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Erzgebirgischer Volksfreund : 23.10.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192510238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19251023
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19251023
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-10
- Tag 1925-10-23
-
Monat
1925-10
-
Jahr
1925
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 23.10.1925
- Autor
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8. fllr die durch die Witterungskaiastrophe 1925 Geschädigten die auf Grund der Witterungsschäden 1924 zunächst Lis 15. No vember 1925 gestundeten Steuern zu erlassen und anderweit steuerliche Erleichterungen bis zum vollen Erlaß zu gewähren; 4. Gewerbe- und Zugtiersteuer für die Landwirtschaft mit so fortiger Wirkung autzuhÄen. * * Zur Preissenkungsaktion. Die Abgeordneten Voigt, Schiffmann und Mitschke haben im Landtag folgende Anfrage eingebvacht: Di« Reichsregierung hat vor längerer Zeit eine Aktion zum Zweck« der Preissenkung eingeleitet und die Län- derregierungen zur Mithilfe aufgerufen. Was hat die Regie rung getan, um die Ziel« der Reichsregierung zu unterstützen, und welche Erfahrungen liegen hierin vor? * Der Reichsbund der höheren Beamten, der mit rund 100 009 Mitgliedern fast di« gesamte höhere Beamtenschaft des Reiches, der Länder und der Gemeinden umfaßt, hält seinen Bundestag am 8. und 9. November in Köln a. Rh. ab. Das Programm der Tagung weist neben den rein geschäftlichen Verhandlungen nur wenige, aber wichtige Punkte auf: Besol dungsfragen, Rückblick und Ausblick; Gleichstellungsfrage; Wissenschaftliche Fortbildung. , * Herabminderung der Kirchensteuer für die Landwirt schaft. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, hat sich die Landwirtschaftskammer mit einer ausführlichen Eingabe an das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium gewandt um möglichste Herabsetzung der Kirchensteuer für die Landwirt schaft unter Berücksichtigung deren wirtschaftlichen Notlage. Begründet wird die Forderung u. a. bannt, daß die Demes- sungsgrundlage für die Landeskirchensteuer — die Reichsein- konnnensteuer für das Jahr 1922 — eine viel zu hohe und un gerecht wirkende Heranziehung der einzelnen Kirchensteuer- pflichtigen zur Folge haben muß. Es wird fernerhin darauf aufmerksam gemacht, daß die deutsche Landwirtschaft sich genau wie die übrige Wirtschaft in einer schweren Krisis befindet, die unter Berücksichtigung der sonstigen Steuerlasten die meisten Betriebe für dieses Wirtschaftsjahr mit einem Defizit ab schließen läßt. Man erwartet von dem Landeskonsistorium eine möglichst umfangreiche Berücksichtigung dieser berechtigten Wünsche. * Wiederanffindung des Fayeschen Kometen. Der perio- dische Komet Fai)e, der eine Umlaufszeit von 7,4 Jahren hat, ist Lei der diesjährigen Wiederkehr am 9. Oktober von Dr. Bade von der Hamburger Sternwarte wieder aufgefunden worden. Der Komet steht im Sternbild des Krebses nahe dem Stern Beta Eancri und bewegt sich täglich um einen halben Grad nach Ostsüdost. Der Komet ist 13. Größe und zeigt einen kurzen Schweif. Da er bereits am 7. August im Perihel war, nimmt feine Helligkeit weiterhin ab. * Viehzählung. Am 1. Dezember 1925 