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in Gottes Namen denn. Aber wohin gehe ich „Na, wohl?" „Das Vermachter. * Die Auffindung der Leiche des Leutnants Förtsch, die der Drahi aus Geestemünde Donnerstag Anr Sachsen. Wilsdruff, den 11. Januar Ein Manko von drei Millionen. In seiner Neujahrsrede, die Bürgermeister Dr. Kretzschmar im Dresdner Stadtverordnetenkollegium gestern gehalten hat, beklagte er es sehr, daß der Stadt, die, wie er sagte, infolge des langjährigen Bestandes von keiner Seite mehr als besonders drückend empfundene Einnahmequelle der städtischen indirekten Abgaben gerade zu einer Zeil genommen würde, die sich ohnedies für die städtische Ftnanzverwaltung schwierig gestalte. Der Bürgermeister wies besonders auf den Umstand hin, daß der ganze Vorgang der Reichsgesetzgevung, der den Wegfall dieser Einnahmequelle bedingt, sich vollzogen habe, ohne daß den hiervon betroffenen Gemeinden amtlich auch nur irgend welche Gelegenheit dazu geboten war, auf die außer ordentliche Tragweite der bedenklichen Folge» dieser Maßnahme hinzuweisen. Da zwischen dem Ausfall an laufenden Einnahmen infolge der Beseitigung der indirekten Abgaben von nahezu 2 Millionen Mark einerseits und der Vermehrung der laufenden Ausgaben, z. B. durch die Gehaltsregelung der Lehrer und Beamten, andererseits schon für die ersten Jahre ein Manko von mehr als 3 Millionen Mark einlrcten werde, so stehe es außer Zweifel, daß zur Deckung der fehlenden Mittel die Er höhung der Einkommensteuer herangezogen werden müsse Der sozialdemokratische ReichStagSabqcordnele August Kaden, der de» 4 Reichstagswahlkreis Dresden-Neu stadt vertritt, wurde am Sonnabend aus öfsiruuchcr Straße von einem schwere» Unfall betroffen. Kade« wurde plötzlich unwohl, vermochte sich aber noch in ein Restaurant der Löbtauerstraße zu schleppen, wo er ohnmächtig wurde und im Automobil nach seiner Wohnung gefahren werden mußte. Der Arzt stellte starke Herzschwäche fest. Eine reiche Bettlerin wurde in der Person der 79 Jahre alten Bertha Hantscher in die Heil- und Pflege- anstalt zu Dresden etngelicfert. Das bejahrte Fräulein führte feit Menschengedenkeu das jammervollste Dasein, ließ sich von mildtätigen Mensche« und Vereinen unter- stützen, bettelte sogar ihrer Wirtin fast täglich das Essen ab und besaß doch eia bares Vermögen von mindestens 30000 Mark, das in ihrer Stube gefunden wurde, als diese nach ihrer Ueberführung in die Anstalt behördlich durchsucht wurde. Außerdem fand sich ein ganzes Lager geschenkter Sachen vor. Allein neun Sparkassenbücher wurden unter alten Kisten Üner und über mit Staub be deckt vorgefusden, von denen seit mehr als 25 Jahre» die Zinsen nicht mehr erhoben worden sind. Schwere Explosion in der Gasanstalt zu, Freiberg. In der inmitten der Stadt gelegenen Gas anstalt sand Sonnabend früh 6,10 Uhr eine Explosion statt. In dem sogenannten Reinigungshause, das drei 12 Kubikmeter große Etsrnkästen enthält, in denen das Gas filtriert, gereinigt wird, hatte sich infolge Ueber- Produktion eine Menge von Gas angesammelt, das jeden falls durch die Fensterritzen ins Freie gedrungen ist. Als ein Arbeiter nun die außen am Hause angebrachte Laterne anzünden wollte, um die Kontrollgasuhr besser sehe« zu können, erfolgte die Explosiv«, durch die das Reinigungs KLmstlerML. Roman von Vera v. Baratowski. Haus fast ganz zerstört wurde. Die schweren Kassel wurden vollständig zrrrissen. Sechs Arbeiter, die in der Nähe beschäftigt waren, wurden verletzt; einige vo« ihnen schwer. Dem Arbeiter Tortewitz wurde durch eine umstürrende l Wand der Brustkasten eingedrückt. Er mußte sofort ins Krankenhaus geschafft werden und dürfte kaum mit