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279 und nieder. Plötzlich blieb er vor Elise, die am Fenster säst, siebe», und nachdem er ihr forschend in die Augen gesetzc», gleichsam alö wolle er prüfen, ob sic auch im Stande sein würde, dao, was er ibr sagen wollte, zu erlragen, sagte er mit vor Auf- regung zitternder Stimme: „Elisc, in einem Viertel- jähre verlassen wir dieses Ha»S uttd diesen Ort. WaS man mir setzt gesagt hat, ist mehr, als ein Mann von Ehre und Gewesten ertragen kann. Frage mich nicht, waS es gewesen ist, es würde leinen Zweck haben, wenn ich eS Dir auch sagte! Wir wer ben zu meinem Bruder ziehen, der uns darum schon so oft gebeten hat, und bei ihm will ich meine Tage vollends in Ruhe verlebet,!" „Auch das noch!" sagte sic mit tonloscr Stimme, „Und wenn Alfred schreibt?" „So wird der Schulze uns den Brief nach- senden!" Damit war die Sache abgethan. Tagtäglich kam und ging die Post, aber ein Brief von Alfred kam nicht mit. Still und in sich gekehrt, verrichtete Elise die hauSlechen Geschäfte und eine düstere Melancholie bemächtigte sich mehr und mehr ihres Wesens. — Nach einem Vierteljahre zog der Cantor Marlin mit seiner Familie fort zur größten Bctrübniß der ganzen Gemeinde, der er über dreißig Jahre ein treuer sichrer und Freund gewesen war. Wohin er zog, daS wußte außer den, Schulzen Niemand. Weit fort wolle er ziehen, in ein an deres Land, hatte er den Fragenden zur Antwort gegeben. Elise hatte sich still und ergeben in Alles ge fügt. Ihr Herz war ja doch nicht mehr in Walb- mühl, sondern weilte fern, jenseits der Wogen des Oceanö. 2. Gesunde n. „ES muß doch Frühling wcrdcnl" (Emanuel Geibel.) ES gewährt einen für Auge und Herz außer ordentlich wohllhucndcn Anblick, wenn man auf dem Elbstromc von Dresden, der herrlichen Haupt- und Residenzstadt des gesegneten Sachseulandrü, strom aufwärts, der sogenannten sächsischen Schweiz zu, aus leise schaukelndem Boot fahrend, den Blick auf die stattlichen Billen und Schlösser richtet, die sich namentlich auf dem hügelichen rechtet, Ufer fast eine Meile weit in romantischer Abwechselung hinzichen. Wie Schmuckkästchen schimmern die sauberen, elegan ten Gebäude auü dem Grün der sie umgebenden Gärten und ParlS hervor. Eine von diesen Villen «hat sich zur Zeit unserer Erzählung durch ihre besonders schöne Lage und Umgebung von den meisten übrigen hervor. Un gefähr eine Viertelmcile voll der Hauptstadt emfcrm erhob sic sich auf dcm Gipfel eines terrassenförmig gegen den Strom abfallenden sanft gerundeten Hü gels. DaS stattliche Gebäude mit del, lichten, hohen Bogenfenstern und der von dorischen Säulen ge. tragencn Veranda davor war ringS von einem park- ähnlichen Garten umgeben, in denen prächtige Ala- ziengruppe» mit künstlich verschnittenem Strauch, wcrl und Blumcnanlagen abwcchseltrn. Vor der Veranda, etwa 12 Fuß entfernt, befand sich ein Wasser-Bassin auö Granit, auS dessen Mitte ein mächtiger Wasserstrahl senkrecht in die Höhe schoß, um dann in sanftem Bogen seine Wasser plätschernd und rauschend wieder in das Bassin zurückfallen zu lassen. Von der Veranda gelangte man durch eine Glaü- Ihür in den elegant eingerichteten Ganensalon und auS diesem ans einer gußeisernen Wendeltreppe in die oberen Gemächer. Auf der Rückseite deS Gebäudes führte eine Frei- treppe in den gepflasterten, von Slallgcbänden und Remisen cingcschlossencn Hof, auü welchem ein brei ter Fahrweg auf