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Wilsdruffer Tageblatt Nr. 192 — 97. Jahrgang Donnerstag, den 18. August 1938 Wilsdruff-Dresden - Drabtanschritt: „Tayeblatt' Volllcbeck: Dresden 2640 Val „LUSdruNer Lageblatt" erschein! werklag« nachm «Uhr Bezugs»« monatl 2RM frei Haus, bet Poftbestellung l^v NM zuzügl. Bestellgeld Einzelnummer lv Rv« Alle Poktanstalten, Peil boten, unsere Austräger u Geschästsstelle Sall??«h"r»G!waÜodtt Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend heu besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zet- «ng oder Kürzung des Bezugspreises Rücksendung «tngesaudter Schrtstftück« erloigt nur. wenn Rückporto befliegt Das „Wilsdruffer Tageblatt" ist das zur Veröffentlichung der und des Stadtrats zu Wilsdruff behördlicherseits bestimmte Blatt des Finanzamts Nossen Anzeigenpreise lau« ausliegcnder Preisliste Nr. 8. — Ziffer-Gebühr: LV Rpfg. — Dorgeschri» bene ErscheinungStage und P atzwünsche werde» nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzetgen-Annahm« bis vormittags lv Uhr c» . Für die Richtigkeit d« durch y-rnruf übermit- Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 telten Anzeigen überneh men wir lein« Gewähr. ' — Bei Konkurs an« Zwangsvergleich erlischt feder Anspruch <wf Nachlaß. amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meitze« und enthält Bekanntmachungen des Amtsgerichts Wilsdruff, sowie des Forstrentamts Tharandt. Scharfe AbreKnung in Vraa Widersprüche Hodschas — Die sudetendemschen Forderungen nochmal präMert In der Mittwoch nachmittag, 17. August, stattgefun denen Sitzung der Regierung mit der Delegation der Sudetendeutschen Partei, in der auch die Vertreter der Koalitionsparteien anwesend waren, nahm Abgeordneter Kundtzu den Darlegungen des Ministerpräsidenten Dr. Hodscha und zu den Ausführungen der Vertreter der Koalitionsparteien insoweit Stellung, als es der damals vom Ministerpräsidenten bekanntgegebene Standpunkt des politischen Kabinetts und des Koalitionsausschusses zu einigen prinzipiellen Fragen der Rcgierungsvorschläge und zu dem Memorandum der Sudetendeutscheu Partei «wm 7. Juni 1938 erforderte. Zunächst rief Abgeordneter Kundt die Entwicklung Ider Fühlungnahme zwischen der Sudetendeutschen Par tei und der Regierung in Erinnerung, da bei den nun mehrigen Gesprächen auch die Vertreter der parlamenta rischen Klubs der Koalitionsparteien hinzugezogen wur- iden. Kundt schilderte den bisherigen Verlauf der Ver handlungen der Sudetendeutschen mit dem Ministerprä sidenten seit Februar d. I., unterbrochen durch die tsche chische Militäraktion vom 21. Mai. Er erwähnte dabei die Ueberreichung des SdP.-Memorandums am 7. Juni und die anschließenden Aussprachen. Am 10. August d. I. habe der Vorsitzende der Regierung offiziell bekanntgege- ben, daß die bis zu diesem Tag der SdP. ausgefolgten Elaborate die vorläufig endgültigen Vorschläge der Ne gierung darstellen. SdP besitze nun das Nattonalitätenstatut in Pa- Vagrtchhenfassung, allerdings ohne das Kapitel „Die Ge- memden . Hierzu eine Durchführung zu dem Kapitel des Rationalttatenstatuts, betreffend die territorialen Selbst- verwattungskörper, gleichfalls ohne das Kapitel „Gemein- den". Ferner hierzu die Umschreibung des Kompetenz bereiches der Länder und Bezirke, aber nicht in der Fas sung eines Gesetzentwurfes. Schließlich den Entwurf einer Novellierung des geltenden Straßengesetzes. Aus diese« Feststellungen über den bisherigen Gang der informativen Gespräche ergibt sich, so betonte Kundt, der Tatbestand, daß es nicht an der SdP-Dele- gation lag, wenn in meritorische Verhandlungen bisher nicht eingetreteu werde« konnte. Verhandlungen Haden zwar begonnen ... Die Feststellung des Ministerpräsidenten, daß durch die Zusammenkunft vom 11. August die informativen Ge spräche beendet sind und nunVerhandlungen zwi schen SdP und Negierung begonnen haben, nimmt die SdP - Delegation zur