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MÄM » MW Beilage zu Nr. 118. Donnerstag, 14. Oktober 1909. Aus Sachsen. Wilsdruff, den 13. Oktober. Die Einwohnerzahl der Stadt Dresden mit Albertstadt stellte sich nach den Monatsberichten des »Statistischen Amtes der Stadt Dresden" am 1. Dezember 1906 auf 516996. Das Foitschreibungsergebnis am 1. September 1909 war 546000. Ein schreckliches Unglück, bei dem drei Kinder schwere Verbrennungen erlitten, ereignete sich, wie das »Leipz. Tgbl." meldet, am Donnerstag abend in der Lindenthaler Straße 12 in Leipzig-Gohlis. Die drei Kinder des Fleischermeistcrs Wilhelm Apitzsch saßen am Tische und machten ihre Schularbeiten. Die über dem Tisch hängende Spirituslampe brannte jedenfalls nicht hell genug, weshalb sie der achtjährige Sohn herunterziehen wollte. Er stieß dabei jedoch gegen die Lampe, die herunterfiel, wodurch sich der Spiritus über die Kinder ergoß. Im Nu standen alle drei in Flammen und wurden fürchterlich zugerichtet. Obwohl von herbeieilenden Nachbarn die Flammen durch Ueberwerfen von Tüchern schnell erstickt wurden, erlitten die Kinder sehr schwere Verletzungen. Auch das im Zimmer befindliche Dienst mädchen wurde leicht verletzt. Für die Kinder besteht keine Lebensgefahr. Ueber einen Monstre-Konkurs wird der „Neuen Vogtl. Zeitung" folgendes geschrieben: Bei der Prüfung der Bücher der in Konkurs geratenen Konservenfabrik Alexander Schörcke Nächst, Inhaber Kaufmann Balduin Emil Enge aus Frankenstein bei Oederan, ist fest- gestellt worden, daß Forderungen von 1867000 Mk. nur 19,08 Mk. Kasse und zwei Bankguthaben über insgesamt 79000 Mk. gegenüberstehen. Beteiligt sollen sein die Deutsche Kreditanstalt, der Dresdner Bankverein und die Filiale Dresden der Deutschen Bank. Mit einem höchst merkwürdigen renitenten Menschen hatte es dieser Tage das Schöffengericht in Chemnitz zu tun. Der Invalide Hempel in Erfenschlag, ein 46 jähriger noch kräftiger Mann, sollte sich wegen Be leidigung an Gerichtsstelle verantworten Da er sich ge weigert hatte, zu erscheinen, war Vorführungsbefihl erlassen. Aber auch d-m zu diesem Zwecke erschienenen Gerichtsvollzieher leistete Hempel keine Folge, so daß schließlich der Gendarm in seiner Wohnung erschien und ihn verhaftete. Der renitente Mensch leistete auch hierbei Widerstand und mußte, an Händen und Füßen gefesselt, mittels Geschirrs nach Chemnitz transportiert werden. Im Gerichtsgebäude angekommen, lag er stundenlang gefesselt auf einer Bank. Als dann der Termin begann, mußte er von mehreren Gerichtsdienern in den Saal getragen werden, da er sich energisch weigerte, zu stehen oder auch nur einen Schritt zu gehen. Nachdem er vor dem Platze des Vorsitzenden niedergelegt worden war, machte sichs der sonderbare Schwärmer be quem, legte die Hände unter den Kopf und verblieb auch bei seiner Eidesleistung in dieser Stellung. Er meinte: „Habt Ihr mich drei Stunden gefesselt, so laßt mich erst 'mal ausruhen." Als der Vorsitzende eine Frage an ihn richtete, sagte er gelassen: „Meinen Sie mich? Dann müssen Sie es sagen. Ich höre nicht aus Euren Quatsch." Dabei wurde er ausfällig, beleidigte das Ge richt und den Gendarmen, bis er wieder hinaus und in Haft gebracht wurde. Er hat zunächst wegen Ungebühr eine