dem Leben davonkommen. Durch die heftige Detonation wurden die Anwohner aus dem Schlafe geschreckt, man glaubte zunäcvst, dre Pulverfabrik sei in die Luft geflogen Die Fensterscheibe« der Häuser in der Nähe der Anstalt wurden durch den Luftdruck eingedrückt. Einzelne Teile des Maurrwe.ks und der Balken wurden bis auf 100—150 Mtr. Entfernung fortaeschleudert. DaS Dach des in der Nähe stehenden Schlossereigebäudes wurde wie ein Sieb durchlöchert. Zwei m dem Hause beschäftigte Arbeiter wurden durch den Luftdruck durch das große Fenster auf den Hof geschleudert, kamen aber wunderbarer Weise mit nur leichten Verletzungen davon. Bei der Explosion schoß aus dem Hause eine mächtige Feuersäule. Die alarmierte Feuerwehr fand aber nicht viel Arbeit, do, nachaem das Gas verbrannt war, das Feuer von selbst nachließ. Wen die Schuld an der Katastrophe trifft, ist noch nicht restgestellt. Dienstag nachmittag brannte in Schwarzenberg das der Frau Albine geschiedene Endt gehörige Haus grundstück Der Dachstuhl und ein Teil Les oberen Stockwerks wurde vernichtet. Das Haus war von sechs Arbeiterfamilien bewohnt, von denen vier versichert Haven Die Eotstehungsursache des Feuers ist noch nicht festg/stellt. Die Glauchauer Sozialdemokraten hatten gegen die Gültigkeit der letzten Stadtverordneteowahl bei der Kreishauptmannschaft Beschwerde eingelegt. Die Ober- behörde hat aber ablehnenden Bescheid gegeben, da keine Besttmmunges über dre Beschaffenheit der Wahlzettel bei Stadtverordnetenwahlen oder über die Art der bei der Namensbezeichnung zu verwendenden Buchstaben bestehen. In der Beschwerde war als Begründung angegeben worden, baß die Wahl keine geheime gewesen sei, denn die Wahl- zettel seien von verschiedener Größe, und die einer de- stimmten Partei so stark durchgedruckt gewesen, baß die Namen vo« der Rückseite erkenntlich gewesen seien. Der TodeSsturz aus dem Fenster. Ein beklagens werter Unglncksfall mit tödlichem Ausgange ereignete sich im Grundstück Magdeburger Straße 18 in Leipzig- Gohlis. Die 29 Jahre alte von hier gebürtige Eyeirau des m der ersten Etage wohnhaften Viehhändlers Alfred Schmidt, Alma geborene Donack, stürzte beim Fenster- putzen aus ihrer Wohnung in den Vorgarten herab. Hierbei erlitt die Unglückliche schwere Verletzungen, denen .sie alsbald erlag. Der Fall mag zur ernsten Warnung dienen. Das unvorsichtige Gebaren von Frauen und Mädchen beim Fensterputzer, hat schon manches Opfer gefordert. Führte das Herabstürzeu auch glücklicherweise nicht immer zum -ovde, so waren schwere Verletzungen doch wiederholt zu verzeichnen. Wenn man Fenster reinigen will, soll mau sie herausaehmen! nachmittag zu melden wußte, ruft wieder die Tage der von Berlin aus begonnenen Gordon-Bevmtt.Fahrt ins Gedächtnis. Die Meldung von der Ausfischung der Leiche kommt völlig unerwartet, nachdem seit dem Tage des mutmaßlichen Unterganges der beiden Luftschiffer Förtsch und Hummel nahezu volle drei Monate vergangen sind. ES war am 12. Oktober nachmittags in der fünften Stunde, als der dem Elsässischen Verein für Luflschlffahrt gehörige Ballon „Hergesell" von dem Terrain der Schmargerdorter Gasanstalt aus seine Fahrt im Wett bewerb der Dauerfahrer begann. Seine Insassen waren Leutnant Hummel und der zum Luftschlffcr-Bataiüon von Straßburg nach Berlin abkommaudierte Leutnant Förtsch, der zudem die Führung übernommen hatte. Er hatte sich tn vielen glücklich vollendeten Fahrten als ge wissenhafter u»d geschickter Führer erwiesen. Auch seine Fahrt tn der Dauerkonkurreuz, soweit sie bekannt ist, läßt nicht den Schluß zu, daß Leutnant Förtsch sein und seines Kameraden Leben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt hätte, um, etwa von tollkühnem Ehrgeiz getrieben, die Siegcstrophäe, des Kaisers Preis, zu erringen. Denn er konnte schon deu Flug über die Nordsee wagen; stand doch der Wind direkt auf England zu. Da kam die unselige Rechtsdrehung des Windes in der Nacht vom 12. zum 13. Oktober, die den Ballon „Hergesell" mit so manchem anderen in die nördlichen Bretten d^r Nordsee verschlug, wo kein fester Boden zur Landung winkte. Aber noch war nicht jede Aussicht auf Rettung verloren; freilich, die Hoffnung, einen Preis zu erringen, mußten die Luftschtffcr aufgcben; für sie galt cs jetzt, sich so lange in ver Luft zu halten, bis ein Schiff rhre Linie kreuzte. Das konnte in der vou Dampfern und besonders von Fischkutter» so reich belebten Nordsee nicht schwer sein. Wir wissen ja, daß der sächsische Ballon „Plauen" und der Ballon des Dr. Nremryer auch in der Nordsee Nieder achen mußten und doch vou Schiffe» gerettet wurden. Den Insasse» des „Hergesell" als einzigen sollte die Rettung nicht vergönnt sein. Wohl fischte man zwei Wochen nach dem Aufstieg in Schmargendorf die Ballon hülle aus den Wellen der Nordsee auf; aber — der Korb mit den Insassen fehlte, er war, wie sich feststellen ließ, glatt au deu Halteseilen abgeschsitten worden. Noch hofften die Angehörigen — die Eltern des Leutnants Förtsch, in Leipzig und seine verheiratete Schwester iu Dresden und mit ihnen so viele an der Luflschlffahrt Interessierte — auf Rettung. Die beiden Luftschiff« konnten ja vou ei»em Fischkutter ausgenommen worden sei», der erst nach beendetem Fang, nach einige« Wochen, zurückkehreu wollte. Für eise solche Rettung sprach das Abschnetdc« des Korbes. Vergebene Hoffnung! Woche auf Woche verging und keine Nachricht kam. Die Eltern des Förtsch, Reichsgerichtsrat Förtsch, setzten 3000 Mark Belohnung für eine Rettung oder nähere Kunde aus. Umsonst! Heute wrfsen wir, daß die beiden Verunglückten damals die Seile abgeschnttten hatten, um sich mit der Ballonhülle über Wasser halten zu können. Sie werden ick an diese angeklammert haben wie die geretteten Jn- assen des BallonS „Plauen" — aber kein Schiff kreuzte hre Schleiffahrt über die schäume»de, kalte Flut. Dann endlich werden sie, vom Hunger oder der Kälte übermannt, hinabgesunken sein ins unendliche Wellen grab. Die Henriette kehrte gleich wieder zurück und brachte eine Karte. „Machen Sie Licht im Salon und bitten Sie die Gnädige, Platz zu nehmen," rief Flora, mehr peinlich, als angenehm überrascht, bemerkte aber auch sogleich, daß das Mädchen, wie es dessen schon oft gerügte Ge wohnheit war, die Zimmertür wieder halb offen gelassen hatte, und daß eine in kostbare Pelze gehüllte Dame vor dieser stand. „Nicht in den Salon, wenn ich höflich ersuchen darf. Dort ist es gewiß kalt, und ich bedarf der Wärme. Ge statten Sie mir, hier einzutreten," bat eine volle, leicht vibrierende und etwas umflorte Stimme. „Sehr gern, gnädige Frau! Aber diese Unordnung.. ." „Trägt den Stempel der Gemütlichkeit und des fried lichen Familienlebens. Wohl dem, in dessen Hause am Vorabend des schönsten, heiligsten Festes solche Vorbe reitungen mit wahrer Herzensfreude gemacht werden. Sie erlauben also?" „Ich bitte! Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen? .. So! .. Grete, räumen Sie doch weg, was auf dem Sofa liegt!" Es geschah. Frau Eufemi-Meißners Blick haftete forschend auf der ehemaligen Braut ihres Gatten. Ein Bild holder Jung fräulichkeit, Schönheit und Unschuld stand dieses Mäd chen vor ihr. Keine Toilettenkünste waren hierangewen det, und doch, wie reizend nahm sich die jugendliche Ge stalt in dem einfachen Hauskleidchen und den kunstlos geordneten Haaren aus! Hier waltete eben der Zauber voller Jugendfcische und ungetrübter Seelenreinheit. Von letzterer war Klothilde ja allerdings nicht unbedingt über zeugt, denn bittere Erfahrungen hatten ihr den Glauben an Gott und Menschen geraubt. „Darf ich fragen, was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft, gnädige Frau?" fragte Flora, neben ihr auf dem schwarzen Ledersofa Platz nehmend. 