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87, 18. April 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 4605 Die Methode ist von vr. Eduard Mertens in Freiburg iin Breisgau ausgearbeitet und durch zahlreiche Patente in allen Ländern geschützt worden, vr. Mertens hat als lang jähriger Direktor der Graphischen Gesellschaft A.-G. in Berlin alle graphischen Techniken gründlich studiert; auch das Studium des Textiltiefdruckes wurde ihm zugänglich durch den bekannten Großindustriellen E. A Schlumberger in Mülhausen im Elsaß. Er hat in mehr als zehnjähriger unermüdlicher Arbeit unter großen Opfern sein Ziel erreicht und das schönste aller Druckverfahren für den Schnelldruck brauchbar gemacht. Bei seinen Arbeiten wurde er durch die beiden bedeutenden Maschinenfabriken Elsässischc Maschinenbau-Gesellschaft in Mülhausen und Vogtländische Maschinenfabrik in Plauen, sowie den Buchdruck- und Zeitungsfachmann Max Ortmann, Buchdruckereibesitzcr und Verleger der Freiburger Zeitung in Freiburg im Breisgau, tatkräftig unterstützt. Zur Geschichte des Rotationstiefdruckes sei gesagt, daß seit mehr als zehn Jahren ein von dem Maler Klic er fundenes Geheimversahren von der Rembrandt - Compagnie in England ausgeführt wird, das noch heute streng geheim gehalten wird. Es ist anscheinend ein gleiches Verfahren, das vr. Mertens und vr. Martin Schöpft in der Graphischen Gesellschaft Akt.-Ges. in Berlin im Jahre 1904/05 erfanden. Später begann die Firma Bruckmann mit dem sogenannten Mezzotinto-Verfahren und die Firma Meisenbach Riffarth mit dem Heliotint-Verfahren, einem der Rembrandt-Methode ähnlichen Verfahren. Die Inhaber der letztgenannten Firma haben, wie ein von denselben im Jahre 1905 ausgestellter Revers uachweist, den Rotationstiesdruck zum erstenmal bei Dr. Mertens in Berlin kennen gelernt. Alle die letztgenannten Tiefdruckverfahren beruhen auf einer Bildübertragung mittelst Pigment-Gelatinepapier, das naß auf dis Walze aufgcquetscht wird, und haben, da sie für Kunstblätterdruck bestimmt sind, einen dauernden Schnelldruck nicht nötig, wie er für Zeitungen und Zeitschriften erforder lich ist und wie ihn die neuen Erfindungen von vr. Mertens möglich gemacht haben. vr. Mertens und Rolffs verkauften ihre Erfindungen mit Ausnahme des Zeitungsdrucks für Deutschland im Februar 1908 an die zur Ausnutzung ihrer Erfindungen begründete Deutsche Photogravur-Aktiengcsellschaft in Sieg burg, während die gemeinsame Verwertung der Mertensschen und Rolffsschen Patente für Zeitungsdruck ebenfalls im Fe bruar 1906 durch Vertrag in die Hände von Dr. Mertens gelegt wurde. Das neue Druckverfahren, das jetzt in seiner Vollendung vorgeführt werden kann, ist überraschend einfach, und man erkennt in ihm nicht mehr die jahrelange Arbeit und ermißt nicht die Kosten, die darauf verwendet werden mußten, um es so einfach zu gestalten und für den Schnelldruck brauch bar zu machen. Der neuen Erfindung liegt die Praxis des Kattun drucks zugrunde. Die frühere Tiefdruckmaschine, die dem Kattundruck seit mehr als fünfzig Jahren dient, ist in dessen völlig umgestaltet worden und gleicht der heutigen Rotationstiefdruckmaschine kaum mehr in den äußeren Umrissen. Das Problem lag vor allem darin, das Tiefdruckverfahren für einen dauernden Schnelldruck tauglich zu machen, und in der Lösung dieser großen Auf gabe liegt vornehmlich die hohe Bedeutung der Mertens schen Arbeiten. Es waren eine große Reihe besonderer Verfahren und eigenartiger maschineller Einrichtungen zur Erreichung dieses Zieles erforderlich. Die allerwesentlichsten find die völlige Neugestaltung der Farbwischvorrichtung, die neuartige Form des Gegendruck-Zylinders und die Neuge staltung der Walzen-Photogravur. Börsenblatt ftir ben Deutsche» Bachhandel. 