findet eine Vieh zählung statt. * Aue, 22. Okt. Für die Kunstausstellung, die der Museums- verein vom 27. November bis 11. Dezember im Stadthaus ver anstaltet, sind bereits sehr viele Anmeldungen eingelaufen. Da die Aussteller nur eigene Arbeiten zeigen dürfen, die in Aue noch nicht ausgestellt waren, verspricht Liese Schau einen Ueiber- blick zu geben über den gegenwärtigen Stand der Kunst und des Kunstgewerbes- im Westerzgebirge. Falls noch Künstler und Kunstgewerbler im Bezirk Schwarzenberg sich beteiligen wollen, müssen sie sich schriftlich sofort bei Dr. Sieber, Aue, Kantstvaße 7, dem Vorsitzenden des Museumsvereins, anmelden. Grünhain, 22. Okt. Das 4jährige Söhnchen eines hie- sigen Einwohners stürzte rücklings in ein Gefäß mit kochendem Wasser und verbrühte sich dabei so schwer, daß es unter furcht baren Schmerzen verstarb. Beutha, 22. Okt. Der Handelsmann Fr. hat sich durch Erhängen entleibt. Finanzielle Sorgen dürften ihn zu diesem Schritt veranlaßt haben. Schönheide, 22. Okt. Auf dem Bahnkörper -wischen Schönheiderhammer und Eibenstock wurde ein junger Mann von hier t o t aufgefunden. Er hatte sich von dem aus Aue kommenden Personenzug überfahren lassen. Was den jungen Mann in den Tod trieb, konnte noch nicht festgestellt werden. Pöhla, 22. Okt. Gemeindeverordnetensitzung am 20. Okt. Zunächst wurde Kenntnis genommen vom Dankschreiben der Frau Pauline Weiß hier für di« seitens der Gemeinde Pöhla erwiesenen Aufmerksamkeiten anläßlich ihres 35jährigen Dienstjubiläums; von der Genehmigung des 16. Nachtrages zur Gemeindestsuerordnung über die Grunderwerbssteuer;" von dem Prüfungsbericht über die Kassenrevision am 21. 9.; von der Entscheidung des Wohnungsschiedsamtes Schwarzen berg in Wohnungssachen der Hausbesitzerin Keller und Weigel. Man beschließt, die fragliche Wohnung erneut zu beschlag nahmen. Ferner gelangte der Haushaltplan der Gemeinde- kaffe auf das Rechnungsjahr 1925/26 zur Vorlage; er wird kapitelweise vorgelesen und genehmigt. Eine Eingabe von verschiedenen Einwohnern betr. Ergänzung der Straßenbe leuchtung wird dem Dauausschuß überwiesen. Die Aufstellung von Warnungstafeln für den Kraftfahrverkehr im hiesigen Orte wurde ebenfalls dem Bauausschuß tibertragen. Wegen der Landabtretung an den Hausbesitzer Ullmann soll eine Be sichtigung an Ort und Stelle vorgenommen werden. Sodann wurden 11 Wohnungsgesuche behandelt, wovon der größte Teil mangels freier Wohnungen nbgelehnt werden mußte. Der vom Schulausschuß beschlossene Nachtrag zur Ortsschulord nung über die Einführung von Arbeitsstunden wurde gutge heißen. Cs folgte nichtöffentliche Sitzung, ** Oberwiesenthal. Vor einigen Tagen sind die ersten Silberfüchse in der am Südnbhange des Fichtelberges befind- lichen Silberfuchssarm angelangt. Damit ist gegenwärtig die zehnte deutsche Silbersuchsfarm ins Leben getreten. Die höheren Lagen des Erzgebirges eignen sich ganz besonders zur Errichtung von Silbcrfuchsfarmen. da sie die Gewähr geben, daß hier dis Felle der Farmfüchse an Gleichmäßigkeit und Glanz mindestens denen der wilden Füchse gleichkommen. ** Döbeln. Beim Wiederaufbau der abgebrannten Greußniger Müblmwcrko stürzte der Maurer Nollau aus Gärtitz vom Gerüst ab. Der junge Mann starb alsbald an den Folgen des