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266 schärfere Zucht bcizubringcn, und man nahm den Letzteren eines ibrer Vorrechte nach dem anderen. Immerhin ist den Kosaken vom Don sowohl, wie denen vom Ural so viel Eigenart ge blieben und cö haben sich bei ihnen so mancherlei cigenthümlichc Einrichtungen erhalten, daß sie den Versuchen, den NegierungS- zügel immer straffer über sie anzuzichcn, häufig mit den Aus brüchen der Unzusricdenbcit begegneten. Auch die religiösen Fragen spielen dabei häufig eine Nolle. Der größere Theil der Kosaken besteht nämlich auö „Starowcrtzen," Anhängern dcö allen Glaubens, daö heißt: sic gehören der griechisch-katholischen, aber nicht der russischen Kirche an, deren Oberhaupt der Czar ist. Die Kosaken sind mit einem Worte Dissidenten und neigen zu der religiösen Richtung der Klcin-Nussen und der christlichen Bevöl kerung der Türkei. Kosaken, Kirgisen, Baschkiren, Kalmücken haben bis in die neueste Zeit herein viel Unabhängigkeitösinn bewahrt. Ihre verschiedenen aufständischen Bewegungen hat die russische Negierung mit unerhörten Mitteln der Grausam keit und der inacchmvcllistischcn Tücke bekämpft, wobei ein Stamm gegen den anderen gehetzt wurde. Ob setzt eine Ver einigung sener Stämme gegen die Moskowiter-Herrschaft mög lich M Große Folgen werden diese Versuche einer Abschüttcl- ung dcö Jocheö nicht haben. Sic könnten nur gelingen, wenn Nußland durch äußere Ereignisse stark bedrängt würde. AIS Ansatzpunkte möglicher zukünftiger Ereignisse verdienen sie aber Aufmerksamkeit. Tages gefchichte. Sachsen. Schandau. Bei hiesiger Sparkasse sind vom 1. April bis 30. Juni d. I. 13,291 Thlr. 6 Ngr. 2 Pf. ein gelegt und 9045 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf. zurückgezahlt worden; cö betragen daher im 1. Halbsahr die Einlagen 27,517 Thlr. 20 Ngr. 7 Pf., sowie die Rückzahlungen 16,985 Thlr. 17 Ngr. 3 Pf. in Summa. Dresden. Die Gcneraldirection der sächsischen Staatü- eiscnbahneu hat ncucrdingö wieder nicht unbedeutende Aufträge zu Lieferungen von Locomotivcn crlhcilt und dabci die sächsische Industrie, welche durch N. Hartmann'S rühmlichst bekannte Ma schinenfabrik wobl vertreten ist, gut bedacht. Genannte Fabrik hat binnen gewisser Frist 30 solcher Dampfrosse zum Preise von ca. 450,000 Thlrn. anzufcrtigen. — Vom Justizministerium ist für die Inspektoren, Wacht meister und Gerichtöbolcn im ganzen Lande cine neue Dienst mütze angeordnct. — Die Jagdkarten auf daö Jahr 1869/70 sind von hell blauer Farbe. Wie die „Dr. Nachr." hören, soll die wegen Verdachts der Ermordung ihres Manncö, dcö Winzers Krause in Zadel bei Meißen, gefänglich eingezogene Ehefrau desselben vor dem Unlcrsuchungögcricht bereits daö Dekennlniß abgelegt haben, daß sic ihren Galten mit dem Beil erschlagen und selbst mittelst Schiebcbockcö an die Stelle gefahren habe, wo sein Leichnam aufgcfundcn worden ist. Auö Lunzenau, 5. Juli, berichtet daö „Amtsblatt für Burgstädt" Nachstehendes über einen Unglücksfall, der sich am Abend dcö 4. Juli in der Nähe der Stadt zugciragen hat. Der Schachtmcister Schumann war hier zum Besuche gewesen und hatte auf der Rückfahrt seine Braut besucht. Dieselbe beabsich tigte ihren Bräutigam ein Stückchen zu begleiten und Beide steigen Wohlgemuth in den harrenden Wagen. Da Sch. sich von dem Besitzer deö Geschirrs die Erlaubniß zur Leitung des selben erbeten und erhalten, nehmen Beide den vorder« Sitz im Wagen, der Eigenlhümcr und ein Anderer aber den Hintern Sitz ein. Kaum halte sich daö Geschirr in Bewegung gesetzt, alö die Pferde scheue», die Deichsel wcgbrcchcn, wodurch der Wa gen umgeworfen wird, und dann durchgehen. Bei dieser Ge legenheit ist Schumann vom Wagen gefallen, in daö vor dere Rad mit den Füßen geraihen und vollständig gerädert auf der Stelle todt geblieben. Seine Braut ist mit einem Armbruchc und sonstigen anscheinend nicht lebensgefährlichen Verletzungen, ebenso der andere Fahrgast, der Eigenlhümcr deö Wagens, glücklicherweise vermittelst eines raschen Sprunges ganz unver letzt davongclommcn. An dem Festzuge der Schützcngcscllschaft zu Zwickau zur 400sährigen Jubelfeier am 5. Juli haben gegen 1400 auswär tige Schützen Theil