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1060 Nichtamtlicher Theil. 66, 20. März. dem Vorwand der Gcschäftsetablirung Maaren erschwindelten. Der eine davon ist bereits wegen anderer Vergehen in Gewahrsam, der zweite, ein Buchhändler Wimm er, hat sich nun in der Person eines Gasarbeiters mit dem klingenden Namen von Stein einen Kom pagnon gesucht, um unter dessen Namen ein Colportagegeschäft zu errichten. Eine ganze Reihe von Handlungen haben ihm bereits ihre Unterstützung angcdeihen lassen. So liegt ein 118 Pfund schwerer Ballen des Hauses Volckmar auf der Bahn, ein anderer von Ed. Hallbcrger, ein dritter von Adolf Wolf in Dresden, ein vierter von der Ebner'schcn Buchhandlung in Ulm und harren des Empfängers. Wimmer möchte sie gerne loscisen, er kriegt sie aber nicht ohne Voll macht des von Stein; der aber fühlt sich der Polizei gegenüber etwas unbehaglich und stellt sic nicht aus. Soweit die Mittheilung der hiesigen Polizei, die den Einsender dieses ersucht, sie im Börsenblatt zu veröffentlichen. — Es ist gewiß ein drastisches Beispiel, wie vor dem einen Gedanken, „neue Absatzwege zu finden", alle Bedenken der Kreditwürdigkeit zurücktreten. Nehmen wir den Fall an, es wäre dem Wimmer gelungen, sich zu ctabliren, so hätte seine ganze Leistung sicherlich darin bestanden, die erhaltenen Probehefte und Bücher in klingende Münze umzusetzen, die übrigen hiesigen Colportagehand- lnngen, unter denen eine anerkannt sehr tüchtige ist, möglichst zu schädigen und dann wegen Mangel an MittelAbonnenten und Verleger sitzen zu lassen. Wo liegt nun die größte Schädigung des Sorti menters, in dem Vorgehen Wimmer's oder den bereitwilligst credi- tirenden Firmen? Gewiß auf Seiten der letzteren. Die Verlags handlung Hallberger macht mit der Firma Küchler hier ganz bedeu tende Geschäfte; den übrigen Absatz nicht einmal eingerechnet, hätte sie also nicht Grund gehabt, sich vorher über die Kreditwürdigkeit ihres Auftraggebers zu vergewissern? Es gibt für die betreffenden Firmen nur die eine Entschuldigung, daß Wimmer Kaution geleistet; und das ist undenkbar. DieseThatsachen bringen die ganze Leidens geschichte des Buchhandels wieder in Erinnerung; zu oft schon aber ist sie von berufenen und unberufenen Federn in diesen Blättern mitgetheilt, nm sie zu wiederholen. Das Schreiben hilft nichts mehr, nur die That kann uns helfen; und sie wird kommen. Die ganz neuen buchhändlerischcn Verhältnisse müssen den Sortimenter aus seinem Stumpfsinn hcrausreißen, er muß sich wehren, er muß einen Ersatz verlangen für das kaufmännischer gewordene Geschäft, resp. für die größere Kapitalanlage und für das nun 50—60A, des Um satzes betragende Baarconto. Möge diese Messe nicht vorübergehen, ohne daß die Lage des Buchhandels einer eingehenden Besprechung von Seiten der Verleger und Sortimenter gewürdigt wird, und na mentlich erachten wir es als die dringendste Pflicht unseres Bör senvorstandes, dieser Frage nicht aus dem Wege zu gehen, sondern alle Einleitungen zu treffen, daß sie auf dieser Cantatemesse Gegen stand der Tagesordnung wird. Zur Würde der Presse. — Dem Petzholdt'schen Neuen Anzeiger für Bibliograhie rc. entnehmen wir nachstehenden Artikel: „In Nr- 49 des Börsenblattes für den deutschen Buchhandel findet sich unter dem Titel „Saling's Börsenpapiere" eine Humo reske , in welcher das unnütze zu frühe Austrompeten des Erscheinens der Saling'schcn Börsenpapiere von Seiten der Haude- L Spener'- schen Verlagsbuchhandlung in Berlin und die dadurch herbeigeführ- tcn Mißhelligkeiten auf Seiten des Sortimenters dem Publicum gegenüber in verdienter Weise gerügt werden. Diese Rüge ist in der humoristischen Fassung, die den Lesern ein Lächeln abgewinnt, ganz harmloser Art, und kann nicht im entferntesten den Verdacht erwecken, daß es dabei auf eine Beleidigung der Haude- L Spcner'- schen Buchhandlung abgesehen sei; ein paar Ausdrücke, die in der Humoreske mit