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«r. 248. 23. Oktober 1S2S. Erzgebirgischer DolkssreunS. Verlag L. M. Gärtner. Aue. 2. Beiblatt. Das Mlelerschutzgesetz. Don G. Buetz, .Dessau. Der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft nimmt ständig zu und die Lockerung der bisherigen Schutzbestimmungen ruft Beunruhigung in den Kreisen der Mieter hervor. So hat die Regierung dem Reichsrat einen Gesetzentwurf zur Abänderung Les Mieterschutzgesetzes vorgelegt, der kürzlich im Reichsgesetz blatt veröffentlicht worden ist. In Kreisen der Mieter ist vielfach die Ansicht verbreitet worden, daß diese Be stimmungen wesentlich zu ihren Ungunsten lauten. Dies ist indessen nicht der Fall, dem Mieter verbleiben die ihm heute noch notwendigen Rechte. Es ist nur eine Lockerung der Schutz bestimmung für genau bestimmte Fälle eingetreten. Der Ent wurf hält vollkommen an den früheren Bestimmungen fest, die eine Kündigung der Wohnräume von Seiten des Ver mieters nicht zulätzt. Nach wie vor kann gegen seinen Willen einem Mieter die Wohnung nur dann genommen werden, wenn eine Rechtsentscheidung vorliegt und diese ist weiterhin an bestimmte Voraussetzungen gebunden und tritt nur für einzelne Fälle ein. Allerdings sind diese Voraussetzungen zu gunsten >des Vermieters geändert worden. Bisher konnte der Vermieter das Mietsverhältnis im Wege einer Klage ausheben, wenn der Mieter in Zahlungsverzug geraten war. Er konnte dies jedoch nur dann, wenn die rückständige Miete den Betrag von „zwei" Monaten erreicht hatte, wenn monatliche Zahlung vereinbart war. War vierteljährliche Vorauszahlung verein bart, dann konnte eine Klage nur dann erhoben werden, wenn in vier Monaten die rückständige Miete nicht gezahlt wurde. War keine Vorausbezahlung ausbedungen, konnte die Klage nach einem Monat erhoben werden. Heute kann für eine Wohnung, die monatlich zu bezahlen ist, schon dann die Klage erhoben werden, wenn -er rückständige Mietzins den Betrag einer Monatsmiete ausmacht. Eine Aufhebungsklage ist zur Erreichung der Wohnungsräumung aber stets notwendig. Wenn vierteljährlich gezahlt wird — hierbei ist es kleichgültig, ob im voraus oder nachträglich die Zahlung erfolgt — dann kann die Aufhebungsklage jetzt schon nach zwei Wochen nach dem Fällig keitstermin der Miete erfolgen. Ist eine Aufhebungsklage er folgt, dann kann sie gegen den Willen des Vermieters vom Mieter nur dann beseitigt werden, wenn der fällige Zahlungs betvag innerhalb von zwei Wochen nach der Klageerhebung an den Vermieter abgeführt wird. Eine weitere Verschlechterung der Lage des Mieters ist insoweit eingetreten, als man die Grsatzroumfrage zugunsten des Vermieters änderte. Wenn einer Aufhebungsklage infolge von Zahlungsverzug statt- gegeben wird, dann scheiterte bisher die Räumung Ler Woh nung zumeist an der Forderung -er Stellung von Ersatz- räumen durch den «Vermieter. Heute wird das Freiwerden der Wohnung nur noch unter gewissen Voraussetzungen an der Stellung von Ersatzräumen scheitern. Einen Rechtsanspruch auf die Stellung von Ersatzräumen durch den Vermieter hat der Mieter heute nur noch dann, wenn er in den Zahlungs verzug durch eine unverschuldete Notlage geraten ist. Unver schuldete Notlage 'soll nach den gesetzlichen Bestimmungen in sonderheit dann anzunehmen sein, wenn der Mieter auf Grund der Erwerbslosenfürsorge oder anderer Unterstützungsbestim mungen infolge seiner Hilfsbedürftigkeit Unterhvltsleistungen erhält. Gin weiteres Entgegenkommen für den Vermieter bringt die