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WsdrufferTageblatt Nr. 174 — 97. Jahrgang Donnerstag, den 28. Juli 1938 Wilsdruff-Dresden Drahtanschrift: „Tageblatt' Postscheck: Dresden 2640 Das „Wilsdruffer Tageblatt" ist das zur Veröffentlichung der und des Stadtrats zu Wilsdruff behördlicherseits bestimmte Blatt Tageblatt' erschein! werktags nachm 4Uhr Dezugrpr IPON-II 2RM sret Haus, bet Postbestelluna K.80 HM zuzügl Bestellgeld Einzelnummer 10 Rv* Alle Poitanstalten. Pr-ttboien. unsere Austräger u Geschäftsstelle nehmen zu feder Zett Be- ee rr stellungen entgegen Im Falle höherer Gewalt oder Wochenblatt fUI Wilsdruff U. 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Unerhörte Zwischenfrage eines Labourabgeordneten im englischen Unterhaus Wie der Unterstaatssckretär im Luftfahrtministerium Balfour im Unterhaus mitteilte, bauen u. a. die Havil- lano-Werke zur Zeit eine viermotorige Verkehrsmaschine, weiter sei man an der Konstruktion eines viermotorigen Eindeckers, der ebenfalls bei einer Durchschnittsgeschwin- digkeit von 200 Meilen in der Stunde vierzig Fluggäste in einem Non-Stop-Flug von London nach Berlin brin gen könne. Die Zwischenfrage des Labourabgeordneten Monta gu, ob die neue Maschine, die vierzig Fluggäste ohne Zwischenlandung nach Berlin bringen könne, ebenso auch vierzig Bomben nach Berlin bringen könnte, bringt leb hafte Entrüstungsrufe hervor. Die Entrüstung im Unterhaus über diese Bemerkung des Abgeordneten war so groß, daß nach einigen Minuten der Sprecher ein schreiten und die nächste Frage aufrufen mußte. Später entschuldigte sich Montagu beim Sprecher wegen dieser Zusatzfrage. * Die Meldung, die heute aus dem englischen Unter haus kommt, klingt fast unwahrscheinlich. Einer jener Friedensapostel, deren Partei das Schlagwort „Nie wie- Die bevorstehende Entsendung des englischen Be obachters nach Prag kommt der tschecho slowakischen Negie rung scheinbar doch etwas unheimlich vor. Infolgedessen zeigt sie eine geschäftige Tätigkeit. Auf Grund der eng lischen Ratschläge in Prag ist wohl auch mit einer Schnelligkeit, die man bisher bei den Prager Regierungs stellen ungewohnt war, nunmehr das Nationali- tätenstätut der Prager Negierung veröffent licht worden. Das der Prager Regierung nahestehende demokratische „Prager Tagblatt" gab seine Grund sätze bekannt. Das Blatt schreibt: „Das politische Ministerkollegium hat den Text des Sprachengesetzes und des Nationalitätenstatuts genehmigt, der die Verhandlungsgrundlage bilden wird. Das Nationalitätenstatut besteht aus drei Einführungsartileln und 13 Hauptstücken. Im ersten Einführungsartikel wird eine grund sätzliche programmatische Erklärung über die tschecho-slowakische Nationalitätenpolitik abgegeben. Dieser Artikel lautet: „Um die Bestimmungen des Raiionalitätenrechts in der Ischecho-slowakischen Republik zusammenzufassen und zu er gänzen und um neuerlich den Willen der tschecko-slowakischen Republik zu bekunden, ihre geschichtliche Mission unter An näherung der Völker im Geiste der Demokratie und Humanität zu erfüllen — wird dieses Nationalitätenstatut der tschecho slowakischen Republik herausgegeben." Das erste Haupt stück wiederholt die bereits in der Verfassung enthaltenen Grundsätze über die Gleichheit aller Staatsbürger ohne Unterschied der Nationalität. § 1 ist die wichtige Bestimmung enthalten, daß die Zu gehörigkeit zu einer bestimmten Sprache, Rasse oder Religion kein Grund dafür sein kann, eine Person als staatlich unzu verlässig zu bezeichnen. Das zweite Haupt st ück handelt von der Regelung der nationalen Zugehörigkeit und der Sorge um den nationalen Frieden. Dort wird gesagt, daß die Nationalität