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«MN S» W« Beilage zu Nr. 3. Sonnabend, 7. Januar 1911. Teuksprüche für Gemüt und Verstau». Weisheit und Wissenschaft sind Waffen gegen das Laster; Du ein gewaffneter Mann, willst sein Gefangener sein? Veteachtung zum Sonntag nach Epiphanias. Römer 10, 13—18. DaS EpiphaniaSfest ist da8 Heidenchristfest; es er- innert daran, wie die Erstlinge der Heidenwelt ihre Kniee vor Christo beugten. Darum ist dieses Fest der Misfionsfesttaq unserer Kirche. Das Wort Mission ruft bei vielen unserer Zeitgenossen verächtliches Achselzucken hervor. Mission, Muckertum, schwärzester Orthodoxismus, Heuchelei, das ist ihnen ein und dasselbe. Ja, auf manche wirkt das Wort wie daS rote Tuch auf den Stier Warum? weil ihre Kenntnis von der Mission auf MarlittschkN Schilderungen nie dagewesener Misstons kränzchenschwestern und andern ähnlichen Machwerken beruht. Aber auch edler Gesinnte, welche solche Ver leumdungen der Mission verachten, verurteilen sie doch auS mancherlei Gründen; z B. man entziehe das Geld den Armen im eignen Lande, der Kostenaufwand stehe nicht im Verhältnis zum Erfolge, vielfach sei jahrelange Mühe ganz vergeblich. Andre sagen: „Laßt doch die Heiden in ihrem Glauben; jeder wird nach seiner Fa?on selig." Nun ist zwar der alte Fritz, der das einmal gesagt hat, ein großer t'önig und Feldherr gewesen, aber ein schlechter Christ und seine Bibel hat er nicht ordentlich gelesen, denn da steht geschrieben, daß außer Christo kein Heil ist. Als« können die Heiden nicht selig werden. Sollten wir nun diese Armen in ihrer Verdammnis lassen? Müssen nicht vielmehr wir, die wir aus lauter Gnade das Licht des Evangeliums haben, von ganzen Herzen wünschen, daß auch den Heiden die Seligkeit in Christo zuteil werde? Wäre nicht sonst unser Glaube ein liebloser, toter Glaube? Wollen wir aber den Lweck, so müssen wir auch die Mittel wollen. Zweck der Mission ist, die Heiden aus der Finsternis zum Licht, aus der Verdammnis zur Seligkeit zu führen; wollen wlr vtes, so müssen wir auch die Mission wollen, denn wie sollen die Heiden selig werden, wenn sie nichts von Christo hören? Sollen sie aber das Wort von ihm hören, so muß eS ihnen gepredigt werden, soll ihnen aber gepredigt werden, so müssen Prediger zu ihnen ge sandt werden, und daS eben find die Missionare, die Sendboten unter die Heidenwelt. Wer also ein rechter Christ sein will, im lebendigen Glauben stehend, durch drungen von heiliger Liebe, der muß Mission treiben. Auch ists Christi klarer Befehl, und es ist direkter Ungehorsam gegen Gottes Willen, wenn man als Christ sich fremd zum Werke der Mission stellt, denn Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Er kenntnis der Wahrheit kommen. Gott schenke uns allen MM Heidenchristfest ein Herz voll Liebe! An» Sachsen. Wilsdruff, den 6. Januar. Eine traurige Neujahrsbotschaft erhielten die in Dre-Ve» in der Lindenauüraße wohnenden Eltern des Handlungsgehilfen Max Eibengarten, der sich am Silvesterabend auf der Bahnstrecke zwischen Langebrück und Klotzsche vom einführenden Görlitzer Personenzuge überfahren ließ. Ihm wurde der Kopf vom Rumpfe ab gefahren. Der in einer Dresdner Zigarettenfabrik angestellt gewesene Kontorist wurde */,9 Ubr aufgefunden. Er führte einen Brief seiner Firma bei sich, in dem ihm diese die Stellung aufgekündigt hatte. Ein heiteres Erlebnis eines Einwohners in Rade berg wird jetzt bekannt. Kommt da edenbesagter stroh- verwitweter Einwohner nach froh verlebten Feiertagen bei dn auswärts