genommen. Auf dem Markt wurde dem König Johann ein Hoch auögcbracht und folgende telegraphische Depesche zugcsandt: „Ew. Königlichen Majestät samml dem ganzen königlichen Hause bringt in diesem Augenblick die privi- legirtc Schützengcscllschaft zu Zwickau mit ihren zur 400jäbrigcn Jubelfeier hcrbcigezogenen ca. 1400 Mann zählenden Gästen ein dreifaches herzliches Lebehoch auf langes Leben und Gesund heit." Während der Festtafel langte die Antwort des Königs an: „Herzlichsten Dank für daö auögebrachte Hoch und Glück wunsch zu dem seltenen Feste." In H a r t e ii st c i n hat am 29. Juni der Webermeister Engert seine Frau, mit der er im fortwährenden Unfrieden lebte, mit einem Holzpantoffel erschlagen und ist bereits deshalb ver haftet. Auch daö Dienstmädchen der Wtlw. Giegling in Plauen, ist, wie ihre Herrin, in Folge der erlittenen Brandwunden, welche beide beim Abziehen von Spirituö am 21. v. M. erhal ten hatten, nach qualvollen Leiden noch gestorben. Preußen. Daö eingclcitcte Sparsystcm der preußischen Negierung wird sich, wie die preußischen Blätter behaupten, auch namentlich für das Postpcrsonal des norddeutschen Bundes fühlbar machen. Für die obcrn Stellen werde die Aussicht auf Avancement erheblich dadurch vermindert, daß eine nicht geringe Anzahl höherer Stellen als wegfallend bezeichnet werde, weil die Verschmelzung der Geschäftskreise mehrerer Obcrpostdircclio- nen in Aussicht genommen sei und für die niedern Postbeamten sei cS eine wenig tröstliche Aussicht, daß durchweg von einer Erhöhung der Gehälter „abgesehen" sei. — Nach dem neuen Dislocationöplane umfaßt der Quar tierstand der norddeutschen BundeSarmee, incl. Hessen-Darm stadt, gegenwärtig 387 Garnisonen. Hierunter befinden sich 336 mit preußischer, 32 mit sächsischer, 9 mit hcsscndarmstädtischcr, 7 mit mecklenburgischer und 3 mit braunschweigischer Besatzung. Frankreich. Bei Revolutionen gehtö nicht nur in den Straßen, sondern auch in den Schlössern stürmisch zu und Jeder zeigt sein wahres Gesicht. Von den Auftritten in den Tuillericn am 24. Februar 1848 erzählt ein Augenzeuge, der Graf Alton- Shve, der demokratisch gewordene Er-Pair von Frankreich, in seinen „Erinnerungen": In den Tuillericn herrschte große Verwirrung. LouiS Philipp hoffte noch immer, der Abdankung sich entziehen zu können und durch Zugeständnisse den Sturm zu beschwichtigen, der gegen sein Schloß herandrauste. Die Kö nigin war in Thräncn aufgelöst und beschwor ihn, nicht zu wanken; Bugcaud rieth zum Widerstande, die Prinzen schwie gen, nur der Herzog von Montpensicr, der Jüngste von Allen, der für die Krone seiner Dynastie, also für seine eigene mit- sürchtete, drang mit der unanständigsten Heftigkeit in seinen Va ter, abzudankcn. Girardi» trat in den Saal und rief: „Alles ist verloren, Sire, wenn Sie nicht abtreicn." Die Königin rief (Alton-Shüe erzählt alö Ohren- und Augenzeuge): „Nic, nie, mein Gemahl! Ziehen Sie den Untergang dcr Schande vor. Ein König von Frankreich darf nicht als Memme vom Throne scheiden." Der Greis kämpfte mit sich selbst, Nemours blieb stumm, die Witlwe von Orleans, die schmerzensreiche arme Helene, schluchzte und war hysterischen Krämpfen nahe. Da schob Monipensier seinen Vater heftig an den Schreibtisch, packle ihn bei den Schultern und schrie: „Unterschreiben Sie, Sire, sonst sind Sie verloren und wir Alle. Haben Sie denn den Verstand verloren?" Dcr alte König ward furchtbar bleich. Er nahm die Feder und schrieb langsam mit großen Buchstaben, ohne zu zittern, die Abdankung nieder. Als er fertig war, beugte sich sein Sohn gierig zu ihm hinab, um den Inhalt des vcr- häiignißvollen Blattes zu lesen — da ergriff dcr König die noch mit Tinte gefüllte Feder, stieß sic heftig Monlpcnsicr inS Ge sicht, so daß dasselbe ganz schwarz wurde, und schrie: „Elender, bist du jetzt zufrieden?" Vermis ch tes. — Die „KarlSr. Ztg." schreibt aus Heidelberg vom 29. Juni! Ein büchst trauriger, mysteriöser Fall hat sich gestern hier ereignet: Der durch seine Aussicht so schone Sliickgartcn des hiesige» Schlosses ist der Schauplatz einer entweder ruchlosen oder mindestens sehr zu be klagenden That geworden. Dcr seit langen Jahren hier residircnde