Sturzes. ** Bautzen. Die Feldscheune des Gutsbesitzers Voigt in Canitz-Christiana ist mit etwa 1000 Zentner unausgedrösche- nem Roggen niedergebrannt. Konzerte, Theater, Vergnügungen. Lößnitz, 22. Okt. Sonnabend, den 24. Oktober begeht der Deutsche Sprachverein sein Stiftungsfest im Deutschen Haus durch Vortrag und Tänzchen. Stimmen aus dem Leserkreis. Schneeberg, 21. Okt. Der Bericht über die Staütverord- neten-Sitzung am 8. Oktober 1925 in Nr. 238 des „E. V." ist insofern unvollständig, als zum Punkte „Wettinbundes- schießen" alles das ausführlich behandelt worden ist, was man gegen mich vorgebracht hat, dagegen alles unerwähnt geblieben ist, womit ich die gegen mich erhobenen Vorwürfe widerlegt habe. Wer in die Sachs nicht genau eingeweiht ist, kann aus dem Berichte herausleisen, daß das, was ich schon in der Stadt verordnetensitzung vom 3. September 1925 über den Besuch des Präsidenten des Wettiuschützenbundes, Hrn. Justizrat Dr. Lehmann, ausgeführt habe, nicht der Wahrheit entspreche. Demgegenüber habe ich festzustellen: Hr. Juftizrat Dr. Leh- Dom Bücherlisch Vie ^Veltmarke bürgt für Ou»Itt2tl Der keifen für kskrrsd, >lotorrs6 und Automobil mann Kat mich am 5. August 1925 besucht und sein Bedauern über die Vorkommnisse ausgesprochen, die mich zum Fern- bleiben vom Wettinbund«s schießen veranlassen mußten. An dieser Tatsache kann auch die in der Stadtvevortmetensitzung vom 8. Oktober 1925 von Hrn. Stadtv. Hermann Geovgi ver lesene Stelle aus einem Briefe des Hrn. Bundespräsidenten nichts ändern. — Ferner lege ich Wert auf folgende Fest- stellung: Der Stadtverovdnetenbericht gibt richtig eine Be merkung des Hrn. Stadtv. Hermann Georgi wieder, der gesagt hat, die sozialdemokratische Entschließung sehe sehr nach bestell ter Arbeit aus. Der Bericht erwähnt aber nicht, daß ich mich gegen dies« Aeußerung verwahrt habe, wenn sie so gemeint sein sollte, 'daß ich selbst die sozialdemokvatische Entschließung veranlaßt hätte, und daß Hr. Stadtv. Geovgi darauf erklärt hat, er habe das nicht behaupten wollen. — Wenn ich diese Er- klärung erst heute abgeben kann, so liegt es daran, daß der Stadtvat auf seins an Hrn. Stadtv. Hermann Georgi bereits am 10. d. M. gerichtete Bitte um abschriftliche Mitteilung der aus dem Briefe des Hrn. Justizrat Dr. Lehmann verlesenen Stelle erst am 17. Oktober d. I. den Bescheid erhalten hat, daß die Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft nicht mehr im Besitze des Briefes sei, sondern ihn an den Empfänger zurückgegeben habe, und daß ich anschließend durch eine Dienstreise verhindert war, die vorstehende Erklärung eher abzugeben. Dr. Kleeberg, Bürgermeister. " Ein neues Buch von Arno Holz. „N « u n L i e b e sg ed i cht e" non Arno Holz bringt soeben die Gesellschaft der Freunde der Deutschen Bücherei zu Leipzig ihren Mitgliedern als Iahresgabe für 1924 dar. Es handelt sich hier um einen Ausschnitt aus dem Lebens werk des Dichters, dem „Phantasus". In freien Rhythmen entfallet der Dichter einen Glanz und Reichtum der Sprache und zeigt zugleich eine Tiefe und Echtheit des Empfindens, die in -er modernen deut schen Lyrik kaum ihresgleichen haben. Den Freunden der Deutschen Bücherei wird durch dieses Buch ein kostbares Geschenk gemacht, dessen literarischer