in der Regel nach der Muttersprache bestimmt wird. Jeder Staats bürger, der 18 Jahre alt geworden ist, kann vor der Behörde erklären, daß er sich zu einer anderen Nationalität bekennt als zu welcher er bisher sauf Grund der Angaben seines Vaters oder Vormundes) gezählt wurde. Das Bezirksamt, bei dem diese Meldung zu erfolgen hat, erkennt aber das Bekenntnis zu einer anderen Nation als zu der der Muttersprache nur dann an, wenn jemand seine Muttersprache weder in seiner Familie noch in seinem Privatleben spricht und die Sprache jener Nation, zu der er sich bekennen will, vollkommen be herrscht. Juden können sich auch dann zur jüdischen Nationali tät bekennen, wenn die sprachlichen Voraussetzungen nicht ge geben sind. Das dritte Haupt st ück handelt vom strafrechtlichen Schutz der nationalen Zugehörigkeit und des nationalen Friedens. Gewaltsame Entnationalisierung strafbar Jede gewaltsame Entnationalisierung ist strafbar, ebenso die Entnationalisierung durch Bestechung. Wer eine Person, die älter ist als 18 Jahre, durch Gewalt oder Drohung dazu zu bewegen trachtet, sich zu einer anderen Nation zu bekennen; wer als gesetzlicher Vertreter einer Person, die jünger ist als 18 Jahre, diese zu einer anderen Nationalität als der ihrer Muttersprache anmeldct; wer zum Zeichen der Entnationalisierung eine ihm anvertraute Person in eine Schi,le mit einer anderen Unterrichtssprache als deren Muttersprache schickt, wird wegen Verbrechens mit Kerker von der Krieg" prägte, fragt mit scheinheiligem Gesicht, ob man mit einem Verkehrsflugzeug anstelle von vierzig Personen auch vierzig Bomben nach Berlin bringen könnte. Es spricht für das englische Unterhaus, daß im Anschluß an diese unerhörte Provokation stärkste Enrrü- stungsrufe laut wurden. Wir wissen, daß der unverschämte Abgeordnete der Labourpartei diese Frage nur im Zusammenhang mit Deutschland gestellt hat. Hätte der Unterstaatssekretär Balfour für sein Beispiel die Strecke London—Valencia gewählt, wäre es von dieser Seite aus kaum zu solchen Frechheiten gekommen. Wir registrieren diesen erneuten Beweis der Frie densbereitschaft eines englischen Labourabgeordneten, der hoffentlich allen anständigen Menschen wieder einmal zeigt, daß Deutschland mit gutem Recht die gesamte Welt öffentlichkeit immer wieder vor diesen verantwortungs losen Kriegshetzern warnt. Es mutz endlich einmal ein Weg gefunden werden, diesen fragwürdigen Persönlich keiten das Maul zu stopfen! sechs Monaten bis zu einem Jahr, in besonders erschwerenden Fallen brs zu fünf Jahren bestraft. Weitere Strafen bedrohen jedwede Storung des nationalen Friedens und die Schmähuna von Personen wegen ihrer Nationalität, Sprache oder Rasse Das vierte Hauptstück enthält weitere Bestimmungen über den Schutz der nationalen Zugehörigkeit. Ein Kind darf m fremde Pflege nur einer geeigneten Person der gleichen Nationalität übergeben werden. Auch bei der Aufsicht über Kinder in fremder Pflege ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß diese von einer Person oder Organisation der gleichen Natio nalität ausgeübt wird. Schulpflichtige Kinder, die mit Be willigung des Schulamtes zu Hause unterrichtet werden und deshalb vom Schulbesuch befreit sind, müssen in ihrer Mutter sprache unterrichtet werden. Das fünfte Haupt st ück handelt von der verhältnis mäßigen Vertretung der Angehörigen der einzelnen Nationali täten im öffentlichen Leben. Die Wahlen in die gesetzgebenden Körperschaften und in hie Verbände der regionalen Selbst verwaltung erfolgen nach den Grundsätzen der Pro portionalität. Bei der Berufung von Mitgliedern in Beratungskollegien und anderen Organisationen der öffent lichen