wohnend-n Angehör gen nachts vom Bahnhofe und steuert seinem verwaisten Heim zu. Doch, o Schreck! In der Wohnung ist Licht —. „Das sind Einbrecher und nichts anderes', ist der erste Gedanke und wie immer, war auch hier die Polizei sofort zur Stelle. Der Jünger der heiligen Hermandad bestätigte beglückt über den seltenen Fang „in flagranti" den schreck lichen Verdacht und nun ging es auf leisen Sohlen mit gezückter Waffe, polizeihundzäynefletschend hinauf in die gefährdeten Räume. Doch nichts rührt sich, nicht ein Laut. Leise wird die Türe zu dem erleuchteten Zimmer aufgemacht — „ach, du heiliger Sebastian, jetzt habe ich vergessen, die Gaslampe vor vier Tagen auszudrehen" entfleucht eS nun erkenntnisreich dem gebrochenen Herzen deS erschrockenen Strohwitwers. Na, die Gasrechnung! Ja, wenn das der Frau passiert wäre. Wer den Schaden hat ! Auf der Rodelbahn in Pir«« sind in den letzten Tagen mehrere schwere Unglückesälle vorgekommen. So erlitten zwei Knaben schwere Beinbrüche, ein Mädchen einen Armbruch und ein junger Mann einen Kinnladenbruch. Eine unliebsame Störung erfuhr der Gottesdienst am Silvesterabend in der Kirche zu Liebethal bei Pirna. Die Kirche war geheizt und zwar hatte man zur Feuerung des Ofens frischen Koks verwendet, aus dem sich Kohlenoxydgase entwickelten. Den Besuchern des Gotteshauses fiel beim Eintritt ins Gotteshaus die schlechte Luft auf, doch gab man sich zufrieden, da man nachteilige Folgen nicht spürte. Als die Predigt begann, wurden aus dem Chore nicht weniger als zehn Kinder bewußtlos, die ins Freie geschafft werden mußten. An der frischen Luft erholten sie sich sehr bald, so daß Schädigungen an der Gesundheit nicht eingetreten sind. Der Gottesdienst wurde abgebrochen. Von der Zittauer Polizei wurde ein 25jähriger Bäckergeselle aus Chorin wegen Diebstahls verhaftet. Der Verhaftete soll ferner sich durch Aeußerungen verdächtig gemacht haben, den Rippersdorfer Raubmord verübt zu haben. An seiner Kleidung wurden Blutflecke entdeckt In der letzten Stadtverordnetensttzung in Dövet« wurde an Stelle des wegen Krankheit ausgeschiedene« Privatmanns Otto Johnsen, der 32 Jahre lang an der Spitze des Stadtverordneten-KollegiumS gestanden hat, Oberlehrer Professor Dr. Krantz fast einstimmig zum Stadtverordnetenvorsteher gewählt. Nach der Sitzung wurde im Hotel „Stadt Altenburg" ein Festmahl der beiden städtischen Kollegien zu Ehren des Labakfabrikanten Stadtrates Theodor Ehrlich abgehalten, der dem Rats- kollegium 25 Jahre lang angehört und aus diesem Anlaß zum Ehrenbürger der Stadt Döbeln ernannt worden ist. Von der Stadt Aue werden im nächsten Jahre dem städtischen Musikdirektor Sättler 1500 Mk. zur Verfügung gestellt, die dieser nach eigenem Ermessen an diejenigen Mitglieder seines Orchester« verteilen soll, welche ihm lange angehören oder sich durch gute Leistungen auSzeichnen. Anrze Lhronik. Zwei feindliche Kompagnon-. Zwischen den beiden Chefs der Firm Loß und Laux, Charlottenburg, Kaiservamm 110, entstanden am Mittwoch vormittag, wie die „B. Z. a. Mittag" meldet, Zwistigkeiten, in deren Verlauf Laux auf seinen Sozius, OSkar Loß, zwei Re- vslverschüsse abgab Die Schüsse gingen fehl, worauf Loß sich rettete. Laux versuchte dann sich selbst zn töten. Er richtete die Waffe gegen seinen Kops und feuerte drei Schüsse ab, die ihn nicht verletzten. Darauf schnitt er sich die Pulsadern aus. Inzwischen kam auf die Hilferufe deS Loß der Kommissar des Reviers mit einigen Beamten, aber nur sehr schwer gelang es, den Verletzten zu ver binden. Nach Anlegung des ersten Verbandes wurde er ins Westender Krankenhaus gebracht. 