Wert durch eine feinsinnig« Einleitung von Dr. Hans W. Fischer noch erhöht wird. Auch als Werk erlesenster Buch kunst verdient die jüngste Iahresgabe der Deutschen Bücherei beson dere Beachtung uns wird das Entzücken jedes Bibliophilen wecken. Das Buch ist in einem großen Format, wie es Lie eigentümliche Ders- form des Dichters verlangt, in Breitkopf-Fraktur von der Offizin Breitkopf L Härtel in Leipzig auf „Ian Wellem-Papier (I. W. Zan ders, Bergisch-Gladbach) gedruckt und von dem bekannten Berliner Graphiker Max Hertwig mit charakteristischen Holzschnitt-Vignetten geschmückt. Da das Werk nicht in den Buchhandel gelangt, sondern nur den Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde .der Deutschen Bücherei zugesandt wird, und zwar gratis als Gegengabe für ihre Mitgliedsberträge, dürfte es der Gesellschaft der Freunde, die bereits, wie aus dem Druckvermerk am Schluss« des Buches zu ersehen ist, über 4000 Mitglieder zahlt, voraussichtlich viel« neue Mitglieder zu führen, zumal ein jeder die Mtgliedschaft gegen einen Jahresbeitrag von zur Zeü 1v Alk. erwerben kann. Die Ringe. Skizze von Grete Massö, Hamburg. Ernst Holler liebte die junge Eleonore Breuning. Lr wartete nur auf eine Gelegenheit, es ihr zu sagen. Die ergab sich nicht so leicht, da es ihm nicht gelingen wollte, ein Allein sein mit dem Mädchen herbeizuführen. Immer, wenn er bei ihr war, gab es Störungen irgendwelcher Art in dem kinder reichen Haus ihrer Eltern, das noch dazu ein so gastliches Haus war, daß jedermann, der mit den Breunings nur lose bekannt war, es als eine Art Wirtshaus ansah, in das man eintreten konnte, wann man wollte. Es war ein schöner Sommervormittag, als Ernst durch die Straßen der Stadt schlenderte. Ganz plötzlich ging aus dem eben noch so blauen Himmel ein prasselnder kurzer Sommer cegen nieder, der in wenigen Minuten Straßen und Fahrdamm überschwemmte. Alles suchte Zuflucht in Haus- oder Torein gängen. Die Straßen waren so leer, als wäre mit einem ge waltigen Besen alles von ihnen fortgefegt, was sich auf ihnen bewegt hatte. Auch Ernst fand Zuflucht in einen Hauseingang. Durch eine Glasscheibe sah er in einen Iuwelierladen hinein. Gerade vor ihm stand ein Karton mit Trauringen. Er betrachtet sin nend die glatten goldenen Reifen, die bestimmt sind, das äußere Symbol für den Hcrzensbund zweier Menschen, die sich lieben, abzugeben. Der Einfall' kam ihm, zwei dieser Ringe zu erwerben. Es mußte schön sein, Eleonoren einen solchen Ring an die-linke Hand zu stecken, wenn sie bereit war, sich mit ihm zu verloben. Ein wenig abergläubisch wie er war, schien es ihm sogar möglich, daß diese Ringe, wenn er sie bei sich trug, die Gelegenheit zu einem Alleinsein mit Eleonore, die er so ost vergebens herangesehnt, fördern könnten. ,Haben Sie die Absicht, diese Ringe zu kaufen?" fragte plötzlich eine Stimme neben ihm. Erschrocken sah er auf. Dicht hinter ihm stand die Pianistin Marie Balk. Ihre schwermütigen braunen Augen sahen ihn, wie es ihm schien, belustigt und zugleich spöttisch an. Er wagte nicht, seine eben noch gehegte Absicht, die Ringe zu kaufen, einzugestehen. „Es ist auch besser, Sie tun es nicht!" sagte Marie Valk. „Ein solch' kleiner, goldener Ring kauft sich so einfach und leicht. Man ahnt