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^ 147, 28, Juni 1900. Nichtamtlicher Teil. 4892 nichts Hervorragendes und auch nicht als minderwertig be urteilt werden wird, so können wir damit zufrieden sein. Die französische Buchausstellung ist viel zu umfang reich, um sie hier eingehend besprechen zu können; nur einen flüchtigen Blick können wir hineinwerfen. Unter dem Eiffel turm hervorkommend, wenden wir uns auf dem Marsfelde rechts uud durchschreiten das imposante Pvrtal des langen Seitengebäudes, das die Litteratur, die Künste und Wissen schaften beherbergt. In einiger Entfernung vor uns reckt ihre Arme eine Münzpresse, die sich gerade unter der Glas kuppel befindet, von der auch die geschichtliche Buchaus stellung ihr Licht empfängt. Gleich vorn beim Eintritt haben wir den Anfang der letzteren rechts und links in stehenden Glaskästen. Man findet links eine Menge von Seltenheiten, die fast ausschließlich aus Privatbesitz stammen. Am ineisten haben beigetragen die Kollektionen Leon Gruel, Rahir, Allard du Chollet, Astruc, Glinel und Amidien Duclos, deren Schätze größtenteils aus dem achtzehnten Jahr hundert herrühren. Es handelt sich meist — die schöne Kollektion des Vicomte Savigny de Moncorps besteht aus schließlich daraus — um jene kleinen, hübsch gebundenen Büchlein, die den galanten Charakter ihrer leichtlebigen Zeit an sich tragen, auch wenn ihr Inhalt ernst und fromm ist, wie I-s vis xsstorsls u. a. Die meisten bewegen sich aber im Tone ihrer Zeit, sous mies, gemalt, wie Io kets äss öonnss 8608, lss plrüsii'8 äs lg. vills, ^lmsuseb ro/kll rc. In einem besonderen Glaskasten sind die bedeutendsten Schätze dieser retrospektiven Ausstellung vereinigt. Es ist ein großes Evangeliar, das Karl der Große der Abtei von St. Rdgnier um das Jahr 800 geschenkt hat und dcch nun der Gemeindebibliothek von Abbeville gehört. Dieses Pracht manuskript ist auf einem, nun ins Schwärzliche übergegangenen Purpurpergament mit goldenen Lettern geschrieben. Vier große Miniaturen enthält das ausgezeichnet konservierte Buch, sowie einen mit Malerei verzierten Kalender. Die andere Seltenheit ist ein prächtiges Manuskript aus dem fünf zehnten Jahrhundert, läsurss äs Claris ä'Aragon, der Kollektion Dutilleul zugehörig, mit außerordentlich feinen Miniaturen und Randverzierungen. In den Schränken rechts vom Eingang setzt sich zunächst die Sammlung kleiner gebundener Bücher fort. Die Kollektion G. Hanotaux, des Geschichtschreibers des Kardinals Richelieu, besteht aus Werken, die dieser in Ge brauch hatte; darunter findet sich auch ein kleiner Horaz von 1629. Auch ein Gebetbuch der Pompadour, das der galante Maler Poucher mit Zeichnungen versehen hat, gehört zu den Merkwürdigkeiten dieser Abteilung. Noch manche Seltenheit haben die öffentlichen Bibliotheken von Laon und Abbeville geliefert. Für Bllcherliebhaber von hohem Interesse ist die Sammlung G. Saffroys von Lx libris aus dem sechzehnten bis neunzehnten Jahrhundert, wozu auch mehrere Druck platten gehören. Als Gegenstück zu den oben genannten Hauptkleinoden der Ausstellung sieht man in gleichem Glaskasten ausgelegt ein Chorbuch, ein wunderschönes Pergamentmanuskript aus der Sammlung des Pariser Buchhändlers Th. Velin, der überhaupt seine reichen Schätze in freigebiger Weise her geliehen hat. Im Gegensatz zu diesem Riesenbuch findet sich auf der anderen Seite des Kastens eine Sammlung Liliputbücher. Wahrscheinlich ist dies die Ausstellung des Bergmerksingenieurs Salomon, über dessen Samm lung kleinster Drucke unlängst eine Notiz durch die französischen Zeitungen ging. Da sie eine Bezeichnung nicht trägt und man auf die Aussagen der Aufsichts beamten nichts geben kann, so kann ich die Herkunft dieser einzigen Drucke von vielleicht 2 oro Höhe und ^ om Breite