Kenntnis. Schon durch die Zu stimmung derSdP-Delegatton vom 15. August sind die in den letzten Tagen aufgestellten Behauptungen eines Teiles der tschechischen Presse widerlegt, wonach die SdP auf Verhandlungen einzugehen überhaupt nicht gewillt sei. Als ausschließlichsten Zweck der formellen Verhandlung betrachtet die Sudetendeutsche Partei die Herstellung einer gemeinsamen Auffassung zwi- scheu der Negierung und den tschechischen Regie rungsparteien und zwischen der Sudetenvcut- fchen Partei darüber, ob und wie durch einen Umbau des Staates der innerstaatliche Friede gefunden werden kann. Im Bewußtsein der europäischen Verantwortung, die den Verhandlungen dieses Kollegiums zukommt, ging dann Abg. Kundt auf den Inhalt der Ausführungen des Ministerpräsidenten vom 11. August 1938 ein und sagte u. a.: „Dr. Hodscht hat erklärt, daß die Regierungsela borate und die Skizze der Sudetendeutschen Partei dazu geeignet seien, eine geeignete Grundlage dieser Verhandlungen zu bilden. Ich will untersuchen, ob diese Feststellung einen optimistischen Auftakt dieser Verhand lung und eine freundliche Geste darstellt oder ob sie dar über hinaus dem tatsächlichen Inhalt der beiden Verhand lungsgrundlagen gerecht wird. Ein MMnatMenstaat Unsere Skizze geht von der berechtigten Auffassung aus, daß die Tschecho-Slowakei ihrer natürlichen Zusam mensetzung nach kein Nationalstaat einer bestimmten Na tton sein kann, sondern ein Nationalitätenstaat ist und dementsprechend aufgebaut sein mutz. Als notwen diges Aufbauprinzip verlangt unsere Skizze im Sinne der acht Karlsbader Forderungen Konrad Henleins nicht nur die gesetzliche Verankerung der Gleichbe- rechkigung der Staatsbürger ohne Unterschied der Nationalität, sondern vor allem die Anerkennung und derfassungsmätzige Verankerung dieser Gleichberechtigung und einen dementsprechenden Umbau des Staates von Grund auf. Um die GleiObereMigMg der BottMUppen Der Ministerpräsident versucht nun zu beweisen, daß we geltende Verfastungsurkunde in ihrem heutigen Wort laut die Gegebenheiten nationaler Kollektiva anerkenne. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß der Ministerpräsi dent namens der Negierung die Verfassungsurkunde in «eler Richtuna ausdeuiet. Weiler stellen wir mit Genug tuung fest, datz der Ministerpräsident bei seinen Ausfüh rungen den in der Verfassung unbekannten Begriff der „Volksgruppe" gebraucht, wenn auch nur bei der negativen Behauptung, daß die deutsche Volks gruppe in der Tschecho-Slowakei kein zusammenhängendes Gebietsganzes bildet. In positiver Hinsicht aber vermei det die Regierung bisher die Anwendung dieses Be griffes. Der Grundsatz der Gleichberechtigung der Völker und Volksgruppen wird noch weniger ausdrücklich im vorliegenden Natto nalitätenstatutsentwurf anerkannt, noch weniger ein dem entsprechender Umbau des Staates vorgeschlagen. Es wird lediglich der bisher praktisch nicht angewandte Grund satz der Proportionalität in Erinnerung gebracht, wie der Ministerpräsident erklärte, damit die Volksgruppen die Möglichkeit hätten, in einem entsprechenden Ausmaß einen Einfluß aus die wichtigsten Akte der Staatsgewalt auszu üben. Die zwanzigjährige Erfahrung aber hat gelehrt, datz dies alles Theorie geblieben ist. Ane europäische Friedensgesahr Das Ergebnis der daraus erflietzenden rigorosen Praxis der Staatssührung und Staatsverwaltung ist die Tatsache, datz dieser Staatsraum immer mehr und mehr durch sein ungelöstes Nattonalitätenproblem ein Raum nicht nur innerstaatlichen Unfriedens, sondern auch euro päischer Friedensgesahr wurde. Diese Tatsache ist die U r s ach e der Mission Lord Runcimans! Lei der mutz ich feststellen, daß die vorgelegten Elaborate der Regierung in keiner Hinsicht einen Vorschlag darstellen, der von ihrer bisherigen Auffassung im Grundsätzlichen abweicht und sie den tatsächlichen Verhältnissen und unse rer Auffassung irgendwie nähert. Im Grunde genommen