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176, 31. Juli 1S08. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. 8187 schüft seine Glanzzeit hinter sich. Große Vorräte von Riemers lateinischen und von Fahrenkrügers englischen Wörterbüchern, durch neuere vom Markte verdrängt, lagen fest, und wohl aus diesem Grunde wagte man sich, wie Oldenbourg aus Gesprächen schließt, an neue, größere Unter nehmungen nicht heran. Je weniger nun der Sohn, Johannes Friedrich Frommann, vom Geschäft in Anspruch genommen war und je weniger er darin Befriedigung fand, desto mehr wendete er sich der Beschäftigung mit öffentlichen, namentlich buchhändlerischen Angelegenheiten zu. Und hier entfaltete er bekanntlich als Vorstandsmitglied des Börsen vereins Jahrzehnte hindurch eine hervorragende Tätigkeit und erwarb sich, unterstützt durch seine umfassende Bil dung und scharfe Auffassungsgabe, besonders um die Rege lung der literarischen Rechtsverhältnisse dauernde Verdienste. Doch kehren wir nach dieser Abschweifung zu Olden bourg zurück. Des geselligen Lebens im Hause Frommann gedenkt er wiederholt mit hoher Befriedigung. Frau Ottilie von Goethe, die Schwiegertochter Goethes, war mit ihren beiden Kindern kein seltener Gast, Lektüre und Musik belebten die Unterhaltung. Goethe war in Weimar wenige Monate vor Oldenbourgs Ankunft gestorben, und dieses Ereignis mußte auch in der Schwesterstadt Jena mächtig nachwirken. Der zweite Teil des »Faust« und die Fort setzung von »Dichtung und Wahrheit« waren erschienen und versetzten die Geister in lebhafte Bewegung. Oldenbourg benutzte öfter die Nacht, um sich unterrichten und den Aus einandersetzungen darüber folgen zu können. Aus dieser Zeit rührt auch seine Verehrung für Goethe her, die er sich zeit seines Lebens bewahrt hat, wie er überhaupt seinem Jenaer Aufenthalt großen Einfluß auf seine geistige Entwickelung zuschreibt. Wenn ein Großer das Zeitliche gesegnet hat, so macht sich gewöhnlich der während langer Zeit um seine Person angesammelte Klatsch unter den lieben Mitbürgern besonders breit; so auch bei Goethes Tode. Zu Ehren des Frommannschen Hauses betont aber Oldenbourg, daß dieser weder dort noch bei seinen Freunden Einlaß fand und die hingebende Verehrung, die Goethe bei ihnen genoß, nicht beeinträchtigen konnte. Wie schon erwähnt, hörte Oldenbourg auch Vorlesungen an der Universität, wo er sich mit Erlaubnis seiner Chefs hatte einschreiben lassen. Der Hauptgewinn, den er daraus zog, bestand nur in Anregungen, und nur die Vor lesungen des Geschichtschreibers Luden haben bei ihm dauernden Eindruck hinterlaffen. Seine geschäftliche Tätig keit verteilte sich auf das wenig umfängliche Sortiment und den Verlag. Es bestand außer dem Ordnen der Novitäten hauptsächlich in der Führung der Buchhändler-Konten und der damit verbundenen Korrespondenz; das Herstellungs wesen kennen zu lernen, bot sich ihm keine Gelegenheit, und eine das ganze Geschäft, mit dem auch eine kleine Buchdruckerei vereinigt war, umfassende Buchhaltung gab es nicht. Auch hierin, d. h. in dem daraus abzuleitenden Mangel einer Kontrolle über Gewinn und Verlust und die ganze Ver mögenslage erblickt Oldenbourg mit Recht einen der Gründe, die zum Rückgang des Hauses Frommann beigetragen haben. Beim Tode des alten Herrn, 1837 — den Oldenbourg irr tümlich auf den Anfang der vierziger Jahre verlegt — sollte sich dann zeigen, daß für die Tochter Alwine kein Ver mögen da war und für den Sohn nur das seiner Frau und ihren Kindern gehörige. Elftere fand Anstellung als Vor leserin bei der Prinzessin Wilhelm von Preußen, der späteren Königin und Kaiserin, die sich als Weimarische Prinzessin eine gewisse Teilnahme für ihre Heimat bewahrt hatte. — War nun auch der Nutzen, den Oldenbourg aus seiner Jenaer Tätigkeit für