die an dem eisernen Gitierzaune, der den ganzen Garten umschloß, sich entlang zie. hcnde Fahrstraße, welche den Ort mit der Haupt stadt verband, führte. Die Besitzung hat einer altadekigcn Familie seit undenklichen Zeiten gehört. Vor kurzer Zeit war jedoch der letzte Besitzer unverheirathet gestorben und Vic Besitzung somit einer Menge von Verwand ten zngefallen, die, in dürftigen Verhältnisse,,, es mit Rech, für daü Klügste hielten, dieselbe meist- bietend zu verkaufen, um sich auf diese Weise in den Besitz deü ihnen zugcfaNenen Theilcü der Erbschaft zu setzen. Obwohl sich zu dem Verkaufötermine eine große Anzahl Kauflustiger einfand, d,c das prächtige Grund stück gern erstanden hätten, so überbot sie doch Alle ein Agent, der, wie eS hieß, für eitlen auü Amerika zurückgrkchrten reichen Pflanzer die Besitzung zu kaufen beauftragt wäre. Derselbe setzte stets „ui der größten Kaltblütigkeit ans jcdcü neue Gebot ein höherrü, so daß ihm auch zur größten Entrüstung der übrigen Bieter zuletzt daü Gul für eitle nahm- hafle Summe zugeschlagen wurde. Kurze Zeit darauf war auch der Besitzer ringe- zogen. Still und ohne allen Prunk, in eine», ein- fachen Neisewagen war er angelommeu, von Nie mand begleitet, alü von seinem bärtigen Kntschcr, neben welchem auf dem Bocke ein pechschwarzer Mohr geibioni und den thn verwnndert Betrachten- den stets lachend seine wetßen Zähne gezeigt hatte. Den Herrn selbst hatte Nicu,and gesehen. Die Vorhänge a» den Fenstern seines Neiscwagenü waren fest zusammtngezogen gewesen. Derselbe, rin hoher, stattlicher Herr mit aus drucksvollen, Gesicht und schwarzem Haupt- und Barthaar, wie er von dem alten Portier der Villa geschildert wurde, hatte sich auch in seinem neuen Bcsitzthum nicht lange ausgchalien, denn gleich am nächsten Morgen hatte er seinen Wagen wieder bc- stiegen und war nach den, Bahnhöfe der Residenz gefahren. Er würde auf unbestimmte Zeit verreisen, hatte er zu dem alten Portier gesagt, der noch gleich sam alü Jnventarium „cbst dem alten Gärtner Dör- nig und der bejahrten Köchin, Jungfcr Hannchen, wie sie genannt wurde, von der alten Herrschaft auf die neue mit übcrgcgangcn war. Diese Drei bildeten mit dem bärtigen Kutscher Johann und dem Schwarzen, Bob, wie er sich nannte, nunmehr den Hauptbestandteil des Personals in der Villa. Vier Wochen fast waren vergangen, ohne daß der neue Besitzer zurückgclehrt war und ohne daß er auch nur das Geringste hätte von sich hören lassen. Der Monat September hatte bereits begonnen. Die Sonne warf zwar noch recht hell und freundlich ihre Strahlen auf die Erde, aber eü war doch schon nicht mehr die alte, liebevolle Wärme, mit der sic noch vor wenig Wochen derselben ihre Grüße ge- sandi hatte, und in der Luft lag schon jene cigen- thümlichc angenehme und erfrischende Reinheit, die stets der Vorbote deü mit Macht hcranrückenden Herbstes ist und auf daS durch die Sommerhitze träg und schlaff dahinflicßende Blut belebend und erfrischend einwirkt. Eincü Morgens war der alte Portier Meier damit beschäftigt, die hohen Fenster in den Zimmr,,, der oberen Etage zu putze», welche einst von den Eltern deü verstorbenen Besitzers bewohnt waren, senden, aber leer standen, da der Erbe auü Pietät gegen dieselben dic Sachen darin, sowie sic bei ih rem Tode gestanden halten, unverändert hatte stehen lassen. Mit einem wchmüthigen Blicke betrachtctc er eine Zeit lang dic alten Möbel und Gcräthe; na