bilden die Elaborate der Regierung nichts anderes als eine Kodifikation bisher schon geltender Verfaffungsgrundsätzc, gesetzlicher Bestim mungen, Verordnungen und Verwaltungspraktiken, die alle die Ursache des heutigen Zustandes sind. Die Elabo rate verwenden außerdem besondere Sorgfalt daraus, die seit 1918 in das deutsche Gebiet verpflanzten tschechischen Volksangehörigen zu schützen, während doch der Sinn einer neuen Rechtsordnung nicht die Petrifizierung des seit 1918 entwickelten Unrechts sein soll, sondern Gewäh- rung der vollen Gleichberechtigung an alle Völker und Volksgruppen im Staat. Erst in diesem Rahmen kommt auch der Schutz der Minderheiten im deutschen und tschechischen Siedlungsgebiet in Betracht. Wenn der Ministerpräsident im Namen der Regie rung zu beweisen, versucht, datz es kein deutsches Sied lungsgebiet gibt, so ist für diesen Versuch kennzeichnend, datz er sich auf Zahlen jenes Besiedlungszustandes stützt, die durch staatliche oder vom Staat geförderte Matznahmen seit 1918 herbeigeführt wurden. Die Stellungnahme der Regierung läßt also jene Forderungen unserer Skizze außer acht, die die Schaffung nationaler Verwaltungs- einheiten auf dem Besiedlungszustand vom Jahre 1918 ausbaut. Wenn die Regierung beantragt, den Aufbau der nationalen Selbstverwaltung im Rahmxn der bisherigen territorialen Selbstverwaltungsverbände zu vollziehen, so liegt darin eine Ablehnung unseres Vorschlages über die allein zweckmäßige Form einer wirklichen Selbstver waltung. Keine Ausnahmerechte! Wir hingegen wünschen und verlangen einen Staats aufbau, der uns keine Sonderschuy- und Ausnahmerechie einräumt, der uns nicht als Minderheit qualifiziert, wir wollen, datz die deutsche Volksgruppe als vollkommen gleichberechtigter Partner des tsche chischen Volkes ausdrücklich anerkannt und ihr eine gleiche politische und rechtlickse Stellung ge sichert wird. Ihre Auffassung von der Tschecho-Slowakischen Re publik als Nationalstaat brachte mit sich, daß sie es als selbstverständlich ansehen, datz die nichttschechischen Völker und Volksgruppen nur Minderheilenrechte haben könnten, nie Gleichberechtigung, so datz z. B. im Parla ment die Vertreter der nichttschechischen Volksgruppen in sich wehrlos den Mehrheitsbeschlüssen der tschechischen Par lamentsmehrheit ausgeliesert sein sollen. Das unter streicht die Feststellung des Ministerpräsidenten: Es ist klar, datz das Parlament als Repräsentant der einheit lichen Staatsautorität nicht in Teilorgane des Staates ausgelöst werden kann, durch die die Tätigkeit der zen tralen Gesamlkörperschaft beschränkt wird! Damit wird unser Vorschlag der Volksvertretung als Spitze unserer Selbstverwaltung und Repräsentant unserer Volksgruppe als Rechtspersönlichkeit abgelehnt. Durch Ihren Vorschlag wird vielmehr Ihre Herrschaft im Wege von Mehrheitsbeschlüssen auch unter dem Titel der Einrichtung einer Selbstverwaltung in den Ländern beibehalten und verstärkt. NichtdasgeringsteEnt- gegento-mmeu ist in der Richtung ersichtlich, datz die staatlichen Zentralbehörden im Sinne unserer Vorschläge' sanktioniert werden sollen. Gemeinsame herMastsausöbuns Wir gehen keineswegs so weit, eine Zerschlagung des Zentralparlaments zu verlangen. Wir zerschlagen auch nicht die wesentlichen Zentralbehörden. Wir fordern aber jene rechtstechnischen Maßnahmen, die eine entsprechende Rechtsstellung der einzelnen Völker und Volks gruppen im Zcntralparlament gewährleisten und auch bei den Zentralbehörden zum Ausdruck bringen. Nach der sudetendeutschen Staatsauf fassung kann ein Nationalitätenstaat nur dann zweckmätzig - und haltbar ausgebaut werden, wenn in seinen Grenzen für die einzelnen Völker und Volksgruppen wirkliche Selbstverwaltung errichtet werde. Was Sie Vor schlägen, ist das Trugbild einer Selbstverwaltung! Sie sehe» in der Vorherrschaft des tschechischen Vol kes gerade das Wesen und Lebensgesctz der Tschecho-Slo- wakischen