herrnstadt, Maltsch—Koitz auf der Strecke Wohlan— Maltsch sowie das Gleis zwischen Hubertushof und Schweidnitz aus der Strecke Schweidnitz—Breslau-Haupt- bahnhof. Die Regenmassen haben auch das harmlose Striegauer Wasser im Altkreis Striegau in einen Strom verwan- velt. Technische Nothilfe, Freiwillige Feuerwehr und Polizei arbeiten Hand in Hand, um die Brücken zu schützen. Teichau, Oelse und Ullersdorf wie die angrenzen den Ortschaften wurden vonderAutzenweltvöllig abgeschnitten. Lichtleitungen und Telephon sind unterbrochen, und die Bewohner Vieser Ortschaften sind völlig ans sich selbst gestellt. Auch die Wasserläufe des Kreises Frankenstein zeigen wie alle übrigen Bäche und Flüsse des Vsrarbirges neues Hochwasser uns haben kata strophale Ueberschwemulungen hervorgerusen. T^^rrre str? ü* Dos Hochwasser im Hirschberger T ! ist ftit der zum Freitag infolge Kurve." :ru»g im Fick-Zug. Da gegen war cm Freitag früh im unteren Teck vrs Bobers vas Hochwasser noch stark im Steigen Nm Donnerstag gegen IS Uhr war Vie 50 Millionen Kubikmeter fassende Talsperre Mauer gefüllt und lief über. Damit § trat zugleich für die unterhalb der Talsperre liegenden Orte eine grobe Hoch .'ch'orgesabr ein. Lä' n wurde völlig i -erschwommt, der Markt bU . e einen einzigen See. In die Häuser drang das Wasser trift weise meterhoch ein und viele Häuser mußicn völlig qc räumt werden. Auch die Dörfer zwischen der Talsperre und Lützn sowie die Orte unterhalb Lähns bis LLwenbrrs sind überschwemmt. In Hirschberg wurde die Siedlung Lei Hartau unter Wasser gesetzt. Auch andere Orte des Hirschberger Tales, so besonders Schwarzbach, Zillertal-Erdmannsdorf, Lom nitz und andere, wurden zum Teil überschwemmt. Die Reichsstraße von Hirschberg nach Breslau war bei der Boberbrücke in Hartau überflutet und daher gesperrt. Der angerichtete Hochwasserschaden dürfte mehrere Mil lionen Mark betragen. 40 OVO Gack Zucker müssen umgelagert werden Die Stadt Wartha ist mit am schwersten vom Hoch wasser betroffen worden. Die Lichtversorgung wurde unter brochen, da das Elektrizitäts- und das Gaswerk vom Hoch wasser durchflutet wurden. In H e n n e r s d o r f hat das Wasser die Dorfstrahe auf eine Länge von 50 Meter uns in einer Tiefe von 3 bis 4. Meter ausgerissen. Verheerens Rund um Europ» rass diese neue „Siebel Fy. 104", eine der jüngsten und erfolgreichsten Konstruktio nen der deutschen Flugzeug industrie. Das fünfsitzige Kurierflugzeug ist mit zwei Motoren von je 240 ?S aus gerüstet und hat eine Spit zengeschwindigkeit von 340 Stundenkilometer. (Scherl-Wagenborg.) (Urheberschutz d. Stuttgarter No»and!e»ss T. 30 s Frau Adrienne Wartegg-Durger achtete nur wenig auf den Schmerz, der den jungen Künstler aufs neue über mannen wollte. Sie griff nach dem Brief, den er in seinen Händen hielt, und zog den weißen, schmalen Bogen her vor, der mit Rosis zierlicher Handschrift bedeckt war. Mft brennenden Augen las die Sängerin jene Worte, mit blutendem Herzen geschrieben hatte, und suhlte sich als Siegerin. Aber sie verriet nichts von ihren Empfindungen. Eie stellte sich besorgt, tastete verstohlen nach Thomas Haydns Hand und streichelte sie tröstend. Daber flüsterte sie: „Armer Meister, geht Ihnen der Abschied von dem kleinen Mädel so nahe, daß Sie darüber sogar die Freude an Ihrem herrlichen Sonnen-Eischen verloren haben?" Thomas Haydn bedeckte für Sekunden seine Augen mit der Hand und stöhnte: „Ich liebe Rosi über alles. Sie ist mein Sonnen- Elfchen, mein ein und mein alles. Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht denken." Die schöne Sängerin preßte die Lippen zusammen, und zwischen ihren Augenbrauen stand eine scharfe Falte, die deutlich vernet, wie peinlich sie diese Worte berührten. Eine harte Antwort wollte sich auf ihre Lippen drängen. Aber die lockenden, süßen Klänge der Sonnen-Eischen- Musik klangen an ihr Ohr und schmeichelten sich in ihr Herz. Sie war viel zu sehr Künstlerin, um nicht mit fei nem Verständnis vorauszusehen, daß dieser junge Kompo- nist eine große Zukunft vor sich hatte. Und diese Zukunft spornte ih> n Ehrgeiz an. Täglich verriet ihr der unerbittliche Spiegel, daß ihre Schönheit im Welken war — daß selbst die geschickte sten Schminkkünste die Spuren des Alterns nicht mehr zu verdecken vermochten. Aber sie wollte noch nicht alt werden. Sie fürchtete sich davor und bemühte sich deshalb, sich selbst zu belügen. Und so war in ihrem Herzen heiße Leidenschaft für diesen jungen Musikanten erwacht, dessen Erstlingsopei ein Meisterwerk war. Und im Dunkel des Zuschauerraumes schmiegte sie sich zärtlich an Thomas Haydn an, so daß er den Duft des verwirrenden Parfüms spürte, das sie immer umschwebte, doch ihm erschien es zu aufdringlich, so daß er unwillkür- lich den Kopf zur Seite wandte. Aber Frau Adrienne Wartegg-Durger fühlte diese leise Abwehr nicht, sie sah nur ihr Ziel vor Augen und fuhr erregt fort: „Die Zeit heilt alle Wunden, Thomas, und wenn erst Ihr Sonnen-Elfchen den großen Erfolg gebracht haben wird, dann werden Sie das kleine dumme Mädel, das Ihnen jetzt den Laufpaß gibt, bald vergessen." Doch Thomas Haydn schüttelte den Kopf und mur melte: ,Lch werde Rosi nie vergessen, und ich werde auch nicht eher an diese Zeilen glauben können, bevor ich nicht aus ihrem eigenen Mund gehört habe, daß sie mich nicht mehr liebt." Frau Adrienne zuckte bei diesen Worten erschrocken zusammen und beugte sich weiter vor, um in dem Däm merlicht das Gesicht Thomas Haydns besser erkennen zu können. Ihre Stimme klang erregt, als sie frrate' „Was wollen Sie tun?" > .ss > .LMM ».««MHI > tftijMIMfi H „Ich will Rosi aufsuchen. Ich muß mit ihr sprechen.* Entsetzt hob Frau Adrienne beide Hände und rief: „Um Gottes willen, das wollen Sie tun?" „Erst wenn ich ihr Auge in Auge gegenübergestan den und aus ihrem Munde gehört habe, daß sie mich nicht mehr liebt, werde ich es glauben." Da verzog sich der Mund der Sängerin zu einem spöttischen Lächeln. „Sie wollen also dem kleinen Mädel nachlaufen, Meister? Sie, dem Tausende von Frauenherzen zujubeln werden?" Thomas Haydn schaute mit starren Blicken vor sich hin. Er schwieg lange und hing seinen Gedanken noch. Dabei lauschte er wie traumverloren den Klängen seines Sonnen-Elfchens. Und diese Melodien, die er Rosi so oft vorgespielt hatte, die in ihm in seiner übergroßen Liebe zu ihr erblüht waren, machten ihm das Herz noch schwerer, als es ohnedies war. „Ich muß Rosi sehen! Ich muß mit ihr sprechen. Ich habe sie lieb und meine Liebe wird alle Schatten bannen können, die jetzt auf unserem Glück ruhen." Da aber umspannte Frau Adrienne Wartegg-Durger mit festem Griff seine Hände. Ihre Augen blitzten trotzig auf, und erregt erklärte sie: ,Zch muß jetzt über Sie wachen .Ich werde auf keinen Fall dulden, daß Sie eine Torheit begehen. Sie dürfen diesem Mädel nicht nachlaufen — Sie nicht, denn bald wird Ihr Name in aller Leute Mund sein, bald wer- den alle Zeitungen große Artikel über den jungen Kompo- nisten schreiben. Sie werden von den Frauen umschwärmt werden, man wird Ihnen huldigen und sich um Ihre Ge sellschaft reißen. Dann aber werden Sie dieses kleine blon de Ding bald vergessen." Thomas Haydn saß ganz in sich zusammengesunke« da und dachte immerfort nur an Rosi. (Fortsetzung fol-Lj