155,IS. freie Stunde zu verfügen vermag. Ich vermute nur, daß er, wenn irgend möglich, hier heute noch vorsprechen wird, weil ich ihn um seinen Rat hinsichtlich der Weihnachts bescherung, die am zweiten Feiertag in der Klinik statt finden soll, fragen möchte." „Ja, ja, mein liebes Kind, erkundige Dich nur recht eingehend." Er sah ihr lächelnd in die schönen Augen. „Also, wann darf ich denn wieder zurück sein?" „Du bist bis um elf Uhr beurlaubt, wenn Du Dich früher nicht von dem Skattischzu trennen vermagst. Darfst aber andernfalls auch schon um zehn Uhr wieder an Ort und Stelle sein." „Besten Dank für gütige Verhaltungsmaßregeln. fJch gehe jetzt also meiner Wege und versuche, wie sich so ein paar Stunden, die man im Exil zubringen muß, auf ge deihlichste Weise totschlagen lassen. Entschädigst Du mich auch nicht gehörig für mein Opfer ..." „Wirst schon zufrieden sein, Onkelchen! Siehst Du, alles geschieht doch nur zu Deinem Besten. Nun halte mich nicht länger auf! Es gibt ja noch schrecklich viel zu tun." dürfte Dir, dem stets und überall gern Gese henen gewiß keine Verlegenheiten bereiten." „Ja, ja, ja, ich gehe! Adieu, Kleine!" Mit diesen Worten zog Hauptmann von Westberg die Tür hinter sich zu. „Henriette, nun schnell! Helfen Sie die vergoldeten Nüsse, Aepfel und Tannenzapfen anhängen!" rief Flora. „Nein, keine weißen Fäden, liebergrüne, die bemerk:man gar nicht, und es sieht dann aus, als wären die Früchte wirklich an diesen Zweigen gewachsen. Etwas Illusion muß doch dabei sein." In diesem Moment klingelte man. „Gewiß der Herr Professor!" sagte die Dienerin. , „O nein, so früh kann er nicht kommen. Vermutlich wird noch etwas abgegeben. Nimm es nur in Empfang." Fräulein von Henck stieg auf die Stufenleiter, um des „Ach was, heute kommt man jedem ungelegen oder trifft niemand an. Da heißt es schon einige aste Jung gesellen aufsuchen. Baron Stein, Maior Dettlof undDok- tor Weise pflegen im Cafe Germania Skat zu spielen." „Siehst Du wohl? Das geht ja ganz famos!" „Hm! Wenn man aus seiner eigenen Wohnung hin ausspediert wird ..." „Du mußt Dich schon fügen." „Gut! Ein alter Soldat sollte sich gar nicht so unter jochen lassen. Was will man aber einer solchen kleinen Haustyrannin gegenüber anfangen? Also adieu! Hof fentlich baumelt morgen alles an dem Baum, was so ein Naschkater, wie ich bin, liebt. Na, Du kennst ja meinen Geschmack. Apropos".. er kehrte an der Tür um, „wie wurde es denn mit der Sammlung für arme, kranke Kin der? Ernst interessiert sich ja sehr für die Sache, und Du gehörst zu dem Damen-Komitee, welches milde Gaben aller Art in Empfang nimmt. Seid Ihr zufrieden?" „Ich kann schon immerhin eine recht hübsche Summe und verschiedene Geschenke abliefern. Jetzt wird sich ja freilich die Sammlung nicht mehr vergrößern. Das bare Geld floß uns leider ziemlich spärlich zu, aber morgen vormittag werden doch noch verschiedene Dinge, die den kleinen Patienten Freude bereiten, her beizuschaffen sein. Vielleicht kommt Professor Winter, und dann nehme ich Rücksprache mit ihm." „So, so, er stellte wohl seinen Besuch in Aussicht?" „Nicht doch! Du weißt ja, wie sehr Ernsts Zeit im mer in Anspruch genommen ist, und daß er über keine Baumes Spitze mit Gold "und Silberfäden zu schmücken. Dienstag, 12. Januar 1909. Beilage zu Nr. 3.