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8 Wilsdruffer Tageblatt I 3. Blatt zu Nr. 209. Mittwoch, den 7. September 1438 I Konrad Henlein in Nürnberg Fm Oktober erster Parteitag der SdP. Konrad Henlein ist am Dienstagnachmittag nach Nürnberg abgereist, wo er als Gast des Führers und Welchskanzlers am Parteitag teilnimmt. Am 15. und 16. Oktober hat, wie das Presseamt der SdP. mitteilt, Konrad Henlein eine Haupttagung und den ersten gesamtstaatlichen Parteitag der SdP. angeordnet. Auf der Haupttagung werden alle Amtswalter der Be wegung, sämtliche Ortsleiter, Bürgermeister und Ge meindevorsteher, die der SdP. angehören, erscheinen. Der Parteitag, der erste der SdP. seit ihrem Bestehen, wird m Aussig abgehalten. In Eger empfing Konrad Henlein die Verhandlungs- abordnung der Sudetendeutschen Partei, die ihm Wer den Stand der Verhandlungen berichtete. Henleins Besuch in BerchiesZLöen Eine sudetendeutsche Richtigstellung Das Presseamt der Sudetendeutsckcn Partei teilt mit: Eine unwahre und tendenziöse Berichterstattung in Ler in- und ausländischen Presse über die politisch Ent wicklung im Zusammenhang mit dem Nationalitäten problem in der Tschccho-Slowakei veranlaßt das Presse amt der Sudetendeutschen Partei, nachstehende Richtig stellungen bekanntzugeben: 1. Der Besuch Konrad Henleins beim Führer und Reichskanzler am Freitag, dem 2. September 1938, er folgte auf Ersuchen der englischen Mission in Prag, ledig lich zur Ueüermittlung eines Wunsches ohne konkreten Zusammenhang mit dem sogenannten neuen tschechischen Plan. 2. Die Vertreter der Sudetendeutschen Partei, Abg. Kundt und Sebekowski, hatten am selben Tage, Freitag, Lem 2. September, eine weitere private Unterredung mit Lem Staatspräsidenten, in welcher sie in schriftlicher Form Len inoffiziellen tschechischen Vorschlag beantworteten. In folgedessen sind alle Kommentare hinfällig, die davon zu berichten wissen, daß Henlein mit dem sogenannten neuen "tschechischen Plan nach Berchtesgaden gefahren sei. Bereits üus dem zeitlichen Zusammenhang ist weiter ersichtlich, daß die Sudeteudeutsche Partei ihre schriftliche Antwort vor der Rückkehr Henleins dem Staatspräsidenten über geben hatte. Prag will definitive Vorschläge machen „In allernächster Zeit" Wie das Tschecho-Slowakische Preßbüro meldet, hat das Kabinett in einer beim Präsidenten der Republik aügehaltenen Sitzung beschlossen, daß definitive Vor schläge „in der allernächsten Zeit" den Vertretern der Sudetendeutschen Partei mitgeteilt werden. -i- Jm Prager Stadtparlament kam es zu schweren Zu sammenstößen zwischen den Vertretern der Sudetendeut- schen Partei und der tschechischen Mehrheit. Auf der Ta gesordnung stand KK Wahl der Kandidaten für den Rat Ler deutschen „Minderheitenbücherei" in Prag, zu der von sudelendeutscher Seite rechtzeitig ein Wahlvorschlag ge macht worden war. Entgegen dieser klaren Rechtslage wurde von gegnerischer Seite eine tschechisch-jüdi sche Liste ausgestellt mit dem Ziel, die Sudetendeut- fchen, die mehr als drei Viertel aller deutschen Stimmen in Prag auf sich Vereinen konnten, aus dem Rat der Bücherei auszuschalten. Die deutschen Vertreter, die gegen Liesen Bruch aller demokratischen Grund sätze Protest einlegten, wurden von der tschechischen Mehrheit, in der sich Kommunisten und Rechtsparteien fanden, niedergebrüllt. Eine Flut wüster Beschimpfungen und Pöbeleien ergoß sich über die deutsche Gruppe. Ob wohl endlich der Prager Oberbürgermeister die Nennung von vier Kandidaten der Sudetendeutschen Partei zuließ, wurde mit sämtlichen tschechischen Stimmen die soge nannte demokratische Liste gewählt. Nervosität