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ÄistMst Lsistelluilst. S87l. Schandau, Svnuabeud, den 16. Decembcr 100 Amts- und Anzeigevlatt für das Königs. Gcrichtsamt und den Stadtrath zu Schandau nnd den Stadtgcmeindrrath zu >vohnslmi. U mscha u. Bezüglich deS großen OrdrnSfcstcS, welches am Donnerstag voriger Woche in Petersburg abgehalte» wurde, bringt ber „Voigtl. Anz." folgenden titcht iinintereffanten Arlilel: Es ivar der StifiungSiag des von der Kaiserin Katharina U. gegründeien Ordens vom heiligen Georg, der unter allen militärischen Auszeichnungen, dre Ruhland verleihen kann, am HSchstkN geschaht wird, und daü nicht etwa bloö da> rum, weil seine Ritter ein JahreSgcld von 700 Ru bel empfangen. Daß der Orden in den militärischen Kreisen in sehr hohen Ehren steht, lSnneu wir schon daran ersehe», daß von den deutschen Inhabern des selben sich der Prinz Friedrich Earl, Graf Moltke, General von AlvenSlcden, Prinz Hohenlohe, von Werder und General Stiehle in dieser doch nicht eben verlockenden Jahreszeit ausgemacht haben, um an dem OrdenSfcste in Petersburg persönlich Thril zu nehmen. Ob indeh nicht vielleicht auch politische Motive milgewirll haben, daß Kaiser Wilhelm seine gefeiertsten Paladine, die hierbei in Frage kommen, nicht ungern mit den politischen und militärischen Größen deS Ezarenrcicheo in unmittelbarem Verkehre Fühlung nehmen sieht, wer will da saget,, ob das ist oder nicht ist? Soviel nur sehen und wissen wir, daß durch die Verschiebung der politischen gactvren im westlichen und nn mittler» Europa, wie sie der deutsch-französische Krieg m seinen nächsten oder wei teren Folgen mit sich gebrach, ha,, auch die Stellung und der Einfluß Rußlands in ihren Siüppuultcn und Zielen eine wesentliche Wandlung erfahren ha ben. Daß z. B. die Schwächung Frankreichs eine Stärk,ing Rußlands für seine Pläne in, Südosten Europa'S zur Folge gehabt Hai, das war schon an der Londoner Eonferenz zu sehen, wo Gortschakow die französische Ohnmacht benuhte, uni eine iheilweife Evrrectur des Pariser Friedend und die Freiheit für die unbeschränkte Vergrößerung der russischen Ma rinc auf dem schwarzen Meere zu erzwingen, lind wenn inan verfolg«, was seit dieser griedenScorrec- tur das Czarenreich in dieser Richtung weiter geihan hat, so wird man nicht eben sonderlich feine Fühl- fäden brauchen, um Zusammenhang und Plan darin zu finden. Schon die allgemeine Vermehrung der russischen Streitmacht weist darauf hin. Thatsache ist, baß das Marinebudget von 17 Millionen ans 21 Millionen erhöht nnd das Budget für die Ailtl- lerie allein um 3 Millionen gewachsen ist, daß fer ner daü KriegSconjil eine Vermehrung deS Pulver- vorrathü von 700,000 auf eine Million Pud (10 Pso.) angeordne, und die russische Armee, soweit sie auf europäischem Boden steht, in diesem Jahre be reits ganz mit Hintciladern versehen ist, wie auch die im Kaukasus und in Sibirien stehende Hccreü- macht sie demnächst erhalten soll. Und dabei >st wohl zu beachten, daß mit dieser Anspannung der natio nalen Kraft die russische Negierung dem nationale» Geiste etUgcgcnkvmmt, sa mehl einmal ihm genug- thut; denn das Organ der allrussischen Partei, die Moskauer Zeitung, ist ganz Feuer und Flamme da für, die ganze Jugend vom 17. Lebensjahre an zu dem Kriegsdienste zu verpflichten, wobei die größte Glocke des PanslaviSmuS freilich nicht in, Stande ist, die Mittel für die Beseitigung eines dieser Ver mehrung entgegen,retcnden Hindernisses anzngebeu, das man schon seht in der russischen Heeres,nach, spürt, nämlich den Mangel an Offizieren, der am 1. Octodcr dieses Jahres »ich, weniger als 2650 de. trug. Auf welche Eventual,täten diese kriegerischen Vorbereitungen hinzielen, daü sieht man wohl au, besten an den friedlichen Maßnah,ne». Zu aller Zeit Hal Rußland die christliche Bevölkerung der Balkan-Halbinsel gehätschelt, nm mit Paralpsirnng dcü österreichischen Einflusscü ihrer Spmpaihirn ge- Wiß zu sein, wenn der günstige Zeitpunkt gekommen sein sollte, dort in Action zu treten; neucrdingü aber