1SVOKV Mk. unterschlage«. Der Kaufmann H. Schweigmann in Geesthacht bei Hamburg, Vorsitzender der Geesthachter Spar- und Leihkasse, ist wegen Unter schlagung von rund 190000 Mk verhaftet worden. Schweigmann, der in Geesthacht unbegrenztes Vertrauen genoß, hat die Veruntreuungen durch Wechselfälschungen, Unterschlagungen und Urkundenfälschungen begangen. Durch seine Veruntreuungen sind auch die Mitglieder der Spar- und Leihkasse geschädigt. Opfer der Ei-dah«. Wie aus Mar nheim ge meldet wird, find am Dienstag abend beim Schlittschuh laufen in der Nähe von Altrip drei Mädchen eingebrochen und ertrunken. — Auf der schwachen Eisdecke des Ober- teiches in Rastenburg in Ostpreußen brachen vier Kinder ein, von denen nur zwei gerettet werden konnten. Der 10jährige Schüler Plaumann und der 11jährige Link ertranken Ei«»r«ch i« ei« Pfarrhaus. Aus Düsseldorf wird gemeldet: In das evangelische Pastorat am Cleve- platz sind nachts Diebe eingedrungen. Durch das Geräusch erwachte der Pastor und schoß auf die Einbrecher, die die Schüsse erwiderten und sich wieder zurückzogen. Einer von ihnen wurde später von der Polizei verhaftet. Ein anderer verletzte einen Beamten, der ihn festhalten wollte, durch mehrere Schüsse und entkam darauf im Dunkel der Nacht. Raubmord i« ei«er Pfarrei. In der ka tholischen Gemeinde Dzieditz bei Kattowitz drangen in der Nacht zum Mittwoch Räuber in die Pfarrei ein. Sie erschossen den Pfarrer nnd raubten die Pfarrkasse. AIS Täter kommen drei Personen in Betracht, die un erkannt entkamen. Dziedlitz liegt an der preußisch-öster- Kei Sonnenuntergang. Littauischer Roman von M. von Wehren. 85) (Nachdruck verboten.) „Wo ist er? Mein Lehrer? Mein Wohlthäter? - Mein —" ihre Stimme brach in Schluchzen. „Haben Sie Mitleid, Herr, sagen Sie mir, was hat man ihm gethan? O, meine Angst, meine Ahnungen, all die Zeit!" Sie rüttelte Vitzthum, als er schwieg, am Arm; er deutete in die Ferne, von wo man das Rasseln eines Wagens hörte. Verängstigt sah der junge Wilmsen seine Cousine an, was war mit ihr? Langsam, ganz langsam fuhr der Wagen von Meyer Levy der Mühle zu. Friede und ein Grenzbeamter führten Lie Pferde. Vorne saß ein etwa achtjähriges Kind, in Lumpen gehüllt, dessen große blaue Augen furchtsam um sich blickten. Im Wagen lag auf Stroh und schmutzigen Betten Romberg. Er stöhnte schwer bei jedem Schritt, den die Werde machten. Friebes weißes Haar hing zerzaust um den Kopf. Der Alte Iah garnicht auf. Mit wahnsinniger Hast stürzte das jnnge Mädchen ihm entgegen und kletterte an der Wagenleiter in die Höhe. „Georg! - Herr Georg! O mein Gott, hilf! Was ist geschehen?" Mit vom Fieberdnnkel gefärbten Wangen, die Augen matt, halb gebrochen, sah Graf Gotter auf seine Schülerin. Sein Blick sing an sich zu beleben, ein leuchtender Strahl schoß einen Augenblick aus ihnen hervor. „Mein Lieb, meine — Haideblume", flüsterte er heiser; dann versuchte er sich zu erheben und schrie wild: „Laß mir die Rose, Bösewicht, — ich gebe sie nicht —, denn ich habe sie mit meinem Herzblut erkauft. Alles sollst Du haben, nur sie nicht —, sie ist mein, — sie folgt mir zu Gott, in den Himmel, — mein süßes Lieb!" — Röslein, Röslein, — Röslein rot, - Röslein auf der Haiden!" «Seid barmherzig, Mensche» — helft ihm, reitet ihn!" schrie das junge Mädchen, „sonst stirbt er, seht Ihr es nicht?" Sie bog sich tief nieder auf den Verwundeten, strich ihm die feuchten Haare aus den Augen