in Frankreich Die Pariser Presse zu den militärische« Maßnahme« Die militärischen Maßnahmen der französischen Re gierung, die in der Veröffentlichung des halbamtlichen Havas-Büros zugegeben werden, stehen neben dem Nürn berger Parteitag im Vordergrund der Betrachtungen der Pariser Presse. Dabei sind die Blätter durchweg bemüht, die Bedeutung dieser Maßnahmen abzuschwächen und die internationale Lage als entspannter darzustellen. Da neben berichten die Sonderkorrespondenten der großen Blätter ausführlich über den triumphalen Empfang des Führers in der Stadt der Reichsparteitage und über die Reden in Nürnberg. Der „Petit Parisien" weist darauf hin, daß Daladier erst kürzlich die Notwendigkeit unterstrichen habe, „aufmerksam, entschlossen und kaltblütig zu bleiben." Seither hätten sich neue Ereignisse abgespielt. Es handele sich hierbei um voll kommen normale Maßnahmen, die in den Rahmen der in solchen Fällen vorgesehenen Vorsichtsmaßnahmen fielen und über die man sich deutscherseits nicht wundern dürfe. Sie könnten auf keinen Fall die Oeffentlichkeit beunruhigen, denn ihr Zweck sei der, an der „Aufrechterhaltung des Frie dens mitzuwirken". Das Journal" verweist auf die Unterredung mit einer hohen Persönlichkeit aus der Umgebung des sranzösifchen Ministerpräsidenten, die erklärt habe, daß die Gerüchte über eine Mobilisierung mehrerer Jahrgänge nicht den Tatsachen entsprechen. Man habe lediglich gewisse Reservisten einberufen, um die Befestigungstruppen aus einer „normalen effektiven Truppenstärke" zu halten. Diese Einberufungen seien unter dem Gesichtspunkt vor sich gegangen, ausgebildete Truppen Heranzuziehen, ohne dabei den Jahrgang zu berücksichtigen. Hieraus erkläre sich auch, daß Reservisten verschiedenen Alters aus den verschiedensten Gegend einberufen worden seien. Der Chefredakteur des rechtsstehenden Blattes „Jour" meint, Sowjetrußland stelle Frankreich eine Kriegsfälle, um Frankreich in den Abgrund zu stürzen. Ein kaltblütiger und beständiger Wille, der nicht französisch, sondern sowjctrussisch sei, fordere das Land täglich auf, die Feindseligkeiten gegen Deutschland zu eröffnen. Glücklicherweise seien diese Manöver aber an dem gesunden Menschenverstand des französischen Volkes bis setzt gescheitert. Es sei jedoch nicht zu bestreiten, daß in ganz Frankreich eine selten beobachtete Nervosität herrsche. Die Einstel lung einer Anzahl von Reservisten und die Beibehaltung des jetzt ausgebildeten Jahrganges unter den Fahnen gäben zu allerlei Mutmaßungen Anlaß. Die große Masse des franzö sischen Volkes wünsche den Frieden und wolle nicht einsehen, warum Frankreich zu Maßnahmen greift in einer Frage, die nichts mit den lebenswichtigen Interessen des Landes zu tun habe. „Beeinflussung der Haliung Prags" Rom gegen die Hetzmethoden der Pariser Presse. Die halbamtliche Pariser Havas-Meldung über die Ein- berusung französischer Reservisten wird von der römischen Presse ohne sensationelle Aufmachung veröffentlicht. Die ruhige und seste Haltung, die m dem halbamtlichen deutschen Kom mentar zum Ausdruck kommt, wird von den italienischen Zei- I tungen in den Ueberschriften allgemein hervorgehoben. Ande- I ttrsests weises die Pariser Korrespondenten die Methoden der j Pariser Presse zurück, mtt denen gegen DeutskyLa»B und Italien weitergehetzt werde, um, wie der Pa riser Vertreter des „Messaggero" ausführt, die militärischen Maßnahmen, die die französische Regierung gerade zur Eröff nung des Reichsparteitaqes ergriffen habe, vor dem beunruhig ten französischen Publikum zu rechtfertigen. Der Korrespondent des „Messaggero" betont, daß Deutsch land