hat cü daü in einer Weise geihan, daß man sich wundern muß, wie die Pforte nur so ganz dazu schweigen kann. ES hat nämlich der höheren Schu- len und insbesondere der PritsterbildttngSstätttn in der Türkei und in den von ihr abhängige» Ländern sich angenommen und zabli z. B. dem Priestersemi nar in Montenegro jährltch ->000 Rubel und abu liehe Summe» der orthodore» Schule in dem^boü- nische» Mostara und den betben bulgarischen Schu len von Ochopda und in Konstantinopel selber; wohl daü einzige Beispiel in der Geschichte alter und ne,ter Zeit, daß daü Unterrichismintsterittm eines Siaaieo in so auffallender Weise offieielle Fürsorge für die Schule» ei»eü änderet, Slaatü trägt, als wäre die ser nur ebttt eine Piovinz des ersten.Auch thäte Ruüland ja gut, lieber an seine eignen Seminare zu denken; denn es Hai a» Lehrern noch mehr Mangel, als an Offizieren und ohne Lehrer — leine Offiziere. Dazu hat eS neuerdings durch Verleihung auSge- dehmer Landgüter in der Krim und an der Donau an Serben nnd Bosnier, die mit der Pforte brouil- lirt waren, ganze Kolonicen von Agitatoren geschaf- fen, die nun aus Nummer Stcher an der christlichen Bevölkerung der nahen Türkei hehen und schüren. Wie Hai weiier der russische Hof in dieser Zeil die doriigei, Fürsten gelöderi! Wie mag der Bladiga von Montenegro geschmunzelt habe», ra er die 50,000 blanken Dncairii überzählte, die der Kaiser ihm bet der Taufe semeS Junge» zum Eingebmdc geschickt bat! Dafür gäb wohl auch ei» Atiderer Kmdtaufc. Wie hai'S erst kürzlich in der Skuptschina, dem Land- tage der Serben, vom Sturme der Ziviv'S oder Lebehochs getobt, die „dem mächtigen Herrscher des großen Brudervolkes" gebracht wurde», als der junge Fürst Milan von der Ausnahme erzählte, die er an dem kaiserlichen Hoflager in Livadia gefunden haue! Da hatte ja der Kaster ihn wie fein „eigenes Kind" behandelt, der SumS aber an glänzenden Hof. leste» »iid ui, den fonstigcn Beweisen ausgesuchtester Gastlichkeit war noch vwl größer gewesen, als bei einem kaiserlichen Prinzen, der nach Wunder was für Thate» zniückgelehrt wäre. Machte doch diese Hofrcstt des serdisebcii Fürste» auch anderwärts so viel Aufsehen, daß manche besonders feinnasige Po litiker noch heute der Meinung sind, Beust sei mir alo Minister gestürzt, um als Gesandter wieder auf. znstehcn und der serbisch.russischen Verbindung ms, einer österreichisch.englischen z» begegnen. Sie sehet, ,m Geiste schon die Helle Kriegoflammc im Osten hcraufzüngeln und sprechen mit dem Euphorie» im Faust: Träumt Ihr den FriedenStag? Traume, wer träumen mag! Krieg ist daü Losungswort. Um sich und ander» friedlichen Leuten aber noch größere Unruhe zu machen, bringen sic uns in Erin nerung, wie der berühmte General Totleben seht bcu darüber ist, in bei, Provinzen Volhynien unk öodvlten die alten Festungen zu verstärken und neue dazu zu bauen, und wie der General-Gouvernenr der baltischen Provinzen Potapow den Bericht noch unter der Feder hat, den er dem KriegSministerium liefern soll, auf dessen Befehl er überall herumreisen mußte, um sich von der VerlheidigungSfähigleit der Ostsecfcstuitgen recht gründlich zu unterrichten. Wir für unser Theil sind zwar keine Politiker, an, aller- wenigsten feinnasige; aber wir haben noch keine Angst, mag auch in dieser Woche Oilow Gesandter in Pa ris geworden sein und Thiers de» großen AndreaS- ordcii gekriegt haben, der noch viel mehr gilt, als der vom heiligen Georg, und nur den allerhöchste« Herrschaften verliehe» wird. Auch siud wir nicht ganz ohiic Gründe für unseren Fricbenöglaubcn. Der vornehmste darunter ist die Ruhe der Türkei. Es ist eine bekannte Sache, daß die türktsche Diplo matie von äußerst feiner Witterung ist, und so würde der Diwan, wenn's ihm nicht geheuer schiene, sich wohl auch mit anderen Dinge,i beschäftige,,, als mit lauter friedlichen Reformen. Dazu ist die ritsfische StaatSluust zwar sehr begehrlich, aber in gleichem Maße auch vorsichtig; sie versteh, zu warien und sich ihre Zeit zu ersehen, i,i der sie ihres Fangcü gewiß ist. So