Novelle insoweit, als auch bei unverschuldeter Zah lungsunfähigkeit ein Anspruch auf Ersatzraum dann nicht ge geben ist, wenn die Beschaffung für den Vermieter eine un billige Härte bedeutet. Diese Bestimmung dürfte aber von seilen der Richter so gehandhabt werden, daß man einen Aus gleich zwischen der Notlage des Meter und dem Begriff der Härte für Len Vermieter zu finden suchen wird, d. h. die un billige Härte wird nur im äußersten Notfall zur Anwendung gelangen. Ob eine Räumung alsdann wirklich vorzunehmen ist, ist ohne weiteres nicht zu sagen, bekanntlich hat sich viel- fach schon jetzt der Modus herousgebildet, daß die Polizei die aus der Wohnung durch Gerichtsbeschluß zwangsweise ent- iten Mieter auf Grund ihrer Bestimmungen in die gleiche >nung wieder einsetzt. Schon aus diesem Grunde wird das ,.-terliche Urteil nur sparsam auf Zuerkennung der Räume lauten, wenn eine unverschuldete Notlage die Nichtzahlung des Mietzinses hervorrief. — Noch eine Neuerung sei erwähnt: Nach den bisherigen Bestimmungen scheiterte die Räumung der Wohnung fast durchgehend an der Ersatzraumsrage. Mußte doch der Vermieter, der aus eigenem dringendsten Interesse eine Räumung der ihm gehörenden Wohnung durchsetzen konnte, dem Mieter Räume zur Verfügung stellen, welche den bisherigen an Zahl und Lage „angemessen" waren. Jetzt ist es nur noch notwendig, einen ausreichenden Wohnraum zu stellen. Ja selbst die Bereitstellung eines ausreichenden Ersatz raumes kann dann unterbleiben, wenn der Vermieter nach weist, Loß den: Mieter hierdurch keine unbillige Härte zugvfiigt wird. In der Praxis dürfte dieser Nachweis dem Vermieter allerdings nur in den seltensten Fällen möglich sein. Eine Härte muß darin erblickt werden, daß dem Mieter eine Wahl oder eine Beanstandung des ihm zur Verfügung gestellten Er satzraumes so gut wie nicht gegeben ist. Hat er Loch gegen die Auswahl der Wohnung keinerlei Rechtsmittel. Es ist sehr zu hosfen, daß von feiten der entscheidenden Instanzen die Frage mit aller Sorgfalt geprüft wird, ob für den Vermieter wirklich ein so -ringendes Bedürfnis vorliegt, daß ihm das Recht zu erkannt wird, dem bisherigen Mieter gegen seinen Willen die Wohnung zu nehmen. Es muß betont werden, daß die Ent scheidung, ob ein Aufhebungsgrund vorliegt, in jedem Falle nur dem Gericht zugebilligt ist. Auf Prozesse, Lie bei dem In krafttreten der neuen Bestimmungen zum Mieterschutzgeisetz schon rechtsanhängig waren, finden die jetzigen Bestimmungen bereits ihre Anwendung. Es ist damit zu rechnen, daß die neuen Vorschriften eine erhebliche Anzahl von Aufhebungs prozessen herbeiführen werden. Die Verhältnisse liegen nun aber durchaus nicht so, daß der Vermieter heute in dem Glauben leben kann, von den ihm lästigen Bestimmungen -er Wohnungs Zwangswirtschaft im erheblichen Maße befreit worden zu sein. Die immer noch herrschende Wohnungsnot bringt es mit sich, daß dem Mieter nach wie vor ein ziemlich weitgehender Schutz zugebilligt werden muß. Man muß sogar annehmen, daß der Räumungsklage in manchen Fällen heute viel weniger stattgegeben wird, als zuvor, da zuvor die Un möglichkeit, einen Ersatzraum zu stellen, den Mieter an sich schon schützte. Mes aber ist, wie ausgeführt wurde, heute in dem früheren Umfang nicht mehr der Fall. Für gewerbliche Räume besteht überhaupt dein Anspruch auf einen Ersatzraum mehr, wenn der Vermieter Len gewerblichen Raum selbst dringend benötigt und ihm durch eine Räumungsklage die Be nutzung zugesprochen wurde. Nur wenn der Mieter Nachweisen