mit der Befestigung feiner Grenze nichts anderes» tue, als was Frankreich schon seit Jahren mit der Einrichtung der Maginot-Linie getan habe. Manöver gehörten in allen Staaten zur normalen Taaesordnuna und würden gerade auch in ganz Frankreich zur Zeit unter Teilnahme aller Waffen veranstal tet. Unter diesen Umständen könne es nur einen Grund für die Maßnahmen der französischen Rezierüng geben, nämlich den, die Ereignisse in Mitteleuropa und insbesondere die Hal tung von Prag zu beeinflussen, womit gleichzeitig die Wünsche ver unter dem Befehl Moskaus tätigen Ejstemisten abfördert würden, die ja bereits seit geraumer Zeit niit großem Stttn- menauswand die Intervention in der tschecho-slochakische« Frage verlangen. Das Loch an sowjetspanischtt Grenze Täglich gehen 5000 Hektoliter Benzin Aber Frankreich nach Sowjetspanicn Durch das Loch in der sranzösisch-sowjetspänische» Grenze, durch das den Spanienbolschewisten Nachschub und Kriegsmaterial in reichen Mengen zugeführt wird, sind in den letzten Monaten riesige Mengen Benzin ge schafft worden. Die Wagen rollen in allbr Oeffentlichkeit zwischen Cerböre und Port Bou über dir Grenze. Gilt doch Benzin nicht als Kriegsmaterial rind somit auch nicht zu den vom Nichteinmischungsausschuß für die Ein fuhr verbotenen Artikeln. Als Sammellager für die aufdem Seewege ein- trefsenden Benzintransportc dient der französische Mittel- mecrhafen Cctte. Von dort aus wird der Brennstoff auf dem Landwege auf Speziallastwagen über Cerböre und Port Bou nach Barcelona gebracht. Der Tarif für diese Transporte ist folgender: für eine Reise Cette—Barcelona und zurück sind für den Lastwagen 100H Franc zu be zahlen sowie eine Entschädigung von 300 Franc für de« Fahrer. Da die nationalspanischc Luftwaffe diese Beuzii»- transportc als militärische Ziele betrachtet, finden die Fahrten nur nachts und bei abgeblendeten Lichtern statt. Täglich rollen etwa 100 Lastwagen über die Grenze mit insgesamt etwa 5000 Hektolitern Benzin. An der Grenze werden die Fahrer bon den franzö sischen Beamten pflichtgemäß darauf aufmerksam gemacht, daß die Weiterfahrt auf spanischem Gebiet mit Lebens, gefahr verbunden sei infolge der Angriffe durch die natio- nalen Bombenflugzeuge. x. Als sich Fernfahrer weigerten, sich-den Gefahren aus zusetzen, ließen die Unternehmer in einer Fernfahrerver sammlung einen Redner auftrcten, der für die Wieder aufnahme der Barcelcna-Fahrten werben sollte. Die Ge fahren seien lächerlich gering, bisher habe man auf Zehn» Die feierliche Nebergabe der Reichskleinodien an Nürn berg Reichsstatthalter Dr. Seyß- Jnquart (am Rednerpult) übergab in der Meister singer-Kirche feierlich die Reichskleinodien an den Nürnberger Oberbürger meister LtebÄ. Rechts die Reichsminister Kerrl und Dr. Ohnesorge, General admiral Raeder und Staats sekretär Meißner. (Scherl-Wagenborg) 37j Thomas Haydn sagte brüsk: »jedenfalls möchte ich nicht den Mammon zu meinem Götzen machen. Mir steht die Musik höher als all das Geld, das ich damit verdiene." „Du bist ein Schwärmer, Thomas, wirst aber schon noch lernen, wie angenehm es ist, sein Bankkonto dauernd erhöhen zu können." „Das werde ich wohl nie lernen, denn ich fühle, daß Geld nicht glücklich zu machen vermag." Unwillig schob Frau Adrienne Wartegg-Burger ihre Augenbraunen zusammen. „Willst du damit sagen, daß du mit deinem jetzigen Leben nicht zufrieden bist, daß du dich nicht glücklich fühlst?" Thomas Haydn schaute starr vor sich hin und ganz leise, als spräche er zu sich selbst, entgegnete er: „Was für ein Leben ist das denn jetzt? Ich werde von einer Gesellschaft zur anderen gehetzt. Ich