es nicht, daß man mit ihm ein Schicksal nach Hause tragen kann, das einen wie ein schwerer Mühlstein in di« Tiefe hinabzuziehen vermag." „Diese kleinen, goldenen Ringe würden niemals gekauft werden, wenn jeder Ihre Einsicht und Ihren Pessimismus hätte, meine Gnädige." Ueber das weiße, schöne Gesicht ihm gegenüber zog ein dunkelnder Schatten. „Die Erkenntnis kommt immer erst zu spät. Sie wissen, daß ich geschieden bin. Es hat Jahre gedauert, bis ich von solchem Ring, den ich im Glück und lachenden Uebermut über den Finger gestreift, wieder frei geworden bin." „Vielleicht war es die rechte Liebe nicht, die ihn gab," fast» Ernst- „Vielleicht nicht," antwortete Marie Valk ernsthaft. „Aber oer kann sa^n, ob die Liebe, die der Mann hegt, die richtige ist oder nicht. Uebrigens — der Regen hat aufgehört, wenn Sie mich ein Stück begleiten wolkn." Er ging neben ihr bis zu der zweistöckigen Dilla, deren Erdgeschoß sie bewohnte und in der er sie, während sie am Klaviere spielte, oft mit feiner Geige begleitet hatte. Als sie sich am Gartentor trennten, forderte sie ihn auf, sich doch wieder einmal zum musizieren bei ihr einzustellen. Er versprach es und ging dann denselben Weg zurück, den er gekommen. Beim Juwelier kaufte er die beiden teuersten Derlobungsringe, die im Laden zu erstehen waren. Es war wirklich, als ob die Ringe imstande wären, die Gelegenheit herbeizuführen, die Ernst ersehnte. Es schien in der Vreuningschen Familie auf einemal ein schweigendes Uebereinkommen zu sein, dem jungen, vermögen den Bewerber Gelegenheit zu grbcn, seine Werbung anzu bringen. Die vielen Verehrer, die Eleonore Breuning bisher umschwärmt, wurden von ihr offensichtlich schlecht behandelt. Ernst Holler sch, daß er täglich an Terrain gewann. Es wäre ihm jetzt ein leichtes gewesen, dem schönen Mädchen seine Liebe zu bekennen. Er war oft genug mit ihr allein. Merkwürdig aber — jedesmal, wenn er anfangcn wollte, zu sprechen, verschloß ihm irgend ein Etwas den Mund. Schwer wie Steine fühlte er auf einmal die beiden leichten goldenen Ringe, die er, seitdem er sie erstanden, immer in der oberen Westentasche trug, auf seiner Brust lasten. Zwei schwermütige Augen, aus irgendeiner nebelhaften Ferne herkommend, schie nen ihn anzusehen und zu sagen: „Ein solcher kleiner, goldener Ning kauft sich so einfach und leicht. Man ahnt nicht, daß man mit ihm ein Schicksal nach Hause tragen kann, das einem wie ein schwerer Mühlstein in die Tiefe hinabzuziehen vermag." Er war über sich selbst ergrimmt, Nun, da er seinem Ziele so nahe war, griff er nicht zu. War das Mädchen nicht wunderschön, jung, gebildet, talentvoll und guten Gemüts? Liebte er sie nicht heiß und voll Leidenschaft? Warum zauderte er, über den Ringfinger ihrer linken Hand den goldenen Ring zu streifen, der sie und ihn miteinander verband? — Heute, heut« tue ich es gewiß, dachte er an einem Abend, an dem er dem Vreuningschen Hause zuschritt. Er ging durch den großen Garten. Ferne, in einer Laube, sah er ein Helles Kleid durch das Laubwerk schimmern. Dort sitzt Eleonore, dachte er. Ich will leise hinter sie treten, ihre Hand nehmen und ihr den Ring an den Finger stecken. Mit unhörbarem Schritt kam er über den Rasen. Da ver nahm er Stimmen aus der Laube. „Du mußt