Verwaltung ist auf den nationalen Proporz Rücksicht zu nehmen. Neue Angestellte in den systemisierten Dienststellen bei staatlichen oder vom Staat verwalteten Instituten und Unter nehmungen und anderen Einrichtungen, die ausschließlich den Bedürfnissen der Bevölkerung einer bestimmten Nationalität dienen, sind vor allem aus den Reihen der Bewerber dieser Nationalität zu entnehmen. Im Iustizdienst tritt an die Stelle des Landes der Sprengel des Obergerichts. Wo wegen der geringen Zahl von systemisierten Dienststellen oder aus anderen schwerwiegenden Gründen der nationale Schlüssel nicht eingehalten werden kann, ist das so entstandene Mißver hältnis im Geiste dieses Gesetzes in einem anderen Personal stand entsprechend auszugleichen. Analoge Grundsätze gelten für die Aufnahme von Angestellten und Arbeitern, ferner für die Aufnahme von Beamten der Selbstverwaltung, der Jnter- esienselbstverwaltung und der Organisation der öffentlichen Selbstverwaltung. Kultur und Wirtschaft Das sechste Hauptstück regelt die Proportionalität in der öffentlichen Wirtschaft. In Städten und Bezirken, in denen sich religiöse, nationale oder sprachliche Minderheiten befinden, müssen bestimmte Beträge sür die Erziehung, den Kultus und für wohltätige Zwecke dieser Minderheiten verwendet werden. Bei der Verwendung von Budgetmitteln für kulturelle und wohltätige Zwecke ist darauf zu sehen, daß — ohne Beein trächtigung gesamtstaatlicher oder regionaler Interessen — die kulturellen und wohltätigen Einrichtungen der Minderheiten nach denselben Grundsätzen dotiert werden, wie die der An gehörigen der ischecho-slowakischen Nation. Staatslieferungen im Inland sind möglichst so zu verteilen, daß Angehörige der einzelnen Nationalitäten au der Gesamtsumme nach dem Be- völkerunasschlüssel partizipieren. Handelt es sich um Arbeiten oder Lieferungen von rein lokalem oder regionalem Ausmaß, dann ist ohne Beeinträchtigung der Staatsinteressen bei im Wesen gleichen Preis- und Qualitütsverhältnis Bewerbern aus dem betreffenden Ort oder der betreffenden Gegenden der Vor zug zu geben. In gemischtsprachigen Orten und Gegenden ist verhältnismäßig auf die nationale Gliederung der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, desgleichen darauf, ob die Unternehmer Angehörige aller Nationalitäten beschäftigen und so zur An näherung der einzelnen Nationalitäten und zum nationalen Fneden.beitragen. Von StaatslieferunLen ist grundsätzlich der- remge Bewerber ausgeschlossen, der Bestimmungen des Natio nalitätenstatuts verletzt hat, oder der in seinem Unternehmen nationale Unterdrückung betreibt oder zuläßt oder duldet, daß in seinem Unternehmen der nationale Friede gestört wird. Im siebenten Haupt st ück wird die Proportionalität im gesamten Schulwesen gesetzlich verankert. Jede Minder heitennation hat Anspruch auf so viele Schulen, als dem Be völkerungsschlüssel entspricht. Das Mittel- und Hochschulwesen der nationalen Minderheiten ist so auszubauen, daß es zahlen mäßig ebenso gestellt ist wie das der Tschechen und Slowaken. Das achte Haupt st ück trägt die Uebcrschrift „Natio nale Selbstverwaltung im Schulwesen". In den Schul gemeinden, Schulsprengeln und Schulbezirken Böhmens und Mähren-Schlesiens sind Ortsschulräte und Bezirksschulaus schüsse getrennt nach der Unterrichtssprache zu bilden. In jedem Lande wird ein Landesschulrat mit nationalen Sektionen und nationalem Verwaltungsfenat gebildet. Die pädagogische Auf sicht wird von Inspektoren der gleichen Ration ausgeübt. Das neunte Haupt st ück enthält eingehende Bestim mungen über die nationale Selbstverwaltung in der Volks bildung. Während bisher nur das Abgeordnetenhaus