habe keine Zeit mehr, mich meiner Musik zu widmen. Ich bin wahr haftig glücklicher und zufriedener gewesen, als ich noch in der kleinen Wohnung in der Ackerstraße hauste." Abermals sprang ein höhnisches Lachen über die Lip pen der großen Sängerin. Sie hatte längst ihre Hand von Thomas Haydns Schulter genommen und lehnte mit fin sterem Gesicht an der Brüstung des Fensters. „Du bist undankbar, Thomas. Ich bin es doch gewe sen, die dich aus diesem armseligen Leben herausgezogen hat. Ich war es. die sich für die Aufführung deiner Oper eingesetzt hat. Wenn ich heute erklären wollt, daß ich das Sonnen-Elfchen nicht singe, dann würde der Erfolg deines Werkes in Frage gestellt sein!" Thomas Haydn lächelte müde. „Du wirst es nicht über dich bringen, Adrienne, diese Rolle abzugeben, deun du weißt genau, daß sie für dich einen großen Erfolg bringen wird " „Aber es könnte mich reizen, mich an dir zu rächen, Thomas, weil du meine Wünsche so wenig achtest. Ich habe dir eine schöne Wohnung eingerichtet, wie man es in Berlin von einem jungen, aufstrebenden Komponisten erwartet. Ich habe dich in die Gesellschaft eingeführt, habe dich zu meinem Begleiter auf meiner Tournee erwählt. Ich habe mich überall mit dir gezeigt und dabei nicht be achtet, daß ich mich dadurch kompromittiert habe." Rosi sah, wie Thomas Haydn bei diesen Worten schmerzlich zusammenzuckte. Sie fühlte, wie er litt, und heißes Mitleid mit dem Aermsien überkam sie. Sie hätte so gern sein Gesicht gestreichelt, hätte so brennend gern die finsteren Falten von seiner Stirn fort gestrichen. So groß war ihr Verlangen, dem Geliebten fetzt ihren Trost zu spenden, ihn fühlen zu lassen, daß sie ihm nahe war mit all ihrer Liebe, daß sie unwillkürlich eine Bewegung nach dem Fenster zu machte, an dem die beiden standen. Dadurch aber lockerte sich das 'Erdreich unter ihren Füßen. — Sie glitt aus. Mitten vor das Fenster fiel sie hin, so daß sie von Thomas Haydn und Frau Adrienne Wartegg-Burger ge sehen wurde. Sie hörte einen gellenden Aufschrei. „Rosi — Rosil" Ünd sah, wie Thomas Haydn sich über die Brüstung des Fensters schwang. Frau Adrienne Wartegg-Burger wollte ihn zurück halten. Er aber sah nur Rosi — die kleine, blonde Rosi! Und wie gehetzt eilte er auf sie zu. Ungestüm, ja "" - - 'M,«»'—- heftig umfaßte er ihre Hände, zog sie zu sich empor und preßte sie so fest in den seinen, als wollte er sie nie wieder freigeben. Auge in Auge standen sie sich gegenüber. Minuten verstrichen, ehe sie sich bewußt wurden, datz sie sich wiedergefunden hatten. Endlich flüsterte Thomas Haydn: „Rosi — Rost — ist es denn möglich, daß ich dich wiedergefunden habe? Warum bist du vot mir geflohen? Hast du mich denn nicht lieb?" Die kleine Rosi war totenblaß geworden. Mit er schreckten Augen starrte sie Thomas Haydn an und stam melte: „Du darfst mich nicht danach fragen, Thomas." „Willst du mir das Recht dazu nehmen, Rosi?" „Du gehörst doch einer anderen, bist gebunden." . Verwundert sah er sie an und wiederholte erstaunt- „Einer — einer andern?" ' Rosi nickte lebhaft. „Ich weiß doch alles, Thomas." Sein Erstaunen wurde immer größer, und hasti- fragte er: „Was weißt du, Rosi?" Da schluchzte sie verzweifelt auf und wimmerte: „Daß du mit Frau Adrienne Wartegg-Burger ver heiratet bist." Doch kaum hatte Thomas Haydn diese Worte ver nommen, da lachte er hell auf und rief: „Wer hat dir denn dieses Märchen aufgebunden, Rosi?" , Sie starrte ihn fragend — forschend an. Cs war, als wolle sie die Gedanken hinter seirnr Stirn erraten Hatte sie denn recht gehört? Sollte es gar nicht wahr sein daß er und Frau' Adrienne Wartegg-Burger ei« P---