und legte ihre kleine Hand auf seine glühende Stirn. Es schien ihm wohlzuthun, er wurde ruhiger und schloß die Augen. Unterdessen batte Wöge Rombergs und seinen eigentlichen Namen genannt und um Verzeihung gebeten wegen der Täuschung, die ihnen von oben her befohlen worden; er be leuchtete auch die Motive, welche dieses Komödicnspiel gebot. Dann erzählte er von der geplanten Rettung der kleinen Magdalene und dem Mordanfall des Juden, dem sein un- gliicklicher Freund zum Opfer gefallen. Der Nebel sei so dicht gewesen, daß Moses ungesehen hinter Gotter schleichen konnte, um ihn aus dem Hinterhalt zu überfallen. Die Kleine sei nun gerettet, aber mit dem Grafen sähe es böse aus. Schon in der Nacht habe er zweimal Wundkrampf gehabt; nach dem Arzt sei geschickt, hoffentlich komme er bald und helfe. „O Du niederträchtiger Schurke, was hast Du uns gethau!" fuhr er verzweifelt auf Moses zu, der stumm vor sich Hinstarrle. „Ich könnte Dich in Stücke reißen für das Leid, das Du uns bereitet hast." „Leider brächte dies keine Hilfe", sagte der alte Herr, und zu den Gefangenen gewendet: „Nun hört aber auf zu schreien, Männer, und kommt alle heran, wir wollen den Herrn Grafen vom Wagen heben. — Stehe nicht so versteinert, mein Sohn, hilf doch rin wenig mit!" „Vater, - sieh nur, Rose! - O Gott!" „Was ist mit ihr, Karl? - Ach so - nun auch das noch!" schluchzte der alte Mann. „Armer Junge, ich wollte Dich so gerne glücklich sehen — aber es scheint mir so, mit unserer Rose wird es Wohl nichts. — Sei ein Mann, Junge, verfärbe Dich nicht wie ein altes Svittelweib — und stehe Deiner Cousine bei — das arme Ding — ist ja — ganz von Sinnen. — Ihr Leute, schnell, nehmt die Hintcrwand vom Wagen, es ist die höchste Zeit, daß der Verwundete zur Ruhe kommt." Die alte Tante war auch zum Wagen getreten, um sich das Kind hernnterzubolen, wurde von dieser aber nur ganz mechanisch begrüßt, lieber den Verwundeten gebeugt, flüsterte Rose ihm liebkosende, beruhigende Worte zu. Da unterbrach sie Karl und hob sie vom Wagen, erklärend: „Die Leute können nichts beginnen, so lange Du neben dem Kranken stehst, Rose. Wenn wir ihn auf sein Bett ge bracht haben, kannst Du immer bei ihm sein nnd ihn pflegen. Sei nur nicht verzagt, Cousinchen, er wird wieder gesund werden!" „Nie, Karl! Ich danke Dir für Deine Sorge und Güte zu mir; Du hast recht, ich will gehen und helfen, ein Lager zurecht zu machen, damit er ruhig einschlafcn kann." Nun sie taumelte, wollte der junge Wilmsen sie stützen, aber sie wehrte ihn ab: „Hilf nur dem da, — damit Herr Georg nicht noch mehr Schmerzen hat, ich finde meinen We» allet«." Anscheinend gefaßt ging sie dem Hause zu, blieb aber plötzlich vor Moses stehen und ihn fest anschauend, leuchteten ihre braunen Augen in seltsamem Feuer: „Warum hast Du das gethan, Moses? Er war so gut! — Dn hast Dich und uns zu Grunde gerichtet!" — Nach einer bangen Stunde hatte man den schwer Ver wundeten in Mamsell Wilmsens Zimmer gelagert auf das altertümliche Bett. Ein Transport nach oben war unmöglich gewesen, da der Zustand des Leidenden sich von Minute zu Minute verschlechterte. An Rettung war wohl nicht zu denken, der Tod hatte schon seine unauslöschlichen Linien in das edle Gesicht gezeichnet. Das jnnge Mädchen kniete neben ihm und hielt seine eisige Hand in der ihrigen. Sie schien ruhig und nur ihre Brust hob sich hestig, als fehle eS ihr an Luft. Mamsell Wilmsen saß einige Schritte vom Bett entfernt, dicht daneben Leuchen, die fest eingcschlafen war. «Fortsetzung folgt)