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Redaktioneller Teil. 123. SS. Mai 1922. Verband der Buchhändler Pommerns. Unsere diesjährige Generalversammlung findet am Sonntag, dem II. Juni >922, pünktlich 10 Uhr vormittags in Stettin statt. Versammlungsort: Hotel Deutsches Haus, Stettin, Breitestraße 58. Stettin, den 23. Mai 1922. Der Vorstand des Verbandes der Buchhändler Pommerns. Wilhelm Grünberg. Joh. Teetzmann. F. W. v. Behmen. Vom Antiquariatshandel. ii. <1 s. Bbl. Nr. LL> Presscurteile über das Antiquariat. — Kataloge. — Versteigerungen. — Löwen. Eine Straßenbahnfahrt in Berlin kostet jetzt 3.— -kk und wird bald 4.— -kk kosten; früher 10 Pfennig. Ein Paar Stiefel kostete im Frieden 18.— bis 20.— -kk; jetzt 600.— bis 800.— ^k. Das sind Preissteigerungen um das Dreißig- bis Vierzigfache. Es gibt aber viele Dinge, für die es sich noch um größere Unterschiede handelt. Auch der Antiquar niuß Straßenbahn fahren und Stiefel tragen und braucht zu seines Leibes Nahrung und Notdurft wahrscheinlich einige der noch viel teureren Dinge. Also muß auch er entweder so viel verdienen, daß er sich das leisten kann, oder er muß eben hungern. Was Wunder, daß seine Preise jetzt höher sind, als sie es einstmals waren? Und doch erregen sie den Unwillen der Presse. Will man nun die alten und die jetzigen Preise in. einer Beachtung und Glauben beanspruchenden Weise vergleichen, dann muß man vor allen Dingen eine tiefgehende Kenntnis der alten Preise haben und Behauptungen, die man in die Welt setzt, auch beweisen kön nen — einwandfrei beweisen können. Das sind Erfor dernisse, die klar auf der Hand liegen; denn aus falschen Voraus setzungen lassen sich nur falsche Schlüsse ziehen. Trotzdem öffnet z. B. das »Berliner Tageblatt« seine Spalten einem Manne, der keine, aber auch nicht die blässeste Ahnung hat, während in der eigenen Redaktion Leute sitzen, die ganz genau Bescheid wissen! Da wird zum Beispiel von dem Almanac de Gotha 1768 ge sagt: »Der Friedenspreis dieses Buches wäre 5—6 -kk gewese n«. Der Jahrgang 1768 ist der vierte in der Reihe (1764 hat der »Almanac de Gotha« angefangen; 1765 ist er jedenfalls nicht erschienen). Er ist seit langer Zeit sehr selten und war, als ich vor über 30 Jahren anfing, mich mit diesen Dingen zu beschäftigen, schon mindestens 100.— «kl wert. Der Jahrgang 1764 ist am 18. Juni 1913 in der bekannten Versteige rung gothaischer Hofkalender bei Martin Breslauer in Berlin mit 1810.— .kk bezahlt worden, der Jahrgang 1774 mit 160.— -kk; die dazwischen liegenden Bände sind einzeln dort nicht oorgekommen. Dagegen wurde gerade der Jahrgang 1768 (mit 12 Kupfern von Meil) am 8. Juni ISI4 in der Versteigerung von R. W. P. de Vries in Amsterdam mit 325 holländischen Gulden bezahlt. Das waren damals schon fast 600.— -kt. Wieviel es jetzt ist, kann man sich nach dem jeweiligen Geldkurse leicht aus rechnen. Im weiteren handelt es sich auch um: Dorat: i-es Kaisers. /V la tls^e et karis 1770. Davon wird gesagt: »Der Preis be wegte sich, da es auch im Frieden billige und teure Antiquare gab, zwischen 15 0.— bi ^ zu 6 0 0.— -kk, es können auch 800.— -kk gewesen sein, aber mehr niemals!« Hier ist die Sache etwas schwieriger. Es gibt nämlich aus demselben Jahre eine ganze Reihe verschiedener Ausgaben in ganz verschiedenem Werte. Die erste davon »L la Ilm«, cksr kupser und 2 Vignetten von Eisen. Sie ist gelegentlich zu mäßigem Preise vorgckommen. Ihr folgte alsbald eine Pracht ausgabe mit 1 Titelkupscr, 1 ganzseitigen Kupfer, 1 Titelvignette und 44 Vignetten von Eisen. Von dieser Prachtausgabe gibt es ebenfalls aus demselben Jahre mehrere (mindestens drei) Auf lagen, und dabei existiert sie außerdem noch auf »kleinem- und auf »großem Papier«. Von den Auflagen auf »großem Papier» ist diejenige die wertvollste, die das Titelblatt in Schwarz- und Rot druck hat und in den ersten Blättern des »Klais äs Mai- ver schiedene Fehler der Seitenzählung aufweist; die wertvollste, weil sie die ersten und schönsten Abzüge der tatsächlich ent- zückenden Kupfer enthält. Solche Exemplare haben stets sehr hoch im Preis gestanden, und es ist kein Gedanke daran, daß ein solches jemals für 150.