kann, daß die Fortführung seines Betriebes im öffentlichen Interesse notwendig ist, kann er einen Anspruch auf Ersatz- raum erlangen. Dieser Nachweis wirb nur in Len seltensten Fällen zu führen sein. OerlNche Angelegenheile«. Der Serbstblumengarten. Goldener Sonnenschein flutet über den bunten Teppich blühender Asternbeete. Mariensäden spinnen einen zarten Silberschleier über die purpurnen Feuerzungen der von wil- dem Wein umrankten Gartenlaube. Gleich einem verträum- ten Märchen, einer verwunschenen Zaubsrhütte liegt sie auf -er smaragdgrünen Rasenfläche, umwoben von leuchtendem Glanz üppig prangenden Herbstlaubes. Bäume und Sträucher prangen im gleißenden Datikgewande. Die Farbensymphoni« des Herbstes schwingt in gewaltigen Akkorden. Ein Vogel singt ein leises Lied. In bleicher Schönheit blüht mn Dornenzweig die letzte Rose still am Wegesrand, eine Melodie in Moll, ein Wermutstropfen, inmitten der feu rigen Pracht gleißenden Herbstlaubes. Tautropfen blitzen gleich funkelnden Brillanten auf den zarten Blütenblättern, gleich Tränen beim Abschiednehmen. Traurig läßt sie ihr Köpfchen hängen, als weine sie dem Lenz, dem Sommer nach, der ihren Schwestern Freuden überschwänglichen Glückes be schert hatte, die auf prunkvollen Festen elegante Frauen schmückten, die wohlgeordnet zum Strauß ihren süßen Duft verbreiten durften. Im kalten nassen Nebel geboren, harrt die letzte Rose vergebens auf ein spätes Glück. Eine alte Dame geht auf einen Stock gestützt durch den Garten, schneidet Blumen von den Asternbeeten und bricht dis letzte Blüte vom Rosenbusch. Der Vogel singt nicht mehr. Gin pausbäckiger Kinderkopf blickt neugierig über di« Gartenmauer, greift mit seinen Händen in die emporragenden Trauben. Bunte Blätter fallen von den Bäumen. Geheimnis voll raschelt es in allen Ecken und Winkeln. Ein Maulwurf wirft einen kleinen Hügel auf und gräbt sich tiefer in die Erde. Es ist Herbst; der Winter kommt. Ein Windstoß läßt die gelben, roten und braunen Vögel flattern. Sie ziehen davon, nicht nach dem fernen Süden, sondern ins Reich der Ewigkeit. Dann ist «es kalt und einsam in der Welt. Verödet liegt dann der Blumengarten Hinterm Hause. Verschwunden die Pracht! Verschwunden der Märchenzauberl * * Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft. Me deutsch nationalen Landtagsabgeordneten Bauer, Schreiber, Dr. Troll haben im Landtag folgenden Antrag eingebracht: Der Landtag wolle — auf Grund der vorliegenden amtlichen Feststellungen über die diesjährige Mißernte in den mittleren und höheren Lagen — beschließen, die Regierung zu ersuchen, 1. für die durch -is Witterungskatastrophe 1925 Geschädigten die aus Anlaß «der vorjährigen Mißernte gewährten Saatgut- und Düngvmittelkredite bis Ende 1928 so zu verlängern, -aß die Rückzahlungen in drei gleichen Raten, beginnend Ende des Jahres 1926, erfolgt und bis zur Beendigung des Wirtschafts jahres 1925/26 Zinsen nicht erhoben werden; 2. für die durch die Witterungskatastrophe 1925 Geschädigten Saatgut- und Düngemittelkredite und außerdem Kredite zur Beschaffung von Futtermitteln in gleicher Weise wie im Vorjahre bereitzustellen; Das Kaus -er Grimaldi. Ein Roman aus Oberbayern und Lem Fürstentum Monaco von Richard Voß. (Nachdruck verboten.) (22. Fortsetzung.) Scholastika machte sich für den Grafen nicht schön. Sie ließ sich von Zenz — was war aus Ler alten guten Zenz im Schloß von Monaco für eine heimwehkranke Seele geworden — das weiße Seidenkleid bringen, Las lächerlich schlicht und unmodern war, und