77. Jahrgang. Als Druckformen für das neue Bilderdruckverfahren dienen Eisen-Zylinder, die mit einem äußerst dünnen, nur ein Bruchteil eines Millimeter starken galvanischen Kupfer überzug versehen sind. Zur Übertragung des Bildes vom Original auf den Kupfcrdruck-Zylinder dient die Photographie unter An wendung des für die Autotypie üblichen Verfahrens. Zur Emulsionierung der Walzen wird ein Patent von Ernst Rolffs in Siegburg verwendet, dessen Verfahren Dr. Mertens vor einem von ihm für diesen Zweck patentierten Verfahren den Vorzug gibt. Die Schnelligkeit der Herstellung der Walzengravur entspricht derjenigen der Flachklischees, sie kann aber, weil viel einfacher als letztere, in noch kürzerer Zeit ausgeführt werden. Das Kopieren und Atzen der Walzen geschieht einfach und in neuartiger Weise. Die seinsten Details der photographischen Aufnahme kommen zur Geltung, ohne daß der Ätzer durch Decken mit dem Pinsel oder durch Hand ätzung mitwirkt. Der bisher von der Geschicklichkeit des Ätzers abhängende Detailreichtum der Atzung wird auf rein mechanischem Wege leicht, schnell und vollkommener erreicht, als es durch Handarbeit möglich sein würde. Das elektrisch niedergeschlagene Kupfer bietet seiner chemischen Reinheit wegen einen geeigneteren Ätzgrnnd, als die bisher benutzten Zink- oder Kupferplatten. Auch wirtschaftlich bietet die Her stellung dieser Atzungen Vorteile, da der eiserne Bilderdruck- Zylinder nur mit einer äußerst dünnen Kupferhaut über zogen ist. Einen für den Drucker äußerst wichtigen und wirtschaft lich sehr wertvollen Umstand bietet der neue Rotations- Bilderdruck dadurch, daß er keine Zurichtung erfordert. Sofort nach Einheben des Druckzylinders wird angedruckt, und das oft tagelange Zurichten an einer Bilderdruckform, wie es beim Hochdruck unvermeidlich ist, fällt weg. Der Druck erfolgt mit der Geschwindigkeit unserer Rotationsmaschinen. Ein Schmieren der Gravur durch Farbe, wie bei Hochdruck ätzungen, ist durch den eigenartigen Hergang beim Druck ausgeschlossen. Das Auswechscln der Druckform bedarf nur weniger Minuten, und die Gravur-Ätzungen vertragen sehr hohe Auflagen. Die Kosten der Maschine und Walzen photogravur Einrichtung sind relativ gering, auch halten sich die Kosten der Lizenz in angemessenen Grenzen. Die für den Tiefdruck benutzte Farbe ist billig und hat Ähnlichkeit mit der gewöhnlichen Buchdruckfarbe. Das Trocknen geschieht durch Trockenapparate, wenn Schmutz- papierrollen nicht verwendet werden. Die Maschinen können für einseitigen, zweiseitigen und für Mehrfarbendruck geliefert werden. Die Bedienung der Maschine und die Atzung weicht von den bisherigen Methoden ab; doch sind diese Arbeiten sehr einfach und in kurzer Zeit zu erlernen. Um eine Ge legenheit hierzu zu bieten, hat vr. Mertens in Freiburg i/B. eine Schule gegründet, in der neben Textilgravur auch die für Papierrotationsdruck und Walzengravur erforderlichen Arbeiten gelehrt werden. Um die allgemeine Einführung des vr. Mertensschen Druckverfahrens zu erleichtern und auch die Verwendung der in den Betrieben vorhandenen Schnellpressen und Rotationsmaschinen möglich zu machen, iverden drei ver schiedene Maschinen geliefert: 1. Tiefdruckmaschinen allein mit variabler Scheren- Schneide-Einrichtung, in denen die Tiefdrücke bogen weise aufgestapelt und dann in Flachdruckpressen mit Text versehen werden können, 2. Tiefdruckmaschinen, die an vorhandene Rotations maschinen angebaut werden und in welchen das Papier zuerst mit Tiefdruck bedruckt wird und sodan» 594