mentlich weilte sein Auge auf den Oelgemälden in den schwarzen Nahmen, welche rings an der Wand hingen und dic PortraitS der Familie darstclltcn, di, seit undenklicher Zeit die Besitzer dieser Villa gewe sen waren und bei deren Letzten er selbst im Dienst alt und grau geworden war., Diese Bilder warcn daü Einzige, waü die Ver käufer deü Gutü für sich znrückbehaltcn hatten, um sic in Kurzem alö heilige Reliquien adzuholen. „Ihr alten, ehrwürdigen Zeugen einer ve,gange, nen, glücklichen Zeil, ihr Repräsentanten eineü einst fo glanzvollen Geschlechts, bald wird man euch binwegiragcn auü den Räume», in denen ihr nun schon so viele Jahrzehnte still und ruhig geweckt habt! — — Wie lange nur noch wird eü dauern, biü auch ich euch folge-, biü man auch mich hinaus- trägt aus dem Haufe, in dein ich den größten Theil meines LebcuS zugcbracht habe?!" DaS waren die Gedanken, welche den alten Ca- stellan beschäftigten, während er anf de» oberste» Stufen einer Treppenleiter stehend, dic Scheiben mit einem Tuche abrieb. Er war so i» seine Betrachtungen verliest, daß er vor Schreck hoch in die Höhe fuhr und beinahe von der Leiter hcruntrrgcfallcn wäre, alü er sich plötzlich an den, Saume seines linken Beinkleides gezupft fühlte. Er mochte wohl denken, eü sei eineü der allen Ahnenbildcr lebendig geworden, auü sei nem Rahmen herabgestiegr» und zupfte ihn jetzt, so entsetzt war der Ausdruck seiueü Gcsichtü, alü'er eü scheu nach der Seite wandle. Glücklicherweise hatte er sich in seiner Muthmaß- ung getäuscht, denn der Geist, der ihn eben jetzt ge- zupft hacke, war »och »ich! cm Bewoh»er deü Schal- icmcichü, sondern vollständig verkörpert und zwar in der wohlbeleibte» Person der allen Köchin, die mit ihrem gutmüthigen Gesicht zu ihm cmpvrsah. „Nicht wahr, Meier," sagte sie, mit der Hand anf dic Ausstattung des Zimmcrö dcuteiid, „cs war coch einc andcrc Zeit, untcr dcr goiiseligcn Hcrr- schaft, alü dicsc Näumc hccr noch mit fröhlichen, lachenden Gesichtern erfüllt waren und heitere Gäste von nah und fern hier wecktc», und frohes Lebe» im ganzen Hause verbreitete», in dec» eü jetzt still und öde ist, wie in eitlem Trauerhause?!" (Forts, solgt.) Vermischtes. — Dem „Rost. Tagest!." zufolge ist kürzlich eilt Bauer im Amte Schwerin wcgcn Majesläiübclcidig' mig in Utckcrsnchimg gezogen. Er soll i» trunfem-m Zustande sich unehrcrhietig über das von dem Groß Herzog alü Gcucral im Kriege mit den Franzosen bc wicscnc Feldherrntalcul gcnnßcrt haben und deswegen in eine zweijährige Gefängnißstrafc vcrnrlhcilt sein. — Einet» gräßliche» Unglück ist dcr am 20. August Abends gegen lO Uhr von Düsseldorf die Station Er kclcnz passirendc Pcrsoncnzng wmiderbarcr Weise cntgangcn. Ruchlose Hände halten, wie dic „K. Z." meldet, zwischen Erkelenz und Baal einen großen schweren Balle» anf dic Schienen gelegt. Glücklicher weise haben dic eisernen Forlrämncr dcr Maschinc, welche aber ganz krnmm »ach hitckc» gcbogc» worden warcn, den Balke» gut gefaßt, und so komckc nach 5> Minute» schrecklicher Fahrt, bis dcr Zug z»m Sichelt kam, wo Kies cmd Saad wie ei» fürchterliches Hagel Wetter dic Waggons überschüttete, derselbe mit Mühe zwischen dcm Vordcrradc nnd dcn Fvrtrcinmcrn hcr anSgcschafst werden. Sechs starke LcMc haben alle Mühe gebraucht, den Balken ans dic Maschinc zu heben; cö ist also anznmhmen, daß nicht ein Einzel ner, sondern Mehrere dic Unlhat vollführt haben. — Ans G log an, 