den prachtvollen Strauß Parmaveilchen steckte sie nicht an. Sie speiste allein mit dem Grafen, bedient von dem groß artigen Haushofmeister in schwarzseidenen Kniehofen, schwarz seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen, sowie von zwei Lakaien in der dunkelvioletten gräflichen Livres mit reichem Behang von Silberschnüren. Was die Toilette betraf, so er reichte Scholastika ihre Mstcht, sich für den Grafen nicht schön zu machen, indes ganz und gar nicht. Das erste, was der Graf, als er sie zu Tisch führte, mit unterdrückter Stimme zu ihr sagte, war: „In diesem Kleide sah ich Sie am ersten Abend. Ich werde es nie vergessen und danke Ihnen, daß Sie das keusche Gewand heute anlegten, gerade heute! Darf ich mir schmeicheln, daß Sie es für mich taten?" Scholastika fand die Ruhe, ablehnend zu antworten: „Sie irxen. Gerade heute wollte ich Ihnen, der Sie nur elegante Frauen bewundern, möglichst unelegant erscheinen. Ueberhaupt würde nrir niemals einfallen, für Sw eigens Toilette zu machen. Wie kommen Sie darauf?" „Jedenfalls bewundere ich Sie, was Sie mir zum Glück nicht verbieten können ... Wie reizend, daß gerade heute kein« Gäste anwesend sind und der Kaplan verhindert ist!" Darauf plauderte er aus das harmloseste über alles mög liche. Schweigend hörte Scholastika zu. Auch jetzt wollte sie sich gegen den Eindruck, 'dm der große Lhanneur auf sie machte, wehren, mußte sich jedoch auch heute widerstrebend gestehen, daß er die nationale Eigenschaft der Franzosen, Liebens- Würdigkeit, in höchstem Maße besaß; ja daß er in dieser Kunst Meister war. Dann bot er ihr den Arm und führte sie in den kleinen intimen Raum, in dem -er Kaffee eingenommen und eine Zigarette angesteckt wurde. Jetzt erst richtete Scholastika ihre Botschaft aus: „Yvonne ist müde und läßt Ihnen Gutenacht wünschen. Ich glaube, sie würde sich freuen, wenn Sie nach ihr sehen wollten. Sie war heute den ganzen Tag Uber ein sam. Da Sie jedenfalls nach Monaco fahren, sage ich Ihnen jetzt Gutenacht." „Ich werde sogleich zu meiner holden Einsmnen eilen — da meine Kameradin es wünscht; werde diese jedoch als Lohn für meinen Gehorsam bitten, mich hier zu erwarten; werde sie bitten, mir den Abend zu schenken. Ich möchte Ihnen nämlich aus meinem Lieblingsdichtev vorlesen, und Sie würden mich glücklich machen, heute meine Zuhörerin zu sein." „Aus Ihrem Lieblingsdichter? Wer ist das?" „Mistral. Sie müssen seine Mireio kennen lernen. Es ist das Hohelied der Provence, deren Lüfte uns hier schon umwehen, deren Düste wir hier bereits atmen. Wenn die Deutschen ihren Faust und ihr Gretchen haben, so besitzen wir Südfranzosen unsre Mireio, Las keuscheste, lieblichste, won nigste Geschöpf, das eines wahrhaft heiligen Liebestodes stirbt . . . Würden Sie mir das Glück dieser einen Stunde gewähren? Gerade heute?" Sie gewährte, „gerade heute!" 16. Die Provence, die sonnendurchglühte Heimat der Trou badoure, der Sänger todbereiten Heldentums und ausschwei fender Liebesromcmtik, Las Vaterland des edeln Bertrand de Born und Mistrals, des Dichters der „Mireio" — Es war dieser hohe Geist, -essen Bann Scholastikas erregtes Empfin den verfiel. Der Graf war des Provenzalischen vollkommen mächtig und las das Hohelied keuscher Liebe mit seiner weichen, wohllautenden Stimme in französischer Uebersetzung. So hingen denn Scholastikas Augen an seinen Lippen und ihr« Seele trank di« herrlichen Strophen der durch einen Dichter von Gottes Gnaden verklärten Liebe der holden armen Mreio atz süßes Gift. Das war