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55, 8. März 1909. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschir Buchhandel. 2905 Welche Bedeutung das bei uns erschienene Werk „Vergleichende Volks medizin" von 0r. O. v. Hovorka und vr. A. Kronfeld auch für Iuristen- kreise hat, geht aus dem uns soeben von Herrn Hof- und Gerichts advokat Dr. I. B. Holzinger in Graz zugegangenen Gutachten hervor: Die von vr. v. Hovorka und l)r. Kronfeld veröffentlichte„V ergleichendeVolksmedizin" ist eine durchaus originelle, mit großer historischer Erkenntnis geschaffene Encyklopädie von unge wöhnlicher kultureller Bedeutung. Schon allein imHinblick auf den gewaltigenUmfang der von den Autoren benützten Literatur (mehr als achthundert Schriftsteller mit wohlgezählten eintausendvicr- hnndertsiebenundfünfzig, mitunter äußerst seltenen Publikationen, von denen eine große Anzahl wieder bändereich ist) ist diese erste zusammen hängende Darstellung volksmedizinischer Sitten, Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren wohl ein Unikum erstaunlich praktischer Gelehrtenarbeit. Was das Werk für die Allgemeinheit be sonders wichtig macht, ist seine erfreuliche Brauch barkeit für das Rechtsleben. Der Fach-ichter sowohl wie der Geschworene, der öffentliche An kläger wie Verteidiger in Strafsachen finden darin dokumentierte Anhaltspunkte für eine richtige Beurteilung aller jener Delikte, die einem tief eingewurzelten Aberglauben, von allersher bestehenden volkstümlichen Vorstellungen und Ideen ihr Inslebentreten verdanken, und in ihrer Erscheinung von einer Justiz, die als objektiv und restlos gerecht gelten Witt, doch stets auf ihren Ursprung und ihre Grundursachen geprüft werden sollen. So bieten verschiedene Kapitel des Werkes höchst interessante Aufschlüffe über allerlei in der Rechtsprechung bisher leider wenig gewürdigte Abgründe des menschlichen Innen- lebens, in welcher Beziehung hiermit nur auf die Ausführungen unter den Schlagworten „Miß geburt", „Hexen", „Gesundwenden", „Vampyr" und die dort u. a. besprochenen Fälle von Mord, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Grab schändung hingewiesen werden mag. Namentlich dem Zauberei- und Hexenwesen, das in unserer als „aufgeklärt" geltenden Zeit immer und immer wieder in das Gebiet der Strafjustiz überraschend mannigfaltig einschlägt, ist in dem Werke eine umfassende,überaus dankens werte Behandlung zuteil geworden. Man darf hoffen, daß die zwei starken Bände „Vergleichende Volksmedizin", sobald ihr unzweifelhafter Wert und vielfältiger erzieherischer Nutzen nur ein- mal gehörig bekannt geworden ist, zum un entbehrlichen Be standteil jeder auf kul turelle Bedeutung Anspruch machenden Bibliothek zählen werden. Handlungen mit juristischer Kundschaft bitten wir nunmehr dem Werke die verdiente Beachtung zu schenken, die ihm bisher leider von einem großen Teil des Sortiments versagt worden ist. Den Herren Kollegen, die sich bisher für den Vertrieb wirklich interessiert haben und infolge dessen gute Erfolge erzielten, danken wir verbindlichst, diejenigen zahl reichen Herren aber, die noch nichts für die „Vergleichende Volksmedizin" getan haben, möchten wir doch dringend bitten, dies jetzt nachzuholen. Wir stellen den Handlungen noch Exemplare in Kommission zur Ver fügung und raten, jedem Juristen und jeder juristischen Bibliothek das wertvolle Nachschlagebuch zur Ansicht zu senden. Hochachtungsvoll Stuttgart, Anfang März 1909 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. 381