weit schcini'ü aber noch lauge »ich,; „och halten zu viele Wacht an der Donau und da sind die aufmerksamsten Wächter nicht bloü unter de> „et, zu siichen, dw an den Usern des Swomeü woh. neti. Außerdem veilanwt, daß Rußland gerade jept sich mit emer großen inneren Reform trägt, dw dnrch. auS friedltcher Ar, tst, der Reform seines Bauer», wesens. Kaiser Alerandcr schemt von den, ekle» Ehrgeiz erfüllt zu fein, in den Annalen seines Reiches als der gesegnete Name zu glänzen, der de» Bauer,,- stand, diesen Träger aller Euliur und damit aller auf sicherster Grundlage beruhende,, und im innersten Kerne gesunde,, Staatsmacht, auf die Höhe deS euro päische» Lebens erhebe» will. Wie er gleich zu An fang seiner Negierung die Leibeigenschaft aufgehoben, allo die Person frei gemacht, so geht er seht damit um, den Grmeindesih anfzulösen, also daü Gut frei zu machen, was immer wieder der persönlichen Frei heit zu Gute kommt. Landcigenihum hatte bisher nur die Gemeinde, nicht der einzelne Bauer; diese verlheilte in geregeltem, aber kurzem Wechsel die Genwitidefluren an ihre Glieder; sie war eü auch, welche allem für daü aufzukommen halte, waü der Staat an Steuern und Abgaben verlangte. Der Bauer hatte allo leine» Besip, de» er sein »c»nett loniue, den er hätte liebe», verbessern, verlaufen oder seine» Kindern vererben könne». Waü solcher Com- muniümttü für ttnglücksrlige Folgen haben mußle, sieht Jeder. AIS Leibeigener hatte der Bauer arbei ten müsse», als Freier wurde er faul, weil er Ntchtö vor sich brachte u»d die Gcmeiitde ihn über tragen mußte; der Schlendrian war zu Hause und von irgend einem Forischrtti keine Rede; n,tr Einü gedieh dabei, daü war die kaiserliche Accise und Pa- wmsteuer auf den Branntwein, die in sieben Jahren um 12 Millionen wuchs; die Trunksucht mchrw sich in einem erschreckenden Grade. So hatte denn die Reform Alerandeiü, die in dieser Gestalt alü lieber« gangSzeit vwllctchl nothwendtg war, theilwcise so traurige Folgen, daß selbst Einsichtsvolle und Gut gesinnte sich nach den früheren Zuständen wie nach dem verlorenen Paradiese zurücksehnten. Das soll seht anders werden. Man geht samt« um, den Ge- memdebesih in eine» persönlichen zu verwandeln, was zur natürlichen Folge Hai, daß die Leistungen an den Slaai nichi mehr solidarisch von der Ge< laniinlheii, sondern von den einzelnen Bauern be schaff! werden, dieser aber den ungeheueren Vorthcil Hai, Liebe und Fleiß auf ein dauerndes Besihihum zu verwenden, das er in seinem gesteigerten Wcrihe nach Belieben eniwcder veräußern oder als Erbe seiner Familie hinterlassen kann. Die Folgen dieser Reform, die auf kaiserlichen Befehl fehl de», Mini sterium des Innern zur Beraihnng vorliegl, wären für den gleiß und den Wohlstand, für die Intelli genz nnd die Moralität der ländltchcn Bevölkerung Rußlands gar nicht zu übersehen und das Nctch sei- ber würde m weit höherem Maße erstarken, alü durch gewaltsame Aneignung noch so vieler und wei ter, doch nur culiurroher Provinzen. Kaiser Ale« randerü Name würde in der Geschichte dcü Ezaren« rcichcü noch Heller und reiner leuchten, alü der eines Petcrü des Großen, der in despotischer Energie sci- nem Reiche eine fremde Cultnr auszwang, die cü nie innerlich aufnahm, oder der einer Katharina der Großen, die von fratizösifchen Philosophen alü die nordische Semiramiü g-priese», Nnßlaudö Umsang um mehr als 1l,000 Quadralmcilcn vermehrte und in Folge der deshalb geführten Kiiege seine Bevöl. lerutig ut» mehr alü eine Million Mcnschcn vermin derte. Tagcügcschichtc. Sachsen. Schandau, 12. Dcccmber 1871. Unter den verschiedenen Veranstaltungen, die am heu tigen Tage zu Ehren Sr. Mas. des Königs zn Aller- höchstihrem 71. Geburtstage hierorts getroffen wordc» waren, sei eiwähnt die Ncvcille, Beflaggung der Stadt, Schulactuü, Glockcngcläute, Fcstdiner, patrio tische Abcndunlcrhaltung mehrerer Vereine, alü deü Militär- und dcü Gesangvereines Liederkeanz u. s. w. Vormittags 10 Uhr begann der SchnlaclnS im Prüf- ungSsaalc der Bürgerschule, wo sich die Herren Leh-