vernünftig sein, Lieber," sagt« Eleonore. „Auch wenn ich verheiratet Lin, werde ich nicht aufhören, dich zu lieben." „Ich weiß nicht, was in Euch alle gefahren ist!" antwortete eine Männerstimme. „Erst habt Ihr die Annäherung dieses Holler alle miteinander nach Möglichkeit verhindert und hinter trieben. Nun auf einmal nehmt Ihr ibn auf, drängt Euch tbm förmlich auf." „Lieber Fritz, Papa war falsch orientiert. Er erhielt sehr faule Nachrichten Uber einen gewissen Holler, der ein Spieler und Verschwender sein sollte und der das väterliche Erbteil durch gebracht hatte. Da befahl Papa, daß ich Ernst Holler abfallen lasse. Aber es klärte sich auf, daß der Mann, von dem die Rede war, ein entfernter Detter unseres Holler war. Der unsere ist der künftige Majoratsherr und EÄe der väterlichen Besitztümer. Du verstehst, da gab es kein Besinnen, Papa befahl. Ich mußte gehorchen." Ernst Holler ging über den Rasen zurück und dämpfte den Schritt nicht mehr. Di« Gartenpforte fiel hart hinter ihm ins Schloß. Als er über eine Brücke kam, wollte er die beiden Ringe, die er in der Hand gehalten, in den Fluß werfen. Aber er besann sich und steckte sie ruhig an ihren gewohnten Platz zurück. Die vier Jahreszeiten waren an der Dilla vorbeigezogen, in der Marie Dalk lebte. Es war wieder Sommer und ein Abend, so friedlich und voll stillem Zauber, als gäbe es in der Welt draußen nicht Wirrnis und Kampf, Sturm und Unge witter. Ernst Holler und Marie Dalk hatten musiziert, wie sie es seit vielen Monaten fast täglich taten. Es war Holler zur Gewohnheit geworden, nach getaner Arbeit mit Marie alles durchzuspielen, was sie an Notenmaterial den Tag über auf den Flügel gelegt. Nach dem Abendessen, als sie «ine Stunde musiziert, schlug Holler vor, noch ein wenig im Garten auf- und abzu wandeln. Unter den Bäumen nahm er, als wäre es das Natürlichste von der Welt, ihren Arm in den seinen. Durch die Baumkronen, unter denen sie dahinwandelten, kam matt- flimmerydes Sternenlicht. Der Duft -er Nacht stieg aus der Erde, den Rasenflächen, dem Gesträuch. Schweigen war um sie her. Schweigen entstandniuf einmal auch- zwischen ihnen. Da zog Holler die Frau zu sich heran und küßte sie viele Male auf den Mund. Marie legte den Arm um seinen Nacken und gab ihm den Kuß zurück. * Auf einer Bank nahmen sie Platz und sprachen davon, wie lange es doch gedauert, bis sie sich ihrer Liebe bewußt geworden und wie Ernst fast einen bösen Irrweg gegangen wäre. Marie, die ihren Kopf an Hollers Brust gelehnt, richtete sich auf und sagte: „Was hast du denn so Hartes in deiner oberen Tasche, das mich drückt?" Er zog ein farbiges Seidenpapier hervor und schlug es auseinander. Zwei glatte, goldene Ringe flimmerten im Mon- denschein. Ernst sah fragend in Mariens Augen. Da lächelte sie, nahm einen der Ringe und steckte ihn an ihren Finger. „Du wagst es doch?" fragte er. „Erinnerst du dich nicht mehr der Worte, die du mir während des prasselnden Sommer regens über solche-Ringe gesagt?" „Ich wage es, Ernst", lächelt« sie, „denn heute, beute fühlt es mein« Seele, daß es die rechte Liebe ist, die mich durch den Ning an einen Mann fesseln will." Da steckte Ernst Holler den zweiten Ring an seine eigene Hand.
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