dreitägige Haft zu verbüßen. Wegen der Beleidi gungen, deren er im Verfahren beschuldigt war, erhielt er drei Wochen Gefängnis; doch dürste er, wenn nun mehr die neuen Fälle von Beleidigungen und der Wider stand gegen die Staatsgewalt zur Aburteilung kommen, eine ganz exemplarische Strafe zu erwarten haben. Aurze Lhrsnik. Gift, Messer und Strick. Auf entsetzliche Art hat sich am Montag der 22 Jahre alte Handlungsgehilfe Franz Dietl in der Gräfestrabe in Berlin ums Leben gebracht. Er hatte Salzsäure getrunken, sich mit einem Taschenmesser die Pulsader der linken Hand ausgeschnitten und schließlich an einem Bettpfosten aufgehängt. Der Selbstmord eines Bürgermeisters. Am Mittwoch hat sich in Calau der Bürgermeister Hamann in seiner Badestube erschossen. Der Beweggrund zur Tat ist unbekannt. Nachbestellungen auf das „Wochenblatt für Wilsdruff" IM- sür das neue Quartal nehmen torrgesetzt sämtliche Postämter, sowie auch unsere Ausgabestellen und Zeitungsboten entgegen. Ein Probe abonnement für dieses Quartal ist zu empfehlen. Inserate haben großen Erfolg. Telephon: Amt Wilsdruff Nr. 6. Ein Familiendrama. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend hat der Bahnmeister Preßler in Kirchenlaibach anscheinend in einem Anfall von Geistes störung seine Frau und beiden Töchter im Alter von acht und zehn Jahren mit einem alten Säbel ermordet; nach der Tat erhängte sich Preßler. Als man Sonnabend früh die Wohnung erbrach, fand man die weiblichen Mitglieder der Familie furchtbar zugerichtet in ihrem Blute schwimmend auf. Verurteilter Lehrer. Die Bromberger Straf kammer verurteilte den Lehrer Wilhelm Fritsche aus Jan nowitz wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit in 15 Fällen an Schulmädchen zu drei Jahren drei Monaten Gefängnis. Ein furchtbarer Racheakt In dem Orte Rimkel fand am Donnerstag im Lokal des Wirtes Budde eine Hochzeitsfeier statt, die anfänglich ohne jede Mißklang verlief. Nachts gegen 3 Uhr stürzte plötzlich ein verschmähter Liebhaber der Braut in den Festsaal und schleuderte, ehe man noch recht zum Besinnen ge kommen war, eine Dynamitpatrone zwischen die erschreckten Hochzeitsgäste. Die Patrone explodierte mit furchtbarem Knall und acht Personen wälzten sich in ihrem Blute. Ein sofort herbeigerufener Arzt stellte fest, das fünf Personen schwere Verletzungen erlitten hatten. In der allgemeinen Verwirrung gelang es den Täter, zu ent kommen. Später wurde ein Bergmann verhaftet, in dem man den Schuldigen gefaßt zu haben glaubt. Ein Liebesdrama. In einem Teiche bei Lux wurde die Leiche der Frau des Oberleutnants von Powolny und die Leiche eines anderen Oberleutnants, die mit Stricken zusammengebunden waren, aufgefunden. Es scheint sich um ein Liebesdrama zu handeln. Explosion schlagender Wetter. In den Kohlengruben vonMoliöre erfolgte eine Explosion schlagender Wetter, wodurch fünf Personen getötet und zwei ver wundet wurden. Zwei Leichen waren bis zum späten Abend geborgen. Der Tod in den Flammen hat in den öster reichischen Grenzort Hermannstadt die Frau des Guts besitzers Irmler gefunden. Sie stürzte in ihr brennendes Haus, um ihr Bargeld zu retten, wurde aber von den Flammen erfaßt und konnte nur als verkohlter Leichnam unter den Trümmern hervorgezogen