Republik. Wir betrachten einen solchen Zustand als unsittlich, unzweckmäßig und als dauernde Friedensgesahr in Mit teleuropa. Wir wollen eine gemeinsame Hcrrschafts- ausübung durch ein zweckmäßig geregeltes Zusam menwirken der in der Tschecho-Slowakischen Republik sie delnden Völker und Volksgruppen. Sie wollen die nicht tschechischen Völker und Volksgruppen als solche staats« rechtlich und überhaupt in der Rechtsordnung als Exi stenz gar nicht zur Kenntnis nehmen. Mm Kluft trennt die AMMmgen Aus diesen Feststellungen geht eindeutig hervor, daß zu Beginn unserer Diskussion zwischen unserer und Ihrer Auffassung eine ungeheuer große Kluft besteht. Wenn Ministerpräsident Dr. Hodscha bei seinen Ausführungen feststellte, die Regierung der Republik sieht die nationale Selbstverwaltung darin, daß sich für deren Normierung und auch für deren Vollzug im Rahmen der unantast baren Souveränität des Staates die Angehörigen der betreffenden Nationalitäten in möglichst größtem Ausmaß einsetzten — so mag es möglich schmnen, zu einer gemein samen Auffassung zu gelangen, weil auch wir im Rahmen des Staates die nationale Selbstverwaltung in möglichst großem Ausmaß verlangen. Wir waren sogar so beschei den, sie nicht in jenem Ausmaß zu verlangen, wie wir sie hätten verlangen können. Betrachten wir jedoch die Re- gierungselaborate, so müssen wir feststellen, datz diese mit der Feststellung des Ministerpräsidenten in direktem Widerspruch stehen, weil die Regierungselaborate das geringste Aus maß in solcher Form ausgearbeitet haben, daß von einer Selbstverwaltung überhaupt nicht gesprochen werden kann. Wir haben aber erwartet, daß die Regierung wenig stens grundsätzlich erklärt, zur Wiedergutmachung bereit zu sein und lediglich die Durchführung und die Einigung über das Ausmaß besonderen Verhandlungen zuweist. M Widersprüche HsdWas Zusammenfassund dürfen wir daher sagen: Die Fest stellung des Herrn Ministerpräsidenten, daß unsere Skizze und die Regierungselaborate gemeinsam als eine geeig nete Grundlage für die Verhandlungen in Frage kommen, steht in Gegensatz zu dem von der Regierung und dem Koalitionsausschuß gegenüber unserer Skizze in ihren Entwürfen bereits zum Ausdruck gebrachten ablehnen den Standpunkte. Die Regierungselaborate sind in sachlicher Hinsicht im diametralen Gegensatz zum Inhalt unserer Skizze und zu unserer Auffassung über eine Lösung des Nationalitätenproblems. Daher ist es um so wichtiger, wenn man eine Einigung versuchen will, nicht über Teilfragen zu diskutieren, sondern über die Auffas- sungsverschirdenheit und darüber zu sprechen, ob und wie eine gemeinsame Auffassung erzielt werden kann, von der aus dann die Tcilfragcn geregelt werden können. Ich habe Ihnen nun offen und Herlich unseren Stand punkt und den Unterschied zu Ihrem Standpunkt darge- legt. Ich erwarte, datz Sie ebenso offen und ehrlich hierzu Stellung nehmen werden. Obwohl das bisherige Ergeb nis unserer Gespräche mit der Regierung immer noch dieselbe Kluft ausweist wie beim Ansang der Gesprächs, so sind wir auch heute noch bereit, darüber zu verhandeln, wie durch einen zweckmäßigen Umbau des Staates das Nationalitätenproblem und damit die Krise des Staates aus Grundlage der acht Karlsbader Forderungen Konrad Henleins gelöst werden kann. Mr Orders WrUAett! Allerdings machen wir Sie darauf aufmerksam, daß die Geduld unserer Bevölkerung, die noch kein Zeichen guten Willens von Ihrer Seite verspürt hat, weniger groß ist als unsere Geduld. Wenn weiterhin tschechische Organisationen und Persönlichkeiten nnd tschechische Re gierungsblätter kein Zeichen guten Willens von sich geben, vielmehr sich in Angriffen gegen das Sudetendeutschtum und das deutsche Volk überhaupt übersteigern, dann dür fen Sie sich nicht wunder», daß das Sudetendcutschtum in ein immer größeres Mißtrauen Ihnen ge genüber hincingctriebcn wird. , Ich Mache Sie abschließend darauf aufmerksam, da-