— -kk zu haben gewesen wäre, der Ver- käufer müßte denn ein Esel gewesen sein. Im vorliegenden Falle handelte es sich aber um eins davon. In einer Erwiderung (Berliner Tageblatt vom 9. Mai) ist dem Herrn gesagt worden, daß »der billigste Preis in den letzten Jahrzehnten 990 Francs gewesen« sei. Da läßt er denn seine 150.— -kt ganz still beiseite und meint: »das wären etwas über 700.— -kt statt der 800.— -kt, von denen ich schrieb« (er schrieb auch noch: »aber mehr niemals!« — mit Ausrufezeichen). Eine solche Art des Kampfes nenne ich Spiegelfechterei. — Er fügt dazu noch die Sätze: »Für den Nachweis, daß ,je nach Zustand oder Zufall' bis 5000 Francs gezahlt wurden, wäre ich sehr dankbar (das war auch in der Erwiderung enthalten, wie das Folgende). In den letzten Jahren wurden angeblich 8500 bis 9500 Franks erzielt. Davon weiß ich nichts«. Das ist endlich ein lobenswertes Geständnis, und wenn der Herr sich des Umstandes früher bewußt geworden wäre, daß er nichts weiß, dann hätte er vielleicht auch das Schreiben unter lassen. Seine in Aussicht gestellte große Dankbarkeit aber will ich mir verdienen. Die Behauptung, daß »nach Zustand oder Zufall« (vielleicht sagen wir dafür »oder Laune«) sehr hohe Preise be zahlt worden sind, ist durchaus richtig. Das Nähere darüber ist XVIII. sidcle- <8. sä. Paris 1912), Spalte 308—311 nachzulesen. Dort finden sich sogar Preise bis zu 12 000 Fr. Der Zustand der Exemplare, besonders auch der Einband, spielt dabei aller dings eine sehr große Rolle. Wenn auch für die weiteren in dem Artikel sich findenden Fehler und falschen Behauptungen ein dokumentierter Gegen- beweis nötig werden sollte, so kann er erbracht werden. Nach dem vom »Berliner Tageblatt» gegebenen Beispiel bläst dann der »Vorwärts» (vom 16. März) in das gleiche Hörn. Da bei versteigt er sich zu der Bemerkung: »Wenn ein Privatmann Bücher verkaufen will, so kann er gewiß sein, daß ihm sür seine Kostbarkeiten nur Preise geboten werden, die der Vorkriegszeit entsprechen«. So dumme Privatleute gibt es nicht und infolge dessen auch keine Buchhändler, die so dumm wären. Im Gegen teil, viele Privatleute fordern jetzt Preise, daß auch dem best zahlenden Antiquar die Haare sich sträuben. Die Redaktion sor- dert ihre Leser dann aus, »sich erst an eine für solid geltende Buchhandlung« zu wenden, »von denen cs einige in Berlin gibt, die den wilden Markt nicht milgemacht haben und doch Weltruf besitzen«. — »Einige«, sagt sie. Umgekehrt wäre besser und rich tiger. Sollte die Redaktion des Vorwärts aber nicht die Ge schäftsrichtung und die antiquarischen Kenntnisse der »Sorti mentsbuchhandlung Vorwärts« etwas überschätzen, wenn sie im unmittelbaren Anschluß an die Antiquariate von Weltruf diese Sorlimentsbuchhandlung für jederzeit bereit erklärt, »den tat- sächlichen Wert von Büchern einzuschätzen« und gute Bücher zu angemessenen Preisen zu kaufen? Das müßte dann doch auch ein Antiquariat von Weltruf sein. Ich muß meine Unkenntnis in dieser Beziehung gestehen; davon weiß ich nichts. Aus der Fülle der Kataloge, die in den letzten Monaten erschienen sind, will ich zunächst die »ersten« und dann die Jubi- länms-Kataloge erwähnen. Es ist eine ganze Reihe neuer Anti- quariate entstanden, die sich mit ihren Verzeichnissen natürlich möglichst günstig einzuführcn bestrebt sind; sie versuchen cs zum Teil durch ihre Prcisansätze zu wirken; die einen durch beson- ^ dcrs niedrige, weil sie meinen, das zieht ihnen viele Käufer zu, ^ die zu dauernden Kunden werden; die anderen durch besonders hohe, weil sie wiederum meinen: das imponiert, und weil sie sich damit auf eine ganz gewisse Klasse einheimischer Bücher-