Slebenundsechzigsler Jahrgang. nur vermuten. Dann war aber die Zeitungsnotiz, die von 1500 dieser Bändchen sprach, stark übertrieben. Es sollen meist holländische Drucke sein; aber trotz der Klarheit der verschwindend kleinen Buchstaben können sie doch nur von sehr guten Augen entziffert werden. Eine Imitativ Oöristi konnte ich darunter feststellen. Wenden wir uns ivieder den großen Schränken zu, so fällt uns eine ganze Reihe schöner Handschriften ins Auge, so eine kleine Bibelhandschrift aus dem dreizehnten Jahr hundert, die Briefe des Apostels Paulus aus derselben Zeit in großem Format, aus dem Eigentum der Bibliothek zu Abbeville, ein Chorbuch mit Noten und bemerkenswerten ganzseitigen farbigen Bildern aus dem fünfzehnten Jahr hundert, ein kleines Augustinerbrevier aus dem vierzehnten Jahrhundert u. a. m. Unter den gedruckten Werken ziehen einige Riesen-Kupferstichwerke die Aufmerksamkeit auf sich. Von vorzüglicher Zeichnung und tadellosem Stich ist die » llsprössotstiou äss kötss, äcmusss psr Io, vills äs Ltrosboarg paar ls, soovslssesues äu Roi llouis XVr mit etwa 90 om langen Bildern von dem Graveur Weis in Straßburg, ge druckt 1745 bei Laurent Aubert in Paris; eine prächtige Ausgabe von Lafontaines Fabeln, von Oudry 1755 reich illustriert, ist aus dem Besitz von Th. Belin ausgestellt, von dem auch »Iss plsisirs äs l'Isls soobsntss, Iss äivsrtisssmsots L Vsrssillss« stammt, ein wunderschönes großes Kupferwerk, das 1673 in der Pariser königlichen Druckerei hergestellt worden ist. Die Bibliothek der Pariser Oper hat eine große Anzahl historischer Theaterzettel aus dem achtzehnte» Jahrhundert ausgehängt, woran sich Karikaturen, Maueranschläge aus der Kollektion Bourgeois, alte Zeitungsnummern rc. anschließen. Eine Anzahl Pariser Druckerprivilegien interessieren den Freund der Geschichte der künstlichen Hindernisse, die der Entwickelung der Menschheit entgegengesetzt worden sind. Das Patent für einen Kupferstichdrucker von 1791 ist das älteste der hier ausliegenden; das jüngste, von dem Direktor der öffentlichen Sicherheit im Namen des Ministers des Innern ausgestellte, stammt aus Ende 1877! Ein großer Schrank enthält französische Veröffentlichungen über die Geschichte der Druckerei, besonders iu Paris, ferner Klischees, das Modell einer Druckpresse, Matrizen zum Letteruguß u. a. Diese Abteilung leitet über zu der reich haltigen Ausstellung von Druckmaschinen, um die sich Proben von Erzeugnissen der vervielfältigenden Künste scharen. Prächtige Farbendrucke befinden sich darunter. Der Weg rechts an den Pressen entlang führt zu dem Raume des Syndikats der periodischen Presse, wo eine Fülle von Jahr büchern, Nachschlagebüchern und Journalen dem Besucher zu Gebote steht. An diesen Raum schließen sich dann die Einzel ausstellungen der Pariser Buchhandlungen an, deren es so viele sind, daß sich eine eingehende Würdigung hier ver bietet. Es seien nur genannt Masson L Co., Hachette (der mit geschmackvoll gebundenen Werken vertreten ist), Schmid, Peletin, die Originale der Illustrationen des Nool- tsur äs 1s, uioäs srtistigus von 1841 bis 1900, Le Vasseur L Co., Sedelmeyer, Turgis üls, Dalpayrat L Depellcy in Limoges (mit prächtigen neuen Einbänden), weiterhin Simonis-Empis, Baschet, A. Houssiaux, Aulanier. Mit sehr geschmackvollen Bänden sind noch vertreten Marius Michel, Gruel, Mercier, Chambolle-Duru, Magnin, Petrus Ruban, Bressault, Alfr. Guäret u. a. So bedeutet denn die französische Ausstellung des Buch gewerbes insofern einen Erfolg, als sie den jetzigen Stand der Buchtechnik in jeder Beziehung in den höchsten Leistungen getreu widerspiegelt. Auch hier ist zwar noch manches Ueberflüssige zu finden, aber das Verhältnis des Entbehr lichen zu dem eigentlichen, richtigen, lehrhaften Ausstellungs- 656