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176 wendig, daß jeder Abgeordnete die Interessen und Wünsche seines Wahlbezirkes kennt. Ein Fremder kann diese nicht so kennen, nur ein Einheimischer. Wied ein Fremder gewählt, so wird man daraus unwillkürlich schließen müssen, daß dieser Wahlbe zirk unter den Hunderten und Tausenden seiner wählbaren Män ner nicht einen einzigen besitzt, der Intelligenz, Vaterlands liebe und Vertrauen genug bei seinen Mitbürgern hat, um durch den ehrenvollen Nus eines Abgeordneten ausgezeichnet zu werde». Wahrlich ein ArmuthSzcugniß für den Wahlbezirk. Wie müssen aber die Männer beschaffen sein, auf welche wir unser Augenmerk für die Wahl zu lenken haben. Festigkeit dcö Characters muß sich mit ehrcuwerthcr Gesinnung und In telligenz vereinigen. Wählen wir nicht den ersten Besten, wel cher sich linS aufvrängt, weil er zu Hause nichts oder nicht genug zu thun hat und cö deshalb vorzieht, mit Hilfe der Diäten ein angenebmes Leben in der Residenz zu führen, vielleicht auch auf diese Weise Carriürc zu machen und auf Kosten deö Landes für seine Eitelkeit Lorbeeren zu pflücken hofft. Ungleich höher muß uns der Mann stehen, welcher nur ungern Geschäft und Fa milie verläßt und uns ein Opfer bringen muß, was ihm durch Diäten nicht ausgewogen werden kann. Hüten wir unö vor denjenigen, welche nichts als die Schlag wörter der Zeit im Munde führen; sie lassen erkennen, daß ihnen die eigenen Gedanken fehlen und sic sich deshalb mit frem den Federn schmücken müssen. Hüten wir uns vor denjenigen, welche Zuviel und Unmög liches versprechen, sic lasscn dadurch erkennen, entweder, daß sic selbst nicht wissen, was sic sagen, oder daß sie uns zu selbst süchtigen Zwecken zu täuschen beabsichtigen. Welche poliiischeGesinnung müssen unscreAbgcordncicn haben? Nach dem Friedensschlüsse mit Preußen Hal unser König erklärt, er wolle offenen und ehrlichen Anschluß an den nord deutschen Bund. Dieses königliche Wort muß auch für dcn Abgeordneten zur Richtschnur dienen. Er darf weder sinnlos gegen gegebene Verhältnisse ankämpfcn, noch darf er willkürlich weiter gehen, als cs dcr Fricdcn mit Preußen bestimmt hat, und muß mit aller Kraft für die unö verbliebene Selbstständigkeit cinstchen. Sollten in unsere Landcsvcrtrctung Männer gewählt wer ben, welche diesen Thaisachcn ihre Augen verschließen, wahrlich unser Volk würde sich dadurch das Zcugniß der Unmüdigkeit auSstellcn und zu erkennen geben, daß cS für dieses Wahlgesetz nicht reif war, daß cö nicht im Stande war, diejenigen Män ner alö seine Vertreter zu erwählen, welche Intelligenz und Patriotismus dazu berufen. Dcr Nachthcil würdc für unö Sachsen unersetzlich sein. Wählen wir dagegen Männer auf unseren Landtag, welche die Intelligenz deö Landes vertreten und mannhaft bekennen, wir wollen innerhalb deö norddeutschen Bundes Sachsen bleiben, so wird man uns achten und uns keine demüthigenden Zumuih- ungcn machen. Lassen wir unö einen Theil unserer Ncichstagüwahlcn zur Warnung dienen. Welchen Parteien gehören denn diejenigen Abgeordneten an, welche getreu dem ihnen gewordenen Auftrage nachkommend, ihre Sitze im Reichstage cinnahme» und Opfer an Geld und Zett bringen? Welchen Parteien gehören dagegen diejenigen an, welche anstatt dem Willen ihrer Wähler, ent sprechend in Berlin sich einzufinden, in unserem Lande umher- ziehen und Versammlungen abbaltcn, welche sich durch einen Aufenthalt mit Diäten in Dresden für den diätenlosen Aufent halt in Berlin zu entschädigen trachten. Jene Männer, die in Berlin am Fortbau deö norddeutschen Bundes fleißig Mitarbei ten, sind auch dort geachtet. Männer der letzteren Art vermißt man in Berlin allerdings nicht, allein wenn man nach ihnen die Intelligenz und den Patriotismus ihrer Wahlkreise bemißt, wie dieö ja nicht anders kommen kann, thut man da nicht dcr Intelligenz und dem Patriotismus dieser Wahlkreise ein Un recht an? Schauen wir unö, ein Jeder in seinem Kreise, nach Män nern um, welche würdig und fähig sind, unsere Interessen