eine andre Lektüre als die, welche die Zöglinge der vornehmen Brüsseler Ml- dungsanstalt einander zugesteckt und mit heftig pochendem Herzen und heiß pulsierendem Blut heimlich gelesen hatten: di« mystische Sinnlichkeit der Dramen Maeterlincks und die den jungen Gemütern unverständlichen Vers« Baudelaires und Verlaines, oder gar eine der Novellen Maupassants. Yvonne war schnell wissend geworden, Scholastika in rührender Naivität unwissend geblieben. Gerade das war ihr Reiz, besonders für einen Mann, wie der Graf es war, der solche Frauen bisher Nicht gekannt hatte . . . Aus dem einen Leseabend wurden viele. Schon beim Er- wachen freute sich Scholastika darauf. Sie träumte von Mireio, hörte die Stimme des Vorlesers im Traum, lauschte auf ihren Wohllaut. Auch der Graf erwartet« di« abendlich« Stunde voller Ungeduld. Lr las vortrefflich und es war ihm etwas ganz Neues, das schöne junge Antlitz zu dem seinen aufgehoben zu sehen, glaubte er doch, seiner Sache sicher zu sein und sich durch die Herrlichkeit des Dichters derjenigen bemächtigen zu können, über deren Seele er Gewalt gewinnen wollte: in den Augen der Reinen konnte ein Mann, der mit solcher Inbrunst einer großen Dichtung sich hingab, kein un edler Mensch sein. Und Yvonne? Sie war ausgeruht, blühte in jugendlicher Lieblichkeit und in rosigster Laune, war die Holdseligkeit selbst gegen di« Freundin, den Liebling sowohl wie gegen den Gatten. Un immer war sie strahlend wie die Sonne des Südens. Eines Abends sagte sie den beiden: „Wie gut ihr zuein ander paßt! Es ist wonnig, euch zusammenzusehen. Was für eine kleine Hexe du bist! Zu denken, daß Charles selig ist — denn das ist er — stundenlang stillzusitzen und dir vorzu lesen. Dieses ganze dicke Buch! Lauter Verse! Nicht einmal modern« Verse! Dumm, wie ich bin, versteh ich nicht, wie man das schön finden kann. Das ist natürlich meine Schuld, weil ich solch unausstehliches modernes Geschöpf bin. Liebling da gegen ist altmodisch, was ihr entzückend steht. Sie sollte sich abends einen Deilchenkranz aufsetzen, was zu eurer holden Mireio herrlich passen würde. Ihr könntet auch beide proven- zalisches Schäferkostüm anlegen: Charles als schmachtender Schäfer zu Füßen seiner Schäferin, ein Bild frommer Un- schulo . . . Din ich nicht allerliebst, euch solchen idyllischen Vorschlag zu machen? Lest! Lest! Aber seid nicht böse, wenn ich dabei einschlafe. Charles liest wunderhübsch, für meinen Geschmack etwas zu pathetisch. Es bleibt ein Wunder, daß er dir vorliest, statt nach Monte Carlo zu fahren. Gestern war er sogar ernstlich böse mit mir. Stelle dir vor: ernstlich böse war Ler schlimm« Mann mit seiner armen kleinen Frau, weil ich Gäste haben, er aber allein bleiben wollte, was gewiß reizend, aber doch schauderhaft langweilig ist." Sie blieben allein und -er Graf las — Im übrigen blieb es bei dem gewohnten Leben, dem Leben der großen Welt. Es waren Tag für Tag dieselben Zerstreuungen, Vergnügungen genannt, waren Tag für Tag dieselben Besuche und Ausfahrten, Dejeuners und Diners, Konzerte und Bälle in Monte Carlo oder in der Jettes von Nizza. Dazu kamen Regatten in Menton«, Rennen in Nizza, Karnevalumzüge, Spiel im Kasino und sonst allerlei Feste. Das Hauptinteresse galt stets irgend einer gesellschaftlichen Sensation: -em Rennen, dem Spiel, der letzten Mode oder den Verhältnissen des Grafen T. zur Marquise Z.; galt der Liaison des Fürsten Soundso zu einer von „diesen Damen". Man sprach davon, wie man vom Wetter sprach. - (Fortsetzuna folgt.)