seine eigentliche Berufsbildung zog, kein beträchtlicher, so betont er doch wiederholt mit Dank barkeit den günstigen Einfluß des Frommannschen Hauses auf seine geistige und sittliche Entwicklung. Mit Johannes Friedrich Frommann blieb er noch lange in näheren Be ziehungen, die durch gelegentliche Besuche ihren Ausdruck fanden. Im Frühjahr 1834 bekam Oldenbourg durch einen Leipziger Freund die Einladung, in eine Londoner Firma Bach L Co., der der Compagnon noch fehlte, als solcher ein zutreten, nachdem er sich als Gehilfe einige Zeit würde ein gearbeitet haben. Mit der Einwilligung seines Vaters, der selbst mit England lebhafte Geschäftsverbindungen unter hielt, folgte er der Aufforderung und ging nach London, das damals als die praktische Hochschule für den jungen Kaufmann betrachtet wurde. Er fand in Bach einen um mehrere Jahre älteren Landsmann aus Annaberg, der das damals zehn Jahre alte Geschäft von einem Schweizer Koller und einem Deutschen Cahlmann — wie sich erst später zeigte, viel zu teuer — übernommen hatte. Die ungünstige Lage in Soho Square, wo sich noch die Buchhandlungen von Dulau und Treuttel L Würtz befanden, und die geschäftliche Unfähigkeit Bachs ließen Oldenbourg bald die Aussichtslosigkeit des Geschäfts erkennen und gaben ihm Anlaß zu offener Aussprache. Es erfolgte eine Verständigung dahin, zunächst die Außenstände einzutreiben und dann mög lichst größere Bibliotheken als Kunden für deutsche Literatur zu werben. Die Eintreibung der Außenstände, die meist aus dem Verlage Bachs (Übersetzungen aus dem Deutschen) herrührten, nahm Oldenbourg selbst in die Hand, wodurch er bald genauere Kenntnis des Londoner Lokalbuchhandels und seiner einfachen Betriebsform erlangte. Es gab damals in England schon eine große Anzahl Bücherhändler, die in den einfachsten Formen nur den Handel mit antiquarischen und von Urheberrechten nicht mehr berührten Büchern führten, wie sie heute in allen größeren Städten Deutschlands zu finden sind. Auf diese Weise erhielt Oldenbourg bald eine große Fertigkeit in der englischen Umgangssprache, die er durch das Studium der Parlamentsberichte und deren lautes Nachlesen zu erhöhen suchte. Im Herbst ging er nach Oxford, um die große Bodleian-Bibliothek als Kundin zu werben. Praktische Ergebnisse zu erzielen, gelang ihm freilich nicht, wenn er auch mit Hilfe des damals dort studierenden Hermann Brockhaus aus Leipzig — der 1841 den Lehrstuhl für orientalische Sprachen in Leipzig bestieg — einen Einblick in das englische Universitätswesen erlangte. Inzwischen hatte Bach in London beim Bibliotheks-Vorstand des Britischen Museums vorgearbeitet, und Oldenbourg hatte nach seiner Rückkehr an Hand der Heinsiusschen Kataloge in der Biblio thek selbst die ihr noch fehlenden, aber inzwischen erschienenen Fortsetzungen der vorhandenen Werke der deutschen Lite ratur zu ermitteln. Diese Arbeit, die mit zeitweiser Unter brechung täglich drei bis vier Stunden in Anspruch nahm, zog sich den folgenden Winter durch hin bis zur Ab reise Oldenbourgs im Februar 1835. Die Früchte dieser mühevollen Arbeit sollten nicht einmal der Firma Bach L Co. zufallen; denn die Ausführung der großen Be stellung wurde nach Jahresfrist einer andern Handlung übertragen. Inzwischen hatte sich Oldenbourg mehr und mehr davon überzeugt, daß Bach nicht der Mann war, mit ihm das Geschäft in harter Arbeit emporzubringen; aber auch davon, daß es, um dauernde Erfolge in selbständiger Stellung zu erringen, nötig sein würde, ganz Engländer zu werden. Dazu aber hatten die Jahre in Jena auf Olden bourg doch zu nachhaltig eingewirkt, um deutsches Wesen und deutsche Bildung zugunsten einer einseitigen, ihm fremden Lebensauffassung einfach über Bord zu werfen. Er ergriff daher die erste Gelegenheit, um nach Deutschland zurück- 1068»