Volltext Seite (XML)
Il m scha u. Die Zusammenkunst der Reichskanzler deS dcut- schen Reiches und Orsterrcich - Ungarns und du" wahrscheinlich zwischen ihnen besprochenen politi schen Anknüpfungspunkte, welche zn rineni Bündnisse beider Stonten führen können, hoben in der vergan- genen Woche noch immer den Hauptgegenstand der politischen Betrachtungen aller Gesellschaftskreise ge- bildet. Man kann nicht sagen, dass die in diesen »reisen ausgestellten Vcrmuthunge» über de» Inhalt jener Besprechungen in der Sache anffallend gewirkt und so bleibt denn nichts anderes übrig, als abzu- warte», ob die Zukunft uns in Thatsachrn Antwort darauf crtheilcn wird. Fürst BiSmarek und Gras Beust, die beiden politischen Gegner, in Freund schaftsbündnisse zu wissen, hat an und für sich schon etwas Auffallendes. — Viele Mißdeutungen erfahren die Zoll- und Handels.Verhältnisse in Elsaß- Lothringen; Thaisachc ist, daß die Elsasser und Lothringer vom 27. August dieses Jahres ab die meiste» ibrer Gcwerbserzeugniffc zollfrei nach dem übrigen Deutschland und möglicherweise auch zugleich nach Frankreich ausführcn dürfen. ES wird darauf ankommen, ob die Franzosen ihnen noch eine längere freie Einfuhr elsässisch-lothringischer Waaren gestat- teil werden; für jetzt sind die Aussichten dazu gering, da die französischen Industriellen der Normandie w- nur auf den vermehrten Absatz ihrer Mauren bedacht sind. Vielleicht werden unsere wicdergewonnenen de,itschen Brüder bald inne, wie eö mit der franzö sischen Bruderliebe bestellt ist, vielleicht öffnet auch der Umstand ibnen früher die Augen, daß die Süd- sranzosen sich jetzt schon dahin auösprcchen, daß die Elsaß-Lothringer niemals als Nationalfranzosen zu betrachten gewesen wären. — In Oesterreich- Ungarn stehen die Dinge auf dem alten Fleck. Die Römlinge und Junker und mit ihnen im Bunde die Slaven hoffen die Zügel der Negierung ganz in ibrc Hände zu bekommen. ES wird Alles davon abhängen, nur die Wahlen zu den Einzellandtagcn und dem Reichstage auSsallen. bis jetzt hat die ver- sassungSireue oder deutsche Partei in den Städten gute Aussichten, doch wird die Landbevölkerung von den Geistlichen zu Gunsten deS hohcnwart'schcn Re giments bearbeitet. — AuS Italien verlautet von einem kleinen Aufruhr in Nom, wobei eine Person getödtct wurde. Wahrscheinlich war derselbe von Jesuiten angrzcttclt, um der Negierung Vicior Ema- nuel'S Verlegenheiten zu bereiten. Eine an den Papst gerichtete Aufforderung, seinen Aufenthalt in Prag zu nehmen, Hal derselbe in einem an den dor tigen Erzbischof gerichteten Schreiben dankend abge- lcbnl. — Spanien ist auch linier seinen neuen, wie eS heißt, durchaus tüchtigen König noch zu kei ner vollständigen Nuhe gekommen. ES scheint fast, als wollten die Anhänger der alten karlistischen Pfaffcnregierung und die unreifen 'Republikaner sich gemeinsam zu neuen AufstandSvcrsuchen verbinden. — Will man wissen, wie hoch der deutsche Name selbst in de» fernste» Erdenwrnkcl» i» der Achtung »»derer Völker gestiegen, daun lese man, daß die Japanesen jetzt deutsche Militäruniformen tragen und gleichzeitig 20 Japanesen in Berlin stuciren. So suchen die Völler jetzt nicht mehr in Frankreich, sondern in Demichlaud sich in den Künsten deü Kric- geS und deS Friedens zu vervollkommnen. Taqessscschichtc. Sachse». Dresden, 28. August. Ihre Majestäicu der König und die Königin gedenken morgen eine