unterlaufen, und welche in einer anders abgefaßtcn Rüge als nicht am Platze, ja als beleidigend angesehen werden dürf ten, sind hier nicht auffallend. Nichtsdestoweniger hat aber die Haude- L Spener'sche Buchhandlung sich veranlaßt gefunden, um dieser Ausdrücke willen gegen die Redaction des Börsenblattes Be schwerde zu führen. Nach Sachlage der Dinge dürfte eine solche Beschwerdeführung überhaupt sehr überflüssig erscheinen. Ein ganz ungerechtfertigter Schritt ist es aber, daß die Beschwerde dem Publi cum gegenüber nicht auf einfachere Weise abgemacht, sondern bei dem Vorstande des Börsenvereins angebracht worden ist, der sich in Folge dessen gemüßigt gesehen hat, dem Redacteur des Börsen blattes wegen der Aufnahme jener Humoreske eine Rüge zu ertheilen, und die Veröffentlichung dieser Rüge in dem Börsenblatt anzuordnen. Dieses Verfahren des Börsenvereins-Vorstandes nehme ich keinen Anstand als ein ganz ungerechtfertigtes, als höchst bcdauernswcrthe Maßregelung des Redacteurs — zumal eines Mannes, der doch sonst dem eigenen Geständnisse des Börsenvereins-Vorstandes ge mäß das Börsenblatt mit „Tact und Sorgfalt" redigirt hat — öffentlich zu bezeichnen, und im Interesse und Sinne redactioneller Würde Protest gegen derartige Maßnahmen von außergerichtlicher Seite zu erheben. I. Petzholdt." Aus einem Briefe an den Redacteur des Börsen blattes. — .... Zu dem vielen Unbegreiflichen, was uns heut überall begegnet, gehört ohne Zweifel auch jene Bekanntmachung des Börsenvorstandes in Nr. 59 d. Bl. Als ich dieselbe las, erschrak ich und glaubte, es wäre mir bei aller Aufmerksamkeit, mit der ich unser Börsenblatt zu lesen pflege, wirklich ein böswilliger, ehrverletzender Artikel gegen meinen sehr geehrten Kollegen Weidling entgangen. Hastig suchte ich nach Nr. 49 und erschrak zum zweiten Male, nicht Ihretwegen, sondern wegen des herben Schlages, den unser sonst so tüchtiger Vorstand mit dieser sonderbaren Maßregelung gegen sich selbst geführt. Wenn eine Humoreske, wie jener jedenfalls einer gewandten Feder entsprungene Scherz sich nennt, nicht mehr so frei sein darf, die kleinen Kalamitäten unseres Detailverkehrs in dieser Weise zu geißeln, was soll dann aus der Kritik überhaupt werden? Wenn jener empfindliche Verleger und unser verehrter Börsenvor stand einen Augenblick Nachdenken, was unsere ersten Staatsmänner und Reichsvertretcr, unsere besten Schriftsteller und Künstler in öffentlichen Blättern an ernster und scherzhafter Kritik über sich er gehen lassen müssen, so glaube ich werden sie sich vor die Stirn schlagen und sich selbst zurufen: aber Buschmann! (oder auch: o si taonisoes!) .... L. L. Erwiderung. — In Nr. 60 des Börsenblattes steht unter der Aufschrift „Denkzettel für Sortimenter" eine Notiz über meine Verkaufs-Manipulationen, die meiner Ansicht nach wenig mit der Richtung des Börsenblattes, das dem Börsenverein der deutschen Buchhändler gehört, und nicht einem Verein von Sortimentern, harmonirt. Da die Notiz die Ansicht erkennen läßt, als umgehe ich absichtlich den Sortimenter zu Gunsten der Post, so will ich nur kurz erwähnen, daß ich dem ganzen deutschen Sorti- mcntshandel Prospecte des „Neuen Blattes" mit Firma angeboten und da, wo sie verlangt worden sind, geliefert habe. Wenn ich außerdem Prospecte verbreite (namentlich da wo die Herren Buch händler durch eine rührende Gleichgültigkeit bewiesen haben, daß sie nicht zur Verbreitung des „ Neuen Blattes" beitragen wollen), so scheint es mir doch sehr natürlich, daß ich die Post, die mir als Ab nehmer ebenso lieb ist, wie jeder Sortimenter, zu Bestellungen empfehle. Daß hierdurch immer noch manchem Sortimenter manche gebratene Taube in den Mund geflogen kommt, beweisen die wieder holten Fälle, wo Sortimenter in den von mir mit Prospecten ver sehenen Orten nach dieser Manipulation Exemplare bestellten, wäh rend sie vor derselben keine bezogen. Leipzig, 15. März 1872. A. H. Payne.