werden. Grdbebe« i« Oesterreich. Die am Freitag im Süden der Monarchie beobachteten Erdstöße traten wellen förmig an verschiedenen Orten in der Mittagsstunde auf. In Graz, Cilli, Laibach, Agram und den zwischen diesen Städten liegenden Ortschaften stürzten Rauchfänge ein und Sprünge entstanden an Mauern. Ein Mann wurde vom Sesfel geschleudert, eine kranke Frau starb vor Schreck. Nach den letzten Nachrichten machte sich das Erdbeben fühlbar in der ganzen Lika bis Triest, dann in Servola, San Rocco, San Marco, Capo d'Jstria und Zara. In Agram läutete die große Glocke des Domes von selbst. Zahlreiche Häuser haben Sprünge; Stuck und Statuen fielen herab, verletzten aber niemand. In Petrinja fielen 50 Rauchfänge ein, auch wurden Häuser beschädigt. Vermischte». * Eine Stnrmnacht in de« Tropen. Die Leipziger Mission legt in Mb aza im Norden von Deutsch- Ostafrika zur Zeit eine neue Station an. Die ersten Nach richten vou dort, aus der Feder des Missionars Dann- Holz, stammen vom 26. Juni. Er beschreibt in seinem Brief das Eintreten des FrühjahrsregenS, wie er es auf der Reise nach Mbaga erlebt hat: Am Abend lagerten wir beim Ngoka, an der Westseite von Nord-Pare auf sonnenverbrannter Steppe und niemand dachte an Regen. Um 10 Uhr nachts brach es los, von Osten her über den Kamm des ParegebirgeS durch den Urwald von Kisangora brauste es heran und fiel auf die Abhänge bis in die Steppe mit Sturm und Platzregen, mit Blitz und Donner wie ein langgehemmter, dann ober seine Dämme durch brechender Strom. Schon um 11 Uhr kam der „beria", dec Wass.rschwoll, von den Westabhängen des Gebirges herunter und schlich sich auf leisen Sohlen heran, vor sich Auf dunklen wegen. 83) Roman von E. Wagner. Nachdruck verboten. Alexa hörte schwache Rufe in geringer Entfernung und sah dunkle, in der Finsternis kaum zu unterscheidende Gestalten. Ein plötzlicher Gedanke durchzuckte sie. „Sie werden nicht in dem Hause Deiner geschiedenen Frau nach Dir suchen, Vater", flüsterte sie. „Komm; ich will Dich dort verbergen, bis die Verfolgung vorüber ist". Sie eilte dem Hause zu und zog ihren Vater mit sich. Sie gingen durch eine Nebentür und eine Neben treppe hinauf. Vor ihrem Zimmer blieb sie stehen. Im nächsten Augenblick ging sie weiter, öffnete die Tür von Lady Wolgas Privatzimmer und ließ ihren Vater hinein. Sie wußte, daß Felice unten war. „Hier werden sie nicht nach Dir fachen!" sagte sie. »Ich werde zu Dir kommen, wenn die Verfolger fort sind. Nun muß ich hinuntergehen, um sie von Deiner Spur abzuleiten". Sie eilte hinaus in die Halle, wo sie Lady Mark ham vor der Tür begegnete. Einen Moment schien ihr Herz still zu stehen; dann begab sie sich in das Gesell schaftszimmer, und die Freundin der Lady Wolga, strahlend bor triumphierender Freude, folgte ihr auf dem Fuße. Lady Wolga war es noch nicht gelungen, sich dem Marquis zu entziehen, und Mr. Dalton mußte geduldig warten, ehe er zu der von der Lady gewünschten Privat unterredung vorgelassen werden konnte. . Lord Montheron war inmitten einer leidenschaftlich borgetragenen Bitte um Einwilligung der Lady Wolga Hu einer sofortigen Heirat unterbrochen worden durch die ^unieldung des Pfarrers und Harle dann den verlorenen vaden nicht so recht wiederfinden können; doch war er entschlossen, das