Neise anzutrcten und Sich zunächst (über Regensburg) i» eitlem kürzet, Aufeutbalie nach Poffenhofcn zu begeben. Von dort reifen Ihre Majestäten zir einrm Besuche bei Ihrer Majestät der Königin-Wlttwc von Preußen nach Burg Stolzen fels, und zwar werden Se. Majestät der König von Possenhofen aus über Straßburg, Ihre Maje. stäi die Königin aber direct nach Stolzenfels Sich begeben, von wo aus Sc. Majestät sodann auch Se- dau uud die noch in Frankreich stehenden königlich sächsischen Truppen (24. Division), sowie auf dein Rückwege Metz besuchen werden. — Ihre Majestä ten drr Kaiser und die Kaiserin von Brasilien haben gestern drr königlichen Familie Ihre Besuche abge- stauet ulld mit Sr. Hoheit dem Prinzen August voll Sachsen-Koburg-Gotha iu Pillnitz bei Ihren könig- lichen Majestäten das Diner eingenommen. Im Laufe des vorgestrige» und gestrigen Tagcü haben die hohen Gäste die hiesigen Mllsecn und sonstige Mcrlwürdigkeiten der Residenz in Augenschein genom men, auch gestern Vormittag dem Gottesdienste in der katholischen Hoflirche beigewohnt. Heilte Mor gen haben Se. laiserltchc Majestät in Begleitung Sr. Hoh. deS Prinzen August von Sachsen-Koburg- Golha zur Besichtigung der f. Bergakademie, der Hüttenwerke >c. Sich nach Freiberg begeben und werden auf der Rückreise von dort auch der k. Forst- akadcmie in Tharand einen Besuch abstallen. Mor 278 gen früh werden Ihre kaiserlichen Majestäten nach Kvburg abreisen. — Bei dein Grundbau deS HofiheaterS ist man neuerdings auf große unverhoffte Htndrrniffe gestoßen, wodurch die Vollendung deS HauscS ans eine Zeit binauSgeschobcn sein wird. Man ist nämlich aus ritte weite Felscnschicht gerathen und diese muß zu- vörderst gesprengt werden, bevor der Unterbau in Angriff genommen werden kann. — Ai» 14., 15. und 16. September wirb in Dresden das fünfzigjährige Bestehen des norddeut schen Apothekervcrbandcü festlich begangen werden. Bereits habrn sich über 400 Theilnehmer zu der des Krieges wegen vom vorigen auf dieses Jahr verleg. Icn Feier angemcldet. Dem Coinmandanttn der Festung Königstein, Generalmajor v. Beeren, ist der Charakter als Generallieutenanl verliehen worden. Waldheim, 25. August. (CH. Tgbl.) Ein be dauerlicher Vorfall ereignete sich gestern auf hiesigem Casernenhofe. TagS vorher hatte ein Soldat der wachhabenden Mannschaften versäumt, sein Gewehr zu cmladcn. Beim Ercreiren gestern Morgen em- lud sich das Gewehr und wurden dabei zwei Sol- baten in einer Weife verwundet, die zu den schlimm sten Befürchtungen Veranlassung g,edt. Die Betrof fenen wurdet! sofort im städtischen Kranke,ihausc un- ,erbracht, und der nicht wenig zu beklagende Thätcr ist bereits zur Verurtheilung abgeführt. In der Nacht zum 27. d. M. sind in dem Dorfe Laußnitz bei KönigSbrück 11 Besitzungen durch Feuer zerstört worden. Unter den Betroffenen, von denen Niemand versichert hatte, sind 3 BauerguiS- besitzcr, die übrigen sind Gärtner und Häusler; sämmllichen Calamiiosen ist die cingeheimstc Ernte zum größten Theile verbrannt. Preußen. Berlin. Der Dau deS Neichö- tagS-Gebäueeö dürfte nunmehr rincu ganz ungehin derten Fortgang nehmen, ohne daß die sinkenden Maurer im Stande wären, ihn weiter zu hindern. ES sind nämlich an demselben jetzt eine große An zahl Soldaten beschäftigt, welche zn diesem Zwecke von den betreffenden Regimentern beurlaubt sind. Dieselben tragen die Militärmützc und sind mit dem