bei unserem Landtage zu vertrete», auf daß unö, wenn die Wahlen ausgeschrieben sind, die Kürze der Zeit nicht überrascht. An jedem Orte, in der Stadt und auf dem Lande, mögen Alle, denen daö Wohl deö Vaterlandes am Herzen liegt, sich für die bevorstehenden Wahlen vereinigen. Weiden dann Männer zu Abgeordneten vorgcschlagen, deren Name für ihre Intelligenz und ihren Patriotismus Bürgschaft girbt, so mögen sic für diese ihre Stimmen erheben und durch daö Gewicht ihrer eigenen Namen denselben die Stimmen aller derjenigen zuführen, denen sie und ihr Charakter hinreichend bekannt sind. Jeder Vatcr- landöfrcund wirb sich dann sagen, wem solche Männer ihre Stimmen geben, dem kann ich meine Stimme auch mit gutem Gewissen geben. Eine solche Wahlagitation ist eine erlaubte, eine vollkommen berechtigte und gesetzmäßige. Sic ist viel besser und einflußrei cher alö Volksversammlungen, in welchen auswendig gelernte Reden gehalten werden, und gewöhnlich diejenige Partei, welche am zahlreichsten vertreten ist oder auch nur dcn größtcn Lärm zu machcn weiß, jede andere Meinung, sic mag noch so berech tigt sein, durch dcn Tcrroriömuö dcr Menge unterdrückt. (L- Z-) Tagesgeschichte. Preußen. Berlin. Eine unter dem Vorsitze des Neichs- tagsabgcordnelen Or. v. Schweitzer im Alkazar am 2. Mai stattgehabtc Volksversammlung, welche von etwa 5000 Personen besucht war, beschloß zuvörderst, die strikcnden Zimmcrgcscllcn zu unterstützen, und faßte dann folgende Resolution: „Dcr norbbcutschc Reichstag hat durch seine bisherige» Vcrhandlttngc» und Beschlüsse gezeigt, daß er vorwiegend aus Vertretern dcr rcactionärcn Staatsmacht und dcr Capitalhcrrschast bestcht. Von cincr solchen Versammlung hat das arbcitcnbc Volk nichts zu erwarten. Es ist Pflicht der Arbeiter, in Zukunft eigene Candidatcn der Arbeiter durchzusetzcn und dadurch thatkräflige Vertreter politischer und socialer Freiheit in den Reichstag zu bringen." Die Debatte war eine sehr lebhafte, namentlich gegen die National-Liberalen und auch gegen die Fortschrittspartei ge richtete, jedoch verlief sie ohne Störung und obgleich alle Par teien (Schulzcancr und Lassalleancr) in bedeulcnbcr Zahl ver treten waren, so zeigten sic sich doch in Bclrcff dcr Lohnfrage vollkommen einig. Oesterreich. Die Thronrede, womit dcr Kaiscr und König dcn ungarischen Reichstag eröffnete, hat in beiden Thei len dcr Monarchie den günstigsten Eindruck hcrvorgebracht, dem sich sogar die äußerste Linke der Magyaren nicht' zu entziehen vermochte. Der constiNitioncllc und freisinnige Charakter der Rede, verbunden mit dem festen Wille», das 1867 geschaffene staatsrechtliche Verhältnis, zwischen beiden Neichshälsten unver ändert aufrecht zu erhalten und außer aller DiScussion zu stel le», dagegen den Reichstag auf den Weg innerer Reformen zu verweisen, muß allen aufrichtigen Freunden dcr östcrreichisch-un« gariscbcn Monarchie eine wohl begründete Befriedigung gewähren. Italien. Wie man aus Nom schreibt, beträgt die Summe dcr dem Papste zu seiner Jubelfeier gemachten Ge schenke 7 Mill. Frauken. Amerika. Einer Schätzung des New-Iorker Herald zu folge hat Ncw - Pork gegenwärtig eine Bevölkerung von 1,119,000 Einwohnern. Von diesen sind 346,000 Deutsche, 336,000 Irländer, und alle anderen fremden Nationen sind durch nur 75,000 Köpfe vertreten, folglich kommt auf Ameri kaner kaum ein Drittel der Bevölkerung. Hierbei ist allerdings zu bemerken, daß unter fremden Einwohnern auch deren Nach kommen bis zur zweiten Generation, also Kinder und Enkel, einbegriffen sind. Kirchen-Nachrichten. Parochic Neinhardödorf. Sonnabend, den 8. Mai, Mittags 12 Uhr Beichte und Communion in Neinhardödorf. Geboren: Dem Schistm. u. Einw. I. G. Hickmann in Rcin- hardödorf cinc T. — Dem Bciwart. u. Einw. E. E. Liebsten: i. Rcin- hardödorf eine T. — Dem Schiffm. u. Einw. K. A. Geostcr in Krip pen eine T. — Dem Hauübcs. n. Stcinbr. H. W. Ehrlich in Schöna ein S. Getraut: E. I- Kastner, Stcinbr. u. Einw. in Schöna, mit A. W. Steglich in Neinhardödorf.