Haus nicht eher zu verlassen, als bis er seinen Zweck erreicht hatte. Kaum hatte er sich wieder in seine Rolle hineingeredet, als Alexa eintrat, die er mit Groll im Herzen und Haßspürenden Augen ansah. Alexa setzte sich, nicht aber Lady Markham, die sich bis auf einige Schritte Lady Wolga näherte und dann mit der Miene einer strengen Anklägerin stehen blieb. „Meine liebe Lady Wolga," sagte sie mit scharfer Stimme, „ich habe Ihnen etwas Besonderes zu sagen. Ich habe eine schwere Beschuldigung gegen Miß Strange, Ihre Gesellschafterin, auszusprechen, oder vielmehr, sch wünsche sie zu entlarven, und ich werde es jetzt vor Ihnen und vor Ihrem Gaste tun." „Lady Markham!" rief Wolga streng. „Ah, Sie glauben mir nicht? Nun ich kann meine Worte beweisen!" rief Lady Markham, und in ihrer" Stimme lag ein Gemisch von Stolz und Hohn und Triumph. „Ich kann Ihnen beweisen, daß sie eine Abendteuerin ist—" „Lady Markham!" rief Wolga abermals in höchster Entrüstung. „Ich bringe die Beweise für jedes meiner Worte," fuhr die Anklägerin fort. „Sie hat ihren Geliebten in dieses Haus gebracht und ihn in Ihre Zimmer geführt, Lady Wolga! Er beschäftigt sich in diesem Augenblick jedenfalls damit, Ihre Juwelen zu stehlen. Das Mädchen ist die Verbündete eines Diebes!" Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie heftig die Klingel und befahl dem eintretenden Diener, mit einigen anderen Männern leise hinaufzugehen und die Türen zu Lady Wolgas Gemächern zu bewachen. „Das ist alles falsch! Ich glaube kein Wort davon!" erklärte Lady Wolga stolz. „Alexa, strafen Sie die An klage der Lady Markham Lügen—" Aber ein Blick auf Alexa ließ sie verstummen: Die Verwirrung, das Entsetzen in dem lieblichen Gesicht, der wilde Schrecken in den Augen des Mädchens — waren das die Zeichen gerechter Entrüstung? In diesem Moment wurden draußen laute Stimmen hörbar, und die Londoner Polizisten mit John Wilson an der Spitze, sowie die Constabler von Montheron drangen ins Haus und erschienen im nächsten Augenblick im Zimmer. „Wir suchen nach einem entsprungenen Verbrecher, Mylady," sagte einer der Polizisten mit einer respekt vollen Verbeugung vor Lady Wolga. „Wir haben ihn bis hierher verfolgt und glaubten, da uns seine Spur plötzlich verloren gegangen ist, daß er Eintritt in dieses Haus erlangt hat." „Nun! Was habe ich gesagt?" rief Lady Markham, und ihre Stimme zitterte vor Schadenfreude. „Der ent sprungene Verbrecher ist oben, in Lady Wolgas eigenen Zimmern, Ihre Juwelen stehlend. Seine Verbündete brachte ihn soeben herein. Folgt mir! Er kann nicht entrinnen!" Mit fast jugendlicher Schnelligkeit und vielem Geräusch schritt sie der Tür zu und ging den anderen voraus durch die Halle und die Treppe hinauf. Alexa, mit der Kraft eines verwundeten Rehes, welches noch einmal sich aufrafft zum letzten Fluchtversuch, eilte allen vorüber und flog die Treppe hinan. Lady Wolga, verwundert und ungläubig, folgte, und der Marquis und Mr. Dalton bildeten den Schluß. Die Gesellschaft drang in Lady Wolgas Boudoir, dann in das Ankleidezimmer. Der Flüchtling hörte seine Verfolger kommen. Er wußte, daß Flucht und Verbergung vergeblich waren. Seine Stunde war gekommen! Er stand mit verschränkten Armen in der Mitte des Zimmers und im vollen Scheine