oder der Senat mit absoluter Mehrheit die Anrufungdes Ver fassungsgerichts beschließen konnte, steht dieses Recht künftighin 50 Abgeordneten oder 25 Senatoren zu. Lm Sprachengesetz wird der Prozentsatz für die Verwendung einer Minder- heitensprache herabgesetzt, doch steht die Grenze noch nicht fest. Im Verkehr zwischen Staatsämtern und Gemeinden, deren Geschäftssprache eine andere als die tschecho-slowakische ist, ist in der Regel nur die Minderheitensprache zu verwenden. Wenn es die Natur der Sache erfordert, ist zweisprachig zu schreiben. Das Sprachengesetz bezieht sich, was bisher nicht der Fqll war, auch auf staarliche Unternehmungen. Das Sprachengesetz ver heißt auch eine neue Sprachenverordnung, in der bei der sprach lichen Qualifizierung der Beamten nicht nur auf die Staats sprache, sondern auch auf die anderen Sprachen Rücksicht zu nehmen ist. * Bedenkliche Prager Manöver Noch ehe der englische Beobachter Lord Runci man in Prag eingetroffen ist — er wird erst am 6. August England verlassen —, hat die Prager Regierung den Weg bedenklicher taktischer Manöver beschritten. Die tschechischen Machthaber in Prag scheinen die Absicht zu haben, noch ehe Runciman seine Tätigkeit aufnehmen kann, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen. Denn es mutz seltsam berührey, daß die Prager Regierung, die so lange warten konnte, durch umfangreiche Indiskretionen in tschechischen Blättern plötzlich ihr Nationalitätenstatut ver breiten läßt. Das bürokratische Statut ist sehr kompli zierter Natur und besagt für die Praxis wenig, wenn gar uicb^ Die von der Prager Regierung beabsichtigte Vermal- tungsreform läuft darauf hinaus, daß die Tschecho» Slowakei bei einer Einteilung des Landes auf der Grund lage der alten österreichischen Kronländer auch dann über all die Macht behält, wenn die Provinzialregierungen und Provinziallandtage gebildet werden. In den Provinz- regierungen von Böhmen und Mähren sollen die Sudeten- deutschen trotz ihres vollständigen Uebergewichts nur drei oder vier Vertreter bei zwölf Mitgliedern haben. Dies allein kennzeichnet zur Genüge die von tschechischer Seite erstrebte „Reform". Zwei Monate hat man die Sudetendeutschen hinge halten und nur Teile des Statuts bekanntgegeben, dessen Veröffentlichung jetzt Hals über Kopf geschieht. Wenn das Statut auch noch genau geprüft werden mutz, so kann schon jetzt gesagt werden, daß es in den wesentlichsten Punkten gegenüber dem sudetendeutschen Standpunkt zurückbleibt. Von einem Entgegenkommen und Verständigungswillen Hodschas ist nichts zu finden. Die tschechische Regierung ist vielmehr bemüht, sich jede Tür offen zu halten. Es ist auch eine gefährliche Prager Taktik, wenn be reits jetzt die Prager Regierung gegen die englische Aktion in der Tscheche! eine gewisse Sabotage einleitet. Mit ver dächtiger Eilfertigkeit erklärt die tschechische Presse, man habe keine Gründe, sich gegen die Entsendung des britischen Ratgebers zu wenden. Man versucht dabei die Meinung der Oeffentlichkeit einzuimpfen, daß Runciman nur die Fest stellung treffen könne, daß die Forderungen der Sudeten- deutschcn unerfüllbar seien. Ein tschechisches Blatt verrät die tschechischen Wünsche, wenn es zu Runcimans Entsendung schreibt: „Seine Ver mittlung wird kein entscheidendes Gewicht haben." Dieses Verhalten Prags ist sehr undurchsichtig und um so gefähr licher. Dabei scheut die Prager Presse nicht die Lüge, daß Runciman im Auftrage der englischen Regierung seine Untersuchungen vornehmen werde, während Chamberlain in seiner Rede das Gegenteil gesagt hat, und Prag rüdem Unannehmbares Nationalitatenftatut Viele schöne Worte, ober nichtssagendes Programm