20. August, wird dcr „Schl. Ztg." geschrieben: Ein am Freitag Vormittag begon nenes Feslnngümanövcr, an wclchcm dic gcsammlc Garnison Theil nahm, endete in der vcrflosscttc» Nacht mit cmcm Unglückssallc. Ans dcr Bastion Sebastian scncrtcn zwei iipsündigc Gcschützc, Vorderlader. Das eine Geschütz Halle cbcn Fcncr gegeben, während das andcrc noch gcladcn dastand; dcr Commandcnr des crstcn Geschützes connnandirtc „Laden", lind vielleicht eine Sccnndc darauf dcr des geladciicn Geschützes „Fcncr". Der bei diesem Geschütze dcn Wischcr füh- rcndc Kanonicr hatte wahrscheinlich in dcr ZcrstrcM- hcit das Connnandowort „Ladcn" anf sein Geschütz vczogcn, sprang vor nnd setzte den Wischcr eilt, ob gleich das Geschütz geladen war. In demselben An- genblickc war jedoch das Commandowort „Fcncr" gc fallen nnd dcr Uitglücklichc vom Wischer getroffen nicdcrgcschmcttcrt worden. Dic hcrbcigecillcn Acrzte lcistclcn dcm Vcrimglücktcn sofort alle mir mögliche Hilfe; cinc Stunde »ach dcm Vorfälle mußte ihm je doch dic rechte Hand bis zum Ellbogen und dic linke Hand amputirt werden. Dcr BcllagcnSwcrlhe hcißt Jlckinö Gräbsch, ist ans Tschcbckirch, Kreis Nemnarlt, gcbürlig. Literarisches. Sorben cingrirokse»! Papne'S „Illustrirter Fami- llen-Kalcndcr" säe 1872. ES läßt lich vor allen Dingen dariider lagen, baß uns ein so anckisaMer und nützlicher Kalender noch nie zu Keiichi gekommen ist. Dcr Nölen der fängi an mit einem reizenden Tckelbildc: „DaS erste Gebel", terilcch mti einer ernsten Geschichte.- „Eine Fabrt zwischen Leben und Tod", verläßt aber nun schnell dieses ernste Thema, um dem beiierstcn Tone Platz zu mache». ES lind lavier bnmoristischc Erzählungen, die nun solgen und zwar mii vielen, Geschick iltustrirt: wir erwähnen nur beispielsweise „Die Bombe an der Donau" oder dic Astaire „Sedan". Recht amüsant erscheinen uns auch dic von Versen begleiiclen bnmoristischcn Bilder: „Dic Rache des Gelehrten". Sehr übersichtlich und verständlich sind frrncr dic neuen Maaßt und Gewichte illustrirl. Praktisch wird dcr Kalender dnrch das ihm eigcuihümlichc ganz voltständigc Mestcn- und Märlle.Acrzcichniß. Im Anhang sindcu wir alü GratiS-Prämic cm vollständiges Mn- strirteS Kochbnch, worin sedc Hausfrau auf den ersten Blick einen willkommenen Führer erkennen wird. Das Kochbnch scheint uns daranf berechnet zu sein, sowohl die AlltagSkost ohne Mehrkosten möglichst verbessern zu Helsen als auch besonders bei Familienscsten als AuSkimsiSbuch für gewähltere Mahlzeiten zu dicucn. In Summa lasten sich in dem Kalender circa 20U Illustrationen zusammen- zählen. Der Preis vor, 5 Sgr., sür welchen dieser Ka- lcnder z» haben, ist im Verhäckuiß zu der Fülle des da rin Gebotene» ei» so ganz abnorm billiger, daß diese Billigkeit wohl einzig und allein dcr colostalcn Auflage, deren sich dieser Kalender zu erfreuen ha«, zu verdanke» fein kann. Productenprcisc. Pirna, 29. Aug. Waizcn st Thlr. 2S Ngr. bis — Thlr. — Ngr. - Korn -l Thlr. — Ngr. biS 4 Thlr. L Ngr. — Gerste - Thlr. — Ngr. biS — Thlr. - Ngr. — -akcr 2 Thlr. >0 Ngr. bis 2 Thlr.20 Ngr. — Bnitcr 21—22 Ngr. Löbau, 2S. Aug. Walze» st Tblr. ist Ngr. lcks ü Thlr. 4 Ngr. — Rogge» 3 Thlr. 2a Aar. bis ä Thlr. 7'/-Ngr. - Gerste 3 Thlr 2 Ngr. bi» 3 Thlr. 7V, Ngr. - Haier l Tblr. lv Ngr. biS 2 Thlr. - Ngr. — Butter 19—22 Ngr. Börse in Leipzig. AiiSIäiid. LoickSd'or - Thlr. - Ngr. - Pf. M-FrancS-Stück a - 0/, - — ' Ducaicu 2^^ Banknote» 82'/,-