Drillig-Anzugc bekleidet. Sie bekommen einen Tha ler pro Tag bei unbeschränkter Arbeitszeit. In der Nacht werden sic von cincr gleich großen Zahl Kameraden abgelöst. DaS Publtlum nimmt für die strilendrn Maurer nicht Partei. — Das Amtsblatt der-deutschen NeichSpostver- waltung enthält eine General-Verfügung des Fürsten. Reichskanzlers vom 20. August, wonach die sämmi- ltchrn Neichspostbehörden fortan die Bezeichnung: „Kaiserlich" sichren. Das Gencralpostamt erlaßt die von ihm ausgehenden Verfügungen und Schrei bet, an Behördrn und Privatpertonen des Inlandes (b. h. deü gesammien Gebiets deS deutschen Reichs) unter der Unterschrift: „Kaiserliches Generalpostan,l". Bei Schreiben nach dem Auslande bedient sich das Generalpvstamt der Unterschrift: „Kaiserlich deutsches Generalpsstantt". — Nach einen, Erlaß deS Bundeskanzleramts haben die in den dcu,scheu Staaten gelösten Ge werbescheine auch Giliigkcit in drn Bundesländern Elsaß und Lothringen. — Auch unter den Berliner Schuhmachrrgehilfen. welche bekanntlich unter sämmtlichrn Gewerben, selbst die Schneider nicht ausgenommen, das größte Con« tingent an Arbeitern stellen, treten Strilegelüstc offen zu Tage. So schrieben die Schuhmacher bei einem von 300 Personen besnchten Meeting in verflossener Woche ebenfalls die Firirung eines gemeinschaftlichen Nor,»al-Arbeitstages mit rinßündigcr Verkürzung ans ihre Fahne. Es wurde dabei besonders darauf hingtwiesen, daß die große Sterblichkeit unter den Schustern, welche ohnedies durch die gegenwärtige Coneurrenz der Maschinen eine fo bedeutende Ein buße in ibrem Erwerbe erlitten, schon aus SanitätS- Rücksichten die Verminderung der Arbeitsdauer drin gend ersordrre. Aehnliche Shmpiomc von ArbeitS- überdruß und chronisch gewordene Unzufriedenheit mit ihrer gegenwärtigen Lage kommen jetzt Schlag auf Schlag auch bei den Kleidcrmachcrn, Maschinen bauern, Anstreichern, ja sogar bei den selbstständigen Barbierstuben-Jnhabern zum Vorschein. — Berlin. ES sinken znr Zeit (und zwar allein Anschein nach vergeblich) circa 3000 Maurcr, 500 Maschinenbauer und ctwa 6000 Tischler, zu sammen also rund 10,000 Brodcrwerber, die ihre Familien mit einer „nzureichenden Unterstützung (>'/, bis 2 Thlr. pro Woche), sowie mit der Berpsand- ung und den, Verkauf aller entbehrlichen Gegenstände crballen müssen; die Zahl der stickenden" Tischler rürsic sich in den nächsten Tagen „och nm die Hälsie vermehren. — Der Bereit, drr deulschcn Privateiscnbahnen beabsichtigte bekanntlich, dein deutschen Reichskanzler einen Salon-Eisenbahnwagen zu schenken. Ji, der Sitzung vom 13. d. hat nunmehr der gedachte Ver- e i, zum Beschluß erhoben, daß der mit allem Luru« und Comfort auSgestaiteie Wagen, der durch seine Csnsiruction geeignet ist, alle deutsche Bahnen, die Gebirgsbahnen und die etsaß-lothungischen nicht aus geschlossen, zu befahren, auf allen deutschen Bahnen lostet,frei befördert wird, sobald derselbe von Ihren Durchlauchten dem Fürsten oder der Fürstin BiS« marek benutzt wirb; daß ferner dieser Wagen einer Csntrole nirgends zu unterwerfen ist, und daß end lich der NeichSlanzler die Station zu bestimmet, hat, wo der Wagen ausgestellt werden soll. Königsberg, 22. August. Vom 26. Juli bis incl. 20. August sind im Ganze» an der Cholera er- lranl, 870 Personen, von denen 407 mit den, Tod abgingen. In Elbing Hal die Cholera bereits 11 Opfer gefordert. Baiern. Laut dem „Nürnb. Corr." soll de» Beamten und Bediensteten der Verkehrsanstalien dir Zuweisung des BeiragS von 300,000 Fl. aus der Kriegsentschädigung als Remuneration m Anerkenn ung ihrer während deS letzten Feldzugs in erhöhtem Maße geleisteten Dienste zur Berthcilung zugcdacht sein. Württemberg. Stuttgart, 22. Aug. ES ist eine wahre Freude, jetzt durch das Schwaben- ländlc zu reisen. Allüberall lacht einem der Ernte- fegen entgegen. Nach dem KricgSjahre, das reich an Ruht» und Siegen, doch immerhin viele malc« rielle Opfer gekostet hat, kommt eine gesegnete Ernte, wie sie jetzt heimgebracht wird, doppelt willkommen. Sic ist für ganz Deutschland mehr als 5 Milliar den werth nnb weckt nnwillkürlich den Gedanken an das Bild, wie unser Süddemschland auSschen würde, wenn eine valerlandoverräthcrischc Neutralität — was denn unausbleiblich war — das Kriegsfeld hierher gebracht hätte. Mil gerechlem Slokzc sieh« der Württemberger das Eiserne Kreuz auf der Brust seiner Tapfer», »nd hoffenllich ist im ganzen Lande kein einziger Querkopf mehr, dem statt dessen daS Zeichen der Ehren- oder für unü Schanden-Legion lieber gewesen wäre. Oesterreich. Wien, 25. August. Wie be- stiinml versichert wird, verbleib! Graf Beust aus sei- neu. Postet, als NeichSlanzler. Alle Gerüchte, welche von einer Erschütterung der Stellung deS NeichS- kanzlerS Grafen Brust sprechen, sind völlig grundlos. Nach offiziöser Meldung verläßt der deutsche Kaiser am 6. September Gastein, um an, 7. Sep tember zum zweiten Male eine Zusammenkunft mit dem österreichischen Kaiser in Salzburg zu Haden, wo auch BrSmarck und Beust noch sein werben. Frankreich. Paris, 23. Ang. Ferre, der wüthenbc Communist, hat eine VerthcidigungSjchrist verfaßt, in welcher er die Versailler Negierung für die Ereignisse im Monat März und die Blutbäder im Mai verantwortlich macht. Ferre schließt die Schrift mit den Worten: Ich bin in den Händen der Sieger. Sic wollen meinen Kopf, so mögen sic ihn denn nehmen. Frei lebte ich, frei hoffe ich z» sterben. DaS Glück ist launenhaft, der Zukunft überlasse ich die Rache. Feuilleton. Verloren »nd gefunden. Eharactcrdild von Albert Jänich. (Fortsetzung.) ES war am späten Nachmittage und der Can tor eben damit beschäftigt, die Blumen in seinem Gärtchen zu begießen, als er von seiner Schwester ins Zimmer gcrnfcn wurde. Zu seinem Erstaune» traf er darin den Kammerdiener deS Freiherr,! von Horwitz, der ihn im Auftrage seines Herrn zu dir« scm beschick. Elise, die ebenfalls im Zimmer anwesend war, ward bei der Nennung des Namens Horwitz glühend roth, dann todicnbleich und brückte beide Hände auf ihr Hrrz, während ihre Augen sich unwillkühr- lich mit Thränen füllten. Fragend sah sic ihrcn Vater an; doch dieser zucktk mit den Achseln. „Hm! bm doch neugierig, was er will!" mur melte er, Hut und Stock ergreifend. „Baier!" sagte Elise leise. „Was willst Du, mein Kind?" „WaS er Dir auch sagen möge, Vater, erwähne von dem gestrigen Abend nichts I Es käme mir wie Entweihung vor. Hörst Du?" Der Cantor nickte stumm und verließ das Zim mer, Elise und seine Schwester in nicht geringer Erwartung zurücklaffend. — Nach einer Stunde nngesähr kam er wieder. Er war furchtbar aufgeregt und seine Augen blickten fin ster. Obgleich Elisc und Tante Friederike ausS Höchste erfchreckt waren, so wagtc doch Keine zu ragen, was ihm begegnet sei. Mit starken Schritten ging er im Zimmer auf